Beiträge von Claudia Antonia

    Stirnrunzelnd hat Antonia ihrem Begleiter zugehört, war die Geschichte, dass er sein Gedächtnis verloren hatte doch neu für sie. Andererseits machte nun die Sache mit seinem unehelichen Kind, das er annehmen wollte, mehr Sinn.
    Die Schilderung des Lebens als Peregrinus klingt in ihren patrizischen Ohren dann auch noch alles andere als angenehm. Vermutlich war ihr Leben im Vergleich dazu gar nicht so furchtbar, wie sie selbst immer glaubte.
    Einen Moment lang sieht sie gedankenverloren auf die blasse Haut, die ihren Handrücken überspannt, wendet ihre Hand, um etwas anzublicken, dem schwere, körperliche Arbeit völlig fremd ist.
    Fassen wir also zusammen: Das Leben ist sch.. lecht, egal wer oder was man ist.
    Aufmunternd zwinkert sie ihm zu, bereitet ihr der ernste Tonfall des bis dato so fröhlichen Flaviers doch ein wenig Sorgen. Schließlich fasst sie ihn bei der Hand und zieht den Patrizier ein Stück weit mit sich.
    Aber nehmen wir einfach einmal an, wir könnten jemand anders sein - egal wer. Wer möchtest du sein?


    Mittlerweile wieder stehen geblieben, gibt Antonia dem Drang nach einer Stütze nach und lehnte sich gegen eine Trauerweide. Gedanken, die sie beschäftigten hatte sie zahlreiche, nur sonnige Tage beschwörten diese nicht herauf. Wie könnten auch Vorwürfe und Selbstzweifel positive Empfindungen hervorrufen?
    Etwas das mich beschäftigt? Glaubst du? Hm.. was könnte das sein?
    Scheinbar angestrengt nachdenkend drückt sie ihre Wirbelsäule in ein Hohlkreuz, legt eine Hand vor ihren Bauch und stützt mit der anderen ihr Kinn ab.
    Vielleicht muss ich nur öfter Schuhe kaufen gehen.
    Ein Schmunzeln deutet an, dass diese Aussage allenfalls halb ernst gemeint ist.


    Was den Mondschein angeht-, fährt sie fort und besieht sich den Stand der Sonne. Nunja, wenn wir noch eine Weile warten, wirst du in das Vergnügen kommen zu sehen, wie sich eine schlanke Frau in ein furchtbares Ungeueher verwandelt. Grün, mit solchen Ohren-
    Sie führt ihre Hände an die Seite ihres Kopfs, wo sie je einen Zeigefinger abspreizt.
    - und riiiiiieeeesigen Zähnen.
    Unwillkürlich beginnt sie zu kichern. Auch wenn es ihr des Öfteren so scheint, dies würde tatsächlich geschehen, schließlich vermied ihr Gatte es so gut es ging, sie des nachts zu besuchen.

    'Die eigenen Tage enden zu lassen' - manches Mal wäre es Antonia lieb gewesen, ihre Tage hätten schon am Vortag geendet, nur um sich im nächsten Moment bewusst zu werden, dass sie keinesfalls so wenig am Leben hing, wie sie sich glauben machen wollte.
    Manchmal wünschte ich, ich wäre nicht, was ich bin. Eine einfache Plebejerin, eine Peregrina, ja, sogar das Dasein einer Sklavin scheint mir bisweilen viel Freier zu sein, als das eines Patriziers. Es ist eine sonderbare Laune der Götter, den einen alles zu geben, nur um sie dann in ihren Pflichten so einzuengen, dass sie es nicht genießen können.
    Eine kurze Pause folgt, in der Antonia ihre Nase der Sonne zuwendet.
    Oder machen sie uns einfach nur zu blind, um zu erkennen, dass wir uns unser Leben selbst unnötig schwer machen?
    Geblendet blinzelt sie, als sie sich wieder irdenen Dingen zuwendet, um etwas zu erkennen.
    Gracchus' betreffend legt sie nur den Kopf schief, wägt Aquilius' Worte ab, um schließlich zu Nicken, jedoch nichts zu erwidern. Gracchus will sie für den Rest des Tages weitmöglich aus ihrem Bewusstsein verdrängen, daher beschließt sie, ihn vorerst nicht mehr zu erwähnen.


    Oh, danke. Aber ich finde, auch der Mond steht mir vorzüglich.
    Den Kopf emporgereckt, gibt sie das perfekte Bild, dass der Plebs von vornehmen Patrizierinnen hat - hochnäsig, eitel, arrogant. Jedoch beabsichtig.
    Allerdings lässt mich das Schummerlicht immer ein wenig dicklich wirken. Daher wirst du mich auch nie im Mondschein hier spazieren gehen sehen.
    Die Maske fällt ab, das freche Grinsen erscheint wieder. In diesem Moment hat die Claudia ein wenig Ähnlichkeit mit einem kleinen Jungen, dem gerade der Streich seines Lebens gelungen ist.
    Ich nehme dich beim Wort, Aquilius. Beim nächsten Regenschauer werde ich vor deiner Tür stehen und deine Betriebe kontrollieren.

    Ein Tag kann viel ausmachen im Leben., gibt sie zu bedenken.
    Der Tag der Geburt, das Tag des Todes, der Tag der Hochzeit.
    An ihren Fingern hat sie begonnen aufzuzählen und hält nun mit einem Lächeln inne. Selbst der heutige Tag. Würdest du ihn missen wollen? Ich keinesfalls.
    Ein letzter gnädiger Blick fällt auf die Rosen, dann wendet sich Antonia gänzlich Aquilius zu.
    Du bist sicher, dass du mit Gracchus verwandt bist?
    Schelmisch lächelnd schlängelt sie sich an ihm vorbei und berührt wie zufällig mit ihrer rechten Seite seine Linke.
    Ihr seid euch so unähnlich. Er ist so.. kühl, zurückhaltend. Und du-
    Sie dreht sich um, sieht in sein freundliches Gesicht und lächelt stumm. Worte scheinen an dieser Stelle ohnehin nicht ausdrücken zu können, was sie sagen will.


    Aber du hast recht. Ich habe in letzter Zeit tatsächlich nur wenig Sonne gesehen.
    Sowohl im wörtlichen, als auch im metaphorischen Sinne trifft dies auf die Claudia zu, hat sie doch den Großteil der letzten Zeit in ihrem Cubiculum verbracht. Umso froher ist sie nun, dass sie mit diesem Verhalten heute gebrochen hat und in den Hortus gegangen ist.
    Aquilius' Hand in der Ihren löst erneut ein wohlig-warmes Gefühl in ihr aus, wie es jede Berührung tut, die die beiden verbindet. Um das Gefühl nicht zu schnell zu verlieren, legt sie ihre freie Hand auf die ihres Begleiters, fast als wolle sie sie dort zwanghaft festhalten.
    Und ich bin dir dankbar, Aquilius. Für alles. Du hast die Sonne heute heller scheinen lassen, als je zuvor.

    Eigentlich schade., beginnt sie unvermittelt, ihren Blick noch immer auf die Rose in ihrer Hand gerichtet.
    Schon in ein paar Tagen wird sie verblüht sein und nichts von ihrer Schönheit wird übrig sein.
    Fast scheint ihr diese Tatsache wie ein Gleichnis für ihr eigenes Leben zu sein. Nur verblühte sie mehr und mehr, ohne dass jemand es sehen konnte. Eingesperrt in einem Leben, das sie sich völlig anders vorgestellt hatte, gefangen in einer Ehe, die nichts hervorzubringen schien, als Vorwürfe, Scham und Unwohlsein.
    Vielleicht hättest du sie nicht abreissen sollen.
    Ein letzter Blick und die Rose verschwindet wieder in den Falten Antonias Tunika.


    Aquilius' Worte bringen sie schließlich dazu, den Kopf wieder zu heben, wieder den Mann anzusehen, der sie an einem Tag öfter zum Lachen gebracht hat, als ihr Gatte während ihrer ganzen Ehe.
    Es ist kein Fehler, mir das zu sagen., erwidert sie nach einiger Zeit des stummen Anstarrens. Ich würde Lügen, würde ich sagen, es ist nicht schön, das zu hören. Der einzige Fehler ist, es nicht auch zu einer Frau zu sagen, die frei ist.
    Ein Lächeln, ein bitteres Lächeln, begleitet diese Worte. Warum war Gracchus nicht Aquilius? Warum war Aquilius nicht Gracchus? Immer wieder kreist in ihrem Kopf diese Frage.

    Verständig nickt die Claudia stumm.
    Um das unblutige Opfer zu vollziehen, schreitet Antonia in den Tempel hinein. Der Sklave mit den vorbereiteten Opfergaben folgt auf dem Fuße, der Ehegatte vermutlich auch.


    Nachdem sie ihren Kopf bedeckt hat, lässt sie sich den Weihrauch reichen, welchen sie in eine Opferschale gibt und anschließend entzündet. Kein Lüftchen weht an diesem Tag und so steigt der Rauch kerzengerade in die Höhe.
    Andächtig sieht Antonia ihm hinterher, ehe sie sich wieder dem Opfer zuwendet.
    Möglichst ohne zu Zögern füllt sie in die nächste bereitgestellte Schale Ziegenmilch und stellt diese vor eine rundliche Öffnung am Fuße der Statue. Zaghaft, um die dahinter befindlichen Schlangen nicht zu sehr zu erschrecken, schiebt sie die Schale langsam näher.
    Die Hand wieder zurückziehend wartet sie, ob sich etwas tut. Würden die Schlangen im Inneren bleiben, weiß sie zumindest, dass Iuno ihr zürnt. Zu ihrer Erleichterung glaubt sie jedoch schon kurze Zeit später ein leichtes Kratzen zu Hören, dem eine blassrosa Zunge folgt.
    Eine grün-schwarze Schlange streckt ihren Kopf aus dem Loch heraus, zögert einen Moment, trinkt dann jedoch aus der Schale.


    Zufrieden erhebt sich Antonia wieder.
    Schon steht der Sklave mit den Früchten bereit, welche sie erneut in Opferschalen verteilt. Anschließend wendet sie den Blick zum Kopf der Statue und hebt ihre Hände mit den Handflächen nach oben, in Hüfthöhe.
    Oh Iuno Sospitas., beginnt sie laut und deutlich. Nimm unser demütiges Opfer an. Erhöre uns.
    Um ein Haar hätte sie 'mich' gesagt, wird sich dann jedoch wieder der Anwesenheit Gracchus' Gewahr.
    Oh Iuno, schenke uns deine Gunst. Gewähre uns einen gesunden Erben.
    Das Gebet war gesprochen, mit ihrer Wendung nach rechts beendet Antonia den unblutigen Teil der Opferung.

    Einen Moment lang überlegt sie, ob sie etwas sagen soll. Sie will, doch fällt ihr nichts ein, was ihr nicht entweder stupide oder abgedroschen erscheint. So belässt sie es beim Üblichen Salve, Manius. und wendet ihren Blick dann dem Tempel zu.
    Sie ist sichtlich nervös. Würde die Göttin das Opfer annehmen? Was wenn nicht? Was, wenn ja?
    Das ewige Bangen nach einer Nacht mit ihrem Gatten zerfrisst zunehmend ihr Inneres und sie beginnt langsam zu verstehen, warum so viele Claudier den Verstand verloren hatten. Ob die Götter ihrer Gens immer noch grollten, weil ein Claudier einst die heiligen Hühner ertränkt hatte?


    Vielleicht lag das ja auch in ihrer Familie. Vielleicht war ihr Zweig der Gens einfach unfruchtbar?
    Ihre beiden leiblichen Brüder und sie selbst sprechen zwar dagegen, doch war ihre Mutter schließlich keine geborene Claudia gewesen.
    Solche und ähnliche Gedanken schwirren Antonia im Kopf herum, als sie, als wäre es ein Reflex, ihre Hand auf Gracchus' Arm legt.
    Wir.. haben noch nicht darüber gesprochen, wie das Ganze ablaufen soll., sagt sie schließlich mit rauer Stimme. Soll ich.. oder willst du.. oder zusammen?

    Aquilius' Rat beherzigend, hatte Antonia am Vorabend ihrem Gatten vorgeschlagen, der Iuno ein Opfer darzubringen, auf das sie ihnen endlich einen Erben schenkte. Natürlich war sie, wie immer, nicht selbst zu Gracchus gegangen, sondern hatte einen Sklaven geschickt. Die Antwort hatte sie dann allerdings doch überrascht: Er wollte mitkommen.
    Als sie an diesem Morgen aufgestanden war, war sie sich immer noch nicht klar darüber gewesen, ob sie sich nun freuen sollte, oder ob sie nicht lieber alleine gegangen wäre.


    Doch nun treffen sich die beiden Sänften und der übliche Mob von Begleitsklaven aus der Villa Flavia zur verabredeten Zeit vor dem Tempel der Iuno Sospita.
    Langsam, als wolle sie den Moment der Begegnung so lange wie möglich hinauszögern, schiebt Antonia die Stoffbahn zurück, die sie vor Sonne und Blicken schützt. Zunächst blickt sie jedoch noch nicht in das Gesicht ihres Gatten, sondern das ihres Sklaven Pallas, der ihr eine Hand reicht, um ihr aus der Sänfte zu helfen.
    Schon ist eine junge Sklavin neben ihr, die Antonia die Tunika richtet und eine Haarsträhne an ihren vorgesehenen Platz stecken will. Doch die Geduld der Claudia ist heute nicht besonders groß und so scheucht sie das Mädchen schnell mit einem Handwink davon.

    Mit Zweien macht es doch viel mehr Spaß.
    Todernst und trocken kommen diese Worte über ihre Lippen, nur ihr Gesichtsausdruck verrät, dass sie davon eigentlich keine Ahnung hat.
    In jedem anderen Fall hätte sie wohl nicht im Traum daran gedacht, etwas Derartiges laut auszusprechen, nicht einmal wenn klar war, dass es nicht Ernst gemeint war. Doch hier, in der Abgeschiedenheit des Gartens, war eben alles ein wenig anders, als wäre es nur ein Traum, von dem ohnehin niemand anders erfahren wird.


    Sie löst sich einen Moment von Aquilius und geht näher auf die Rosen zu. Musste eine andere Sorte sein, als die, die sie zu Beginn angesehen hatte, die Farbe war anders.
    Vielleicht, beginnt sie und dreht sich lächelnd zu Aquilius, Würde es auch schon genügen, würdest du solche Komplimente nicht mir machen, sondern den heiratsfähigen jungen Römerinnen.
    Im Nu hat sie 'ihre' Rose wieder hervorgezaubert und hält sie zum Vergleich neben den Strauch. Faszinierend wie viele Farbfacetten Rot zu haben schien. Andächtig dreht sie die Blüte im Sonnenlicht hin und her.

    Zunächst noch neugierig, dann stirnrunzelnd hat Antonia die Nachricht ihrer Freundin gelesen. Britannia sei nur halb so wild, die Städte zumindest, sogar zivilisierte Sklaven gäbe es dort. Als eine Art 'Beweis' habe sie ihr diesen Mischling geschickt, der ganz Antonias 'Typ' sein solle.
    Er sprach ohne Akzent, schien auch nicht allzu dumm.. und er war Antonias Typ, wie sie nach ausgiebiger Betrachtung seines Gesichts feststellt.
    Lautlos versucht sie seinen Namen mit den Lippen zu formen, befindet ihn jedoch für zu barbarisch. Auch wenn die Bogensache ein Schmunzeln bei ihr hervorruft.
    Hm.. gut. Von heute an wirst du allerdings Pallas heißen.
    Der Brite wirkt nicht allzu traurig, aber auch nicht allzu begeistert über den Namenswechsel. Nunja, umbringen würde er sie dafür wohl nicht.
    Also, Pallas, du bist sicher müde von der langen Reise. Cratesipolis-
    Sie deutet auf die Sklavin, die bereits die ganze Zeit in einer Ecke steht-
    Wird dir zeigen, wo du schlafen wirst. Ruh dich eine Weile aus und komm heute Mittag wieder hierher.

    Du hälst mich wohl für eine Xanthippe?, witzelt sie und spielt die Beleidigte. Was ist es? Meine Stimme? Sie klingt furchteinflößend, wie?


    Ihr Gesicht wird allerdings bei der Schilderung der Folgen, respektive des Klatsches, der Reise immer länger.
    Affäre? In Kauf nehmen? Sündigen? Unsicher, ob er nun Scherze macht, oder das Ganze Ernst meint, runzelt Antonia die Stirn. Sie entscheidet sich schließlich für Ersteres und reckt den Hals.
    Also bitte, ich bin eine Claudia, das liegt uns im Blut. Was kümmert mich das Gerede der Leute?
    Allein die Reaktion ihres Mannes würde sie noch interessieren. Wäre es ihm egal, würde sie noch weiter in seiner Gunst sinken, oder würde er einen Tobsuchtsanfall bekommen?
    Weißt du, auf einen mehr oder weniger würde es im Endeffekt auch nicht mehr ankommen.
    Schelmisch grinsend zwinkert sie ihm zu und hofft nur, dass weit und breit kein Sklave mit übermenschlichem Gehör in den Büschen sitzt.


    Aber dummerweise hast du wohl recht. Entweder müssen wir dann also noch jemanden finden, der nichts Besseres zu tun hat, als durchs Imperium zu reisen, oder wir zwingen jemanden.
    Wir könnten einen Aushang am Forum machen: 'Junger Mann zum mitreisen gesucht'. Oder etwas in der Art.

    Ach, erwidert sie, bemüht möglichst unschuldig auszusehen, Grausam ist es ja nur für den, der festgenagelt wird. Aber wenn du so unkooperativ sein willst, lassen wir eben die Nägel weg.
    Dass die Gens Flavia ihre ganz eigene Geschichte mit Hispania hat, ist Antonia in diesem Moment völlig entfallen gewesen. Lebhaft hat sie noch jenen Tag in Erinnerung, jenen einen Tag, an dem Gracchus wegen Hispania aus seiner Haut gefahren und emotional reagiert hatte. Sie beschließt, dieses Thema zu meiden und legt stattdessen den Kopf schief.
    Na, habe ich gesagt, dass es eine schnelle Reise werden muss?
    Keine Antwort erwartend, spricht sie umgehend weiter.
    Genau genommen finde ich, je länger eine Reise dauert, desto besser ist sie. Wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel.
    Besonders wenn der Weg sie immer weiter von Rom, von ihrem Gatten und von allen Problemen fort brachte. Doch diesen Gedanken lässt sie unausgesprochen.


    Du glaubst, ich hätte die Kraft, dich herauszuziehen?, fragt sie lachend. Aber wenn du so viel Vertrauen in mich hast-
    Sie hebt einen Arm und spannt die Muskeln an. Kein wahrhaft beeindruckendes Schauspiel, wie sie selbst schmunzelnd feststellt.
    - werde ich natürlich tun was ich kann.


    Den Mund schon halb geöffnet, um zu fragen, was sie entschuldigen soll, erübrigt sich die Frage. Nur einen kurzen Moment hängt sie in der Luft und doch scheint ihr dieser Moment unendlich lange. Sie kann nicht verhindern, dass ihr Teint leicht rötlich wird. Weniger aus Scham, mehr aus innerlich aufsteigender Hitze. Nur zu deutlich spürt sie Aquilius' Hand auf ihrem Rücken, seine Brust an ihrer Seite, seine Tunika unter ihrer Hand..
    Ich.. äh.. ja.. danke. Äh, nein, beim Nil nicht., beeilt sie sich zu sagen und blickt nach unten, um ihre Tunika glatt zu streichen.

    Als einer der flavischen Haussklaven meldet, an der Porta sei ein Sklave aus Britannia, der eine Nachricht für Claudia Antonia habe, weiß die Empfängerin sofort, dies kann nur von ihrer Freundin Scantia, welche kürzlich in die nördlichste Provinz des Imperiums gereist war, stammen.
    Nachdem sie schon mehrere Wochen nichts von ihr gehört hat, hatte Antonia schon geglaubt, die Fabia sei entweder von Eingeborenen entführt worden, oder so schockiert von ihrer neuen Heimat, dass sie umgehend zurückgereist sei.
    Umgehend lässt sie also diesen Sklaven zu sich zitieren.

    Darauf werde ich dich jetzt festnageln., verkündet sie mit überlegenem Lächeln. Britannien könnte 'interessant' sein, sagst du. Das bedeutet, du kommst dorthin mit. Keine Widerrede, das werde ich auch nicht vergessen.
    Mit ihrer freien Hand beschreibt sie eine Art Reiseroute in die Luft.
    Zuerst quer durch Gallia-
    Die 'gallische Galanterie', von der sie so viel gehört hat, will sie schließlich einmal mit eigenen Augen sehen.
    Dann auf ein Schiff nach Britannia. Sollten wir das überleben, geht es kurz nach Germanien - um uns davon zu überzeugen, dass das Land so schrecklich ist, wie die Menschen, die dort wohnen.
    Die Vorstellung entlockt ihr einmal mehr an diesem Tag ein Schmunzeln.
    Es sei denn du willst lieber nach Hispania, aber mir persönlich ist es dort zu.. hm.. sagen wir, ich finde die Menschen dort sonderbar.
    Ein Schulterzucken fügt hinzu, dass sie diese Abneigung nicht erklären kann.
    Danach sehen wir uns in Syria um und erobern schließlich Aegyptus.
    Mit einem Nicken bekräftigt sie diesen Plan und befindet ihn für gut.


    Warum glaubst du denn, keine angenehme Reisebegleitung zu sein? Wirst du seekrank? Erzählst du schlechte Witze?
    Lächelnd legt sie ihm die eben noch gestikulierende Hand auf den Arm.
    Das kann ich mir nicht vorstellen. Du hast bestimmt einige interessante Geschichten zu erzählen.
    Wohingegen ihr im Moment keine einzige einfällt. Keine, die wirklich geschehen wäre zumindest.
    Aegyptus. Das ist schwierig, in diesem Land gibt es so viele wundersame und faszinierende Dinge, die ich gerne sehen würde. Wahrscheinlich würde ich den Rest meines Lebens damit verbringen, alle Städte und Sehenswürdigkeiten zu bereisen. Die Acta würde schreiben 'Tochter aus dem Hause Claudia nach Besichtigung des zweitausendsten Tempels in der Wüste verschollen.'.
    Wie ein Starreporter hat sie mit beiden Händen eine Art Schlagzeile in den Himmel gemalt.
    Oder 'Tollpatsch in den Nil gefallen und von Krokodilen gefressen worden. Familie möchte anonym bleiben'.
    Lachend hakt sie sich wieder ein und folgt Aquilius durch die Untiefen des flavischen Hortus'.
    Aber wenn ich mich auf die wichtigste Sehenswürdigkeit beschränken sollte, wären das wohl die Sphinx und die Pyramiden.

    Beim Weg über den Kies verflucht Antonia ein ums andere Mal ihr Schuhwerk, muss sie doch des Öfteren stehen bleiben und ein Steinchen herausschütteln. Andererseits gibt ihr dies Gelegenheit, sich ein wenig näher zu Aquilius zu beugen, wenn sie sich an ihm festhält. Schließlich befindet sie die Schuhe für hervorragend und beschließt am nächsten Tag noch ein weiteres Paar zu kaufen.


    Wild und gefährlich, ja..
    Unversehens gleitet sie ab in einen Tagtraum, voll von blauen, muskulösen Kriegern, wild aussehenden Landschaften, einer unwirklichen Welt.. am Rande dringt 'schöne Römerin entführen' an ihr Ohr, was auch bei der Claudia ein Schmunzeln verursacht. Oder war es mehr ein genießendes Lächeln?
    Oh, um die mache ich mir keine Gedanken.
    Glatt gelogen. Andererseits macht sie sich vermutlich nicht die Art Gedanken, die ihr Begleiter vermuten würde.
    Ich würde ja nur im römischen Gebiet reisen. Obwohl, wer weiß, wie Britannien aussieht, wenn ich endlich einmal Zeit und Muse finde, dorthin zu reisen.


    Seiner Erzählung über Germanien hingegen lauscht sie nun aufmerksam. Einladend klingt das nicht wirklich. Aber aufregend.
    Meinst du?, fragte sie und wiegt den Kopf hin und her.
    Nun gut, dann zumindest keine germanischen Sklaven für mich.
    Grinsend stoppt sie einen Moment, um die Wurzelhürde zu nehmen.
    Erneut lässt die Vorstellung einer Reise mit Aquilius einen kleinen Film vor ihrem inneren Auge ablaufen.
    Erschrocken über sich selbst sucht sie ein neutraleres Objekt im Garten, das sie ansehen kann. In letzter Zeit scheint ihre Phantasie öfter mit ihr durchzugehen, als ihr lieb ist, das musste sie unbedingt wieder unter Kontrolle bringen.
    Das werde ich, verlass dich darauf. Einen besseren Reisebegleiter könnte ich mir nicht vorstellen.
    Merkur vielleicht. Schmunzelnd schüttelt sie über sich selbst den Kopf und setzt ihren Weg fort.

    Mit Mühe und Not verdrängt Antonia wieder die unliebsamen Gedanken, macht Platz für ein wenig Freude. Zum Teil ist sie sogar erfolgreich.
    Erneut bei Aquilius untergehakt gedenkt sie nicht, ihn so schnell wieder los zu lassen, auf dass die trübe Grüblerei noch möglichst lange ihrem Bewusstsein fern bleibt.


    Zu fast jeder Schandtat sagst du?
    Ein diabolisches Lächeln erscheint auf ihren Zügen, doch kann sie die Fassade nicht lange aufrecht erhalten und beginnt stattdessen zu kichern.
    Hm, lass mich nachdenken.
    Die Augen halb geschlossen, wendet sie ihre patrizische Nase der Sonne zu.
    Sag, warst du schon einmal in Britannia?
    Umgehend verliert die Sonne das Privileg Antonias Aufmerksamkeit zu erhalten.
    Eine alte Bekannte ist vor einiger Zeit dorthin gereist, weil ihr Mann dort Tribun oder so etwas wurde. Bisher hat sie allerdings noch nicht geschrieben, ob diese ganzen Geschichten wahr sind.. du weißt schon, blaue Menschen, immer Regen, grauenhaftes Essen..
    Sie kann nicht verhehlen, wie amüsant sie es fände, wenn dem so wäre, ist besagte Freundin doch ein recht empfindliches Wesen.
    Ich muss gestehen, ich war bisher nur in Achaia und Hispania. Dabei würde ich so gerne noch mehr vom Imperium sehen. Aegyptus, zum Beispiel. Oder Syria.
    Sollte sie jemals einen Sohn gebären, hatte sie sich vorgenommen, anschließend eine Reise zu machen, als Belohnung, gewissermaßen.
    Ob Germanien wohl auch eine Reise wert wäre? Germanische Sklaven sehen ja schon sehr abenteuerlich aus, das Land muss herrlich sein. Im Sommer.
    Immer mehr dringt ihr Abenteurergeist hervor. Erneut eine Marotte von ihr, wenn auch eine wenig patrizische. Doch die einzige dieser Art, die sie sich gestattet.

    Das Gesagt lässt sich Antonia durch den Kopf gehen, kommt jedoch zu dem Schluss, dass das nicht funktionieren würde. Sie würde sich schlicht seltsam vorkommen, würde sie Gracchus' Leibsklaven über ihn ausfragen, würde sich lächerlich vorkommen, wenn sie ihm etwas schenkte.
    Ich weiß nicht recht..


    Gracchus und überfordert? Das passt für sie so wenig zusammen wie Britannier und gutes Essen. Er, der alles im Griff hat, er, der nie einen Fehler gemacht hatte, sollte mit seinem kleinen Frauchen überfordert sein? Ein eisiges Lächeln zeichnet sich auf ihren Lippen ab, als sie sich etwas Derartiges vorstellt. Sie kommt nicht umhin, bei diesem Bild ein wenig Genugtuung zu verspüren, fühlt sie doch ihr Unglück durch das ihres Gatten ein wenig ausgeglichen. Wenn es denn so wäre, wie sein Vetter sagte.
    Nachdem sie ihr Bewusstsein jedoch wieder ins Hier und Jetzt gezogen hat, weicht das Lächeln einem Stirnrunzeln.
    Aber du hast recht, ich weiß nichts über ihn. Nicht mehr, als vielleicht einer seiner Klienten und selbst der könnte mehr wissen.
    Nun weiß sie zumindest, was sie in den nächsten Tagen und Wochen tun konnte. Etwas, das ihr das sie vom ewigen Herumsitzen, Einkaufen und Grübeln ablenken würde.


    Und nun, sagt sie in fast fröhlichem Tonfall, als wären die letzten paar Minuten nie gewesen, lass uns von etwas Anderem sprechen. Ich werde schon zurechtkommen. Wenn nicht, weiß ich ja wo ich dich finde.
    Sie sieht Aquilius direkt in die Augen und schon schafft sie es nicht, eines ihrer einstudierten Lächeln aufzusetzen, das suggerieren sollte, alles sei in bester Ordnung. Irgendetwas hält ihren Blick gefangen, macht es ihr unmöglich, die übliche Farce zu spielen, die sie für den Rest der Welt spielte.
    Plötzlich steht sie auf, geht einige Schritte und dreht sich schließlich wieder um, eine Hand zum Flavier ausgestreckt.
    Lass uns weitergehen.

    Hm.
    Was er sagte klang so einfach, so einleuchtend, dass es Antonia schon fast wieder zu einfach war. Dennoch kann sie nicht leugnen, dass Aquilius wohl recht hat. Gracchus kannte Leontia schon lange und war Livia ähnlich. Nichtsdestotrotz flüstert eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf noch immer, dass es auch ihre Schuld sein musste.
    Allerdings beruhigen seine Worte das aufgewühlte Innere der Claudia auch ein Stück weit, überzeugen sie davon, dass wenigstens nicht alles allein ihre Schuld sein muss.


    Aber.. , setzt sie an.
    Erneut kaut sie auf ihrer Unterlippe, während sie langsam wieder zur Bank kommt und sich niederlässt.
    Manius und ich kennen uns doch nun wirklich auch schon einige Zeit.
    Mit ihrem Zeigefinger malt sie imaginäre Linien auf die Sitzfläche der Bank.
    Weißt du, wir haben ja auch bereits einmal darüber gesprochen und wollten unser Verhältnis verbessern.. nunja, was daraus wurde siehst du ja.
    Noch allzu gut erinnert sie sich an jenes Gespräch. Wie ein Unmensch würde er sich in ihrer Nähe vorkommen, hatte er gesagt. Unmensch.. als würde sie ihm je mit so viel Distanziertheit begegnen wie er ihr.
    Und wie soll man sich kennen lernen, wenn man sich meidet wie die Pest? Er erträgt meine Gegenwart nicht und ich ertrage nicht die Seine. Jedesmal wenn ich seine strafenden, vorwurfsvollen Blicke auf mir spüre, würde ich am liebsten den Raum verlassen.

    Ein verächtliches Schnauben ist zunächst die einzige Antwort, die Antonia sich gestattet, ehe sie sich ruckartig von ihrem Sitzplatz erhebt und einige Schritte auf und ab geht.
    Das ist Unsinn und das weißt du.
    Mittlerweile stehen geblieben sieht sie, die Arme verschränkt, zu Aquilius.
    Hast du ihn je mit Leontia gesehen? Oder Tiberia Livia? Es ist, als wäre er ein anderer Mensch.
    Schmerzlich ist ihr jeder dieser Momente in Erinnerung. Wie oft hat sie sich gefragt, was sie so sehr von diesen anderen Frauen unterschied, was sie falsch machte, dass ihr Gatte sie gänzlich anders behandelte.


    Seine letzten Worte lassen sie erneut einen Moment verstummen. Und erneut widerspricht sie, als würde sie sich zwanghaft ein Versagen auferlegen wollen.
    Leontia ist schön, klug und gebildet. Tiberia Livia ist schön klug und gebildet.
    Seufzend setzt sie sich wieder, legt hilfesuchend eine Hand auf die von Aquilus.
    Was ist es, Aquilius? Sag es mir. Was mache ich falsch? Was ist nicht richtig an mir? Du kennst ihn doch schon so lange.
    Doch schon im nächsten Moment kommt sie sich albern vor. Eheberatung bei einem unverheirateten Verwandten ihres Mannes.. was dachte sie sich nur dabei? So zieht sie ihre Hand wieder zurück, doch ausgesprochen war es nun einmal.

    Eine ganze Weile herrscht Stille zwischen den beiden Verwandten. Keine Verwandten des Blutes, vielmehr des Geistes. Und dennoch zögert Antonia, in diesem einem Punkt, der ihr gesamtes Dasein, ihren Aufenthalt in der Villa Flavia überschattet, ehrlich zu Aquilius zu sein.
    Nachdenklich sieht sie zu ihren Sandalen - etwas, das sie oft tut, wenn sie ihren Gatten in ihrer Nähe weiß, einfach nur, um nicht seinen vorwurfsvollen Blick ertragen zu müssen. Der Blick, der zu sagen schien, 'womit in aller Welt habe ich nur eine solche Versagerin als Frau verdient?'
    Mit ihren Händen stützt sie sich auf dem warmen Stein der Bank ab, die Schultern hat sie hochgezogen, fast, als wolle sie sich von fremden Blicken abschirmen. Sie blickt nicht auf, als ihr Begleiter sie anspricht. Auch als sie antwortet, fixiert sie den Boden.
    Nein.
    Ein zögerliches und sehr leises 'Nein', doch bestimmt genug, um über eine vorübergehende Laune einer gelangweilten Ehefrau hinweg zu täuschen.
    Wieder verstreicht einige Zeit, in der dieses 'Nein' unerklärt in der Luft hängt und zunächst wirkt die Claudia auch nicht so, als würde sie dies tun wollen. Doch schließlich hebt sie den Kopf, sieht nicht zu Aquilius, sondern auf ein nahes Blumenbeet.
    Ich glaube, ich bin ihm zutiefst zuwider. Er sagt zwar, dem wäre nicht so, aber ich weiß es. Ein Mann, der seine Frau nicht verachtet verhält sich anders.
    Er sagte, alles was er verlange, sei, dass ich ihm einen Erben schenke. Doch wie bei allen Göttern soll ich dies tun, wenn er sich weigert, einen zu zeugen? Erwartet er vielleicht, dass Iuppiter dies für ihn übernimmt?

    Schnell hat sie sich in Rage geredet und ebenso schnell verstummt sie, als ihr dies bewusst wird.