Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Aufmerksam folgte Gracchus dem Gespräch und dem Hin und Her der Täfelchen. Da ihm die Politk, vor allem die Senatspoltik jedoch ein Rätsel war und er ohnehin das Gefühl hatte, dass das Thema sich zu Interna verlagerte, über die er nicht mitreden konnte, blieb sein Blick schließlich an dem schweigsamen Senator hängen, der ihm als Germanicus Avarus vorgestellt worden war. Wie beiläufig nahm Gracchus eine getrocknete Feige und biss ein Stück davon ab.

    Einige Millimeter nur hob Gracchus die Augenbrauen. Eine Hochzeit zwischen einer Tiberia und einem Plebejer war doch recht ungewöhnlich, wenn auch nur ein weiterer Auswuchs dieser misslichen Zustände, welche sie gerade am beklagen waren. Er musterte den Vinicier noch einmal unverbindlich. Welch eine Verschwendung, selbst für eine Tiberia. Dann wandte er sich der Frau zu, die ihn soeben angesprochen hatte.
    "Ich bin erst vor wenigen Tagen aus Achaia zurückgekehrt."
    Er überlegte, ob er von den missglückten Geschäften berichten sollte, entschied sich jedoch dagegen.
    "Nach meinen Studien bin ich dort hängengeblieben. Man kann dort ganz gut leben, wenn die richtigen Voraussetzungen gegeben sind. Und doch war es nun Zeit, nach Rom zurückzukehren."

    Beinahe hätte sich Gracchus an seinem Wein verschluckt, als sich der Vinicier nun auch noch so offensichtlich durch den Bart strich. Er stellte das Glas vorsichtshalber wieder ab und legte auch die Wachstafeln zurück auf den Tisch, bevor sie das Zittern seiner Hände verrieten. Um sich abzulenken blickte er die Tiberia an.
    "Wahrlich eine Farce. Doch ich vertraue auf unseren Augustus. Er wird kaum ein Gesetz zur Steuerbefreiung einführen, um sich dann vom Pöbel diese Scheinspende einhandeln zu lassen."
    Der Anblick der Frau ließ Gracchus Gefühle ein wenig abkühlen.

    Nachdenklich schob Gracchus ein Stück Brot in den Mund und kaute darauf herum, während er den Senator musterte. Ein stattlicher Kerl in seinen schmucken Rüstung. Dazu der Bart, der seine männliche Ausstrahlung unterstrich. Gracchus fiel es schwer, beim Thema zu bleiben, doch er zwang sich, den Worten des Vinicius aufmerksam zu lauschen.
    "Doch haben wir das nicht schon immer gewusst? Dafür bedurfte es doch keines Beweises."
    Ein wenig verwunderte es ihn doch, dass ausgerechnet ein plebeischer Senator dem Volk die Regierungsfähigkeit absprechen wollte. Man lebte wahrlich in turbulenten Zeiten.

    Er nickte den Anwesenden zu, als Tiberia sie vorstellte, und nahm dann auf einer Cline Platz. Ein Sklave hatte ihm schnell ein Glas und einen Becher gebracht und Gracchus lud sich ein Stück Brot und etwas Käse auf den Teller, stellte ihn jedoch vorerst nur vor sich ab.
    "Ich hörte schon von diesem merkwürdigen Plebiszit. Es scheint um Dinge zu gehen, bei denen sich selbst die Geister der einfachen Leute scheiden. Gibt es denn bereits Ergebnisse?"

    Voller Sorge war Gracchus in die Villa zurückgekehrt. Überall in Rom schien es zu brodeln, irgendein Exemplar von Bewohner der Stadt hatte es sogar gewagt, seinem Sänftenträger vor die Füße zu spucken und ihm etwas von 'verlogenes Patrizierpack' nachzurufen. Erst hatte Gracchus dies besorgt auf sich selbst bezogen, doch ein Blick auf die Straße hatte genügt, um ihn davon zu überzeugen, dass es eher ein generelles Problem zu sein schien. Etwas war faul im Imperium Romanum.


    Auf der Suche nach etwas Zerstreuung und etwas Essbarem wandte sich Gracchus zum Triclinium. Noch bevor er es betrat hörte er Stimmengewirr von dort. Es schien, als hätte sein Vetter Gäste geladen. Gracchus blieb am Eingang stehen und musterte die Anwesenden, doch er sah weder Felix, noch erkannte er einen der Anwesenden. So trat er einen Schritt in den Raum hinein und räusperte sich.
    "Salvete. Manius Flavius Gracchus, Vetter des Flavius Felix. Ich hoffe, ich störe nicht."

    Mit einem leisen Seufzen auf den Lippen blickte Gracchus dem Sklaven sehnsuchtsvoll hinterher. Er erinnerte sich an den Tag, als ihm sein Vater den ersten eigenen Sklaven geschenkt hatte. Schon dieser hatte den Namen Sciurus getragen und war ein echter Creter gewesen. Ein schon älterer, gesetzter Mann, der Gracchus viel beigebracht hatte. Wie einfach waren diese Jugendtage doch gewesen.
    "Sciurus." Er flüsterte leise und ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen, als er im Inneren der Casa verschwand.

    Es war ein ganz anderes Gefühl nun mit einem Sklaven in die Villa einzutreten. Gracchus bedachte Turda mit einem gleichmütigen Blick.
    "Dies ist Sciurus, mein neuer Sklave. Zeige ihm, wo er sich waschen kann, bringe ihm ein neues Gewand und weise ihm einen Schlafplatz zu. Dann sorge dafür, dass er etwas zu Essen bekommt, und ich meine etwas zu Essen, keinen Fraß.

    Zufrieden nahm Gracchus die Aussage des Sklaven zur Kenntnis. Er mochte es nicht, wenn Sklaven statt Arbeit zu verrichten nur Arbeit machten. Doch bei diesem würde hoffentlich etwas Zuneigung genügen, damit er sich bald auf ihn verlassen konnte. Die weiteren Qualitäten würde er dann nach und nach überprüfen und gegebenenfalls ergänzen. Er lehnte sich zurück und ließ den Vorhang der Sänfte zufallen, in Gedanken bereits die weiteren Qualitäten auskostend.
    Es dauerte nicht lange und er kleine Tross erreichte die Villa Flavia.

    Gracchus schob den Vorhang der Sänfte beiseite und stieg ein. Er gab den Trägern Anweisung zurück zum Anwesen der Familia Flavia zu gehen und Sciurus, an der Seite zu laufen, so dass er sich mit ihm unterhalten konnte.
    "Du bist also dein Leben lang schon ein Sklave, Sciurus? Wie alt bist du?"
    Er genoss es, den Sklaven von der Seite anzusehen und ihn mit diesem Namen zu schmücken.
    "Hast du nie daran gedacht, deinem Herrn davonzulaufen?"

    "Er wird Sciurus heißen. Binde ihm die Hände los und lockere die Fußfesseln ein wenig."
    Gracchus bedachte den Sklaven mit einem wehmütigen Lächeln und erledigte die Bezahlungsformalitäten. Dann ging er mit seinem neuen Besitz zurück zu seiner Sänfte. Er wollte den stinkenden Markt so schnell wie möglich verlassen.
    "Erzähle mir wo deine Herkunft liegt, Sciurus."

    Die Worte flogen zum einen Ohr in Gracchus Kopf hinein und zum anderen wieder hinaus. Es war ihm gleich, was der Sklave kosten würde. Nach der Erfahrung in Achaia war es ihm zuwider, sich mit Geldgeschäften abgeben zu müssen, daher war ihm das Angebot seines Vetters nur recht gekommen. Er lies den Sklaven los, wenn auch nur widerwillig.
    "Das ist annehmbar. Mein Cousin Flavius Felix wird den Betrag begleichen, wenn du den Sklaven zur Villa Flavia gebracht hast. Dies soll noch heute geschehen"

    Noch immer hielt Gracchus den Sklaven am Kinn. Die Haut war weich, der Bart sorgfältig rasiert worden. Gracchus dachte an den Augenblick, in dem er Sciurus mit dem Messer im Rücken in seinem Garten gefunden hatte, bleich und leblos. Sciurus hatte auch eine weiche Haut besessen, in seiner Jugend war ihm nur ein leichter Flaum über den Lippen gesprossen. Die Haare des Sklaven waren zwar noch heller, als es die von Sciurus gewesen waren, doch Gracchus spürte, dass dieser Sklave etwas Besonderes war. Mit ihm würde Gracchus Pechsträhne enden, er würde der Anfang eines Neubeginns sein.
    "Wieviel?"

    Auf diese Art von Sprüche, wie von dem Sklavenhändler gesprochen, war Gracchus noch nie hereingefallen. Er glaubte von sich, durchaus Erfahrung im Bereich des Sklavenerwerbs aufweisen zu können. Und doch trat er näher, denn einer der Sklaven zog seinen Blick auf sich. Gracchus musterte ihn und erschauderte. Er hob seine Hand, fasste den Sklaven unterm Kinn und drehte seinen Kopf nach Rechts und nach Links. Er schluckte und musste sich beherrschen, seine Aufregnung nicht all zu deutlich zu zeigen.
    "Dieser hier, was kann er?"

    Interessiert betrachtete Gracchus die Auslage eines Händlers. Er hatte einige blonde Hühnen in seinem Angebot und Gracchus bewunderte das Muskelspiel, wenn sie an ihren Ketten zerrten. Ein lautes Brüllen jedoch überzeugte ihn letztendlich davon, dass sich eine Investition hier nicht lohnen würde. Mit Einfühlungsvermögen und Zuwendung war hier sicher nichts zu erreichen und auch wenn Gracchus auf eine ansprechende Hülle wert legte, so durfte der Sklave im Kopf dennoch nicht hohl sein.

    Eine Sänfte erreichte den Rand des Sklavenmarktes und die Träger verlangsamten ihren Schritt. Der Vorhang wurde beiseite geschoben und Gracchus warf einen Blick heraus. Er rümpfte leicht die Nase ob des strengen Geruches, welcher über dem Markt lag, schwang dann jedoch die Beine aus dem Transportmittel und stieg aus. Suchend ließ er seinen Blick über die Ware an vorderster Front schweifen, doch schon diese rasche Sondierung zeigte ihm, dass er für das, was er haben wollte, wohl ein wenig würde suchen müssen.

    Nach einem ausgiebigen Bad und anschließend etwas Ruhe stand Gracchus von seinem Bett auf und schlenderte zu dem kleinen Schrank, der an der gegenüberliegenden Wand stand. Eine Bronzefigurine stand dort, welche den Gott Apollo darstellte. Sie war alt, Gracchus konnte sich daran erinnern, dass sie schon zu Zeiten seiner Kindheit in der Villa stand, damals im Triclinium. Er nahm die Figur in seine Hand und schloss diese zu einer Faust um das kühle Metall. Einen Augenblick versank er in Erinnerungen, sah Bilder, hörte Geräusche und roch Gerüche aus der Vergangenheit. Mit einem Schauder öffnete er seine Hand wieder und stellte die Figurine zurück.
    Es war Zeit, sich nach einem neuen Sklaven umzusehen.

    "Ich danke dir." Gracchus erhob sich und hoffte, die alte Sklavin würde nun etwas respektvoller sein. Bei ihr hatte Felix Zuneigung wohl noch keinen Erfolg gezeigt.


    Die Alte stand noch immer vor dem Zimmer und schien über die Anweisung ihres Herrn nicht glücklich zu sein. Gracchus folgte ihr mit unbewegter Mine. Ohne einem Bad und etwas Ruhe würde er ohnehin zu keinen großen Taten mehr bereit sein.

    Erstaunt ließ Gracchus eine Augenbraue nach oben wandern. "Factio Albata? Interessant." Auch wenn er die Politik bisher nur von Außen verfolgte, so gab es für ihn nur eine einzige Partei und das war diejenige, in welcher seine Familie heimisch war. "Ich werde sie bei Gelegenheit aufsuchen."


    Er bedachte Felix mit einem langen Blick und überlegte, ob sie von der gleichen Art der Sklavenerziehung sprachen. Sciurus hatte in der Tat viel Zuwendug gebraucht, bis er so zutraulich war, wie zuletzt. Es glich wahrlich einer Verschwendung, dass er nun nicht mehr war.


    "Ich werde sehen, was sich finden lässt." Mühsam unterdrückt er einen Gähnen. "Ich hoffe doch, du hast noch einen Sklaven übrig, der mir ein Zimmer richtet? Ich bin etwas müde von der Reise. Diese Mietsänften sind auch nicht das Wahre. "