Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Alle Post für die Provinzen wurde wohl stets zentral in Rom gesammelt, dass auch diese Nachricht aus Baiae nach Mogontiacum im stadt-römischen Officium des Cursus Publicus landete.

    Sim-Off:

    Bitte der flavischen Familienwertkarte anrechnen.



    Tribunus Laticlavius Manius Flavius Gracchus Minor - persönlich -
    Castra Legionis II Germanicae
    Mogontiacum, Provincia Germania Superior



    Mein Sohn,


    wie geht es dir? Ich hoffe so sehr, du befindest dich wohl und die Kälte und Nässe der germanischen Provinz sind deiner Salubrität nicht abträglich, gleichwohl dass dein Amt als Tribunus entbietet, was du dir erhofftest.


    Ich selbst bin erwartungsgemäß gut angekommen in Baiae, doch statt der familiären Trautheit fand ich nur ein leeres Domizil vor. Einzig Agrippina ist noch anwesend - und du kannst dir wohl vorstellen, dass dieser Umstand mich nicht eben mit übermäßiger Euphorie erfüllt. Marcus Aristides war bereits seit einigen Tagen aufgebrochen, seinen Bruder auf Sardinia ob familiärer Angelegenheiten zu besuchen, Serenus Germahlin ist mit den Töchter bei ihrer Familie und Serenus selbst mit seinen Söhnen auf einer Reise durch die östlichen Provinzen. Ich weiß nicht, ob ich ihm zürnen soll, hat er doch Titus mit sich genommen - nicht ohne ein Wort, denn ein Brief war augenscheinlich unterwegs nach Rom, nichtsdestominder ohne mein Einverständnis. Gleichwohl muss ich anerkennen, dass auch Titus nicht mehr der kleine Junge ist, welcher er in meinem Kopf stets bleibt, und zweifelsohne auch Marcus dies Unterfangen als Chance sah, Titus' Horizont zu erweitern, dass nicht ein Tölpel aus der Provinz aus ihm wird.
    Welche Glut auch immer in mir ob dessen schwelen mag, ich muss mich ohnehin mit den Gegebenheiten abfinden, hat doch Serenus keine Reiseroute hinterlassen, dass stets erst zu spät - mit Ankunft seiner eigenen Nachrichten - ihr Aufenthaltsort bekannt und ein Schreiben in seine Richtung unmöglich sein wird.


    Die Absenz unserer Familie indes bewog mich schlichtweg in unser neues Haus einzuziehen. Es ist geräumiger als die Villa in Rom, der Garten zwar noch ein wenig unprätentiös, doch weitläufig wie ein kleiner Park, und die Aussicht auf das offene Meer hinaus grandios. Ich bin mir sicher, es wird auch dir gefallen, und obgleich ich hoffe alsbald wieder nach Rom zurück zu kehren, so könnte dieses Refugium gut das meiner letzten Tage sein.


    Mehr gibt es indes nicht zu berichten.


    Mögen die Götter dich schützen und vor aller Fährnis bewahren!


    Baiae, der altehrwürdige Landsitz der Gens Flavia, endlich! In jeder Faser seines Leibes konnte Gracchus die Reise aus Rom hierher nur allzu deutlich spüren. Er hatte geglaubt es wäre eine wunderbare Gelegenheit für einen langen Ausritt durch das frühsommerliche Italia - nicht nur da dies weitaus schneller würde vonstatten gehen als gemeinsam mit dem Gepäck im Reisewagen zu fahren, sondern auch da solche Gelegenheiten sich ihm in den letzten Jahren nur selten hatten geboten. Viel zu lange war es her, dass er sein feuriges Ross an den Stränden Achaias hatte angetrieben stetig Caius' Hengst hinterher, viel zu lange schon lag die letzte Jagd zu Pferd über Tage durch lichte Wälder hindurch zurück, viel zu lange war es her, dass sein Hinterteil den vertrauten Rücken des Pferdes Tag für Tag hatte verspürt ( - die grauenhafte Flucht aus Rom nach Mantua zu Pferd hatte er indes gänzlich verdrängt). Nein, im Grunde war es nicht nur viel zu lange her, sondern eine Ewigkeit. Dieser junge, dynamische Mann - ein halbes Kind beinahe noch - existierte schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Rom hatte ihn träge gemacht. Die Zeit hatte ihn alt werden lassen. Zu alt für tagelange Ritte zu Pferd. Mit einem deutlichen Stöhnen quälte der Flavier sich vom Rücken des Pferdes und streckte seinen eigenen Rücken durch. Zumindest die Aussicht auf das Antlitz seiner Familie ließ ihn ein wenig der Qual vergessen - sein geliebter Vetter Marcus Aristides, sein Neffe Serenus mit all seinen Kindern, und nicht zuletzt sein Sohn Titus. Ein leichtes Mahl zur Wiedersehensfreude, ein warmes Bad und eine Massage zur Lockerung der Muskulatur, hernach eine üppige Cena und ein guter Tropfen Wein, dazu ausgiebige Gespräche über Neuigkeiten hier und dort - was konnte das Ende einer Reise mehr versüßen? Selbst Agrippina, die garstige Mutter des Arisitides würde Gracchus diese Freude nicht verderben können.
    "Willkommen, Herr!", buckelte der Maior Domus des flavischen Anwesens alsbald vor Gracchus, ein Becher kühlen, verwässterten Wein in der Hand. Der Flavier nahm einen tiefen Schluck und blickte sich suchend um.
    "Wo ist Marcus?"
    "Hast du meine Nachricht nicht erhalten, Herr? Oh, ich habe es schon befürchtet da in deinem Schreiben stand, dass du dich schon auf dem Aufbruch befindest! Drei Tage bevor dein Ankommen angekündigt wurde, haben alle das Haus verlassen - der Brief muss wohl noch unterwegs gewesen oder irgendwo stecken geblieben sein!"
    Die Wiedersehensfreude auf Gracchus' Antlitz wich Konfusion.
    "Alle? Aber ... weshalb? Und ... wohin?"
    "Dominus Serenus ist zu einer großen Forschungsreise aufgebrochen - Dalmatia, Macedonia, Eprius und Achaia für den Anfang, später vielleicht auch noch weiter in die östlichen und südlichen Provinzen. Er will seinen Söhnen die Welt zeigen und hat auch Titus Gracchus mit auf die Reise genommen, dass ein Mann von Welt aus ihm werden kann."
    "Die Welt ... Titus ..."
    , repetierte Gracchus leise und noch immer derangiert, ein wenig entgeistert geradezu. Der kleine Titius in der großen, weiten Welt, ausgeliefert allen möglichen Widrigkeiten und Gefahren!
    "Seine Gemahlin ist für diese Zeit mit den Töchtern zu ihrer Familie nach Capua, und Dominus Aristides ist schon einige Tage zuvor zu seinem Bruder nach Sardinia gereist - dringende Familienangelegenheiten, wie Secundus Felix schrieb."
    "Sardinia ..."
    , konnte der Flavier weiterhin nur stupide Wortfetzen repetieren. Alle waren fort.
    "Nur die ehrenwerte Agrippina befindet sich noch im Hause, allerdings ist sie zur Cena bei einer ihrer Freundinnen in der Stadt geladen. Ich kann sie indes umgehend von deiner Ankunft benachrichtigen, sofern du dies wünschst."
    "Agrippina ... "
    , wechselte die Couleur Gracchus' Stimme nun in eine resignierte Fasson.
    "Nein, nein das ist nicht nötig. Wir ... wir werden in den kommenden Tagen noch genügend Zeit haben, uns einander zu sehen."
    Je weniger, desto besser.
    "Nun"
    , begann der Flavier sich ein wenig unschlüssig nach seinem Vilicus umzusehen.
    "In Anbetra'ht dieser Gegebenheiten werde ich wohl geradewegs zu dem neuen Anwesen weiterziehen."
    Seit Ende des Frühlings bereits war das Landhaus auf dem angrenzenden Grundstück, welches Gracchus zum Ende seines Consulates von Augustus Aquilius hatte erhalten, fertig gestellt und wartete nur auf den Hausherren zur Besichtigung, respektive Inbesitznahme. Noch einmal quälte der Flavier sich darob für die letzten mille passus zurück auf den Pferderücken, um statt des geselligen Divertissement im Kreise seiner Familie dem eremitischen Refugium seines neuen Domiziles entgegen zu blicken.

    "Was meinst du, Sciurus, Baiae?"
    griff der Flavier den Gedanken des Medicus auf, nachdem dieser nach den morgendlichen Untersuchungen und Verschreibungen den Raum wieder hatte verlassen.
    "Einen Versuch ist es wohl wert, Herr. Bedenke wie lange du dich schon grämst."
    Gracchus seufzte. Er wusste nicht einmal mehr wie lange er sich schon grämte. Wann hatte dieses dumpfe Hämmern und Pochen in seinem Schädel begonnen? Während Minors Vigintivirat? Oder erst danach? Allfällig in Etappen auch schon zuvor. Zu lange hatte er es schlichtweg hingenommen, hatte versucht es zu ignorieren, es beiseite zu drängen wie ein unliebsamen Gedanken.
    "Gewiss. Doch was ist mit Prisca, und mit Minimus? Ich kann sie nicht einfach alleine lassen."
    "Nun, deine Gemahlin könnte dich begleiten, sofern sie es möchte. Andererseits weiß sie durchaus allein zurecht zu kommen. Und Minor ist erwachsen, Herr, er wurde nach Germania berufen und wird bald schon das Haus verlassen."
    Gracchus' Seufzen wurde noch eine Spur tiefer. Täglich auf ein neues versuchte er die Nachricht über das Tribunat seines Sohnes zu verdrängen. Germania. Welch grauenhafte Vorstellung. Doch Minor hatte sich nicht anders entschieden.
    "Ein Versuch also. Nun, dann ... dann triff alle Vorbereitungen für meine Abreise. Ich werde auch ... den Augustus informieren und um meine Abberufung als pro magistro bitten müssen."
    Sciurus blickte seinen Herrn lauernd an. "Für einige Wochen ist das sicher nicht notwendig."
    "Ich weiß"
    , nickte der Flavier langsam, während sein hintergründiges Lächeln mit seinem trübseligen Blicke rang.
    "Doch du weißt, es ist nicht meine Art, meine Pfli'hten einem anderen aufzubürden, während die Ehren die meinen bleiben. Und allfällig ist es ohnehin längst an der Zeit."
    Nach einem kurzen Augenblick setzte er hinzu:
    "Gleichwohl die Abmeldung aus dem Senat."
    Diese Worte wiederum klangen kaum wehmütig.


    Noch am gleichen Tage hatte der flavische Vilicus für alles Notwendige Sorge getragen, dass Manius Flavius Gracchus für einige Zeit Rom den Rücken konnte kehren.


    Imperator Caesar Tib Aquilius Severus Augustus
    Palatium Augusti, Roma


    M' Flavius Gracchus Pontifex pro magistro Imp Caes Tib Aquilio Severo Aug s.p.d.


    Im Ansinnen den persistenten Mangel an Vitalität meines Leibes zu kurieren werde ich auf Anraten meines Medicus mich in den kommenden Tagen auf mein Gut in Baiae begeben, um meine Genesung der Salubrität der Küstenregion anzuvertrauen. Da der Zeitpunkt meiner Rückkehr nach Rom im Ungewissen verharrt, mindestens indes mit einigen Wochen bis Monaten zu rechnen ist, bitte ich dich hiermit, mich von den Aufgaben des Pontifex pro magistro zu befreien, dass nicht das Wohle Roms geschmälert wird durch dieses Vakuum. Als nachfolgenden Stellvertreter in kultischen Belangen kann ich dir L. Genucius Soranus oder A. Servilius Calvus empfehlen, beides Pontifices von untadeligem Ruf und großem Eifer.


    Mögen die Götter dir, deiner Familie und Rom stets gewogen sein!

    ~ einige Tage zuvor ~


    Während Sciurus das Fenster öffnete, um ein wenig frische Morgenluft in das Zimmer zu lassen, setzte Gracchus langsam sich auf mit einem Gesicht als hätte er die Nacht in den Wäldern Italias verbracht - Sturm und Regen ausgesetzt - und rieb sich über die Schläfe.
    "Was für eine Nacht ..."
    Er gähnte.
    "Ich habe von Callista ge..träumt."
    Einen marginalen Augenblick huschte ein Lächeln über seine Lippen, ehedem es sogleich wieder erstarb.
    "Sie thronte oben auf einem überschäumenden Schaumberg inmitten des purpurfarbenen Oceanos, rezitierte Phaedrus Fuchs und Rabe - O Rabe, welch Glanz haben deine Federn! Welch große Anmut trägst du in Gestalt und Antlitz! Wenn du eine schöne Stimme hättest, wäre dir kein Vogel überlegen -, doch als der Rabe den Schnabel wollte öffnen tauchte eine gräuli'he Muräne aus den düsteren Tiefen empor und verschlang sie mit einem breiten Gähnen. Dem Rost gleich, welcher das verlorene Schwert über die Jahre hin tränkt, färbte das Meer sich in ein tiefes Rot und regnete in den Himmel empor, da die Tragik des Geschehens un..möglich in irdischen Sphären konnte verbleiben. Doch selbst das Geflecht des Horizontes konnte die Essenz Callistas nicht umfassen, so dass schlussendlich die Welt in einem gewaltigen Knall zerbarst."
    Einige Augenblicke starrte Gracchus leer in den Raum, welcher in seinem Inneren das zersplitterte Universum zeigte, sodann dehnte er seine Schultern und sank mit einem Seufzen wieder in sich zusammen.
    "Ist es nicht merkwürdig, dass nach all der Zeit ich noch immer mich Callistas entsinne? So viel habe ich vergessen in meinem Leben, doch sie wandelt in den Hallen meines Geistes als wäre es gestern gewesen - ihr helles Lachen, ihre erquickende Leichtigkeit und ihre tiefsinnige Sinnli'hkeit. Wie lange ist das her, Sciurus? Viel zu lange schon. Als wäre es ein anderes Leben gewesen, ein anderer Manius allfällig, ein prosaisches Stück, welches an einem Abend vor langer Zeit ich mir zu Gemüte führte - denn wie kann dies mein Leben gewesen sein, das mir so fremd erscheint, fremder als jedes andere?"
    Der Sklave konnte zu keiner Antwort ansetzen, so dass ungeklärt blieb, ob er dies überhaupt in Erwägung hatte gezogen, denn ein kurzes Klopfen unterbrach die Zweisamkeit und zerstörte sie mit dem sogleich folgenden Eintreten des Medicus Kosmas.
    "Nun, Herr, wie fühlst du dich heute?" eröffnete der flavische Leibmedicus beim Eintritt in den Raum seinen beinahe schon täglichen Besuch.
    Gracchus hielt kurz inne und wandte den Blick in sein Inneres als müsse er Rat halten mit sich selbst, schüttelte sodann langsam den Kopf.
    "Es ist noch immer da. Dumpf und latent wie jeden Morgen, die Anakrusis alltäglicher, klandestiner Agonie."
    "Hast du dich bei deiner Cena an die Diätvorgabe gehalten?"
    "Sicher. Wie an jedem dieser uner..quicklichen Abende der letzten Wochen, obgleich mir nicht eingängig erscheint wie diese fade Kost mein Befinden verbessern sollte."
    "Hast du den heißen Kräutersud zu den Mahlzeiten eingenommen?"
    "Auch dies, Tag um Tag, wiewohl dieses Gebräu von wahrhaft ungustiösem Geschmack ist."
    "Womöglich benötigst du einen Luftwechsel."
    "Luftwechsel? Du meinst ... hinaus aufs Land?"
    Es klang dies nicht despektierlich, doch ebensowenig enthusiastisch.
    "Ich dachte eher an das Meer."
    "Ich hasse das Meer"
    , warf Gracchus ein einem unleidlichen Kinde gleich.
    "Nicht auf oder in das Meer, Herr, nur an die Küste. Nach Baiae vielleicht, hast du dort nicht ein Stück Land neben dem Besitz des ehrenwerten Secundus Felix?"
    Ein leichtes Lächeln umkräuselte Gracchus' Lippen.
    "Ja, in der Tat. Aber - was soll ich dort?"
    "Dich ein wenig entspannen. Baiae ist dafür doch prädestiniert."
    "Warst du jemals in Baiae, Kosmas? Die dortigen Ent..spannungen sind nicht nach was mir der Sinn steht."
    "Aber dein Vetter ist dort, samt seiner Familie. Es wird sicher nicht unangenehm."
    Der Flavier seufzte.
    "Ich werde darüber nachdenken."

    Obgleich ich nicht gänzlich absent bin, bin ich hinwieder auch nicht wirklich anwesend. Da sich dieser Zustand augenscheinlich vorerst nicht ändern wird, werde ich in den kommenden Wochen Gracchus aus Rom hinaus in ein SimOn-Exil verfrachten, um aufgrund mangelder Aktion kein Spielgeschehen zu einzuschränken. Aus diesem Grunde ist indes auch derzeit weiterhin nicht mit aktiver Spiel-Beteiligung meinerseits zu rechnen.

    Abwägend hob Gracchus die linke Braue, doch ehedem er zu einer Antwort konnte ansetzten, klopfte es kurz an der Türe zu Minors Cubiculum und Sciurus steckte den Kopf hinein. "Herr, es ist Zeit, zum Collegium aufzubrechen ..."
    "Ah, ja"
    , nickte der ältere Flavier und zuckte ein wenig ergeben mit der Schulter.
    "Die Pfli'ht wartet, mein Sohn. Sofern du konkrete Pläne hast, lasse es mich wissen. Ein wenig Zerstreuung wäre allfällig nicht verkehrt."
    Er erhob sich, um den Raum zu verlassen. Doch bevor er durch die Türe trat, wandte Gracchus noch einmal sich kurz um.
    "Ich bin froh, dass es dir wieder gut geht, Minimus."
    Nicht nur auf den gesundheitlichen Zustand seines Sohnes war dies bezogen, sondern auch in Hinblick auf dessen Ansichten. Ein schmales Lächeln huschte über das Antlitz des älteren Flaviers, sodann wandte er sich um, seinen Pflichten nachzukommen wie eh und je.

    "Im Grunde ist dies nur eine Frage des Geldes"
    , antwortete der ältere Flavier, ohne dass in diesem Augenblicke ersichtlich war, worauf.
    "Und daran mangelt es wohl kaum."
    Wenn auch Gracchus selbst nicht den leisesten Schimmer hatte, wie groß oder klein das flavische Vermögen tatsächlich war. Es war, und dies genügte ihm seit jeher.
    "Du kannst einerseits adäquate Gäste laden - Schöngeister von Rang und Namen, und dazu ein Podium bieten für junge, talentierte Künstler. Du kannst aber auch einem Künstler ein Aus..kommen gewähren. Oder allfällig ein größeres Podium in der Öffentlichkeit schaffen. Du könntest Statuen stiften; ein Grundstück erwerben und einen Park der Sinnesfreuden erschaffen. Die Möglichkeiten sind zweifelsohne grenzenlos."
    Rechtlich gesehen waren Minors eigene Möglichkeiten hierzu begrenzt, denn da er noch immer unter der patria potestas seines Vaters stand hatte er genau genommen kein eigenes Vermögen. Doch Gracchus dachte selten in Vermögens- und Besitzverhältnissen. Sein Blick glitt in die Ferne.
    "Wir hatten schon lange keine schöngeistige Gesellschaft mehr zu Besuch. Schon seit ... seit dem Krieg nicht mehr."
    Er seufzte. Das Ende des Bürgerkrieges war beinahe nurmehr eine Reminiszenz im Gedächtnis Roms. In jener Zeit geborene Kinder liefen längst auf ihren eigenen Beinen und wusste nicht einmal, wovon gesprochen wurde. Frisches, saftig grünfarbenes Gras wuchs längst auf den Schlachtfeldern, auf welchen das römische Blut war vergossen worden. Allerorten verlustierten sich Gesellschaften ohne auch nur einen Gedanken an die Vergangenheit, und das Leben folgte seinem alltäglichen Verlauf. Nur Gracchus' Leben nicht. Sein Leben war stehen geblieben, steckte fest, stockte einem Wasserrad gleich, dessen Speichen sich im Tang der Tiefe hatte verfangen und darob nicht mehr vorankam. Sein Leben war noch immer voll gesogen und besudelt von römischem Blut; lag noch immer brach, ausgedörrt und öde.

    Ein wenig indifferent wiegte der ältere Flavius seinen Kopf. Mochte Minor in diesem Jahre kein Tribunat mehr erhalten, so würde er allfällig im kommenden Jahre darauf vergessen haben - oder längst anderweitig in das stadtrömische Leben involviert sein. Darob bot diesmalig Gracchus auch nicht an, diesbezüglich sein Wort beim Kaiser geltend zu machen.
    "Rom benötigt fortwährend Tribune, auch in den kommenden Jahren. Dir bleibt also noch genügend Zeit, dich zu beweisen"
    , suchte er sein nicht allzu großes Bedauern in ein wenig Trost zu verpacken.
    "Wie wäre es mit einem kultischen Amt? Im Collegium der Quindecemviri Sacris Fa..ciundis ist derzeit ein Sitz unbesetzt."
    Dass ein Wort des Pontifex pro Magistro würde ausreichen, diesen Sitz zu besetzen, verstand sich von selbst.
    "Du könntest indes dich auch im Privaten ein wenig mehr hervortun, allfällig ein Mäzen der Kunst, Kultur oder Wissenschaft werden."

    Der ältere Gracchus seufzte tief.
    "Iudaea"
    , lies er sodann mit einem leisen Schnauben vernehmen.
    "Dieser Sumpf aus welchem die Christianer hervorkriechen gleich Würmern aus dem Dreck. Es wäre zweifelsohne ein Akt des Ausglei'hes, würde ein Sproß des flavischen Hauses dort römisches Recht und Sitte perpetuieren."
    Einen Augenblick lang biss er die Kiefer fest aufeinander in aufwallendem Zorn über das Schicksal seines Bruders Tiberius Animus, welcher so tief in ihm verborgen lag, dass er im ohnehin beständig verdrängten Gedanken oft nur auf den Bruder selbst zurück fiel. Doch das Christenvolk hatte seinem Bruder die Sinne verdreht und ihn in seinen eigenen Wahn gestürzt - ein Akt, welchen der Flavier jedem einzelnen dieser Masse anlastete.
    "Iudaea wäre durchaus eine ad..äquate Wahl."
    Und letztendlich nicht gar so perniziös wie etwa der barbarische, unwirtliche Norden oder Osten des Reiches.

    "An den Grenzen ... "
    repetierte Gracchus zögerlich.
    "Ja ... natürli'h ... nun ... sofern du eine Präferenz für eine Provinz hast, so kann ich auch hierfür den Augustus um ... entsprechende Zuteilung bitten."
    Wiewohl die Himmelsrichtung kaum einen Unterschied würde machen - allein die elendig lange Reise an die Grenzen des Imperium, Matsch und Dreck, Hitze oder Kälte, Sand oder Schnee, große Menschen oder kleine Menschen - im Grunde waren dies nur marginale Details. Einst hatte Gracchus angenommen die Legionen in den gänzlich und seit langem befriedeten Randregionen wie etwa Hispania oder Aegyptus hätten allfällig ein besseres Los als jene an den barbarisch besiedelten Grenzen, doch die Erfahrungen seiner Verwandten und Faustus' hatten ihn eines besseren belehrt. Eine Legion blieb eine Legion - einzig die Prima genoss bisweilen einen Sonderstatus.

    Zitat

    Original von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS
    Der Kaiser erhob sich und ging einige Schritte nach vorn, sodass das Volk und der Pontifex pro Magistro ihn besser sehen konnten. Die Consecratio konnte beginnen.


    Nach dem Augustus trat Avienus Acratus aus dem Ordo Haruspicum nach vorn und komplettierte die kultische Triade, sodann zog der Pontifex pro magistro bedächtig einen Zipfel seiner Toga über das Haupt und dirigierte mit einem unscheinbaren Nicken den Beginn der Zeremonie.
    "Favete Linguis!" forderten sogleich mehrere Herolde lauthin, so dass diese Worte bis in die letzten Reihen des gefüllten Platzes wurden getragen und erst zwischen den Mauern der prächtigen Gebäude der Stadt verhallten, während Gracchus die rituelle Reinigung des Augustus Aquilius und des Haruspex vollzog. Ein minister - es war ein Urenkel des Rex Sacrorum Menenius Lanatus - trat unter großer Ehrfurcht heran und reichte zuerst dem Pontifex maximus, sodann dem dem Pontifex pro magistro und zuletzt dem Haruspex eine Schale mit Weihrauch dar. Ein jeder entnahm aus dieser eine Hand voll der harzigen Körner, um diese über die Kohlebecken zu Seiten des Altares zu streuen, in welchen die Glut seit dem Morgen bereits war geschürt worden. Augenblicklich erhoben sich Wolken graufarbenen Nebels, waberten ein wenig über den Becken, ehedem sie sich in alle Richtungen zerstreuten und einen süßlichen Duft über den Platz verteilten. Dem fachkundigen Augen mochte nicht entgehen, dass der Rauch nur mäßig sich empor erhob, doch das Volk Roms hatte sich noch nie an solcherlei marginalen Details gestört - ebenso wenig wie die Kultherren, deren Fazit bereits zu Beginn ihres Wirkens definitiv war.
    "Dei Romae",
    erhob der Flavier seine Stimme, souverän und sonor, die Flächen seiner Hände zum Himmel gewandt, den Blick in unbestimmte Ferne am trüben Horizont.
    "Herrscher des Himmels, Gebieter der Unterwelt! Wächter des Lebens, Sterbens und Todes! Bewahrer der Ordnung und der res publica! Ge..stalter und Wandler der Natur und des Raumes! Dei Romae, Euch in Eurer Allmacht, Eurem Allwissen und Allschaffen rufen an diesem Tage der Imperator Caesar Augustus Tiberius Aquilius Severus Augustus und das Volk Roms Eure Befürwortung zu erbitten den unsterblichen Genius des Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, Sohn des Divus Iulianus, in Eure heiligen Reihen auf..zunehmen, des Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, Sohn des Divus Iulianus, welcher durch Eure Gewalt und ... Euer Wohlwollen Rom und seinem Volke über viele Jahre hinweg als unver..gesslicher und vortreffli'her Imperator Caesar Augustus ge..dient hat."
    Gracchus bemerkte durchaus, dass er die Leichtgängigkeit seines Wortflusses im Zuge seiner Lüge einzubüßen drohte, ob dessen er seine präparierte Formel schlichtweg abbrevierte und seine Hände sinken ließ. Dies war einem Popa Signal, mit der weißfarbenen Taube heranzutreten und sie dem Augustus zur Begutachtung zu offerieren, dass dieser mit einer knappen Bestätigung sie zur Opferschau konnte freigeben. Sorgsam griff Gracchus das Tier mit der Linken, in der Gewissheit zugleich, dass wenig Anlass zur Sorge bestand, da dem Vogel nicht nur die Flügel waren gestutzt worden, sondern er gleichsam mit präpariertem Korn und Weihrauch derart narkotisiert worden war, dass er jede Handlung - bis hin zum Opferschnitt - beinahe besinnungslos über sich würde ergehen lassen. Mit der rechten Hand zog der Pontifex sodann die secespita zwischen den Falten seiner Toga hervor, ehedem er die Taube über den foculus hielt.
    "Dei Romae, Eure Ma'ht in Euren Gefilden wie in den unseren, Euer Wille im Großen wie im Kleinen!"
    Unwillkürlich - und ungesehen - biss Gracchus auf seine Zungenspitze und kniff seine Augen leicht zusammen während er gänzlich auf sein Tun fokussiert zu seinem Schnitt ansetzte. Mit einer sorgsam geschärften Klinge die Kehle eines Schafes oder Schweines zu durchstechen oder gar aufzuschlitzen war ein Akt, welcher wenig Präzision, sondern vorwiegend Kraft erforderte, doch den Korpus eines Vogels der Länge nach vom Hals bis zum Schwanzansatz durch die Federn hindurch zügig, um allzu heftige Bewegungen des Tieres zu unterbinden, sowie akkurat, so dass die Innereien dabei nicht zu Schaden kamen, aufzuschneiden - dies war durchaus eine diffizile Angelegenheit, welche höchste Konzentration erforderte. Da diese Art der Opferung keine allzu häufige Aufgabe im Cultus darstellte hatte der Pontifex dies an den Tagen zuvor wiederholt geprobt, um exakt die rechte Intensität an Kraft zu ermittel, welche hierfür vonnöten war - insbesondere da die Sensitivität seiner Rechten nie wieder gänzlich zurückgekehrt war. Obgleich er auch die vorsichtige Entnahme der vitalia im Zuge dessen hatte eingeübt gestattet der Flavier sich dennoch einen Augenblick erleichterten Aufatmens als letztendlich die winzigen Organe unbeschadet auf einer güldenen Platte auf dem Altar lagen. Den kultischen Formalien folgend forderte er sodann den Haruspex mit den Worten:
    "Der Wille der Götter im Großen wie im Kleinen"
    , auf, seines Amtes zu walten und das Votum der Götter zu bestimmen. Die genauen Worte des Avienus Acratus schlussendlich konnte niemand außer den anwesenden Haruspices noch verstehen, doch Gracchus hatte in seinem Leben genügend extispicia beigewohnt, um aus dem altetruskischen Dialekt die Namen der Götter daraus zu entnehmen, deren Wille der Aviener nun auf der kleinen Vogelleber prüfte. Es dauerte eine geraume Weile, in welcher der Haruspex die vierundzwanzig Sektoren, welche die etruskischen Himmelsrichtungen und die in diesen Gefilden beheimateten Götter repräsentierten, einzeln begutachtete und kommentierte -, was in der Langatmigkeit der Zeremonie dazu beitrug, die Bedeutsamkeit eben dieser zu betonen. Gracchus spürte in dieser Zeit wie das Blut an seinen Händen zu gerinnen begann, das Blut der Taube, welches Valerianus zum Gott würde ergeben, das Blut welches nun jenes überdeckte, welches an seinen Händen klebte seit der Ermordung des Valerianus im Ansinnen, diesen als Kaiser auszulöschen. Angespannt starrte er zum Horizont, suchte das Brennen an seinen Händen zu ignorieren und mühte sich in niemandes Augen zu blicken, da er doch sicher war, dass ein jeder die Wahrheit in den seinen würde erkennen müssen.
    "Litatio"
    , wandte schlussendlich der Haruspex einsilbig sich wieder an ihn und riss damit den Flavier aus seinen Gedanken. Auch heute würde niemand die Wahrheit erkennen, wollte niemand die Wahrheit erkennen - nicht über Gracchus und nicht über Valerianus.
    'Do ut des'
    , schoss es Gracchus durch den Sinn - und allfällig waren sie nun quitt. Einst hatte er Valerianus' Leben genommen - und heute erhob er ihn zum Gott. All seine Gravitas und Pietas aus den letzten Fasern seines Selbst zusammen sammelnd wandte der Pontifex pro magistro sich dem Augustus zu und transkribierte dem Kultherren mit der gebotenen Ehrfurcht:
    "Die Götter Roms haben ihren Willen verkündet, Imperator Ceasar Augustus, die Tore ihrer Gefilde sind dem Genius des Gaius Ulpius Aelianus Valerianus geöffnet."



    Sim-Off:

    Da ich deplorablerweise keinerlei Information über die korrekte Form einer römischen Divinisierung finden konnte entbehrt diese Zeremonie jeder historischen Grundlage und ist schlichtweg frei nach meinem beschränkten Kultwissen gestaltet.

    Der Pontifex pro magistro Flavius Gracchus befand sich bereits seit geraumer Weile am Orte des geschichtsträchtigen Geschehens - respektive ein wenig daneben - und kontrollierte die letzten kultischen Vorbereitungen, dabei sein Unbehagen durch Geschäftigkeit zu kaschieren suchend - in diesem Auge das Schärfen seiner secespita. Mochte die Eröffnung des Ulpianum auch ein Akt des Triumphes und der Größe Roms sein, so war die vorhergehende Consecratio doch ein regelrechter dies ater. Seit Wochen bereits hatte Gracchus darüber sinniert wie dieser Aufgabe zu entkommen war, doch lediglich der Tod in seinem Hause und die darauf folgende kultische Unreinheit hätte ihn vor der Ausübung seiner Pflicht bewahren können, was er indes nicht zu forcieren bereit war.
    "Der Haruspex ist bereit, der Augur Iulius ist eingetroffen und der Augustus ist nun auch auf seinem Platz, Herr", informierte ihn schlussendlich sein Vilicus.
    Der Flavier nickte ausdruckslos, steckte die Opferklinge in die Messerscheide, welche in den Falten seiner reinweißen Toga war verborgen, reicht dem Sklaven den Wetzstein und wies sodann mit dem Kopf zum bedeckten Himmel über Rom empor.
    "Den Göttern ist dies schon jetzt ein betrübli'her Tag, an welchem sie ihren Platz und ihr Vorrecht mit einem Hochstapler müssen teilen"
    , flüsterte er sehr leise, so dass nur Sciurus dies konnte vernehmen. Sodann seufzte er.
    "Nun denn, auf zu einem neuerlichen Possenspiel, die un..ersättliche Roma zu erfreuen."
    Er trat um die Stufen des Ulipianum herum bis zu dem eisernen, reich verzierten Fokulus, welcher zum heutigen Anlass dort war errichtet worden und suchte sodann den Blick des Augustus, an dessen Seite er zu seinem Erstaunen seinen Sohn und seinen Neffen bemerkte.

    "Ein Tribunat?"
    repetierte der ältere Flavier ein wenig ungläubig, unterstützt durch das Heben seiner linken Braue. Es gab wohl kaum eine gräulichere Aussicht für ihn als jene in einem Militärlager am Ende des Imperium zu stranden, das windumtoste Zelt im schlammigen Sumpf des Nordens oder staubigen Sand des Südens errichtet, den ganzen Tag zwischen Wind, Sonne, Regen und militärischem Getöse gefangen fernab von jedem geistigen Reize.
    "Nun"
    , setzte er an, um sogleich wieder zu stocken. Sein Vater, sein Onkel Felix und Furianus hatten ihren Dienst in der Legion geleistet, und Marcus Aristides war gar viele Jahre wahrhaft glücklich gewesen in den Reihen des Militärs. Es war an der Zeit anzuerkennen, dass Minor allfällig andere Präferenzen für sein Leben favorisierte als sein Vater.
    "Es spri'ht nichts dagegen, wenngleich es für einen Mann deines Standes nicht vonnöten ist. Wenn du möchtest kann ich den Imperator darum bitten, dich der ersten Legion zuzuweisen?"
    Dies zumindest würde Minor nicht nötigen, Italia zu verlassen - was wiederum für Gracchus eine abschreckende Vorstellung war.

    "Aber nein, es spri'ht wirklich nichts dagegen"
    , versicherte der Pontifex dem Iulier noch einmal.
    "Dies war nur ein kleiner Scherz."
    Dass Gracchus solcherlei musste erklären lag wohl in der Natur seines Charakters, welche insbesondere in offiziellen Angelegenheiten kaum je zu Scherzen war aufgelegt und eher für seine Ernsthaftigkeit bekannt.
    "Die Wandlung der Göttin liegt bereits derart weit in unserer Ver..gangenheit zurück, dass außerhalb der Collegien kaum noch jemandem diese archaischen Aspekte der Iuno geläufig sind. Als Aeditua der Iuno Februata wird deine Tochter großen Respekt genießen, wie jede andere Aeditua der Iuno auch."
    Einen marginalen Augenblick sann der Flavier über eine weitere scherzhafte Bemerkung bezüglich des Ehestandes nach, verzichtete jedoch darauf, um nicht neuerlich Insekurität auf Seiten des Iuliers zu evozieren.
    "Ich werde die Ernennung noch heute veranlassen."

    Deplorablerweise habe ich es den letzten Tagen nicht einmal zum Lesen in das IR geschafft. Ich versuche heute die ausstehenden Beiträge zu beantworten, denn in der kommenden Woche wird es auch nicht besser und hernach bin ich erst einmal im Urlaub.

    "Iuno Februata - die Göttin der leidenschaftli'hen Liebe und erotischen Hingabe! Früher einmal hätte wohl kein Vater freiwillig seine Tochter zu einem solchen Dienste aufge..fordert."
    Ein pikareskes Lächeln umschloss die Lippen des Flaviers ehedem er fortfuhr.
    "Aber du hast natürlich recht, diese Zeiten sind lange vorbei und heute ist sie die jungfräuliche Iuno. Ist es nicht höchst be..merkenswert wie der cultus sich mit der Welt wandelt, wie ein Aspekt abgetreten wird an einen anderen, dass nicht einmal die Götter beständig sind?"
    Es war letztlich keine Frage, welche einer Antwort bedurfte.
    "Keine Ursache"
    , retournierte er den Dank.
    "Kann ich sonst noch etwas für dich tun?"