"Zuvor war er in Baiae bei seiner Großmutter Agrippina,"
nuschelte Gracchus hinter seiner Hand hervor, weshalb womöglich nicht ganz so deutlich aus seiner Stimme sprach, was er von dieser Option hielt. Ein Kind dieses Alters sollte fern der Familie aufwachsen und sich ganz auf seine Bildung konzentrieren, weder von seiner Großmutter verwöhnt, noch von ihrem zerfressenden Ehrgeiz gedrängt werden. Womöglich war auch Rom diesbezüglich keinen Deut besser für Serenus, denn auch hier lauerte die Familie omnipräsent, doch zumindest setzte hier niemand dem Jungen Flausen über den kaiserlichen Titel in den Kopf, die zwar zu gegebener Zeit möglicherweise durchdacht werden sollten, doch war diese Zeit für Serenus längst nicht gekommen und darauf, dass der Imperator kindliche Träumereien, welche ihn von seinem Thron stürzen wollten, nachsah, darauf sollte man bei Ulpius nicht bauen, vor allem nicht hinsichtlich der flavischen Familie, welche diesbezüglich bereits vorbelastet war. Mit einem gewaltigen Seufzen, nicht nur ob dieses Umstandes, ließ Gracchus seine Hand und gleichsam seine Schultern sinken. Er verzog seine Miene und seine Stimme bekam einen beinahe als weinerlich zu bezeichnenden Unterton, für dessen Plazet er sich zuvor mit einem hastigen Blick vergewissert hatte, dass Serenus bereits fort war, denn obgleich er seinem Vetter nichts verheimlichen brauchte, so galt dies nicht für seinen Neffen, für welchen Aristides ihn als Vorbild auserkoren hatte.
"Es ist dieser Zahn. Seit Tagen, ach, was sage ich, Wochen schon, lässt er mir keine Ruhe. Er pocht und er schmerzt, raubt mir jegliche Freude am Essen und ganz besonders hartnäckig äußert er sich des Nachts. Der Schmerz zieht dann durch die gesamte Backe, bis in meinen Kopf hinein, von welchem ich dann glaube, er müsse jeden Augenblick zerbersten in tausende und aber tausende Splitter, und bei den Göttern, nicht selten wünschte ich dann, es würde sich so ereignen, um der qualvollen Pein zu entgehen. Ein Amulett liegt bereits unter meinem Kissen, ich spüle den Mund mit saurem Essigwasser, hernach mit einem gar widerlichen Kräuterzeug, lege noch widerwärtigeres Kräuterzeug um den Zahn herum, den ganzen Tag schmecke ich schon nichts anderes mehr als diesen bitteren Geschmack und es kommt mir bald die Galle hoch, wenn ich dies noch länger muss ertragen, doch gleichsam ist es nichts im Vergleich mit dem Augenblick, wenn der Schmerz mir durch den Kopf reißt. Ich verliere langsam die Geduld und gleichsam mit ihr die Contenance, Caius, denn wie soll ich sie wahren, wenn ich nicht einmal mehr meine Zähne zusammen beißen kann?"
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
-
-
Wie sein Vetter über seine Gattin sprach, ließ Gracchus aufhorchen. Es gab kaum eine Frau, von welcher Aquilius anders sprechen mochte, und doch zwängte sich ein Gedanke in Gracchus' Sinne, welchen er nicht einmal wollte anzudenken wagen, weshalb er sich augenblicklich darum bemühte, ihn keinen digitus weiter zu denken, denn er wusste nur allzu genau, dass Caius kaum Bedenken haben würde, dies für ihn weiter zu denken, doch Gracchus war sich dessen nicht sicher, ob er dies tatsächlich wollen könnte. Ohnehin nickte er nur noch marginal auf seines Vetters Bedauern ob der Abwesenheit ihres Vetters, bis Aquilius erstarrte und sich der Realität entgegen stemmte, woraufhin Gracchus' Nicken zu einem Kopfschütteln über wechselte.
"Ich weiß es nicht. Sie hatte sich von allem in Hispania abgewandt, andernfalls hätte sie diese Villa auch nicht mehr betreten, und weilte kurze Zeit hier in Roma. Anschließend reiste sie weiter, gen Süden wie ich meine, und ist dort auf irgend einem Landgut verstorben, woran, kann ich dir nicht sagen. Ich habe es selbst nur eher zufällig über mein Aufgabe als Decemvir litibus iucandis erfahren, vermutlich hielt man es nicht für notwendig, uns zu unterrichten, und dich konnte man nicht auffinden."
Langsam trat Gracchus zu seinem Vetter und hob die Tabula.
"Du wirst ihre Sklaven fragen können, denn sie gehören nun dir. Ebenso wie alles andere, was Calpurnia hinterlassen hat. Es ist meine Pflicht als Decemvir, dich davon in Kenntnis zu setzen, dass du das Recht hast, dieses Erbe abzulehnen, in diesem Fall geht es an den Staat über. Doch als dein Vetter, und mehr noch als dein Freund sage ich dir, dass du es ohne Bedauern annehmen kannst und wirst. Deine Familie hat dir wenig gegeben, Caius, niemand hat sich nach dem Tod deines Vaters um deine Zukunft geschert, allen voran nicht dein Bruder, dessen Aufgabe und Pflicht es gewesen wäre. Es war ihnen nur Recht, dass dein Erbe gerade ausreichte um deine Jugend in Achaia zu beenden, vermutlich hätte es nicht einmal dazu ausgereicht, wären wir nicht beide dort gewesen, und ich bezweifle wahrhaftig, dass dann irgendjemanden die Sorge umtrieben hätte, was aus dir geworden wäre. Was du bist, verdankst du einzig und allein dir selbst, Caius, darum ehre deine Ahnen, aber ergieße dich nicht in allzu viel des Bedauerns über das Dahinscheiden deiner näheren Verwandtschaft, und gedenke der Tatsache, dass erst nun, da alle anderen der Linie des Atticus vergangen, dass erst nun diese Familie bereit ist, dir etwas zu geben."
Auffordernd hielt Gracchus seinem Vetter die Tabula hin.
Flavia CalpurniaStand: sui iuris
Berechtigte Erben: Caius Flavius Aquilius, Onkel
Erbmasse:
~ 2030,42 Sesterzen
~ ca. 1 Heredium Grundbesitz (Hispania)
~ größere Mengen an Warenbeständen
~ Betriebe: O&C Wolle, Käse, schwarze Schafe (Schäfer); Calpurnias Schlammgrube (Tongrube); Kleines Malmaleins (Maler) -
Zitat
Original von Lucius Flavius Furianus
"Dann will ich zuerst in den anderen einsehen, Gracchus."
"Natürlich."
Nachdem Gracchus Platz genommen hatte, öffnete sein Sklave zuerst eine Schriftrolle, dann eine Tabula und legte beides vor den Praetor auf dem Tisch ab.
"Der erste Fall ist jener des Manius Pompeius Trimalchio, der Brief enthält seinen letzten Willen. Nach diesem vermacht er seinen gesamten Besitz im Falle seines Ablebens Lucius Octavius Detritus. Nun, wie unschwer zu erraten ist, trat das Ableben des Pompeius ein, so dass im Grunde sein testamentarischer Wille verfügt werden sollte. Die Tabula enthält die Vermögenswerte, zuletzt besaß er augenscheinlich nur noch zwei Betriebe. Das Problem ist jedoch, dass Octavius nicht näher mit Pompeius verwandt war und zudem nicht verheiratet und damit nach gültigem Gesetz nicht erbfähig ist. Da ich in meiner Amtsgewalt nicht befugt bin, die Wirkung des Testamentes in einem solchen Fall auszusetzen, bitte ich dich um deine diesbezügliche Zustimmung, so dass ich Octavius über die Prämissen unterrichten kann, unter welchen er zum Erbe berechtigt ist."An Lucius Octavius Detritus
Casa Octavia
Rom - ItaliaVon Manius Pompeius Trimalchio
Habitatio Trimalchionis
Colonia Claudia Ara Agrippinensium - Germania
Trimalchio Detrito S.D.S.V.B.E.E.Q.V.
Nein ich benötige kein Material zwar bin ich gerade dabei die Thermen von Colonia Claudia Ara Agrippinensium zu renovieren doch kümmert sich der duumvir um die Materiallieferungen. Eigentlich schreib ich dir aus einem ganz anderen Grund ich möchte dir hiermit all meinen Besitz vererben falls mir mal was zustossen sollte. Das heißt du bekommst meine zwei Betriebe, all mein Geld und alle Waren.
Vale
Manius Pompeius Trimalchio
D. ante diem XI Kal. Mai. - (21.4.2007/104 n.Chr.)
Manius Pompeius TrimalchioStand: sui iuris
Berechtigte Erben: Lucius Octavius Detritus, testamentarisch verfügt
Erbmasse:
~ Betriebe: Bäcker (1), Bauernhof (1) -
Es dauerte nicht lange, bis die beiden Sklaven erschienen waren, Hannibal ein wenig eher als sein Leibsklave. Gracchus bemerkte nicht die Spannung zwischen den beiden, selbst wenn, so hätte sie ihn vermutlich kaum tangiert. Denn obgleich er durchaus ansonsten gewillt war auf das Wort und den Rat seines Sklaven zu hören, so war dieser Auftrag zu wichtig, als dass er durch persönliche Neigungen sollte bestimmt werden. Viel eher als die etwaigen Differenzen zwischen den beiden Sklaven hätte in ihm wahrscheinlich ohnehin das Wissen um deren Aktivitäten außerhalb der Villa Zweifel aufkommen lassen, ob er das Wohl sein Schwester tatsächlich in die Hände dieser beiden Männer geben und sie ihrer Obhut anvertrauen wollte, doch Gracchus wusste darum nicht, was ohnehin auch in anderer Hinsicht besser war, und so glaubte er mit jenen beiden vertrauenswürdigen Sklaven die beste der zur Auswahl möglichen Alternativen gewählt zu haben - davon ganz abgesehen, welche Wahl blieb ihm überhaupt? Er taxierte die beiden Sklaven nacheinander bevor er zum Sprechen anhob.
"Sciurus, Hannibal, wie ihr wisst, befindet sich meine Schwester Minervina in Hispania. Nach einer Entführung durch eine sich selbst als 'die Elefanten' signifizierende Horde weilt sie nun im Anschluss an einen Aufenthalt im Lager der praetorianischen Garde vor Corduba in der Villa Flavia zu Tarraco. Da es mir ob meiner Pflichten in Italia deplorablerweise nicht möglich ist, sie selbst nach Hause zu geleiten, werdet ihr beide nach Hispania reisen und sie zurück nach Rom begleiten. Ihr werdet ein Schreiben von mir und das Siegel der Flavia mit euch führen, und alles im Sinne der Familie tun, was sich als notwendig erweisen wird. Ich denke, ich brauche nicht gesondert zu erwähnen, welch große Verantwortung damit auf euch liegt, doch gleichsam bin ich mir dessen sicher, dass ihr dieser Verantwortung gewachsen sein werdet. Ihr werdet für alle Männer, welche euch auf die Reise begleiten, Pferde bis nach Ostia mitnehmen, denn ich möchte, dass ihr so schnell wie möglich in Tarraco ankommt. In Ostia werdet ihr auf ein Schiff wechseln, über die Kosten braucht ihr nicht verhandeln. Das gilt ebenso für in Hispania entstehende Kosten. Wie sich die Rückreise gestaltet, dies wird ganz dem Sinn meiner Schwester obliegen, sie hat auf ihrer Reise bereits genug an Entbehrung über sich ergehen lassen müssen, so dass ihre Rückreise so kommod wie möglich zu gestalten ist. Ihr werdet so bald wie möglich aufbrechen." -
Centurio Quintus Caecilius Metellus, Cohortes Urbanae, Roma
Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Quinto Caecilio Metello s.d.
Tiefes Mitgefühl über den Verlust deines Bruders Marcus Caecilius Fabricianus sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat dein Bruder gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Nach den gesetzlichen Richtlinien kommt dir als Bruder des Verstorbenen ein Anteil von 692,57 Sesterzen, welchen es dir gestattet ist, abzulehnen.
Ich bitte dich, mir bis zum Tag ANTE DIEM III ID MAI DCCCLVII A.U.C. (13.5.2007/104 n.Chr.) mitzuteilen, ob du gewillt bist, dieses Erbe anzutreten, welches gleichsam keinerlei weitere Verpflichtungen nach sich zieht. Solltest du diesen Termin versäumen, so wird dein Anteil dem zu verteilenden Erbe hinzugefügt werden, ebenso wie sich der deinige Anteil durch den Verzeicht eines der anderen Erben erhöhen kann.
Zum Trost über den erlittenen Verlust bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allem Übel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«
M.F.G.
-
Kaeso Caecilius Macro, Legio I Traiana, Mantua
Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Kaesoni Caecilio Macroni s.d.
Tiefes Mitgefühl über den Verlust deines Bruders Marcus Caecilius Fabricianus sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat dein Bruder gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Nach den gesetzlichen Richtlinien kommt dir als Bruder des Verstorbenen ein Anteil von 692,56 Sesterzen, welchen es dir gestattet ist, abzulehnen.
Ich bitte dich, mir bis zum Tag ANTE DIEM III ID MAI DCCCLVII A.U.C. (13.5.2007/104 n.Chr.) mitzuteilen, ob du gewillt bist, dieses Erbe anzutreten, welches gleichsam keinerlei weitere Verpflichtungen nach sich zieht. Solltest du diesen Termin versäumen, so wird dein Anteil dem zu verteilenden Erbe hinzugefügt werden, ebenso wie sich der deinige Anteil durch den Verzeicht eines der anderen Erben erhöhen kann.
Zum Trost über den erlittenen Verlust bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allem Übel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«
M.F.G.
-
Nachdem Gracchus den Brief seines Vetters schließlich zur Seite gelegt hatte und sich dem weiteren Schreiben widmete, wurde er dessen gewahr, dass dies von seiner Schwester Minervina stammte. Ohne sein Zutun begannen seine Finger sich durch ein nervös Zittern beirren zu lassen, dessen Gracchus auch in dem Gedanken nicht Einhalt bieten konnte, dass solange der Brief von Minervina selbst stammte, die Situation nicht schlimmer geworden war, da andernfalls die Nachricht von einer anderen Person, Caecilius beispielsweise, würde verfasst sein. Die Anschrift überflog er, ohne bereits zu Anfang darauf Aufmerksam zu werden, dass Minervina bereits in Tarraco weilte.
Manius Flavius Gracchus
Villa Flavia Felix
Italia/ RomaFlavia Minervina
Villa Flavia
Hispania / TarracoLiebster Bruder!
Wie du vielleicht unschwer erkennen kannst, verweile ich zur Zeit in der Villa Flavia in Tarraco. Vielleicht fragst du dich wieso ich nicht mehr im Lager der Prätorianer bin, das hat leider so einige Gründe. Zu allererst war es nicht mehr zu ertragen in einem Lager voller Prätorianer zu "wohnen", die Vergnügen, die man als Patrizierin nun mal so genießt, gingen mir ab. Zweitens gab es leider Streit mit dem Caecilier Crassus. Es war wieder einmal die alte Leier über den Unterschied zwischen Plebejern und uns Patriziern. Nur war seine Argumentation meines Erachtens sehr fragwürdig. Die Details dieses Streits zu erläutern wäre wohl nicht sinnvoll, denn es wäre wohl nicht genug Papier hier um alles aufzuschreiben.
Sonst kann ich nur sagen, dass er mir gut geht. Ich bin wohlbehalten in Tarrco angekommen, auch wenn die Reise schrecklich unbequem war. Nun werde ich einen Sklaven schicken mir all das aus der Stadt zu bringen, was ich so lange nicht genießen konnte. Der Sklave gehört ausserdem Crassus. Mein Leibsklave wurde bei der Entführung getötet, was sehr ärgerlich ist, aber solche Dinge geschehen nun mal.
Bis zu deiner Ankunft wird es sicherlich nicht mehr lange dauern und so werde ich auf dich warten und dann mit dir nach Rom kommen. Ich freue mich schon dich und Antonia wiederzusehen, es wäre doch eine wunderbare Idee, wenn sie auch gleich mitkommen würde. Vielleicht hätte ich dann auf der Reise zurück ins schöne Italia Zeit, sie ein wenig besser kennenzulernen. Sonst hoffe ich, dass alles gut läuft in deiner Arbeit. Grüße mir alle in der Villa Flavia Felix.
Vale, deine Schwester Flavia Minervina
Dass Minervina nicht mehr im Lager der Praetorianer weilte, daran konnte Gracchus beim besten Willen nichts Bedauerliches finden, die Aussicht, sie in der Sicherheit der patrizischen Villa zu wissen - mochte diese noch so leer an Menschen und nur noch von Sklaven und Verwaltern bevölkert sein - nahmen gegenteilig einige Befürchtungen von seiner Seele, insbesondere, da in der letzten Ausgabe der imperialen Zeitung bereits von einem Angriff der kaiserlichen Garde die Rede gewesen war. Der Idee seiner Schwester, Antonia mit nach Hispania zu nehmen, konnte Gracchus doch gleichsam viel weniger abgewinnen, um nicht zu sagen, überhaupt nichts. Natürlich wäre auch dies, eine Weiterreise von Mantua aus mit Antonia an seiner Seite, eine Option, doch tage-, vielleicht wochenlang, keinen anderen Menschen auf Dauer um sich zu wissen, als seine Gattin - allein diese Aussicht war furchterregend und führte dazu, dass ein Schaudern seinen Körper durchzog. Eine Reise nach Hispania wäre bereits mehr als unangenehm, doch eine Reise mit Antonia gereichte ihm auch bis ins in diesem Vergleich nicht allzu fernen Mantua schon nicht zur Freude, weshalb ihm die bereits getroffene Entscheidung nun mehr noch als optimale Lösung erschien. Er legte auch diesen Brief bei Seite und schickte schließlich nach einer Weile des stillen Sinnierens nach seinem Leibsklaven Sciurus und nach Hannibal, dem Leibsklaven seines Vetters Aristides.
-
Vom Scriba der Praetoren zu Furianus' Officium weiter geleitet, klopfte dort einer der Sklaven und meldete Gracchus bei seinem Vetter an - natürlich nicht als Vetter des Praetors, der eigentlich ohnehin dessen Onkel war, sondern als Decimvir litibius iucandis.
"Salve, Furianus. Einige Erbfälle führen mich heute zu dir, deren Verteilung deiner Zustimmung bedürfen. Ganuer gesagt sind es zwei."
Eine kurze Pause folgte, bevor er weiter sprachn.
"Einer davon ist die Hinterlassenschaft der Tiberia Claudia." -
Obwohl sich Gracchus nicht sicher war, dass Furianus jene diffizilen Erbangelegenheiten würden zur Freude gereichen - hielten sie ihn doch immerhin von seinen übrigen praetorischen Pflichten ab, welche sicherlich nicht gering waren - so dankte er dem Scriba, um das Officium seines Vetters, welcher eigentlich sein Neffe war, aufzusuchen.
"Ich danke dir, vale."
Für Gracchus selbst waren jene Fälle im Grund genommen eine Freude, boten sie doch dem üblichen Alltagstrott der Decemviri eine kleine Abwechslung, doch gerade hinsichtlich eines der heutigen Fälle - dem der Tiberia Claudia - sah er dem Gespräch mit weniger eifrigem Vergnügen entgegen, war sie doch die Verlobte des Furianus gewesen. -
Als Gracchus von einem Gang ins Archiv des Imperium Romanum in die flavische Villa zurück kehrte, warteten zwei Briefe auf ihn. Er zog sich mit ihnen in sein Cubiculum zurück und nahm an dem kleinen Tisch Platz, der neben einem der Fenster platziert war. Trockene Luft wehte von draußen herein und brachte kleine Blütenpollen mit in den Raum, die sich dieser Tage hartnäckig als Staub über die Villa ausbreiteten und Gracchus nur deswegen nicht auffielen, da unentwegt unsichtbare Sklaven unterwegs waren, um die Räume sauber zu halten. Ohne den zweiten Brief genauer zu besehen, öffnete er jenen seines Vetters Aristides. Die Anrede mein von den Göttern auserwählter Vetter in Rom schmeichelte ihm, obgleich Aristides natürlich maßlos übertrieb, hatten nicht die Götter ihn, sondern er die Götter erwählt. Doch sogleich hernach wurde Gracchus schwer um sein Herz, denn hatte er bisherig sich der Illiusion hingeben können, dem wäre nicht so, so kündeten die Worte seines Vetters nun unmissverständlich vom drohenden Krieg, den Vorbereitungen der Legio I und nicht zuletzt Aristides' Aufbruchsstimmung. Kriege waren notwendig wie so vieles andere im Imperium Romanum, solange sie weit von den Mauern der Stadt Rom entfernt geführt wurden, tangierten sie Gracchus ohnehin nur marginal, doch seinen Vetter in den Schlachtreihen zu wissen, zudem noch als Centurio an fürderster Front, dies beunruhigte ihn doch zusehends. In diesem Falle hatte Aristides' Mutter Agrippina sich augenscheinlich verschätzt, denn statt dass sie ihren Sohn in den Cursus Honorum gedrängt hatte, auf dass er hernach in den Legionen eine ihm angemessene Stellung inne haben würde, welche ihn weit hinter die Schlachtreihe auf eine strategische Position hätte gesetzt, hatte sie ihn soweit bedrängt, dass er schließlich Hals über Kopf in die Legio eingetreten war und nun womöglich als Centurio sein unrühmliches Ende würde finden. Es war eine Schande. Mehr jedoch, dass Aristides der Familie so wenig ehrvoll verloren gehen mochte, bedrückte Gracchus der Gedanke daran, dass er überhaupt der Familie verloren gehen mochte, denn obgleich er sich dies nicht zugestehen wollte, so würde er die manches mal so unbeholfene patrizische Art, das ungestüme und unüberlegte, aber gleichsam so voller unbeschwertem und unbekümmertem Leben strotzende Wesen seines Vetters mehr missen, als dies bei seinen Geschwistern der Fall sein könnte. Er würde den Göttern für Marcus' Wohlergehen opfern, ohnehin musste ein Krieg nicht gleich das Ende seines Vetters bedeuten, und womöglich sah er all dies nur viel zu negativ. Gracchus las weiter in den Zeilen und stockte erneut. Verwundert hob er eine Augenbraue und wäre er in einem Gespräch inbegriffen, es hätte ihm tatsächlich die Sprache verschlagen. Zweifelnd, ob jener Brief nicht doch von einem anderen Absender stammte, vergewisserte sich Gracchus, dass dies die Worte des Marcus Flavius Aristides, seines Vetters waren, welche hier von der Verlobung zwischen demselben und Claudia Epicharis kündeten - der Verlobung seines Vetters Marcus, welcher den Mann als nicht geschaffen bezeichnete, ein Weib zu ehelichen, welcher die Ehe gänzlich als gegen das Naturell des Mannes sah, welcher nach der Erfahrung seiner ersten katastrophalen Ehe - tartarusähnlicher Qual im Angesicht einer Harpyie - nie wieder hatte solch ein Bündnis eingehen wollen. Doch da stand es, ein wenig flapsig ausgedrückt, wie für Aristides so typisch, beinahe als Nebensächlichkeit erwähnt, doch unzweifelhaft. Gracchus ließ den Brief sinken, atmete tief ein und ließ sodann die Luft mit aufgeplusterten Backen wieder entweichen. Seine Arbeit als Decemvir litibus iucandis hatte zweifelsohne den Vorteil, dass er bald alle Stammbäume der wichtigsten römischen Familien bis ins Detail in seinem Gedankengebäude aufbewahrte, und eben dort, in einer Kammer voller Stammbaumblätter welche ein wenig dem Archiv des römischen Reiches glich, suchte er nun nach jenem der Gens Claudia, auf welchem er schließlich die Suche nach Claudia Epicharis fortsetzte. Tochter des Claudius Vesuvianus. Das innere Bild des Archives zerbrach ob dieser Erkenntnis und Gracchus starrte perplex auf den Brief seines Vetters, durch jenen hindurch, ohne die Worte zu sehen.
"Marcus Aristides ... wohl habe ich dir Unrecht getan."
Schließlich jedoch schüttelte er seinen Kopf, im Bestreben gleichsam das Chaos an Gedanken abzuschütteln, und widmete sich den weiteren Zeilen. Ein Lächeln kräuselte seine Lippen, als sein Vetter von seiner Freude über den Feldzug kündete, verschwand jedoch sogleich, als er die Zeilen bezüglich Marcus' Sohn las. Sein Vetter hatte wahrlich ein Talent einen Schlag nach dem Nächsten zu setzen, doch Gracchus beruhigte sich mit dem Gedanken, dass sich vorerst nichts würde ändern am Leben in der Villa Flavia. Die Zeilen in Hinsicht auf sein eigenes Anliegen überflog er nur, hatte er doch kaum mit einer anderen Antwort gerechnet, sodann folgte doch noch eine Auflösung bezüglich der Verlobung. Agrippina war es also gewesen, was wenig verwunderlich war und Gracchus' Erstaunen gänzlich hinfort wischte, denn gegen sie hatte sich Marcus noch nie entscheiden können, für sie würde er jeden Tartarus durchqueren. Der Brief fand seinen Abschluss mit der Perfektion seines Vetters. Gracchus legte den Kopf ein wenig schief, ein freudiges Lächeln der Erregung stahl sich auf seine Lippen und sein Herz erblühte in Freude über den Anblick jenes wunderbaren M, jenes M welches von kühner Eleganz, von standhaftem Draufgängertum, furchtlosem Tatendrang, unbeirrtem Wagemut, forschem Vordringen in die Welt und unbeschwerter Leichtigkeit zeugte, von einem Krieger, der die Feder gleichsam eines Gladius schwang. Es gab wenig, was Gracchus seinem Vetter neidete, doch jenes grazile, anmutige und elegante M, gleichsam so filigran und doch unzerbrechlich, jenes M gehörte fraglos zu diesen Dingen, und er war überzeugt, würde er dieses M in Perfektion seinem eigenen Namen einverleiben können, so könnte er gleichsam ein wenig der unbeschwerten Ader seines Vetters in sich aufnehmen. -
Ein Bote hielt auf seinem Weg durch die römische Stadt auch an der Casa der Gens Germanica an, und übergab seine Nachricht.
Spurius Germanicus Secundus, Roma
Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Spurio Germanico Secundo s.d.
Tiefes Mitgefühl über den Verlust deines Vaters Sebastianus Germanicus Reverus sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat dein Vater dennoch gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Nach den gesetzlichen Richtlinien kommt dir als Sohn des Verstorbenen ein Anteil von 843,10 Sesterzen zu, deren Überschreibung innerhalb der anstehenden Wochen veranlasst werden.
Zudem hinterlässt dein Vater drei Betriebe:
~ praedium germanica - lanius (Metzger)
~ praedium germanica - pecuariusa (Viehzucht)
~ praedium germanica - piscatoris
Zur Überschreibung dieser Betriebe besteht die Notwendigkeit einer Einigung mit der ebenfalls Erbberechtigten Germanica Claudia. Melde dich hierfür gemeinsam mit ihr oder einer schriftlichen Verfügung ihrerseits unter Vorlage dieses Schreibens bei einem der Aedilen.Zum Trost bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allen Übel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«
M.F.G.
-
Absehbarerweise nahm das Sterben kein Ende, und mit ihm das Erben, so dass auch die Benachrichtigungen darüber weiter ihren Weg zum Cursus Publicus fanden.
Germanica Claudia, Mogontiacum, Provincia Germania
Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Germanicae Claudiae s.d.
Tiefes Mitgefühl über den Verlust deines Ehegatten Sebastianus Germanicus Reverus sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat dein Gemahl dennoch gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Nach den gesetzlichen Richtlinien kommt dir als in cum manu-Ehe stehender Gattin des des Verstorbenen ein Anteil von 843,11 Sesterzen zu, deren Überschreibung innerhalb der anstehenden Wochen veranlasst werden.
Zudem hinterlässt dein Gatte drei Betriebe:
~ praedium germanica - lanius (Metzger)
~ praedium germanica - pecuariusa (Viehzucht)
~ praedium germanica - piscatoris
Zur Überschreibung dieser Betriebe besteht die Notwendigkeit einer Einigung mit der ebenfalls Erbberechtigten Spurius Germanicus Secundus. Melde dich hierfür gemeinsam mit ihm oder einer schriftlichen Verfügung seinerseits unter Vorlage dieses Schreibens bei einem der Aedilen.Zum Trost bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allen Übel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«
M.F.G.
-
An einem Tag, von welchem er wusste, dass sein Vetter Furianus, noch immer amtierender Praetor urbanus, in der Basilica würde weilen, ließ sich Gracchus, noch immer einer der amtierenden Decemviri litibus icuandis, im Officium des Scriba der Praetores anmelden.
"Salve, Flavius Gracchus ist mein Name, Decemvir litibus iucandis mein Amt. Ich müsste den Praetor urbanus bezüglich mehrerer diffiziler Erbangelegenheiten sprechen." -
Das Auflachen seines Freundes, seines Gefährten und Geliebten, löste jeden noch so marginalen Zweifel, drängte alle bedrückende Schwermut aus dem Raum hinaus, aus dem Raum des Cubiculum und aus dem Raum zwischen ihnen. Zu kostbar war, was sie verband, als dass es unter der Last dessen, was es war, erdrückt werden sollte, so gestattete auch Gracchus sich ein ehrliches Lachen auf Caius' Zugeständnis bezüglich der Eroberungen fremder Schlafzimmer. Zu Anfang hatte er einst tatsächlich befürchtet, sein Vetter würde dort nach etwas wertvollem suchen, doch er wusste längst, dass für Caius diese Frauen nicht mehr waren, als für ihn ein Sklave, und obgleich er stets von der Angst durchzogen war, dass sich sein Vetter eines Tages damit in ernsthafte Schwierigkeiten bringen und in der Verbannung auf einer kleinen, einsamen Insel landen würde, so war der Gedanke doch zu ertragen.
"Nun, so werden wir dir eine Frau finden müssen, welche den Mund nicht öffnet, so dass sie dich auch nicht langweilen kann. Ich würde dir die Meinige anbieten, doch obgleich ich wenig Gefallen finden kann an dieser Ehe, so ist sie doch eine Notwendigkeit und Antonia im Grunde genommen für eine derartige Farce durchaus annehmbar."
Ein subtiles Blitzen stahl sich in Gracchus' Blick hinein und wie er dem Blick seines Vetters begegnete, kam er nicht umhin, vorerst die Lippen zusammen zu pressen, um dem breiten inneren Grinsen in ihm nicht allzu viel Spielraum zu gewähren.
"Ich trug mich zuletzt mit ganz ähnlichen Gedanken, vorwiegend mit solchen um die Abende in Achaia als Aristides bei uns weilte. Erinnerst du dich an jenen letzten Abend, bevor Marcus aufbrach? Beim Tyros des Bacchus, ich tue es nicht, zumindest nicht mehr allzu detailliert, doch obgleich ich noch mehrere Tage danach dem Glauben erlag, ich würde meinen Lebensatem mit einer Weinfahne aushauchen, so weiß ich doch, dass dieser Abend jede Entbehrung wert gewesen war, und obgleich es nicht gleich solcherart ausufern werden muss, so bin ich doch froh darüber, dass deine Anwesenheit die Abende in dieser Villa wieder bereichern wird."
Der überwiegende Anteil ihrer Tage in Achaia war äußerst zivilisiert und gesittet verlaufen, Gracchus selbst hatte sich nur selten anderweitiges zugestehen wollen, doch gerade jene beinahe schon als Gelage zu bezeichnenden Mähler, hauptsächlich unter der Leitung ihres Vetters Aristides, waren ihm mehr als vieles andere in Erinnerung geblieben, als seltene Gelegenheit dem Käfig des Lebens zu entkommen und aus allen Normen auszubrechen, obgleich er dies heimliche Vergnügen jedem anderen gegenüber würde abstreiten, welcher nicht Teil dessen gewesen war. Der Gedanke an all dies war Gracchus mit der Aussicht gekommen, Aristides in Mantua aufzusuchen. Mit einem Mal, der Erinnerung an den eigentlichen Grund der Reise -den Tod Antonias' Bruder - wurde Gracchus' Miene wieder ernst.
"Caius, es gibt noch eine Angelegenheit, die es zu regeln gilt. Ich wollte dir einen Brief senden, doch da ich noch eine persönliche Nachricht beifügen wollte, für dies jedoch bisherig keine Worte fand, liegt noch immer alles unbearbeitet hier."
Suchend trat Gracchus an ein Regal heran, brauchte jedoch nicht lange um zu finden, was er suchte, waren doch alle Unterlagen akribisch und penibel sortiert und geordnet.
"Deine Nichte, Calpurnia, ist in die Gefilde des Elysiums hinüber getreten. Du bist damit der letzte verbliebene Flavius des hispanischen Zweiges."
Vorsichtig zog er die Tabula aus einem kleinen Stapel, hielt sie jedoch vorerst in den Händen und wartete die Reaktion seines Vetters ab. Aquilius hatte nie viel für seine Familie empfunden, dennoch war sie seine Familie gewesen und Gracchus wusste nur allzu genau, was dies bedeutete, obgleich er nicht im Geringsten nachvollziehen konnte, wie es sein würde, gänzlich ohne Familie zurück zu bleiben. -
Die Hand noch immer auf die Wange gepresst, wandte sich Gracchus an Serenus, und obgleich sein Tonfall keinen Widerspruch duldete, verlor seine Stimme doch an Schärfe dadurch, dass sie sich halb hinter seiner Hand hervorkämpfen musste.
"Du gehst zurück in dein Bett, Serenus, und zwar ohne ein Wort ... ohne ein einziges Wort. Der Herr bestimmt seinen Hund, nicht der Hund seinen Herrn. Entweder Nero schafft es die Nacht hindurch, du gibst ihn bei den Sklaven ab oder er kommt in einen Zwinger. Morgen früh wirst du dich bei deinem Onkel entschuldigen, doch jetzt wird geschlafen. Wenn ich an deinem Cubiculum vorbei komme und du schläfst noch nicht, dann bekommen wir beide ernsthafte Schwierigkeiten."
Er hoffte, dass die Legio I noch nicht abgezogen war, sobald Antonia und er nach Mantua würden reisen können, denn er musste dringend mit Aristides bezüglich seines Sohnes sprechen. Im Allgemeinen war Serenus ein äußerst wohlerzogenes Kind, aufgeweckt und interessiert, doch manches mal wusste Gracchus einfach nicht, wie er ihm begegnen sollte, und war gänzlich mit der Verantwortung über den Jungen überfordert. Ohne seine Hand sinken zu lassen, trat Gracchus zu Aquilius, legte die Linke auf den Stecken und drückte ihn hinunter.
"Diese Villa ist kein Ort, Gedanken zu sammeln, Caius. Sie war es nie und deplorablerweise wird sie es vermutlich auch niemals werden."
Ein marginales Lächeln schlich sich auf seine Lippen, bevor er es ziehen ließ, da ihm jede diesbezügliche Bewegung schmerzte.
"Zumindest nicht, solange Aristides uns seinen Nachwuchs überantwortet. Der Junge ist Lucius Serenus, Marcus' Sohn." -
Zitat
Original von Herius Claudius Vesuvianus
"Ich strebe eine weitere Amtszeit im Cursus Honorum an, daher mein Aufenthalt hier. Und wie geht es dir? Ich habe zuletzt nicht häufig bei der Bruderschaft teilnehmen können, dadurch haben wir uns noch seltener gesehen als das ohnehin schon der Fall ist."
"Tatsächlich, eine Magistratur? Eine ausgezeichnete Entscheidung."
Insgeheim fragte sich Gracchus, ob Vesuvianus jene Entscheidung vor oder nach Aufkommen der Gerüchte um den drohenden Krieg im Osten und den dortigen Einsatz der Legio I an Seite des Kaisers getroffen haben mochte, da doch augenscheinlich die Soldaten vermutlich noch viel eher davon wissen mussten, als der Rest des Volkes. Er würde eine Flucht nach vorn jedoch durchaus nachvollziehen können, konnte er doch jeden Mann verstehen, welcher sein Heil nicht im Krieg, sondern an dessen Statt im heimischen Staatswesen suchte, denn obgleich für den ein oder anderen das eine mit dem anderen eng verwoben sein mochte, so gab es doch auch andere Wege, und Gracchus hatte sich bisweilen schon immer schwer getan, ein dem Kriege Fernbleiben als Feigheit anzusehen, sah er sich selbst doch auch in ferner Zukunft in keinem Kriege inkludiert, mochte sich gleichsam jedoch nicht seine eigene Feigheit bis ins letzte Detail eingestehen, obwohl er sich durchaus solcherlei Anwandlungen zugestand. Zwar hatte er Claudius bisherig nicht als einen solchen Mann eingeschätzt, doch sonderlich gut kannte er ihn gleichsam nicht.
"Wirst du ein Vigintivirat anstreben oder eine Quaestur? Nachdem ich nun beides hinter mich gebracht habe, nun, die Quaestur zumindest und bis zu Beendigung des Vigintivirates ist es nicht mehr lange hin, würde es mir tatsächlich schwer fallen, für eine weitere Amtszeit zwischen beidem zu wählen. Beides brachte mich in Berührung mit dem Codex Universalis, doch ich möchte fast behaupten, dass die Verteilung der Erbschaften sich komplexer gestaltete, als die Überarbeitung des Codex selbst. Unser Erbrecht ist tatsächlich äußerst diffizil, so dass man beinahe den Cursus Iuris als Voraussetzung des Vigintivirates fordern sollte, zumindest für jene Männer, welche den Decemviri litibus iucandis zugeordnet werden."
Für den nächsten Satz senkte er ein wenig die Stimme, auf dass nicht jedermann am Tisch ihn hörte.
"Verstorbene ohne zurückbleibende Familie kann ich mittlerweile nicht mehr bedauern, da ihnen die traditionellen Riten nur unzulänglich zukommen, ich begrüße jeden dieser Fälle, da sie nicht erst eine eingehende Prüfung der Erbberechtigungen erfordern. "
Von einem der Sklaven ließ sich Gracchus ein wenig des Thunfisches auf seinem Teller anrichten und nahm sich selbst einige schwarze Oliven und etwas Käse hinzu. Bevor er sich jedoch dem Essen widmete, schlug er den Bogen wieder zurück zu den angesprochenen Salii Palatini.
"Bei den diesmonatigen Res Divinae wirst du somit teilnehmen können? Ich hatte bereits Sorge, dass wir mit zehn Sodales auskommen müssen, da die Legion bereits ausgerückt sein könnte. Doch somit würde nur noch mein Vetter Aristides fehlen. Bei den Collini scheidet ebenfalls ein Soldat der Legio Eins aus, zudem weiß ich nicht, ob Aurelius Corvinus, der letztige Magister zu dieser Zeit in Rom weilen wird, noch, ob die Salii Collini mittlerweile einen neuen Magister gewählt haben."
Obgleich Gracchus sicherlich noch einige weitere Worte gefunden hätte, stoppte er seine Rede, um sich vorerst dem Thunfisch zu widmen und Claudius Gelegenheit zu einer Antwort zu bieten. -
Vorsichtig entnahm Gracchus die Innereien aus dem Opferlamm und legte sie in die Schale hinein. Schließlich reichte er das Tier zurück an seinen Sklaven, nahm die Schale aus den Händen seines Neffen und ging in die Hocke, auf dass Serenus besseren Einblick würde erhalten.
"Die Haruspices beschauen vor allem anderen die Leber eines Tieres. Sie teilen sie in einundzwanzig Bereiche, sogenannte Häuser, auf, welche je einer Gottheit zugewiesen sind. Aus den Merkmalen und dem Zustand dieser Häuser können sie genaue Aussagen hinsichtlich zukünftiger Ereignisse treffen.
So diffizil ist die römische Divination jedoch nicht, im Gegensatz zur etruskischen ist sie gerade zu simpel, dafür können wir auch nur Aussagen treffen bezüglich der Zustimmung oder Ablehnung des Gottes oder der Götter, welchem oder welchen wir zuvor unser Opfer dargebracht haben."
Er drehte die Leber herum und deutete mit seinem blutigen Zeigefinger in die Schale hinein.
"Am ehesten zeigen sich Makel und Verfärbungen in dieser Region, vor allem, wenn das Gewebe von dunklem Braun oder gar schwarz ist, sollte das Opfer wiederholt werden. Besonderes Augenmerk solltest du zudem immer auf diejenigen Bereiche der Organe legen, an welchen sie mit dem Rest des Körpers verbunden sind."
Seine Hand wanderte von der Leber zum Herzen und drehte es in Position.
"Du siehst, das Herz hat viele Verbindungen zum Inneren des Tieres, jede davon ist auf Verfärbung zu prüfen. Das Schlimmste jedoch, was dir bei einem solchen Opfer geschehen kann ist, dass das Tier kein Herz besitzt. Dies ist als endgültige Ablehnung der Götter zu werten, weitere Opfer im Anschluss darzubringen wäre in einem solchen Falle völlig sinnlos."
Natürlich konnte kein Tier ohne ein Herz leben, weshalb dieser Fall völlig unwahrscheinlich war. Doch beim Herausschneiden der Organe konnte ein Opferherr das Herz solchermaßen im blutigen Inneren des Tieres verbergen, dass es augenscheinlich nicht aufzufinden und das Opfer damit untrüglich gescheitert war, sollte dies von Nöten sein. Zu beachten war hierbei, dass hernach der richtige Popa oder Sklave das Tier zerlegte.
"In unserem Falle jedoch kannst du sehen, dass die Organe makellos sind, die litatio, die Annahme des Opfers ist damit erfolgt."
Die Unterbrechung der zeremoniellen Atmosphäre durch solcherlei profane Erklärung störte das Ritual nicht weiter. Größere Opferfeierlichkeiten bedingten an dieser Stelle nach der Verkündung der litatio manches mal Pausen über den gesamten Tag hin, bisweilen wurde währenddessen gar Gericht gehalten und täglicher Arbeit nachgegangen, oftmals wurden auch die Anteile des Opferfleisches für die Götter gekocht oder gebraten, was einige Zeit in Anspruch nahm, währenddessen kaum jemand erwartete, dass das gesamte Volk in einer Starre zeremonieller Stimmung verharrte. Die Religion war ohnehin immer präsent, sie durchdrang das tägliche Leben in jedem Augenblick, so dass nichts gegen Alltäglichkeit sprach. Schließlich jedoch erhob sich Gracchus wieder und trat mit der Schale und den darin gesammelten Organen an das Opferfeuer heran. Kochen oder Braten der Fleischstücke war in diesem Falle nicht notwendig, sie konnten direkt dem Feuer übergeben werden.
"Apollon divinus, Aesculapius divinus! Unseren Dank für Eure Hilfe, Eure Hilfe für unsere Gabe." -
In einem letzten Akt nahm Gracchus die Schüssel mit Wasser und den Pinsel aus Rinderhaar auf und besprengte damit die Anwesenden nacheinander, Arrecina an erster Stelle samt ihrer Sklavinnen, ohne irgendwem dabei einen Blick in die Augen zu schenken, sodann die helfenden Sklaven, schließlich Hannibal und auch Rutger, und nach dem Altar und den zeremoniellen Utensilien nicht zuletzt seine eigene Person. Er drehte sich zu seiner Nichte und noch immer ohne sie direkt anzusehen, sprach er mehr zu den Sklavinnen, als denn zu ihrer Herrin.
"Bringt sie hinein in ihr Cubiculum. Sie braucht jetzt Ruhe und Schlaf."
Nichts erinnerte mehr an den lieben Onkel, der noch am Abend zuvor seine Nichte schützend im Arm gehalten, sie beruhigt und getröstet hatte, Gracchus Stimme war kalt und hart, denn dies war es was die Stunde von ihm verlangte. Ohne auf Ausführung der Anweisung zu warten - dies würde ohnehin geschehen- wandte er sich dem Sklaven seines Vetters zu.
"Schaffe den Germanen zurück in den Carcer. Keine Flüssigkeit für ihn, als bis die Sonne aufgegangen ist."
Gracchus drehte sich um und trat ohne ein weiteres Wort vom Ort des Geschehens hinfort, überquerte die unsichtbare Grenze zwischen aus Feuerschein erwachsenem rotgoldfarbenen Licht und blauschwarzfarbener Dunkelheit der Nacht, entgegen jedoch der Casa, zum Hortus der Villa hin, tiefer in die triste Finsternis hinein. Das Knistern der Flammen, das Rascheln der Bewegungen der Sklaven verklang hinter ihm, gleichsam die ferne Stille der Stadt Rom, kein Wort, kein Laut existierte, und der beißende Geruch nach verbrannten Fleisch verflog, während um ihn herum die düstere Nacht ihre Finger nach seinem Körper ausstreckte, ihn zu umhüllen suchte. Obgleich überall in der Villa Flavia Wachpersonal aufgestellt war, so war Gracchus doch in wenigen Augenblicken, in wenigen Schritten völlig allein mit sich selbst, ohne es zu wissen verfolgt von seinem Sklaven Sciurus, welcher den Ritus von außerhalb des Handlungsortes verfolgt hatte und der jegliche Person von ihm nun würde fernhalten. Kaum bewusst, mehr einer Ahnung folgend, Reminiszenz seiner Kindheit, durchquerte er den Garten zum mächtigen Mandelbaum hin, dessen Silhouette sich vor dem schwarzen Himmel der Nacht abzeichnete, graufarben, wie alles andere zu dieser Zeit. Mit jedem Schritt begann die Fassade des aufrechten Sacerdos sukzessive zu bröckeln. Erst war es nur ein marginales Zittern, kaum sichtbar unter den Stoffmassen der Toga, schließlich jedoch sanken die Schultern herab, der Körper erbebte, die Schritte traten unkoordiniert in die dunkle Nacht hinein, und waren zuletzt kaum mehr als ein Stolpern. Schwer atmend streckte Gracchus seine Hand nach der rauen Rinde des Stammes aus, lehnte schließlich seine Schulter gegen den Baum, presste seine Stirne gegen den Stamm und schloss die Augen. Kein Mann von Ehre sollte sich mit Flüchen befassen müssen. Das Verhältnis zu den Göttern war ein Geben und Nehmen, Flüche jedoch kosteten nur Kraft, sowohl beim Sprechen, als auch beim Brechen, denn die Götter des Chaos forderten immer ihren Tribut. Gracchus hatte das Gefühl, ein Stück von sich selbst verloren zu haben, ein Stück sorgloses Leben womöglich, ein Stück seiner Achtung vor sich selbst oder ein Stück seiner Unschuld. Einst hatte er sein Schicksal in die Hände der Götter gelegt und sie hatten es ihm vergolten, doch das Geschehen an diesem Abend war nicht, wozu er den Göttern diente. Er hoffte, er flehte in stummer Verzweiflung, dass dies alles zumindest die selbstlose Hingabe wert gewesen war, denn obgleich er immer bereit war, ein Stück seines eigenen Seins für das Wohl der Familie zu geben, so graute ihm doch bereits davor, den Ritus zu wiederholen, mehr noch, die eigentliche Ursache des Fluches aus der Welt zu beseitigen, den Germanen zu Opfern, um den Fluch zu lösen. Allein der Gedanken führte zu Übelkeit, sein Magen zog sich zusammen, Gracchus krümmte sich und würgte, doch nichts wollte seinem Körper entkommen, nichts war darin. Er war so leer wie sein Selbst, ausgehöhlt, verdorrt und vertrocknet. In der Ferne gellte ein heller Schrei durch die Nacht, ein nächtlicher Raubvogel auf seinem erfolgreichen Beutezug, doch Gracchus hörte nur den Schrei der Infernalischen, fuhr erschrocken zusammen und erbebte erneut unter Zittern. Er hörte es wieder, das Flüstern der Unterirdischen, er hörte die rastlosen Larven, die empörten Ahnen, sie säuselten, flüsterten, zischten in seinem Kopf, er konnte die Stimme seines Vaters vernehmen, fern und undeutlich, doch er verstand nur allzu genau den Vorwurf, die harten Worte, dass er tiefer noch gesunken war als Animus, der sich, wenn schon von den Göttern abgewandt, zumindest einem anderen Gotte zugewandt hatte, während er sich den finstersten Praktiken der Menschheit hingab.
"Nein.", flüsterte Gracchus tonlos, kraftlos.
Er hatte sich nicht von den Göttern abgewandt. Er war dem gefolgt, was Generationen vor ihm bereits getan hatten, aus einer Notwendigkeit heraus, aus der Bedrohung heraus, wie Soldaten dazu gezwungen waren den Feind zu töten. Selbst wenn der Germane sterben musste, niemand würde zum Episit werden, denn Rutger war kein Opfer, er war der Feind im unbeschwerten römischen Dasein, Eindringling in die flavische Idylle, der das Leben in seinem gewohnten Gang zerrissen hatte. Was geschah, geschah für die Familie. Doch das Flüstern verstummte nicht und Kälte kroch trotz der milden Nachtluft in Gracchus' Glieder, während das Blut der Opfergans schwer auf seiner Haut und in seinen Sinnen klebte. Nie zuvor war ihm das Blut eines Opfers so unrein erschienen wie an diesem Tag, da die dunkle Flüssigkeit durch Toga und Tunika gedrungen nun allmählich trocknete. -
Zitat
Original von Lucius Flavius Serenus
Es schien Gracchus, als würde ihn jene kindliche Stimme verfolgen, doch als er seinen Kopf wandte, war es nicht nur die Stimme, welche ihm folgte, sondern gleichsam das gesamte Kind. Ob dieser Erkenntnis wanderte Gracchus' Augenbraue in einer Weise empor, wie dies nur bei Angehörigen patrizischer Haushalte möglich ist, gleichsam Erstaunen, Indignation wie Gleichmut zum Ausdruck bringend. Da ein anderer Kursteilnehmer bereits einen missmutigen Blick zu ihnen herüber warf, hob Gracchus nur seinen Zeigefinger und legte ihn an die Lippen, um seinem Neffen zu bedeuten, schweigsam zu sein und der Rede des Kursleiters zu folgen. Vermutlich konnte ein Römer nicht früh genug damit beginnen, sich in der rhetorischen Kunst zu schulen, doch Gracchus ahnte bereits, dass der Ausflug dieses jungen Teilnehmers in die Welt der Redekunst sein eigenes Konto noch um einige hundert Sesterzen würde erleichtern. Doch dies war eine Problematik, um welche er sich in der Kurspause würde kümmern können, so widmete er seine Aufmerksamkeit wieder dem Rector. -
"Dies werde ich. Das Wissen darum, in der Flavia Halt zu finden wird sie sicherlich über ihren Verlust hinwegtrösten."
Noch immer war er sich nicht sicher, ob Antonia dieses Trostes bedurfte, war sie ihm bis auf jenen unscheinbaren Moment im Peristylium doch so unergründlich wie eh und je.
"Nun, ich will dich nicht länger von deinen Pflichten abhalten, Vetter."
Gracchus schob den Stuhl ein Stück zurück und erhob sich.
"Ich wünsche dir noch einen angenehmen Tag, wir sehen uns."
Vermutlich würden sie sich eher wieder in diesem Officium sehen, denn im flavischen Heim, bedauerlich möglicherweise, doch eine Tatsache.