Mit regem Interesse hatte Gracchus die Aussage seines Leibsklaven verfolgt und merkwürdigerweise war auch ihm dabei eingefallen, den Gärtner an jenem Tag vor dem Haus gesichtet zu haben. Durch den Durchgang zum Garten hatte er die Rosen betrachtet, als er sich mit einem kühlen Glas Wasser erfrischt hatte, bis der tumbe Kerl durch seinen Blick gestolpert war. Langsam erhob sich Gracchus nun und winkte seinem Sklaven.
"Mögen die Götter euch helfen."
Er wartete, bis Sciurus die Tür öffnete und schritt sodann hindurch, gefolgt von seinem Sklaven. Über die Zeit hin hatte er vergessen, bei was er durch die Befragung gestört worden war, doch sein treuer Sciurus würde sich sicherlich noch daran erinnern.
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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"Wie könnte ich je vergessen."
Die Worte erstarben langsam, so dass das Vergessen beinahe nur noch ein Hauch in der heißen Luft der Thermen war. Bevor die Erinnerung jedoch all zu deutlich aus den tiefen Regionen des Verdrängens heraufsteigen konnte, räusperte sich Gracchus.
"Da meine Hände noch immer nicht dazu geeignet sind, die Rückseite meines Körpers einzureiben, wäre ich dir sehr verbunden, wenn du meinen Rücken übernimmst. Im Gegenzug werde ich mich dem deinen widmen."
Welch verlockende Aussicht, zum Greifen nah. Sciurus würde einiges auszuhalten haben an diesem Abend, denn noch war nicht aller Tage Abend und die Aussichten würden mit jeder verstreichenden Minute nur besser werden. Sie traten ein wenig zur Seite und Gracchus hielt seine geöffneten Handflächen seinem Vetter entgegen, dass dieser ihm Öl dort hinein goss. Mit einem Funkeln in den Augen trat er sodenn hinter Aquilius und hob seine Hände zu dessen Schultern. In dem Moment, in welchem seine Handflächen die Haut des Vetters berührten, war alles Vergessen und Verdängen passé, genauso schnell wie das Öl den Rücken hinab floss, flossen die Erinnerungen und mit ihr die Begierde. Gracchus atmete tief ein und ließ seine Hände über den Rücken gleiten, massierte Aquilius das Öl in die Haut und zeigte nur durch ein sehr feines Kräuseln seiner Lippen, dass überhaupt etwas in ihm vorging. -
Die Unterbrechung kam Gracchus gerade recht, denn Terrentius Varros' De lingua Latina war zwar nicht übermäßig kompliziert, doch die Schrift in Hinsicht auf die Bedeutung religiöser Worte zu analysieren und exzerpieren war eine leidliche Aufgabe. Neugierig blickte er an seinem Leibsklaven vorbei um einen Blick auf den Gast zu werfen. Der gefallene Name sagte ihm nicht das Mindeste und er konnte sich auch nicht vorstellen, was jender Didius von ihm wollen konnte. Dennoch blickte er ihm nicht unfreundlich entgegen.
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Wieder beobachtete Gracchus mit höchster Aufmerksamkeit das ehrliche Lächeln, welches Claudia seinem Vetter entgegen brachte. Da die Entscheidung darüber, ob er dies als Kränkung auffassen sollte, noch nicht gefallen war, ignorierte er ihren hilfesuchenden Blick und ließ sie selbst eine Antwort geben, die auch für ihn von überaus großem Interesse ist. Die Frage war immerhin keine wirkliche Frage, so die Antwort auch keine freie Antwort sein konnte, denn für Gracchus stand fest, dass er zu Höherem denn einem Sacerdos-Amt berufen war und dies bedingte auch den religiösen Eifer seiner Ehefrau. Dennoch beruhigte ihn zu wissen, dass sie ihren Pflichten nachkommen würde, zumindest jenen außerhalb der Villa. Um die ehelichen Pflichten machte er sich da noch mehr Sorgen, ganz zu schweigen von den häuslichen.
"Wie weit ist es mit deinen Absichten, dem Cultus Deorum beizutreten, gediehen, Vetter?" -
Gracchus nestelte ein wenig unter seiner Tunika herum und hob schlussendlich einige Münzen empor. Als wäre er in den Thermen zuhause ging er anschließend voran durch den Durchgang hindurch und bog in einen Gang hinein.
"Öl kann man dort vorn erwerben, nicht nur zum Ringen, auch für die Massage oder zum Einreiben nach dem Bad. Der Hof schließt sich gleich dahinter an."
Mit keinem Zucken ließ er sich anmerken, welche Wirkung der Körper seines Vetters auf ihn hatte, ähnlich den Körpern der Männer um sie herum, doch noch um einiges heftiger. Er hatte lange gebraucht, bis er so weit war, nicht bei jeder muskulösen Brust in Verzückung zu geraten. Sein alter Sklave und Lehrer Sciurus hatte viel dazu beigetragen, mindestens ebensoviel wie zu Gracchus Lust am gleichen Geschlecht. Ein kurzer Stich durchfuhr sein Herz, als er an das letale Schicksal seines treuen Gefährten dachte, doch er schob diese Gedanken bei Seite. Der jetztige Sciurus war beinahe ebenso talentiert, wenn auch in dieser Beziehung Gracchus die Stellung des Lehrers einnahm. Er trat an den kleinen Stand, griff zielsicher zu einer Flasche und bezahlte sie. Nachdem er den Korken aus der Öffnung gezogen hatte, roch er kurz daran und reichte das Öl an Aquiliius weiter.
"Ich hoffe, dieser Duft ist dir noch immer genehm." -
"Mit ihm?"
Irritiert blickte Gracchus im Raum umher, bis er verstand, wen der Praetorianer meinte.
"Mit dem Sklaven?"
Seine Stimme klang noch immer ungläubig.
"Er ist mein Eigentum. Was er weiß, sollte auch ich wissen. Ich sehe keinen Anlass, weshalb ich zu einer Befragung den Raum verlassen sollte. Nur zu, fragt ihn, was ihr wissen möchtet, er wird es euch beantworten."
Mit einem Wink gebot er Sciurus näherzukommen.
"Beantworte die Fragen." -
Ein kurzes Lächeln zuckte über Gracchus Lippen, war jedoch so schnell wieder hinfortgeweht, wie es gekommen war. Mit ausdrucksloser Miene wandte er sich dem Praetorianer zu.
"Nein, zu dieser Zeit war er nicht aus dem Haus."
Gracchus dachte nicht einmal darüber nach, ob dies nicht stimmen konnte, geschweige denn, welcher Tag dies gewesen war. Der Hinweis Sciurus' genügte ihm vollauf, denn dieser war nicht nur sein Leibsklave und Bettgefährte, sondern auch verantwortlich für Gracchus' Tagesplanung und ersetzte gleichzeitig das Gedächtnis seines Herrn, was solche belanglosen Informationen betraf. Ob ein Tag einen Tag früher oder später vergangen war, dies interessierte ihn nicht im mindesten. -
Mit einem Mal fühlte sich Gracchus alt, unendlich alt und müde. Schwerer als je zuvor lag die erdrückende Last des Namens Flavius auf seinen Schultern, der nichtmehr nur bedeutete, seine eigenen Wünsche zurückzustellen und sich einer Verantwortung zu beugen, welche auf uralten Traditionen wurzelte, zusätzlich häufte der Name mehr und mehr Skandale und Unglück auf sich. Die verstoßene Messalina hatte man aus dieser Villa heraushalten können, doch ein Mörder, welcher direkt an die Haustür führte, konnte nicht ignoriert werden.
"Die Götter mögen euch helfen, dass der Übeltäter gefasst wird."
Sein Blick folgte dem des Praetorianers und blieb auf Sciurus liegen. Mit einem Nicken bedeutete er ihm die Frage zu beantworten. -
Nicht zu dicht folgte Gracchus seinem Vetter und erquickte sich bereits im Vorfeld an diesem Thermenbesuch, obgleich sie das Wasser noch nicht einmal sehen konnten. Schneller als er schauen konnte, war Aquilius schon entkleidet, drehte sich um und schaute ihn an. Gerade noch rechtzeitig konnte Gracchus seinen Blick in unverfänglichere Gefilde heben.
"Ich denke..."
Die Worte blieben ihm beinahe im Halse stecken, so verwirrte ihn die vorherrschende Situation. Es mochte Monate her sein, dass er Aquilius auf diese Weise in seiner unschuldigsten Art gesehen hatte und die vertraute Unvertrautheit schürte ein Feuer in ihm, welches an diesem Platze vollkommen fehl am Platz war. Er schluckte, drehte sich bedächtig zu seinem Fach hin und öffnete dies.
"... eingangs sollten wir uns ein wenig beim Ringen erwärmen."
In ihrer gemeinsamen Zeit in Achaia waren sie sich meist ebenbürtig gewesen, was ihre Körper betraf, wodurch das gemeisame Ringen nie an Spannung verlor, da der Sieger nicht von vorneherein fest stand. Gracchus zog seine Tunika aus, faltete sie sorgfältig zusammen und verstaute sie. Erst dann drehte er sich wieder zu seinem Vetter, ein hintergründiges Schmunzeln auf seinen Lippen und Gedanken in seinem Sinn, welche ausgesprochen den Samen seiner Karriere verdörrt, noch ehe dieser eine Chance zum Keimen gehabt hätte. -
Froh darüber, der Aufmerksamkeit Antonias entrissen zu sein, widmete sich Gracchus den aufgetragenen Speisen, während er seinen Antonia und Aquilius beiläufig betrachtete. Seine Zukünftige war wie ausgetauscht, ihr Lächeln um vieles echter als zuvor und ihr Gebaren hätte nun auch auf Gracchus eine gewisse Wirkung entfalten können, würde ihn dererlei berühren. Selbst da es ihn kaum berührte, kam er nicht umhin, sich einzugestehen, dass sie auf diese Weise eine wirklich anmutige Person war und einen Gewinn an seiner Seite darstellen würde. Ein nachdenkliches Lächeln kräuselte seine Lippen, als er Aquilius zuprostete und dabei seinen Blick über dessen Körper auf der Kline wandern ließ. Schließlich jedoch legte er die Stirn in Falten, schüttelte leicht den Kopf und antwortete an Antonias Stelle.
"Bitte, Vetter, dieses Gebaren mag einer Plebejerin würdig sein und auch in unseren Kreisen immer weitere Kreise ziehen, doch eine Claudia hat dies nicht nötig, ebensowenig, wie es dies an der Seite eines Flavius sein wird."
Es machte Gracchus nichts aus, wenn Frauen Tätigkeiten nachgingen, nichteinmal, wenn sie in die Politik strebten. Tiberia Livia beispielsweise war eine äußerst fleißige und redliche Person, ihr Beitrag am Staat war sicher nicht zu unterschätzen. Doch ebenso felsenfest stand für ihn die Tatsache, dass die ihm angetraute Frau dererlei nicht tun würde. Sie würde sich ihren Pflichten widmen und wenn sie die eheliche Monotonie nicht befriedigen würde, so gab es genügend anderweitige Möglichkeiten. -
"Tatsächlich? Erschreckend!"
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Im Bemühen, ein Lächeln zustande zu bringen, kräuselten sich Gracchus Lippen, doch so ganz wollte ihnen der Erfolg nicht vergönnt sein.
"Du hast natürlich recht, Vetter, ich hätte es schlimmer treffen können. Dennoch betrübt mich die Vorstellung der Ehe ein wenig."
Ganz zu schweigen davon, wie sehr ihn die Vorstellung der gemeinsamen Kopulation mit der Claudia irritierte. Bereits jetzt brachte er dem Vitumnus regelmäßig Opfergaben dar, bat inständig um einen Sohn und dachte mit Grauen an Berichte über Ehen denen nur immer wieder und wieder Töchter geschenkt wurden. Ein einziger Sohn, ein Erbe, würde Gracchus vollends ausreichen und ihn von jeglichen weiteren Pflichten entbinden.
"Doch lass uns diese Angelegenheit nicht weiter vertiefen. Du solltest dir vorerst selbst eine Meinung über sie bilden, anschließend können wir gerne noch einmal auf das Thema zu sprechen kommen."
Gracchus lachte bei der Vorstellung seines Vetters mit langen Haaren und einem langen Bart.
"Mich mit dir blamieren werde ich sicher noch früh genug. Spätestens wenn wir erneut vor einem Priester stehen."
Seinem Vetter zuzwinkernd erhob er sich und ein schalkhaftes Funkeln blitzte in seinen Augen auf.
"An deiner Seite bin ich zu jeglicher Schandtat bereit." -
Aquilius hatte wahrlich ein Talent dafür, ganz unbedarft brisante Situationen in ihrer Brisanz noch zu verstärken. Sein Hinweis auf Furianus Freundeskreis kam daher nicht gänzlich unerwartet, wenn auch gänzlich unpassend für Gracchus. Doch mit seinem Erscheinen war das lästige Spiel zwischen seiner Verlobten und ihm beendet und dafür nahm Gracchus jeglichen Fauxpas seines Vetters gerne in Kauf. Was zwischen ihm und Antonia folgen würde war mit schlecht kaschierter Heuchelei ganz das, was man von einem verlobten Paar erwarten würde. Aquilius würden sie dieses Schauspiel ebenso bieten, wie jedem anderen, unabhängig davon, wie offen Gracchus ansonsten mit ihm war. Dennoch durchzuckte es Gracchus wie ein Bliztschlag, als seine Zukünftige ihn so unvermittelt bei seinem Praenomen nannte.
"Salve, Vetter, welch freudige Überraschung! Bitte, geselle dich doch zu uns, der Hauptgang wurde gerade erst aufgetragen. Dies ist meine liebreizende Verlobte, Claudia Antonia. Antonia, mein Vetter Caius Flavius Aquilius, er kam erst kürzlich aus Achaia zurück." -
Ein Schlag ins Gesicht hätte nicht weniger beleidigend sein können, als ihr Hinweis auf den Umgang gewisser Mitglieder seiner Gens. Auch wenn es zweifelsohne Schandflecken in seiner Gens gab, so hatte niemand außer einem Flavier das Recht, sie anzusprechen. Mühsam beherrschte er seinen aufkeimenden Zorn, vertrieb jedoch nicht die Schärfe aus seinem Ton.
"In meine Familie wurden immerhin noch keine Plebejer adoptiert!"
In jenem Moment fiel ihm denn auch der Name des Pontifex Germania ein, Claudius Imperiosus Iulianus, der Iulius, welcher von den Claudiern, von Antonias Vater, adoptiert worden war. Es hätte ihm schon bei der Erwähnung seines Namens auffallen müssen, doch wahrhaftig musste sein Unterbewusstsein für das gnädige Vergessen gesorgt haben. Bevor die Situation weiter eskalierte, musste sie entschärft werden. Gracchus schob seinen Teller ein Stück zurück. Er hatte bereits genug von seiner Hochzeit, dabei hatte sie noch längst nicht begonnen. Mit einem Wink forderte er Sciurus auf.
"Lass die Reste abräumen und die Hauptspeise auftragen."
Sein Sklave würde nicht nur für den Wechsel der Gerichte sorgen, er würde ebenfalls seinem Vetter Aquilius Bescheid geben, so dass jener rein zufällig dem Essen beiwohnen konnte. Gracchus war nun froh drüber, ihm selbiges bereits zugesichert zu haben, denn länger in vergnüglicher Zweisamkeit mit der Claudia zu verbringen schien ihm schlimmer als die Qualen des Tartarus. Über die Zukunft wollte er indes besser nicht nachdenken. -
Gracchus Augen schlossen sich halb, als er tief durchatmete. Er schüttelte leicht den Kopf und antwortete gedehnt.
"Nicht, dass ich wüsste. Für meinen Vetter Aquilius würde ich die Hand ins Feuer legen, doch meine Vettern zweiten Grades kenne ich weder besonders lange, noch besonders gut. Ich würde selbstredend gerne entgegnen, dass ich mir bei keinem Flavier Interesse am Tod irgendjemandes vorstellen kann, doch die Vergangenheit hat mich eines Besseren belehrt, so dass ich nicht einmal meine Gens mit ganzem Herzen in Schutz nehmen könnte."
Er blickte den Offizier an und in seinen Augen lag der leise Schimmer von innerer Qual.
"Ist es gestattet zu wissen, ob ein sorgfältig begründeter Verdacht besteht, dass ein Flavier in diese Sache verwickelt ist?"
Er wünschte sich, dass der Praetorianer ihm keine Auskunft geben würden. Gracchus blieb nichts anders übrig, als die Frage zu stellen und ohne eine Antwort würde er alles daran setzen sie dennoch zu erfahren. Doch im Grunde fürchtete er sich vor einer Antwort und lieber wollte er tagelang im Ungewissen bleiben, denn eine unliebsame Wahrheit zu kennen. -
Wenn er sie in ihrer Ehe ebenfalls permanent nicht verstehen würde, so würde Gracchus vermutlich ihren Gesprächen besser aus dem Weg gehen. In dieser Art war dies zumindest kein Zustand, welcher dauerhaft auszuhalten wäre. Gracchus hatte keine Ahnung, welche Familie Antoina nun meinte, auch wenn ihm durchaus die ein oder andere in den Sinn kam, doch er würde sich nicht die Blöße geben, dies auszusprechen.
"Natürlich hast du recht. Sciurus, notiere diese Familie gesondert und streiche all jene, welche durch die übrige Auswahl möglicherweise daraus auf die Liste rutschen werden."
Antonias Hochmut trieb Gracchus einige Sorgenfalten auf die Stirn, welche sich jedoch recht schnell wieder glättete. Ein Hauch von Vorwurf lag in seiner Stimme.
"Die meisten Senatoren sind ohnehin Plebejer, meine Liebe, ebenso wie die Nobilitas. Ich habe noch eine Karriere vor mir und sie könnte äußerst veritabel ausfallen, wenn die richtigen Zugeständnisse an die richtigen Personen dabei beachtet werden. Diese Hochzeit wird nicht so schnell vergessen sein und es wäre gut, wenn sich die richtigen Personen später einmal daran erinnern würden, welches Vergnügen sie als meine Gäste hatten. Im Augenblick fallen mir keinerlei Plebejer ein, welche neben jenen, welche ohnehin im Senatorenstand sind, dabei bedacht werden müssen, doch ich werde diese Möglichkeit nicht von vorneherein ausschließen."
Er war nicht bereit darüber zu diskutieren und sie würde sich daran gewöhnen müssen, sich zu fügen.
"Möchtest du davon abgesehen noch jemanden besonders auf die Liste setzen?" -
Nachdenklich strich sich Gracchus über die Augenbraue und momorierte seine Vettern, um keinen von ihnen zu vergessen.
"Neben mir mein Vetter Flavius Aquilius und die beiden Söhne meines Vetters Flavius Felix. Insgesamt also vier Personen." -
Es war nicht zu verhindern, dass Gracchus der Besenstiel bildlich vor Augen erschien und es kostete ihn einiges an Mühe, dieses Bild zurück in jene Ecke seines Gedankenhauses zu drängen, aus welcher es heraufgekrochen war.
"Ich bin sicher, es ist nur Unsicherheit, welche noch immer aus seinem Verhalten spricht. Mit der Förmlichkeit, wie mit der Leugnung seiner Herkunft versucht er womöglich jene zu kompensieren, auch wenn es mir merkwürdig erscheint, wie jemand jahrelang in einer Familie aufwachsen, seine Eltern ehren und Geschwister lieben kann, um dann mit dem Wissen um seine wahre Linie all dies aus seinem Leben zu streichen, diese Jahre zu negieren und sich auf diese Weise über den Stand der Menschen zu stellen, mit welchen er aufgewachsen ist. Doch wer von uns kann sich schon in solch eine eigentümliche Situation eindenken."
Die Künste seines Sklaven Sciurus beliefen sich zwar nur darauf, dafür zu sorgen, dass in der Küche zubereitet wurde, was sein Herr bevorzugte, doch für Gracchus war dies ohnehin nebensächlich. Genau genommen interessierte es ihn nicht einmal, ob nicht doch Sciurus hinter dem Herdfeuer stand, solange die Speisen mundeten.
"Interessante Frauen sind aus dem Grund verheiratet, damit du nicht auf die Idee kommst, sie heiraten zu wollen, mein lieber Aquilius. Die Ehe würde ohnehin nur jegliches Interesse durch die Sorgen des Alltags zerstören, der Reiz des belanglos, hintergründigen Gespräches verloren geben. In dieser Hinsicht ist es womöglich nicht das Schlechteste, dass Claudia ist, wie sie nun einmal ist, denn sie würde nach der Hochzeit ohnehin nicht mehr sein, was sie war. So geht zumindest nichts verloren, um was zu trauern wäre."
Dennoch könnte sie natürlich ein wenig anders sein. Gracchus bedachte seinen Vetter mit einem gedankenvollen Blick.
"Von deinen etwaigen Intentionen um verheiratete Frauen möchte ich jedoch nichts wissen, Vetter. Rom ist nicht Achaia, hier wirst du schneller verurteilt, als du dich am weichen Körper dieser Frau laben könntest. Nicht unbedingt vom Staat, doch der Pöbel lauert hinter jeder Ecke auf einen Fehltritt."
Gracchus Blick folgte der Hand, welche eine Haarsträhne zurückstrich. Sein Vetter hatte sein Äußeres augenscheinlich ein wenig vernachlässigt, doch in Anbetracht der langen Reise war dies wenig verwunderlich.
"Der Besuch der Thermen wäre wahrhaftig eine Notwendigkeit. Doch nicht nur die Becken und die Palästra, bei dieser Gelegenheit sollten wir ebenfall einen Barbier für dich auftreiben. Sonst werden sie dich bald für einen Germanen halten."
Es war zwischen ihnen noch nie notwendig gewesen, Dinge nicht auszusprechen. Gracchus blickte an sich herab und strich nachdenklich über seinen Bauch.
"Opferkekse sind eine Scheußlichkeit. Ich verstehe nicht, wie die Götter sich daran erfreuen können. Gebackener Getreidebrei, so trocken wie der Tiber im Sommer, so geschmacklos wie ein blaues Pallium zu einer grünen Tunika. Zumindest wenn sie am Ende des Tages von der Mensa genommen und der Priesterschaft zur Verfügung gestellt werden. Nicht zu verachten ist jedoch das Opferfleisch. Finden kleine Privatopfer statt, welche den Tempeln überantwortet werden, so fallen der Priesterschaft die zartesten Stücke zu, während das überflüssige Fleisch an die Bettler ausgegeben wird. Möglicherweise wäre es tatsächlich eimal notwendig, die angesetzten Speisen im Laconicum auszuschwitzen."
Der Gedanke an den schwitzenden Aquilius erregte Gracchus ungemein. Er konnte sie bereits vor sich sehen, die kleinen Tropfen, welche an dem durchtrainierten Körper seines Vetters herabrinnen würden. -
Gracchus bejahte die erste Feststellung mit einem Nicken und gab auch ohne Aufforderung seine Meinung kund.
"Es ist in Rom kaum zu vermeiden, davon nicht zu hören. Jedoch ließ mich ein Mord nicht an eben jenes denken. Solcherlei Geschehen auf der Rostra ist eine Schande für ganz Rom. Wahlkampf sollte ein Kampf mit Worten sein und nicht mit ehrloser, hinterhältiger Schlacht verwechselt werden."
Die anschließende Frage quittierte er gleich im Anschluss, in dem er leicht den Kopf schief legte.
"Ich hegte nur mäßiges Interesse an den Reden, stand doch kein Flavius auf den Brettern, die die Politik bedeuten. Daher reichten mir die Mitschriften der wichtigsten Aussagen vollkommen aus, um Entscheidungen über meine Stimmabgaben zu fällen."
Dass dies alles noch immer nichts weiter mit dem Haus der Flavier zu tun hatte, bemerkte Gracchus nicht, waren es doch Praetorianer, welche die Fragen stellten und Fragen eben jener stellte man nicht in Frage, so sinnig oder unsinnig sie auch sein mochten. -
Erfolglos versuchte sich Gracchus in Erinnerung zu rufen, welcher Claudius Pontifex von Germanien war. Er erinnerte sich vage, dass derjenige, der auf jenem Posten saß noch nicht lange dort saß, doch es fiel ihm bei dieser Gelegenheit wieder einmal auf, dass er zu wenig informiert war, unabhängig in welcher Hinsicht. Wenig Flavier und wenig Claudier waren jedoch überaus begrüßenswert, es würden ohnehin für seinen Geschmack zu viele Gäste geladen werden müssen.
"Eine einzige Ausnahme nur? Ich bin durchaus der Meinung, dass wir genau abwägen sollten, wen wir laden, und wen nicht. Bei den Senatoren, nun, hier fällt mir ebenfalls nur eine Ausnahme ein. Bedenkenlos alle Patrizier zu laden halte ich jedoch für gefährlich, bedauerlicherweise gibt es einige patrizische Flavier, welchen ich nur ungern auf diese Weise Zutritt zu dieser Villa gewähren würde. Da ohnehin die wichtigsten Vertreter der Gentes maiores bereits durch unsere Familien und engeren Verwandten geladen sind, dazu patrizischen Senatoren, bin ich der Ansicht, dass wir weitere Patrizier sorgfältig auswählen sollten. Dazu dann nur noch, wenn überhaupt, wenige erlesene weitere Gäste."