Der Geruch nach verbranntem Fleisch wogte aus den züngelnden Flammen heraus und umfasste die Umstehenden obgleich der Libitinarius ab und an ein wenig Parfum in das Feuer gab, seine Gehilfen beständig mit Räucherschwenkern um die Trauerschar herum gingen und suchten, mit Salbeiduft dem Hauch von Tod und Endgültigkeit entgegen zu treten. In Gracchus indes evozierte diese olfaktorische Kompenente allmählich den Anklang an ein großes, blutiges Opfer, denn Fleisch war Fleisch, und zu oft schon hatte er neben dem Opferfeuer verharrt, zu oft eben diesen Geruch geatmet im Ansinnen die Götter zu erfreuen. Allfällig war es eben dies, ein letztes großes Opfer - das größte, welches ein Mensch zu geben befähigt war - der Claudia Antonia an die Götter des Imperium Romanum, um diese gütig zu stimmen in Hinblick auf ihre Nachkommen, und der Anflug eines traurigen Lächelns legte sich um Gracchus' Lippen bei diesem Gedanken, denn nichts hätte seiner Gemahlin mehr entsprochen als die Bereitschaft, dieses Opfer darzubringen. Obgleich die Augenblicke ihm endlos zu währen schienen, so war zu einer Zeit das Feuer schlussendlich hernieder gebrannt, nichts war mehr übrig von der Claudia als rusigschwarzfarben bleiche Knochen, verformte, geschmolzene Überreste der Beigaben, graufarbene Asche und rotglimmende Glut, welche von dem Libitinarius wurden abgelöscht, so dass dies alles konnte beisammen gesammelt werden, um es in die gläserne, grünfarben schimmernde Urne einzufüllen. Ein wenig zitterten Gracchus' Hände als er das Gefäß entgegen nahm, ein wenig wankte sein Schritt als er den Weg antrat hin zum Grabmal der Flavier, dessen Eingang bereits geöffnet war, dem alles verschlingenden Schlund eines Ungeheuers gleich. Obgleich die Temperatur im Außen nicht allzu hoch lag, so war die Kühle im Inneren des kleinen Mausoleums doch deutlich zu spüren, wiewohl Gracchus gleichsam den Atem seiner Vorfahren in seinem Nacken verspürte, ihr Raunen und Wispern vernahm, ihre Schatten schleichen sah. Stockend, reflexartig sprach er die rituellen Worte, deren Bedeutung in diesem Augenblicke ihm gänzlich bedeutungslos schien, als er die Urne absetzte - dort, wo einst auch seine Überreste in einem ähnlichen Gefäß würden aufbewahrt werden -, flüsterte beinah nurmehr die Opferworte als er die Gaben für Antonias Iuno beigab. Sukzessive schienen die graufarbenen Mauern des Grabmales sich auf ihn zuzubewegen, schien die flirrende Luft auszudörren, dass sie die Kehle ihm verbrannte, schienen die rissigen Hände der Toten seinen Brustkorb zu umfassen, ihn mehr und mehr zu beengen, dass ihm beinahe blümerant wurde vor Augen. Ein wenig hastig ob dessen verließ er den Bau, trat hinaus in die frische Luft des ausklingenden Tages, aus welcher allmählich aller Rauch und Brandgeruch verweht war und gab dem Libitinarius das Zeichen, dass jener mit der Reinigung der Trauergäste konnte beginnen. Hinter ihm wurde die Türe des flavischen Mausoleums wieder geschlossen - das Ungeheuer hatte Claudia Antonia verschlungen.