Mit einem nicht unfreundlichen 'Vale, Caecilius.' verabschiedete Gracchus sich und trat nach einem kurzen Wortwechsel mit einem der Sklaven den Weg zurück in die flavische Villa an. Nachdem in den Archiven eine große Anzahl an unbearbeiteten Erbfällen zu Tage getreten war, gab es bis zum ersehnten Ende der Amtszeit noch äußerst viel zu tun.
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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Auf ein unmerkliches Nicken hin nahm ein Sklave hinter Gracchus eine Tabula hervor und kritzelte den Namen des Caecilius darauf.
"Gut, ich werde dies vermerken. Da du jedoch nicht der einzig Erbberechtigte bist, wirst du dich bis zum Verstreichen der Frist gedulden müssen. Sollten sich die weiteren Erbberechtigten bis dahin nicht melden, wird die Vermögensmasse neu aufgeteilt. Dir würde dann zwar ein größerer Anteil zufallen, weshalb es auch möglich wäre, dies im Nachhinein zusätzlich zu verteilen, doch ob des ohnehin schon enormen Verwaltungsaufwandes und des Aufwandes bei Überschreibung der Güter hat sich dieses Frist-Verfahren bewährt. Für dich bleibt jedoch auch so weiter nichts zu tun, die Erbmasse wird dir nach Ablauf der Frist zugestellt werden." -
Natürlich wusste Gracchus, dass sein Bruder dies alles wusste, doch er wusste noch immer nicht, was sein Bruder wirklich von ihm erwartete. Vermutlich das, was beide wussten, was von ihm erwartet wurde, doch nur Gracchus wusste, dass er nicht all diese Erwartungen erfüllen konnte, denn er war nicht bereits dort, wo sein Vater gewesen war, als jener begonnen hatte für die Familie zu planen, und versuchte fortwährend mehr schlecht als recht das Gleichgewicht zu halten zwischen Pflicht, Familie und sich selbst. Jener Blick seines Bruders der ihn traf, unsicher und ratlos, erinnerte ihn an seine eigene Zerrissenheit, jene Unentschlossenheit, welche ihn beinahe in den Abgrund gerissen hatte, doch gleichsam er mehr Verständnis für Lucullus aufbringen konnte, als jener es würde ahnen, so konnte nichts davon durch die harte Hülle dringen, welche beide um sich herum errichtet hatten, welche um sie beide herum errichtet worden war. Er war es leid, jene Phrasen aus Pflicht und Verantwortung zu wiederholen, darum schwieg er, ließ die Stille, die Leere zwischen ihnen hängen, ließ seinen Bruder im luftleeren Raum hängen, ließ ihn dort, wo ein jeder von ihnen augenscheinlich sein musste, was nicht zu durchbrechen war und sich gleichsam immer würde fortsetzen wie sehr sie sich auch quälten, bei ihren Kindern, Kindeskindern und ihnen folgenden Generationen. Erst als vor dem Fenster ein Hund kläffte, worauf Kinderlachen folgte und Gracchus vor seinem inneren Auge sah, wie der junge Serenus samt seinem Hund und seiner kleinen Sklavin den Garten durchquerte, als er sich fragte, wie wohl Lucullus' Kindheit gewesen sein musste, der so weit weg von allem und doch so nah unter der Hand seines Vaters aufgewachsen war, als er sich fragte, wieso ihre Eltern sie alle hatten so weit auseinander reißen müssen, obgleich sie so viel Wert auf die familiäre Verbundenheit legten, ob es womöglich gerade deswegen gewesen war, erst in diesem Augenblick rang er sich zu weiteren Worten durch.
"Noch bleibt dir Zeit, beständig zu sein." -
Zitat
Original von Lucius Flavius Furianus
"Zwei Claudier verstorben, das ist natürlich zu bedauern. Ebenfalls der Tod meines Klienten Helvetius Caesoninus."
Obgleich es Gracchus lieber gewesen wäre, Furianus hätte dies weder entdeckt, noch wäre er näher darauf eingegangen, so fühlte er sich dennoch verpflichtet, seinem Vetter, welcher eigentlich sein Neffe war, die näheren Umstände zu erläutern, obgleich er hoffte, jener würde nicht auf den marginalen Vermögenswert eingehen. Zuerst hatte er den gesamten Eintrag vernachlässigen wollen, doch er konnte sich nicht dazu durchringen, dem Praetor eine inkomplette Liste vorzulegen, weshalb er auf jene Diskretion hoffte, von welcher im Kreise der Familie auszugehen war.
"Jene Claudier waren Antonias Brüder. Ich werde nach Beendigung meiner Amtszeit mit ihr nach Mantua reisen, um diese Angelegenheit vollends zu klären." -
Nachdem er geklopft und auf Einlass gewartet hatte, betrat ein Sklave den Raum, hinter sich ein weiterer Sklaven, beladen mit Tabulae, und räusperte sich leise, um Aufmerksamkeit zu erregen.
"Salve, mein Herr, der Decemvir litibus iucandis Talius Lento schickt mich. Er ist für Erbfälle von Peregrini zuständig und sendet dem Praetor peregrinus die Übersicht der abgearbeiteten Angelegenheiten der letzten Monate."
Obgleich nicht ganz so viele Erbfälle von verstorbenen Peregrini von den römischen Magistraten bearbeitet wurden, wie von römischen Bürgen, so hatten sich doch ein paar Tabulae angesammelt.Amessis Vistilia
verstorben: ANTE DIEM VIII ID MAR DCCCLVII A.U.C. (8.3.2007/104 n.Chr.)
Erbberechtigt: keine Verwandten, Übergang der Vermögenswerte an den Staat
Vermögenswerte:
~ 9.03 Sesterzen
~ Lupanar (4)Septimus Temulentus
verstorben: ANTE DIEM XIII KAL APR DCCCLVII A.U.C. (20.3.2007/104 n.Chr.)
Erbberechtigt: keine Verwandten, Übergang der Vermögenswerte an den Staat
Vermögenswerte:
~ 70,92 Sesterzen
~ diverse WarenbeständeMarcus Conservatus
verstorben: ANTE DIEM XII KAL MAI DCCCLVII A.U.C. (20.4.2007/104 n.Chr.)
Erbberechtigt: keine Verwandten, Übergang der Vermögenswerte an den Staat
Vermögenswerte:
~ 141,15 Sesterzen
~ diverse Warenbestände
Lucius Angelus
verstorben: ANTE DIEM XII KAL MAI DCCCLVII A.U.C. (20.4.2007/104 n.Chr.)
Erbberechtigt: keine Verwandten, Übergang der Vermögenswerte an den Staat
Vermögenswerte:
~ 210,21 Sesterzen
~ diverse WarenbeständeTiberius Lupus
verstorben: ANTE DIEM XII KAL MAI DCCCLVII A.U.C. (20.4.2007/104 n.Chr.)
Erbberechtigt: keine Verwandten, Übergang der Vermögenswerte an den Staat
Vermögenswerte:
~ 905,39 Sesterzen
~ diverse WarenbeständeSim-Off: Nicht berücksichtigt sind dabei verstorbene IDs ohne Konten, bzw. ohne Besitz.
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Mit einem scharfen Blick überflog Gracchus das Schreiben, wurde des Fehlers in der Anrede jedoch erst gewahr, als Caecilius ihn darauf hinwies. Ein äußerst unangenehmer Fehler, gerade bei Erbangelegenheiten sollten solche Schreiben mit größter Sensibilität verfasst werden, doch gleichsam war es natürlich eine zu große Masse an Schriftstücken, als dass solcherlei nicht ausblieb. Das Bedenklichste an jener Unzulänglichkeit war jedoch, dass Gracchus sie nicht ruhigen Gewissens auf einen der Scribae abschieben konnte, konnte der Fehler doch ebenso gut bei Erstellung der Tabelle passiert sein, von welcher die Scribae die Anschrift und Namen für die Schriftstücke abschrieben. Womöglich sollte er dies auf eine einzige Spalte eingrenzen, doch war es in diesem Falle bereits zu spät für jene Erkenntnis.
"In der Tat ist die Anrede inkorrekt, es sei denn, du hättest zwei Anschreiben mit der deinigen Anschrift und verschiedenen Anreden erhalten, in diesem Falle wäre ein Schreiben falsch adressiert. In beiden Fällen ist dies äußerst bedauerlich und ich möchte für diesen Lapsus um Verzeihung bitten."
Obgleich die Arbeit als Magistrat der Stadt äußerst ehrvoll war, so sah Gracchus dem Ende der Amtszeit doch bereits mit Freude entgegen und war sich dessen sicher, dass er in den nächsten Monaten keinerlei Personenregister mehr sehen wollte, gleich ob von Lebenden oder Toten. -
Dass sich ein Mann in Uniform durch die Menge des Forums drängte war bisweilen nicht ungewöhnlich, dass er sich jedoch direkt in seine Richtung drängte und augenscheinlich zu ihm wollte, dies beunruhigte Gracchus, obgleich er weder Anlass, noch Grund dazu sah. Immerhin war es kein Mann der Praetorianer, und nachdem einer der Männer um ihn herum ihm zuflüsterte, dass der Mann nicht ihn, sondern nur einen Vigintiviren suchte, bemühte er sich um eine freundliche Miene.
"Salve, mein Name ist Flavius Gracchus, ich bin Decemvir litibus iudicandis. Du bist auf der Suche nach einem Vigintiviren? In welcher Angelegenheit?" -
Zitat
Original von Lucius Flavius Furianus
"Dann werde ich mal über die anderen Fälle drübersehen, falls du keine Anliegen mehr hast, Gracchus.""Dies wäre vorerst alles, wie bereits erwähnt, die Arbeit bietet wenig Abwechslung."
Ein Wink folgte und die Sklaven luden ihre Tabulae auf dem Tisch des Praetor urbanus ab.
Gnaeus Helvetius Tranquillus
verstorben: ANTE DIEM X KAL MAR DCCCLVII A.U.C. (20.2.2007/104 n.Chr.)
Stand: unter Patria Potetas des Caius Helvetius Tacitus
Erbberechtigt: Caius Helvetius Tacitus
Vermögenswerte:
~ 119,97 SesterzenAnnaea Helena
verstorben: ANTE DIEM X KAL MAR DCCCLVII A.U.C. (20.2.2007/104 n.Chr.)
Stand: unter Patria Potetas des Lucius Annaeus Florus
Erbberechtigt: Lucius Annaeus Florus
Vermögenswerte:
~ 368.69 Sesterzen
~ diverse WarenbeständeQuintus Sabbatius Aurelianus
verstorben: ANTE DIEM X KAL MAR DCCCLVII A.U.C. (20.2.2007/104 n.Chr.)
Stand: sui iuris
Erbberechtigt: Marcus Sabbatius Maximinus (Sohn)
Vermögenswerte:
~ 30,96 SesterzenMarcus Annaeus Metellus
verstorben: ANTE DIEM XIII KAL APR DCCCLVII A.U.C. (20.3.2007/104 n.Chr.)
Stand: unter Patria Potetas des Lucius Annaeus Florus
Erbberechtigt: Lucius Annaeus Florus
Vermögenswerte:
~ 5,99 Sesterzen
~ diverse WarenbeständeLucius Helvetius Caesoninus
verstorben: ANTE DIEM XIII KAL APR DCCCLVII A.U.C. (20.3.2007/104 n.Chr.)
Stand: unter Patria Potetas des Publius Helvetius Gracchus
Erbberechtigt: Publius Helvetius Gracchus
Vermögenswerte:
~ 1705,68 Sesterzen
~ diverse WarenbeständeTitus Claudius Imperiosus Iulianus
verstorben: ANTE DIEM VII KAL APR DCCCLVII A.U.C. (26.3.2007/104 n.Chr.)
Stand: sui iuris
Erbberechtigt: Claudia Antonia (Schwester durch Adoptio)
Vermögenswerte:
~ 2[SIZE=6],[/SIZE]27 SesterzenCaius Iulius Constantius
verstorben: ANTE DIEM XII KAL MAI DCCCLVII A.U.C. (20.4.2007/104 n.Chr.)
Stand: unter Patria Potetas des Marcus Iulius Lepidus
Erbberechtigt: Marcus Iulius Lepidus
Vermögenswerte:
~ 948,35 Sesterzen
~ diverse WarenbeständeLucius Decimus Philippus
verstorben: ANTE DIEM XII KAL MAI DCCCLVII A.U.C. (20.4.2007/104 n.Chr.)
Stand: sui iuris
Erbberechtigt: Decima Pulchra (Tochter), Marcus Decimus Corbulo (Sohn), Titus Decimus Verus (Sohn)
Vermögenswerte:
~ 3532 Sesterzen
~ diverse WarenbeständeDecimus Claudius Donatus
verstorben: ANTE DIEM XII KAL MAI DCCCLVII A.U.C. (20.4.2007/104 n.Chr.)
Stand: sui iuris
Erbberechtigt: Claudia Antonia (Schwester)
Vermögenswerte:
~ 250 Sesterzen
~ GrundbesitzSim-Off: Nicht berücksichtigt sind dabei verstorbene IDs ohne Konten, bzw. ohne Besitz, für alle übrigen Fälle stehen die Antworten der Erbberechtigten noch aus oder lässt die Einsicht in die Testamente auf sich warten.
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Der kleine Beutel wanderte ohne dass Gracchus ihn berührte zu einem seiner Sklaven weiter, der Decemvir nickte nur.
"Es war mir eine Freude, dass ich dir behilflich sein konnte, Annaeus. Gleichsam hoffe ich, dass die Götter für dich in allzu naher Zeit keine weitere solche Aufgabe bereithalten."
Dass die Aufgabe für ihn nun beendet war, erleichterte Gracchus, da sie den Tempel der Venus Libitina damit verlassen konnten. Obgleich die Priesterschaften Roms mehr oder minder für alle Tempel gesamt verantwortlich waren, so hoffte er doch, dass ihm die Verantwortung über jenen Tempel doch auch künftig nicht würde treffen, wenn sein Amt beendet und er wieder im Dienst des Cultus Deorum würde stehen. Vor dem Tempel verabschiedete sich Gracchus von dem Praefecten und trat seinen Weg zurück zum Forum an. -
Der Tag neigte sich bereits seinem Ende zu, die ersten Öllampen waren entzündet und Gracchus kaute nachdenklich an einem Stück zartem Hühnerflügel, ummantelt von einer hauchdünnen Panade aus liquamen vermengt mit Eigelb und Fladenbröseln, herum. Es war einer jener berüchtigten Spinat- und Gerstentage der Villa Flavia, welche von Flavia Agrippina, der Mutter des Aristides und Großmutter des Serenus und der Arrecina für den gesamten Haushalt verordnet worden waren. Nur dunkel erinnerte sich Gracchus an jene Frau, er hatte sie bisweilen nur auf größeren Familienfeierlichkeiten angetroffen, doch sie war eine imposante Erscheinung, trotz ihrer geringen Größe, und dass ihr Arm von Baiae bis nach Rom reichte und fähig war, einem Haushalt mit nicht wenigen wichtigen Männern einen Essensplan auf zu zwingen, welcher drei Mal im Monat nichts anderes Spinat und Gerstenbrei vorsah, dies sprach mehr als nur für ihren Einfluss. Auch Gracchus wollte sich dem nur ungern entgegen stellen, doch ebenso wenig würde er sich mit einem Mahl ohne Fleisch zufrieden geben, so dass er deplorablerweise gerade immer an jenen Tagen äußerst viel zu arbeiten hatte, daher dem familiären Mahl im Triclinium nicht beiwohnen konnte und deswegen eine Kleinigkeit auf seinem Cubiculum aß. Mit einem leichten Seufzen biss Gracchus noch einmal von dem zarten Fleisch und lehnte sich zurück. Bis auf das Essen vor ihm und einigen unbedeutenden persönlichen Gegenständen war der Tisch vor ihm leer, denn seine heutige Arbeit war längstens erledigt. Dennoch gab es mehr als nur Spinat und Gerste, was ihn vom abendlichen, familiären Mahl abhielt, denn bereits seit geraumer Zeit ließen Gracchus die Gedanken um die Zeit nach seiner Amtszeit nicht mehr ruhen. Er musste sich um Minervina kümmern, nach Hispania reisen und sie nach Hause holen. Doch gleichsam musste er mit Antonia nach Mantua reisen, was nicht würde warten können, bis er aus den Provinzen wieder zurück kehrte. Mantua musste also vor Hispania liegen, was Gracchus bereits nicht gefallen wollte, doch gleichsam würde ihn nach dem Cursus Honorum auch seine Pflicht im Cultus Deorum wieder einholen oder möglicherweise auch eine andere, welche es ebenfalls nicht würde dulden, dass er monatelang unterwegs war, es sei denn er würde um eine Aufgabe als Anlass dieser Reise bitten, was ihn jedoch hernach viel länger würde in Hispania halten, als es ihm lieb war. Unachtsam hob Gracchus den Hühnerflügel und biss geradewegs auf den Knochen, erst als es zu spät war, bemerkte er den aufflammendem Schmerz in seinem Kiefer, und ließ das Huhn mit einem unterdrückten Schmerzenslaut auf den Teller zurück fallen, um sich die Hand an die Backe zu pressen. Diesem Zahn würde er sich ebenfalls beizeiten widmen müssen. Unwillig schob er den Teller mit den Fleischstücken über den Tisch von sich hinfort, womöglich wären Spinat und Gerstenbrei doch angenehmer gewesen.
"Soll ich etwas anderes zubereiten lassen?", fragte der allgegenwärtige Sciurus besorgt.
"Nichts, ich habe ohnehin keinen Appetit. Warst du schon einmal in Hispania, Sciurus?"
"Ich diente eine Zeit lang in Carthago Nova."
"Tatsächlich? Das ist äußerst vorteilhaft. Bring mir Pergament und Tinte."
Möglicherweise gab es einen Weg, all die losen Enden miteinander zu verknüpfen. -
Zitat
Original von Marcus Vinicius Hungaricus
In der Tat gibt es Ergebnisse. Eine Erweiterung wurde abgelehnt, denn stattdessen hatte einer meiner Klienten einen Kommentar angefertigt, welcher angesichts der Lage dem Senat vorgestellt wurde. Der Kommentar wurde angenommen und demnächst findet sich eine Abschrift in der Basilica Ulpia.
"Ein äußerst begrüßenswertes Unterfangen, dessen Ergebnis ich mir bei Zeiten zu Gemüte führen werde."
Gracchus war gerade versucht dem Vinicier eine Frage bezüglich einer erbrechtlichen Angelegenheit zu stellen, welche ihm nicht aus dem Kopf ging, - Hungaricus galt immerhin als Koryphäe auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften, in manchem Kreise wurde er gar schon als zweiter Cicero gehandelt - da forderte der Gastgeber sie auf, um den Tisch herum Platz zu nehmen. So kam es denn, dass Gracchus neben seinem angeheirateten Verwandten Claudius zu Liegen kam, was er sogleich zum Anlass zu einer Begrüßung nahm.
"Salve, Claudius. Ich hoffe, du befindest dich wohl? Was führt dich nach Rom, doch sicherlich nicht nur eine Einladung des Tiberius?" -
Harrsche, scharfe Worte lagen auf Gracchus' Zunge und wollten sich ihren Weg in die Freiheit bahnen, doch er schluckte sie hinunter und begrub sie unter einigen Lagen Selbstzweifels. Wer wusste schon, was Lucullus tatsächlich wollte, vermutlich war die Welt zu bereisen nur ein Vorwand für gänzlich anderes, ebenso wie Gracchus' Studien jahrelang Vorwand gewesen waren, um in Aqulius' Nähe zu verweilen. Dennoch konnte er die Härte nicht gänzlich aus seinen Worten verdrängen.
"Es ist ebenso unerheblich, woran du Gefallen findest, wie das, was du willst. Dies gilt sowohl für eine Verbindung, als auch für deine öffentliche Präsenz. Bezüglich ersterem kann ich versuchen dir behilflich sein, wenn du dies möchtest, doch dann erwarte ich, dass du meine Vorschläge ernsthaft prüfst. Eine Eheschließung ist eine politische Angelegenheit, sie hat mit persönlichen Sympathieen, Antipathieen, Vorlieben und Neigungen nicht das geringste zu tun. An deiner Bekanntheit wirst du selbst arbeiten müssen, obgleich dir die Familie durch Einführung in die richtigen Kreise auch hierbei behilflich sein kann. Ohne die richtigen Kontakte wirst du niemals weit kommen, Lucullus. Die notwendigen Stimmen für ein Vigintivirat mögen noch von Patron zu Patron ausgehandelt werden, doch für die Quaestur werden die Senatoren dich näher in Augenschein nehmen, sind sie doch äußerst kritisch, da hernach schon die Aufnahme in den Senat folgen kann. Es genügt längst nicht mehr, seinen Namen und seine Ahnen zu nennen."
Ein Umstand, welchen Gracchus nicht unbedingt bedauerlich fand, gab es doch deplorablerweise genügend patrizische Familien, die sich tatsächlich nur allzu gern auf den Taten ihrer Vorfahren ausruhen wollten. -
Unentwegt flackerten die lodernden Flammen und mit einem zischenden Knistern erhob sich ein rotfarben glühender Funke aus dem Opferfeuer, hoch in die Nacht hinaus, wo er irgendwo zwischen Himmel und Erde verlosch. Das Knistern des Feuers, das nervöse, vergeblich zu unterdrücken gesuchte Scharren von Füßen auf dem steinigen Weg, leises Knarzen der Bäume und säuselndes Rascheln ihrer Blätter, dies war alles, was über dem Peristylium lag. Nicht der Boden tat sich auf, um die Unterirdischen zu entlassen, auf dass sie den Germanen mit sich rissen, nicht der Himmel, um die Oberirdischen zu zeigen, die den Sklaven in ihrer Gewalt zerdrückten, und doch konnte Gracchus das Flüstern der Götter in seinen Ohren hören, wie ein Tanz aus tausend Stimmen, wie eine Kakophonie aus einer anderen Welt. Die Ohren der Menschen waren nie dazu bestimmt, die Worte der Götter zu vernehmen, nicht ohne Sinn waren die Sybillen den Menschen weit entrückt, nicht ohne Sinn wurde die Divination in all ihren römischen Formen nur durch das Auge gesichtet, in Texten gesucht, im Vogelflug gedeutet oder im Inneren eines Opfertieres gelesen. Gracchus' Arme sanken herab und mit dem Rücken noch immer zu den übrigen gewandt blieb sein Blick auf dem blutigen Fleck an seiner Hand haften. Es war das Blut des Sklaven ... das Blut ... des Sklaven ... . Ein leichtes, unscheinbares Zittern ergriff von Gracchus' Körper Besitz, während er auf seine Hand starrte und spürte, wie ihm die Sinne langsam schwanden, wie Übelkeit in ihm emporkroch, sich aus den Tiefen seines Bauches erhob und ihre gierigen Klauen nach jeder Faser seines Selbst ausstreckte, wie sich Dunkelheit, noch tiefer als die fahle Nacht, langsam vor seine Augen schob. Er schloss die Augen und atmete tief durch, tief den Rauch der noch immer vor sich hinbrennenden Räucherung ein.
Es ist nur ein Sklaver ... nur ein Sklave ... fast ein Tier ... nur ein Sklave, versuchte er sich zu beruhigen.
Nur ein Sklave, flüsterten auch die Ahnen, Nur ein Sklave, bestätigten die Überirdischen, Nur ein Sklave, stimmten die Unteridischen zu, Nur ein Sklave seiner Selbst, kreischten die Infernalischen in seinen Ohren.
Ein Fluch war nichts, mit dem ein ehrbarer Mann sich befassen sollte, erst recht nicht ein jener, dessen Lebensfäden selbst die Götter des Chaos in ihren Blick gefasst hatten. Wie ein Spinnennetz zogen sich die feinen Stränge des Schicksals dahin, manche kreuzten, manche berührten sich, und zog einer an seinem Ende, so bebte das ganze Gefüge und zeigte der Spinne, wo ihre Beute zu finden war. Als Gracchus sich umdrehte waren seine Augen geweitet, ob der Dunkelheit wegen, ob des Rauches wegen, doch viel eher deswegen, da sein ganzes Antlitz den Anschein bot, als hätte er selbst in den Abrund des Hades geblickt. Er trat zu Rutger hin, brachte sein Gesicht nahe an das des Sklaven, seinen Mund nah zu dessen Ohr. Seine Stimme war nur ein Flüstern, ein Hauch in der Nacht, und niemand außer dem Germanen würde hören, was er sprach.
"Flehe zu deinen Göttern, Rutger Thidriksohn, flehe zu allen Göttern deren Namen du kennst, dass sie deine Schuld auf sich nehmen und den Fluch und das Vergessen von meiner Nichte nehmen."
Noch während er im Abwenden inbegriffen war, begann Gracchus mit tiefdröhnender Stimme und ungebrochener Ernsthaftigkeit zu Ende zu bringen, was begonnen worden war.
"Iove! Veiovis! Marmar! Mars Ultor! Luna! Unser Dank in dieser Stunde, unser Dank in aller Ewigkeit! Wie es Euch zusteht, höchste und reinste Götter, wie es uns Ehre ist!"
Gewandet in eine dunkle Tunika trat ein Sklave heran, eine weiße Gans auf seinem Arm, die ob ihrere Reinheit um so mehr von ihm abstach. Obgleich sie mit ihrem letzten Futter auf diesen Augenblick vorbereitet worden war, so wirkte sie unruhig, versuchte aus dem Griff des Sklaven zu gelangen, und nur ein rotes Band, welches sich um ihren Schnabel wand, verhinderte dass sie keinen Laut würde ausstoßen können. Gracchus nahm das Tier mit festem Griff und ebenso das Messer wieder auf, hielt nur einen kurzen Augenblick inne und zog dann die Klinge über die Kehle des Tieres, die so dünn war, dass es nicht viel zu schneiden gab, und der Kopf hernach zur Seite klappte und nur noch an wenigen Strängen Fleisch traurig zur Seite hing, während Gracchus den Leib des Vogels fest an seine Brust presste, um das letzte Aufbäumen zu unterdrücken.
"Unser Dank für unsere Bitte! Iove! Veiovis! Marmar! Mars Ultor! Luna! Eure Gunst für unsere Gabe!"
Unentwegt rann das dunkle Gänseblut aus dem leblosen Leib, färbte den Boden zu Gracchus' Füßen, tränkte seine Toga und bald seine Tunika, so dass er die feuchte, klebrige Masse auf seiner Haut konnte spüren. Er hob die tote Gans und übergab sie gänzlich und in ihrer Gesamtheit dem Feuer, denn nichts, was im Zusammenhang mit einem Fluch stand, sollte hernach von Menschen verspeist werden.
"Unser Dank für unsere Bitte! Iove! Veiovis! Marmar! Mars Ultor! Luna! Eure Gunst für unsere Gabe!",
wiederholte er noch einmal seine Worte und schloss damit den Ritus ab. -
Nicht nur der Inhalt des Kurses ließ viel versprechen, sondern auch der Kursleiter, welcher Gracchus bereits aus dem cursus de litteris antiquis bekannt war. So saß er, nachdem er seine Tabulae und Griffel akkurat vor sich hin ausgebreitet hatte, aufmerksam in den Reihen der Schüler - mehr vorne, denn hinten - und lauschte der Einfühung.
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Den Wunsch danach, die Welt zu bereisen und zu sehen, konnte Gracchus in keinster Weise nachvollziehen, denn weite Reisen waren ihm ein Graus, und bereits auf Minervinas diesbezüglichen Wunsch hatte er nur mit Unverständnis regieren können, doch womöglich lag es an ihrer beider eher indefiniblen Position, während in Gracchus schon in Rom sitzend kaum Ennui und Monotonie erwachsen wollte. Die ungeschönte Aussage jedoch, dass Lucullus den Weg des Cursus Honorum nicht allzu bald beschreiten mochte, verwunderte Gracchus, erschreckte ihn beinahe ein wenig, denn sein Bruder offenbarte damit gleichsam, welch Vertrauen er in ihn setzte, welch Bindung augenscheinlich auch zwischen ihnen beiden bestand. Er wusste selbst, dass jene familiären Bindungen schwerer wiegten als vieles andere, ungeachtete dessen, dass sie über Jahre hinweg nur über weite Entfernung und in beinahe durscheinender Konsistenz bestanden hatten, doch obgleich sich Gracchus dessen bewusst war, dass sein Einsatz für jene Familie äußerst weit würde gehen, so war er doch wie auch im Falle Minervinas ein wenig erstaunt, dass Lucullus ihm solcherlei Gefühl entgegen brachte. Es war tatsächlich jener unscheinbare Aufruhr seiner Emotio, welche Gracchus dazu brachten, den Blick von seinem Bruder zu nehmen und sinnierend an die hinter ihm liegende Wand zu blicken.
"Wenn du dich erst in Rom bindest, wirst du nicht wieder davon fort kommen. Hast du bereits darüber nachgedacht, den Cultus Deorum um eine Versetzung zu bitten? Der Dienst an den Göttern bietet viele Möglichkeiten die Welt zu sehen, wenn es einem Mann danach steht. Auch ..."
Auch Aquilius war Rom entkommen, dies war es, was Gracchus auf der Zunge lag, doch er sprach es nicht aus, war es doch lange sein Glauben, doch letztlich nicht die Tatsache gewesen. Dennoch war dies möglich. Mehr noch würde es Lucullus ebenso vor weiteren Schritten bewahren, welche gravierender noch würden sein, als der Weg in die Politik. Amtszeiten kamen und gingen, doch manch anderer Status blieb bestehen und brachte weitere Pflichten mit sich.
"Hast du bereits über eine angemessene Verbindung nachgedacht?" -
Die Aussicht darauf, Arbeit unerledigt an einen der nächsten Decemviren weiter zu reichen, wollte Gracchus nicht recht gefallen, doch lag dies nicht in seiner Hand.
"Im letzteren Falle liegt es auch in meinem Interesse, das Ende dieser Angelegenheit zu erfahren, doch sollte dies nicht weiter schwierig sein."
Ein subliminal süffisantes Lächeln umspielte Gracchus Lippen, als Gedanken bezüglich des Informationsflusses sich in seinen Geist drängten, doch schob er sie eilig bei Seite.
"Es handelt sich dabei um rein persönliche Neugier. Die Arbeit als Vigintivir bietet nicht gerade sonderlich viele Möglichkeiten zur Abwechslung und obgleich es eine durchaus befriedigende Arbeit mit sichtbarem Effekt ist, so ist die Beschäftigung mit Listen voller Namen, Akten voller Daten, pergamentener Bögen voller Abstammungslinien und Tabulae voll leerer Worte doch meist ein wenig ennuyant. Dies ist bisherig der einzige Fall, welcher ein wenig Abwechslung bringt, daher stehe ich jener Entscheidung durchaus nicht ohne Interesse gegenüber." -
Die Andeutung eines Lächelns umspielte die Lippen des Sacerdos, als jener die Tabula dem Scriba zurück reichte. "Mögen die Götter euch gewogen sein." Mit diesen Worten verabschiedete er sich und taucht im Gewirr des Tempels unter.
Der Scriba klappte die Tafel erneut auf und hielt sie Florus hin. "Den Abdruck deines Siegels brauche ich noch, Herr, damit die Übergabe der Asche in den Archiven nachvollzogen werden kann"
Nicht zum ersten Male an diesem Tag dachte Gracchus, welcher noch immer schweigsam neben dem Geschehen verharrte, darüber nach, welch enormer Verwaltungsakt das Sterben und selbst das Verstorbensein war. -
Augenscheinlich erwartete sein Bruder von ihm eine Art der Entscheidung, eine Weisung womöglich, wie sein Vater sie ihm gegeben hätte, doch Gracchus war nicht gewillt, jeden Schritt, welchen sein Vater ihm aufgedrängt hatte, weiter zu gehen, nicht, nachdem er bereits aus seinem eigenen Weg ausgebrochen war und dennoch seine Pflicht erfüllte. Seine Pflicht war es, dafür Sorge zu tragen, dass seine Geschwister ihren Weg dorthin fanden, wo ihre Herkunft sie vorsah, doch letztlich führten alle Wege nach Rom und Gracchus war es gleich, welchen davon sie wählten, solange er ihnen angemessen war.
"Wofür du bestimmt bist, ist, was du tun sollst und tun musst. Es gibt kein anderes Ziel ohne Scheitern."
Es waren harte Worte und sein eigener Tofall erinnerte ihn zunehmend mehr an seinen Vater, doch gleichsam konnte Gracchus mehr und mehr verstehen, weshalb sein Vater gewesen war, wie er gewesen war, und von ihnen verlangt hatte, was er verlangt hatte.
"Dein Problem ist es einzig, einen Weg zu finden, welcher dich dorthin führt und du solltest diesen Weg weise wählen, Lucullus, denn er kann gleichsam deinen Wünschen entsprechen und dennoch angemessen sein, oder aber ebenso angemessen, doch steinig, kurvenreich und hart. Quäle dich nicht unnötig auf deinem Weg, denn wir mögen Patrizier sein, doch dies muss nicht implizieren, dass uns keine Freude am Leben gegönnt sein darf. Es gibt viele Möglichkeiten, dem Imperium angemessen zu Diensten zu sein, wähle jenen für dich aus, der dir am ehesten liegt. Welcher dies ist, Lucullus, dies musst wiederum du selbst entscheiden, denn ich habe weder die Gewalt, noch die Absicht dich auf einen Pfad zu zwingen." -
Die kleine Horde zieht vorbei wie ein Zwergeninferno und gleichsam mit dem Getrappel der Füße und dem Johlen der Kinder kommen Gracchus an seiner Idee doch marginale Zweifel. Womöglich war Serenus noch nicht alt genug, eine solche Verantwortung zu tragen, immerhin trug er trotz seiner Reife noch die Bulla um den Hals. Vielleicht sollte er Sciurus mit seiner Gemahlin senden und diesen hernach nach Hispania nachkommen lassen, oder womöglich doch mit Antonia nach Rom zurück reisen und von Ostia aus nach Hispania einschiffen? So oder so war ihm der Gedanke an diese lange Reise bereits jetzt ein Graus, denn das Reisen - ob zu Lande oder Wasser - war ihm noch nie sonderlich gut bekommen, und dabei auf erster Strecke auch noch die Anwesenheit seiner Gattin und deren vorwurfsvollen Blick in fortwährender Nähe zu erdulden, dies würde wahrlich nicht einfach werden. Womöglich sollte er Serenus dennoch mitnehmen, denn wenn Antonia eine Begleitung in ihrem Reisewagen hätte, so würde sie ihm selbst, der zu Pferde reisen würde, womöglich seine Ruhe lassen. Womöglich sollte er gar noch eine weitere Begleitung mitnehmen, um ihr möglich viel Abwechslung zu bieten, und obgleich ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewahr war, wie dies aussehen konnte, so wollte er dies doch in seinen Hintergedanken behalten.
"Gut, dann wäre dies wohl augenscheinlich alles. Die Überschreibung der Besitztümer werde ich veranlassen." -
Wie Larven schälten sich die Protagonisten des Rituales aus dem feinen Dunstschleier der Räucherung heraus, doch Gracchus konnte nicht mehr benennen, ob es tatsächlich nur noch der dünne Rauch war, welcher durch die Luft zog, oder ob nicht bereits die Grenzen der Welten sich verflüchtigten. Von rationaler Seite her war natürlich jegliches Empfinden und jegliche Wahrnehmung durch die Dämpfe zu erklären, betrachtete man deren Wirkung von Außerhalb, so war es leicht, Urteil zu ziehen über Dinge, welche niemand verstand, doch wer einmal begonnen hatte, tiefer hinter die tatsächliche Welt zu blicken, der konnte sich nicht einfach mehr von dem lösen, was er gesehen und erlebt hatte, von jenen Dingen, welche bereits in dieser und anderer doch gleichsam gleicher Form von den Vorfahren der Vorfahren so erfahren worden waren, von Dingen, welche keiner Erklärung bedurften um in ihrer Existenz berechtigt zu sein, da sie gleichsam nicht der Erklärung, sondern Erfahrung bedurften um sie zu erfassen. Hannibal, Sklave des Marcus Aristides, schälte sich aus der Dunkelheit heraus, blieb doch gleichsam selbst Dunkelheit und brachte den Keim des Vergessens mit sich. Längst hatte Gracchus den Namen des Germanen vergessen gehabt, obgleich ihm dessen Antlitz in Erinnerung geblieben war. Er war nicht wenig erstaunt gewesen, als er erfahren hatte, dass der blonde Sklave, welcher an den Saturnalia ihren Tisch geteilt hatte, jener Übeltäter und Fluchsprecher war, und mehr noch hatte ihn erstaunt, dass Aristides dies tatsächlich den ganzen Abend über geduldet hatte. Manches mal war ihm die Denkweise seines Vetters noch unverständlicher, als sie dies bisweilen ohnehin schon war. Unter der Falte der Toga hervor musterte Gracchus den Sklaven und fühlte nicht zum ersten Male an diesem Abend einen ernsthaften Stich des Bedauerns über solch eine Verschwendung, denn er war sich sicher, dass er mit Aquilius trotz allem vielleicht überein gekommen wäre, ihn gelegentlich für seine Dienste beanspruchen zu dürfen, da Caius selbst doch ohnehin an den Menschen von nördlichem Schlage wenig fand. Ein Rascheln der Kiesel auf den Boden ließ Gracchus aus seiner nachdenklichen Betrachtung des Sklaven, dessen Namen er von Hannibal für das Ritual erfahren hatte, aufmerken, als Arrecina den Schauplatz betrat, an den Feuerschalen vorbei und sich schließlich mit den Flammen im Hintergrund zu einer schattenhaften Silhouette wandelte, ohne Gesicht, ohne Persönlichkeit, ohne Erinnerung, und gleichsam mit ihrem Erscheinen sich wieder Stille über die Szenerie legte, obgleich Gracchus das Aufbegehren des Germanen ohnehin nur am Rande in sein Bewusstsein gedrungen war.
"Iove! Veiovis! Marmar! Mars Ultor! Luna!"
Tief dröhnend durchschnitt Gracchus' Stimme die Stille als er die Arme ausbreitete und die Götter gen Himmel beim Namen anrief.
"Ihr Überirdischen hört unseren Ruf und steht uns bei in dieser Stunde!"
In einer fließenden Bewegung nahm Gracchus das Messer von dem kleinen Altartisch in die Linke und fuhr schließlich herum, streckte seinen rechten Arm aus und deutete auf den germanischen Sklaven.
"Rutger Thidriksohn, Sohn der Fremde, erschlich sich Übel von den seinen niederen Göttern, auf dem Euch gehörenden Land, zum Schaden einer Eurer Töchter, Flavia Arrecina, Tochter des Marcus Flavius Aristides, Sohn des Lucius Flavius Corvinus, die Euch treu ergeben und wie die Ehre gebietet Euch stets verpflichtet waren und sind! Rutger Thidriksohns Wort zu den Göttern des Infernos, Rutger Thidriksohns Flehen zu den Göttern des Chaos raubten Flavia Arrecina den Geist, raubten Flavia Arrecina den Sinn, raubten Flavia Arrecina das Wissen selbst um Euch! Iove! In Deine Hände das Schicksal der Flavia Arrecina, in Deine Hände ihr Sein! Veiovis! In Deine Hände die Erinnerung der Flavia Arrecina, in Deine Hände ihren Geist! Marmar! In Deine Hände den Fluch, Band zwischen zwei, die nicht zusammen gehören, auf dass Du trennst, was nicht zusammengehört! Mars Ultor! In Deine Hände die Rache den niederen Göttern, die sich erdreisten zu nehmen, was den Deinen gehört!"
Mit einem Schritt war Gracchus bei Rutger, beachtete nicht, was der Germane tat oder nicht tat, war in seinem Tun gefangen, denn als erst der Anfang gemacht war, gab es kein Entkommen ohne Ende.
"Götter des Infernos! Götter des Chaos! Ihr, die Ihr das Flehen des Rutger Thidriksohn erhörtet, Euch sei geraten zu nehmen, was Rutger Thidriksohn ist, denn nichts mehr kann er geben, nichts mehr ist sein Recht, nichts mehr ist sein Besitz! Das Leben des Rutger Thidriksohn muss Euch genügen, darum gebt frei, was nicht Euch zusteht, gebt frei und nehmt, was Euer ist."
Er hob seinen linken Arm, zog das Messer in einer schnellen Bewegung über des Sklaven Stirn, so dass ein kleiner Schnitt entstand, doch bevor noch Blut fließen konnte hatte Gracchus bereits seine Rechte erhoben und presste seinen Handballen fest auf die Stirn des Germanen.
"Rutger Thidriksohn! Löse deinen Bann und nimm zurück, was dein Recht nicht ist! Rutger Thidriksohn, weiche aus dem Geist der Flavia Arrecian! Rutger Thidriksohn, dein Leben für die Freiheit der Flavia Arrecina!"
Erneut eine Drehung, zu Arrecina hin, in welcher Gracchus die Berührung löste, nur um Augenblicke später seine Hand, an welcher nun das Blut des Germanen klebte, an Arrecinas Stirn zu drücken.
"Flavia Arrecina! Dein Geist zurück in deinen Körper, deine Erinnerung dorthin, wo ihr Ursprung ist! Trenne dich von dem, was nicht sein darf, löse die Bindung, die nicht dein eigen ist!"
Er löste seine Hand und wandte sich dem düsteren Himmel zu.
"Mondin Luna, neuer Mond, neue Erinnerung! Dunkelheit weiche! Wie du anwachsen wirst, lass die Erinnerung erwachsen!"