Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Ob des laxen Umganges zwischen Sacerdos und Discipuli wunderte sich Gracchus bereits nicht mehr. Er würde dies wohl oder übel in dieser Ausbildung erdulden müssen, wollte er nicht den Unbill des Sacerdos auf sich ziehen. Also unterdrückte er jedwede Regung, die dieses Gefühl zum Ausdruck bringen konnte, legte seinen Griffel und die Wachstafel zur Seite, auf welche er sich Notizen machte, und begann die Ergebnisse seiner Studien mitzuteilen.
    "Der Göttervater drückt schon mit seiner Erscheinung die ihm innewohnende Kraft aus. In der Rechten hält er ein Bündel Blitze, welches ihn nicht nur als Gott über das Wetter, vor allem über Sturm, kennzeichnet, sondern auch als Herr über den Götterhimmel und den Staat. Denn unter Zuhilfenahme dieser Blitze straft er sowohl Götter, die sich gegen ihn auflehnen, als auch Eidbrüchige in unserer Welt.
    In der Linken trägt er das Zepter, ebenfalls Zeichen seiner Herrschaft. Und auch in seinem Aussehen spiegelt sich seine Kraft und jugendliche Stärke, durch dicht gekräuselten Bart und Haar.
    Begleitet wird Iuppiter oft von einem Adler, auf Bildnissen findet man diesen zu seinen Füßen."

    Gracchus wandte sein Gesicht zur Tür hin, doch der Sklave, oder die Sklavin war bereits wieder verschwunden. Auf Sklavinnen hatte er noch nie ein Auge und die Sklaven im Haus seines Vetters waren allesamt keines Blickes wert, weshalb er auch nicht auf sie achtete. Er blickte zurück zu Tiberia.
    "Eine neue Sklavin? Ich bin mir nicht sicher. Doch ich bin mir ebenfalls nicht sicher, ob ich bereits alle Sklaven des Hauses kenne. Die einzige, deren Gesicht ich zuordnen kann, ist Tudra. Oder Tuda? Etwas in diese Richtung. Mein Leibsklave Sciurus ist für gewöhnlich auch der einzige, mit dem ich spreche. Alles weitere erledigt er."
    Er besah das angerichtete Mahl und nahm seinen Teller zur Hand.
    "Einen guten Appetit."
    Dann lud er sich ebenfalls ein wenig Essen auf den Teller und stellte ihn vorerst vor sich hin. Mit einem Schluck Wein befeuchtete er seine Kehle.
    "Ich trat in den Cultus des Iuppiter ein, des Herrn über Himmel und Staat."
    Anschließend begann er von dem Mahl zu kosten. Das Huhn war etwas zu scharf gewürzt, so schob er es nach zwei Bissen zur Seite und widmete sich den lukanischen Würsten.

    Auch Gracchus bemerkte das Nichtvorhandensein der Sklaven und dies, obwohl es längst die Zeit war, zu der sich die Mitglieder des Hauses zum Essen einfanden. Er bedauerte nun, dass er Sciurus noch aufgetragen hatte, eine Abschrift zu erstellen.
    "Leider habe ich die Vorstellungen im Theater des Marcellus verpasst, was ich zutiefst bedaure. Für die Spiele indes kann ich mich nicht wirklich begeistern. Die Brutalität in der Arena, die sich bei Tier und Mensch manchmal bis zu Irrsinn steigert, der schreiende und jubelnde Pöbel auf den Zuschauerrängen, die derben Darbietungen in den Pausen, all dies reißt mich nicht unbedingt mit. Ab und an lässt es sich nicht vermeiden, dass man sich auch bei solchen Veranstaltungen blicken lässt, doch wenn es dies tut, so verzichte ich gerne."
    Endlich trat ein Sklave in den Raum und stellte Wasser und Wein bereit. Er schenkte den Herrschaften ein und verkündete, dass das Mahl noch zubereitet werde, jedoch bald fertig sei. Gracchus wartete, bis sich der Sklave in den Hintergrund zurückgezogen hatte, bevor er fortfurhr.
    Mir geht es ebenfalls ausgezeichnet. Rom begeistert mich immer wieder, die Stadt hält ständig neue Überraschungen bereit. Und dieses Haus," er machte eine ausladende Handbewegung, "hat mich an vieles erinnert, was ich längst vergessen geglaubt hatte. Dies führte dazu, dass ich dem Cultus Deorum beitrat."

    Nachdem er den Nachmittag damit verbracht hatte die Religionsfibel und einige Schriften über den Göttervater zu studieren, trat auch Gracchus in das Triclinium. Jedoch war er noch völlig in Gedanken und übersah so zuerst die Person, die dort in einem Korbstuhl saß. Erst, als er schon auf einer Cline Platz genommen hatte, bemerkte er ganz verwundert Livia. Er blickte sie erstaunt an, so als wäre sie eben erst aus dem Nichts heraus erschienen.
    "Salve, Tiberia! Verzeih die späte Begrüßung, ich war wohl noch in Gedanken. Wie geht es dir? Ich hörte, die von dir und dem Aediles Plebeii veranstalteten Spiele sind ein voller Erfolg."

    Nur am Rande bemerkte Gracchus den Regen über Rom. Er stellte missmutig fest, dass es in der Sänfte dunkler wurde und hörte die Tropfen, die auf das Dach jener klatschten. Daher wies er die Träger an, das Transportmittel bis vor den Tempel zu bringen, dann abzustellen, nachzufragen, wo der Unterrichtsraum sei, zurückzukommen und den Weg bis zum Ziel wieder aufzunehmen. So tat er nur noch wenige Schritte im Freien bis er in jenen Raum kam.
    "Salve Sacerdos Valerius."
    Er nickte auch dem weiteren Anwesenden, vermutlich ein Schüler, zu.
    "Salve."

    "Sciurus."
    Leise murmelte Gracchus den Namen und fuhr dem Sklaven mit den Fingern durch das blonde Haar. Ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit durchfuhr seinen Körper. Er schob seine Hand unter das Kinn des Sklaven und hob dessen Kopf an. Sciurus hielt den Blick gesenkt.
    "Schau mich an, Sciurus. Ich möchte deine Augen sehen."
    Wie gehießen hob der Sklave den Blick und Gracchus ergötzte sich am tiefen Blau dieser Augen. Dieses Blau, das ihn ans Meer vor Kreta erinnerte, an den seichten Himmel an einem heißen Sommertag und an das kühle Blau, welches er einst im Eis der Alpen gesehen hatte. Er fuhr mit den Fingern über die Wangen des Sklaven und ein zufriedener Ausdruck legte sich auf sein Gesicht.
    "Komm. Komm, setzt dich zu mir, Sciurus."
    Der Sklave erhob sich und nahm neben Gracchus auf dem Bett Platz. Dieser legte seine Hand auf das Knie des Sklaven und schlob Sciurus Tunika langsam nach oben, mit der Hand den Oberschenkel entlangwandernd. Genießerisch schloss er seine Augen und fühlte die Erregung in sich aufsteigen. Als seine Hand fand, wonach er suchte, ging ein Zittern durch den angespannten Körper. Gracchus öffnete die Augen und blickte den Sklaven herausfordernd an. Ohne loszulassen, was er bereits als sein Eigentum in der Hand hielt, drückte er mit der anderen Sciurus Oberkörper zurück auf das Bett...



    *******


    ... Ein letzter Schauer durchfuhr Gracchus Körper, dann blieb er schlaff neben Sciurus liegen. Er bemerkte noch, wie der Sklave aufstand und sich auf die Liege unweit des Fensters legte. Er nahm sich vor, ihm am nächsten Morgen zu sagen, dass dies nicht nötig sei, doch noch während er diesen Gedanken, dachte driftete er bereits in Morpheus Reich ab.

    Die Sonne war längst hinter den Häusern der Stadt untergegangen und Gracchus saß nachdenklich auf seinem Bett und starrte an die gegenüberliegende Wand. Er versuchte sich an etwas zu erinnern, was ihm wichtig gewesen war, doch er bekam es nicht mehr in den Sinn. Vielleicht war es doch nicht so wichtig gewesen.
    Auf einmal drehte er sich ruckartig zur Tür und wurde ungeduldig. Sciurus sollte schon längst anwesend sein. Gracchus brauchte etwas, mit dem er sich ablenken konnte um auf andere Gedanken zu kommen.

    Wortlos nickte Gracchus und wandte sich zur Tür.
    "Vale, Sacerdos Valerius."
    Er verließ den Raum und wandte sich am Ausgang des Gebäudes dem Ausgang des Forum Augustum zu. Dort warteten noch immer die Sänftenträger. Gracchus stieg in das Transportmittel und begann auf dem Weg zurück zur Villa Flavia in der Schriftrolle zu lesen.

    Nur ein leichtes Zucken der Kiefermuskeln verrät Gracchus Unmut darüber, dass der Sacerdos die Flaminca so unangemessen beim Namen nennt. Es blieb nur zu hoffen, dass nicht der gesamte Cultus des Mars von solcher Nachlässigkeit durchdrungen war.
    "Das sagte ich. Und dass ich bei ihr in der Regia gewesen bin, impliziert, dass sie in Rom ist, ja."

    Erschrocken drehte sich Gracchus um und blickte den Sacerdos verwirrt an. Es dauerte einige Sekunden, bis dessen Name ganz in Gracchus Sinne vorgedrungen war.
    "Salve Sacerdos Valerius. Genau genommen befinde ich mich auf der Suche nach dir. Mein Name ist Flavius Gracchus. Ich bin dem Cultus Deorum beigetreten und du sollst mein Lehrer sein."
    Er reichte dem Sacerdos den Brief.
    "Dies gab mir die Flaminca Minervae, ich sprach mit ihr in der Regia."


    Salve Sacerdos Martialis,
    Salve Victor,


    der Überbringer dieses Schreibens wurde zu deinem neuen Discipulus ernannt. Sein Name ist Manius Flavius Gracchus und sein Herz brennt darauf den Göttern zu dienen.


    Ich setze mein Vertrauen in dich, dass du aus ihm einen anständigen Priester machen wirst.


    Vale
    Tiberia Claudia

    Eine Sänfte hielt vor dem Forum Augustum und Gracchus entstieg der Selbigen. Er hatte den Trägern Anweisung gegeben, noch vor dem Eingang zum Forum zu halten, denn er wollte es zu Fuß überqueren. Lange schon war er nicht mehr hier gewesen, zuletzt noch als kleiner Junge. Damals schien die Statue des Augustus so endlos groß und beeindruckend. Beeindruckend war sie auch heute noch, doch sie hatte ein wenig an Größe eingebüßt. Im Gegensatz zum Tempel des Mars. Dieser war noch immer so gewaltig, wie er ihn in Erinnerung hatte, wahrscheinlich, weil bei diesem Ausmaß der Sinn das Maß verlor.
    Gemessenen Schrittes stieg Gracchus die Stufen zum Tempel hinauf und sah sich im Inneren um. An den Büsten vorbei kam er schließlich vor der Statue des Mars Ultor zu stehen. In dieser Erscheinung sah er nicht ganz kriegerisch wütend aus und Gracchus sagte sich, dass die Ausbildung im Kult des Mars ja nicht bedeuten würde, auf dem Schlachtfeld zu stehen.

    Erfreut blickte er auf die Ernennungsurkunde und nahm das Schreiben entgegen.
    "Ich danke dir vielmals, Flaminca."
    Er schluckte, doch war er sich sicher, dass dies der richtige Schritt gewesen war, und erhob sich. Bevor er ging rückte er wieder den Stuhl zurück und nickte der Flaminca nocheinmal zu.
    "Vale, Tiberia."
    Dann trat er aus dem Officium hinaus um sich auf die Suche nach seinem Lehrer zu begeben.

    Auch wenn Mars ihm nicht gänzlich lag, Gracchus war ein Mensch der Kampf und Krieg gerne weit von sich weg wusste, so würde er doch tun, was von ihm verlangt wurde.
    "Das werde ich."
    Gracchus stand auf und schob den Stuhl sorfältig an seinen ursprünglichen Platz zurück. Er folgte den Anweisungen der Flaminca und legte seinen Schwur ab.


    ...


    Anschließend kehrte er zurück in das Officium.
    "Ich habe meinen Eid abgelegt, Flaminca."
    Er schob den Stuhl ein Stück zurück und nahm wieder Platz.

    "Ego, Manius Flavius Gracchus, deos deasque imperatoremque romae in omnibus meae vitae publicae temporibus me culturum, et virtutes romanas publica privataque vita me persecutorum esse iuro.


    Ego, Manius Flavius Gracchus, religioni romanae me fauturum et eam defensurum, et numquam contra eius statum publicum me acturum esse, ne quid detrimenti capiat iuro."

    Kaum merklich schüttelte Gracchus den Kopf. Nun hatte er doch etwas vergessen.
    "Natürlich, werte Flaminca. Ich möchte dem Iuppiter dienen."
    Obwohl auch Apollo es bis in die engere Auswahl geschafft hatte, seine Familie war schon immer eng mit diesem Gott verbunden, so kam letztendlich nur der Iuppiter in Frage.

    Als die Flaminca eintrat, erhob sich Gracchus und begrüßte sie höflich. War nicht auch eine Tiberia bei seinem Vetter zu Gast?
    "Salve Flaminca Minervae."
    Er setzte sich wieder und bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick.
    "Ich bin Manius Flavius Gracchus. Und ich bin in der Tat hier, um dem Cultus Deorum beizutreten."

    Mit einem Nicken nahm Gracchus auf einem Stuhl Platz und wartete. Er betrachtete seine Fingernägel, dann schnippte er eine Fussel von seiner Toga. Anschließend musterte er den Raum. Die Göttin der Fruchtbarkeit und Ernte war nicht unbedingt diejenige, in deren Dienst er treten wollte, obwohl Gracchus nicht abstreiten konnte, dass manche ihre Riten durchaus etwas für sich hatten. Doch immerhin war sie Mutter des Iuppiter und damit war er vielleicht nicht ganz falsch in ihren Gefilden.

    Ganz vertieft in seine Gedanken, die schon beinahe an das Tor zu Hypnos Reich klopften, schaute Gracchus erstaunt auf, als er so eben von der Seite angesprochen wurde.
    "Salve."
    Rasch ordnete er seine Gedanken und rief sich in Erinnerung, weshalb er überhaupt gekommen war.
    "Vielleicht kannst du mir helfen. Ich möchte dem Cultus Deorum beitreten und suche diejenige Person, bei welcher ich mich dahingehend melden muss."

    Eine Sänfte hielt vor der Regia des Cultus Deorum und Gracchus schob den Vorhang bei Seite und warf einen Blick hinaus. Da er sich am Ziel seiner kurzen Reise wähnte, stieg er schließlich aus und betrat das Gebäude. Die vielen Gänge verwirrten ihn und es dauerte etwas, bis er schließlich das richtige Officium gefunden hatte. Glaubte er zumindest. So klopfte er dort an und wartete auf Einlass, hoffend, dass dies die richtige Entscheidung war.