Beiträge von Claudia Antonia

    Heimlich, still und leise – so heimlich, still und leise es mit einem vor sich hinbrabbelnden Säugling eben möglich war – näherte sich endlich auch Antonia dem Atrium. Nachdem auch längere Überlegungen keinen Römer namens ‚Tocktock‘ zu Tage förderten, musste der Sklave sich offenbar verhört haben oder schlicht und ergreifend unfähig sein. Hilfreich wandte Pallas schließlich ein, dass es sich eventuell um ihren Vetter Tucca handeln konnte, der zumindest lautmalerisch so ähnlich klang wie Tocktock.
    Das schien einleuchtend und so hatte die Claudia samt Mini-Flavius ihr Cubiculum verlassen, um den Verwandten zu begrüßen. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass Tucca wohl nicht gänzlich sich selbst überlassen worden war und Epicharis sich zu ihm gesellt hatte.
    „Salve Tucca.“, übertönte letztlich Antonias Stimme das ‚Mnagnama‘ Minors. „Wie schön, dass du es einrichten konntest. Salve Epicharis. Ich hoffe ihr musstet nicht zu lange auf mich warten?“
    Lächelnd trat sie an die Sitzgruppe heran und ließ sich ein wenig ungelenk nieder, da der Knirps hin und wieder doch ein wenig hinderlich in der freien Bewegung war. Wenigstens, so tröstete sie sich, konnte der Claudius es nicht sehen. “Oh, darf ich vorstellen: Nero Claudius Tucca, der junge Herr, der so beständig plappert ist Manius Flavius Gracchus Minor, dein.. hm.. Vetter zweiten Grades.. glaube ich. Oder ist das nun ein Neffe zweiten Grades?“
    Nachdenklich sah sie zwischen Tucca und Epicharis hin und her, während Gracchus Minor, gänzlich unbeeindruckt von der Verwandschaftsbeziehung, einen grellen Quietscher von sich gab, der seine Mutter zusammenzucken ließ. Peinlich berührt räusperte die Claudia sich vernehmlich, um sich wieder an den Besucher zu wenden. “Wie geht es denn in der Villa Claudia? Ist das Leben, nun, da wir Epicharis an uns gerissen haben, öde und trostlos?“
    Der Tonfall verriet bereits den Schalk in Antonias Worten, selbst wenn man das schelmische Schmunzeln nicht sehen konnte.

    Ganz von selbst schlich sich mit Serenus‘ steigender Wortanzahl ein wissendes Schmunzeln in Antonias Gesicht. Verlobt, verheiratet… vornehmlich die Mädchen. Ob das ein Wink mit dem Zaunpfahl war? Gewiss, der Junge war wohl langsam in einem Alter, in dem man sich als Mann für Mädchen zu interessieren begann – soweit die Claudia dies beurteilen konnte. Sofort klappte sich im internen Namens- und Gesichtsspeicher Antonias eine stattliche Liste von ledigen Patrizierinnen auf, welche nach und nach durchgegangen wurde. Allerdings, so rief sie sich ins Gedächtnis, war es natürlich Aristides Aufgabe eine Gemahlin für seinen Sohn auszusuchen. Aber sicher ließ er sich hierbei helfen, schließlich hatte man als Frau ganz andere Möglichkeiten an die kleinen und großen Geheimnisse seiner Geschlechtsgenossinnen zu gelangen. Männer ließen sich viel zu leicht von klimperndem Schmuck und klimpernden Augen beeinflussen.. ihr eigener Ehemann natürlich ausgenommen, dieser schien außerordentlich resistent gegen derlei Dinge. Vielleicht lag dies jedoch auch nur daran, dass Antonia niemals dergleichen Tricks an Gracchus getestet hatte.
    Erst als die Sprache auf Serenus‘ Übungsklienten kam tauchte die Patrizierin wieder ins Hier und Jetzt im Bestreben, die Erklärung des Neffen wenigstens einigermaßen nachvollziehen zu können. Ab und an nickte sie oder brummte ein zustimmendes Wort, wenngleich sich ihr die Problematik noch nicht recht offenbaren wollte. Antonias Blick wanderte über den Scriba hin zur Wand. Das schien eine wahre Sisyphusarbeit zu sein und umgehend verspürte sie den Wunsch, sich mit einer Migräne zu entschuldigen. Andererseits wirkte Serenus tatsächlich ein wenig überfordert und ihn gänzlich sich selbst zu überlassen gestattete das familiäre Gewissen nicht.
    „Nunja, du musst ja nicht das System deines Onkels übernehmen. Entscheide dich für eines, mit dem du glaubst am besten zurechtzukommen und sortiere die Klienten neu. Vielleicht“, erwiderte sie und trat näher an die bezettelte Wand, um die Notizen entziffern zu können, “ist es etwas gänzlich simples. Chronologisch nach der Jahreszahl, in der die Klienten Klienten wurden, oder jährliches Einkommen.“
    Natürlich konnte die Claudia in diesem Punkt ebenso wie Serenus lediglich Vermutungen anstellen, da sie selbst keine Klienten ihr Eigen nannte und sich auch nie Gedanken hierüber gemacht hatte. Und wenn sie sich diesen Wirrwarr so ansah war sie mehr als froh darüber. Allerdings war nun endlich eine Erklärung dafür gefunden, dass ein so reger Betrieb an der flavischen Porta herrschte. Das bucklige Fußvolk rechnete sich wohl Chancen darauf aus, dass mit einem neuen Patron auch neuer Geldsegen über sie kommen würde. Zumal der Patron kaum den Kinderschuhen entwachsen war.
    “Unsere Sklaven verschenken solltest du jedenfalls nicht. Für einen normalen Plebejer sind patrizische Sklaven viel zu teuer – und das aus gutem Grund. Aber ich verstehe, was du meinst. Am sinnvollsten ist es, denke ich, wenn du nicht jeden Tag alle Klienten empfängst. Und vor allem nicht jeden einzeln. Als essentiell wichtig erachte ich allerdings, dass du nicht alle Wünsche der Klienten erfüllst. Es handelt sich doch um erwachsene Männer, denen man ein wenig Eigeninitiative durchaus zutrauen kann. Unwichtigere Anliegen lässt du über einen Scriba per Post abwickeln und nur um die wichtigeren Anliegen, respektive die wichtigeren Klienten, kümmerst du dich persönlich. Allerdings“, fuhr sie mit einem Blick auf den anwesenden Scriba fort, “solltest du da wohl auf einen vertrauensvollen Sklaven zurückgreifen, der sich auf diesem Gebiet bereits auskennt und dir das ein oder andere erklären kann.“
    Mit einem Nicken beendete sie vorerst ihren Ratschlag, als ihr ein weiterer Gedanke kam. Schon seit Serenus‘ Rückkehr in die Villa war der Claudia aufgefallen, dass er noch immer nicht recht mit seiner neuen Stiefmutter warm geworden war. Wäre dies nicht die perfekte Gelegenheit, das Verhältnis zu verbessern? In Antonias Augen ja.
    “Aber sag, möchtest du möglicherweise nicht lieber Epicharis bitten, dir hierbei zu helfen? Ich bin sicher sie wäre weit besser geeignet als ich und wie ich sie kenne würde sie dich nach Kräften unterstützen.“

    An jenem Tage waren auch der Ankunftsort der römischen ‚Heiligen Drei Könige‘ ein anderer.
    Statt eines Stalls fand sich ein luxuriös ausgestattetes Cubiculum, statt Ochs und Esel standen Wickel- und Herumtragsklave dekorativ herum und statt einer Holzkrippe bot ein weich gepolstertes Bettchen mit Gitterstäben dem zu beschenkenden Kind ein Plätzchen. Ganz abgesehen davon, dass die Mutter kaum noch als Jungfrau bezeichnet werden konnte, wenngleich auch in ihren Augen der Sohn ein Gottesgeschenk war.
    In jenem Moment, als an die Tür geklopft wurde, amüsierte Gracchus Minor sich gerade köstlich darüber, wie seine erhabene Mutter mit einer übers Gesicht gezogenen Palla aussah. Er klatschte in die Hände und jauchzte vor Freude, während Antonia sich vornehmlich um ihre Frisur Gedanken machte. Sich der Tatsache gewahr werdend, dass offenbar jemand vor der Türe stand, zog sie das Tuch vom Kopf, tastete notdürftig ihre Haare ab, um letztlich ein “Nur herein.“ zu rufen.

    Ein wenig überrascht hatte Antonia vernommen, dass ihr Neffe, der genau genommen gar kein Neffe war, darum bat, dass sie ihn in seinen Gemächern aufsuchte. Sie sollte ihn aufsuchen? Vor ihren Augen stand der kleine Junge, der befehlsgewohnt seine Dienerschaft herbeizitierte – und nun auch sie? Kopfschüttelnd hatte sie jenen Gedanken verworfen, Serenus war längst nicht mehr das kleine Kind von einst, er war älter geworden, gewiss auch reifer und nicht mehr der eigensinnige Bengel von früher. Zudem hatte der Sklave eine Bitte vorgetragen und keinen Befehl seines Herrn ausgesprochen. So hatte sie sich, rätselnd, was er wollen konnte, aufgemacht zum Arbeitszimmer von Aristides‘ Sohn. Minor, ihren eigenen Spross, hatte sie derweil in der Obhut einer seiner Ammen gelassen, glaubte sie doch kaum, dass Serenus Interesse daran hatte, seinen kleinen Verwandten zu besichtigen. Gewiss benötigte er Hilfe bei einer mathematischen Aufgabe oder etwas Derartiges.
    Am Ziel angekommen klopfte die Claudia und trat letztlich ein. Bei den Saturnalien hatte sie Serenus erstmals wieder gesehen und war erstaunt gewesen, wie groß er geworden, wie erwachsen er bereits ausgesehen hatte. Umgehend hatte sie sich alt gefühlt. Unsagbar alt, nun, da ihr die verstrichene Zeit in Form dieses Jungen so deutlich gegenüber gestanden hatte. Ein schmerzerfülltes Seufzen hatte sie sich seinerzeit verkniffen, doch am selben Abend hatte sie die doppelte Zeit aufgebracht, um sich der Schönheitspflege hinzugeben.
    “Lucius.“, grüßte sie den Neffen, der ein wenig derangiert wirkte. Zerwuscheltes Haar, eine Unmenge an Wachstafeln um ihn herum und eine Art Stammbaum an der Wand. Leicht schmunzelnd kam sie näher. “Mir scheint du hast dich bereits wieder hervorragend hier eingelebt.“

    Antonia war in der Zeit, in der ihr Sklave zu ihrem Gemahl geeilt war bemüht gewesen, Gracchus Minor erneut auf die Beine zu stellen, ihn einmal mehr dazu zu bringen einige Schritte zu tun. Doch der Sohn machte sich in kindlicher Freude einen Spaß daraus der Mutter eben diesen Gefallen nicht zu tun. Natürlich unterstellte die Claudia ihrem Kind nicht, dass es dies absichtlich tat. Die Beinchen waren müde, so musste es sein, war er doch sonst ein so braver Junge. Nichtsdestotrotz sah sie ein wenig frustriert zu, wie der Knirps auf allen Vieren seine Runden im Raum zog. Gerade als Minor wieder bei Antonia angelangt war flog die Türe auf und Gracchus Maior trat mit wehenden Fahnen, so schien es für die Patrizierin, ins Cubiculum ein. Überlebensgroß war er, stark und strahlend wie Apollo selbst, ein Eindruck der durch den Umstand, dass Antonia selbst auf dem Boden saß und so doch recht weit hinaufblicken musste, nur verstärkt wurde.
    Die tapsige Berührung einer winzigen Hand zog die mütterliche Aufmerksamkeit fort vom Vater und hin zum Knaben, welcher die vierbeinige Fortbewegung aufgab und sich in die Senkrechte zog. Natürlich, wenn der Vater es wollte, tat der Sohn umgehend was gewünscht war, sie war ja nur die Mutter.. Augenblicklich schalt sie sich einen Dummkopf ob solcher Gedanken, Minor war gewiss noch viel zu klein um solche bewussten Entscheidungen zu treffen. So entschloss sie sich stattdessen erneut sich von der Welle des Stolzes übermannen zu lassen, welche bereits so viele Male seit seiner Geburt über sie hinweg geschwappt war.
    Reflexartig zuckten bereits ihre Arme, als der Sohn ins Straucheln geriet, doch war ihr Gemahl bereits zur Stelle, um Minor aufzufangen. Zufrieden lächelnd folgten ihr Blick dem in die Höhe gehobenen Kind, flogen von glucksenden Knaben hin zum stolzen Vater und wieder zurück. Sie sah das gestikulierende Kind, den freudig erregten Vater – und wie letzterer ersteren in die Luft warf. Ihre Augen weiteten sich, starrten voll Unglauben auf die beiden Flavier, schienen größer werden zu wollen als der Rest des Antlitzes. Für einen Moment setzte der Herzschlag aus, vergaßen die Lungen die Aufgabe Luft einzuatmen und blanke Panik breitete sich in ihr aus. Wie in Zeitlupe stieg ihr Sohn in die Höhe, freute sich ob der ungewohnten Freiheit um ihn herum und fiel, nein, vielmehr stürzte hinab, drohte zu zerschellen, als die Hände Gracchus‘ ihn wieder auffingen. Starr vor Schreck wurde Antonia sich erst wieder Ort und Zeit bewusst, als ihr Gatte sich neben ihr niederließ, ihr einen heißersehnten Kuss auf den Hals hauchte. Wie stets zog sie eine Schulter nach oben, legte den Kopf ein wenig zur Seite, um dem kitzelnden Gefühl zu entkommen und fand schließlich auch ihr Lächeln wieder.
    “Mir scheint eher du denkst er sei ein Vogel, der sich in die Lüfte emporheben soll.“
    Nicht ohne Vorwurf war der Unterton in ihrer Stimme, doch verbat sie es sich selbst, den Gemahl zurechtzuweisen. Ihre fast schon krankhafte Angst, dem Sohn könne etwas zustoßen war von Tag zu Tag gewachsen und hin und wieder glaubte sie, Minor brachte sich selbst bewusst in halsbrecherische Situationen – die selbstverständlich nicht halb so letal waren, wie die überängstliche Mutter annahm. Ihr Blick ruhte längst wieder auf dem kleinen Ebenbild ihres Gatten, das augenscheinlich Sklavenbeine als höchst interessantes Spielzeug erachtete (schließlich machten sie lustige Geräusche, wenn man hinein piekte).
    “Du wirst sehen, bald wird er auch einen eigenen Streitwagen verlangen, wie Serenus einst.“
    Schmunzelnd sah sie ihren Gemahl an, zweifellos jedoch würde sie niemals zulassen, dass ihr Sohn sich einer derartigen Gefahr aussetzte.

    Es war ein ungewöhnliches Bild, das sich den Haussklaven der Villa Flavia bot, sobald sie das Gemach des Manius Flavius Gracchus Minor betraten:
    Ein Sammelsurium aus Decken und Kissen breitete sich auf dem Boden aus, ließ kaum eine Ecke des Fußbodenmosaiks durchscheinen, sorgte jedoch dafür, dass Claudia Antonia, Nachfahrin von Kaisern, sich auf dem Boden niedergelassen hatte. Bequem auf ein Sitzkissen gebettet, hatte die Patrizierin ein Bein angewinkelt, den Rücken leicht gebeugt und die Arme um ihren Sohn geschlossen. Jener stand vor ihr, unterstützt durch die Hände der Mutter, und jauchzte vor sich hin. Antonia war sich sicher, dass er diverse hochinteressante und vor allem intelligente Dinge von sich gab. Hin und wieder ließ sich auch tatsächlich ein unbeholfen hervorgebrachtes Wort vernehmen, aneinander gereihte Buchstaben, die, sofern man sich häufig mit dem jüngsten Flavier beschäftigte, auch durchaus einen Sinn hatten. Sein erstes Wort, dessen war die Claudia sich sicher, war im Übrigen ‚Mama‘.
    Da diese Hürde nun genommen war, wartete Antonia fast stündlich darauf, dass er begann auf seinen eigenen Beinen durch die Villa zu spurten. Anstatt wie bisher - in ebenfalls ordentlichem Tempo - die Wege auf allen Vieren zurückzulegen. Sie wartete. Seit Monaten. Im Grunde genommen wartete sie seit seiner Geburt. Dass heute der Tag der Tage sein würde, erwartete sie daher keineswegs.
    Wie stets war nebst Mutter und Sohn eine gewisse Anzahl an Sklaven anwesend, die der Patrizierin die eher unschönen Pflichten der Mutterschaft abnahmen – vom Wickeln bis hin zum Füttern gab es für alles einen Spezialisten. Derzeit standen sie jedoch relativ untätig herum, allzeit bereit aus dem Standby-Modus zu erwachen.
    Mit einem ‚Mhgnäää‘ knickten just in diesem Moment die kurzen Beine des Kindes ein, was zwangsläufig eine Höhenverlagerung nach unten zur Folge hatte. Natürlich sah Antonia sich genötigt einzugreifen und den drohenden Sturz aus wenigen digiti Höhe abzufangen, sodass der junge Flavier für einen Moment in der Luft schwebte, begleitet von einem seligen Grinsen seiner Frau Mama und dem Quietschen der weiblichen Sklaven. Gracchus Minor jedoch begann unwillig zu strampeln und eroberte sich so den Erdboden unter seinen Füßen zurück. Antonia lockerte mit gütigem Lächeln ihren Griff und setzte den Sohn wieder ab. So geschah es. Ein historisches Ereignis, ein einmaliger Vorgang – Manius Minor, stolzer Spross zweier uralter Patrizierfamilien, setzte einen Fuß vor den anderen, unsicher und wackelig, doch beständig, und tat so die ersten drei Schritte seines Lebens.
    Die Claudia war derart in einem Rausch der Glückshormone gefangen, dass sie sogar vergaß ihn beim unweigerlich folgenden Versagen der Beinmuskeln wieder aufzufangen. Minor störte sich nicht weiter daran, lallte lediglich ein neues Wort und klatschte in die Hände. “Oh.. Minor.. du.. “
    Tränen der Rührung in den Augen, schlug Antonia eine Hand vor ihren Mund, unfähig den Blick von ihrem Sohn zu wenden. “Er geht.. Ihr habt es gesehen! Er geht!“, wandte sie sich jedoch letztlich bestätigungsheischend an die Sklaven, die eifrig zu nicken begannen. Beim letzten ‚großen‘ Ereignis in Minors Leben hatten die zuständigen Sklaven ein kleines Festmahl am Abend bekommen, so war es nicht zuletzt die Vorfreude auf etwas Derartiges, das die Hauseinrichtung fröhlich stimmte. Antonia indes wedelte mit einer Hand vage in Richtung Tür. “Geh. Hol meinen Gatten.“, befahl sie der Windelwechsel-Sklavin, welche sich flugs auf den Weg machte.
    Mit einem „Uuuuuh.“, das eindeutig in höhere Tonlagen anzusiedeln war, stellte Antonia anschließend ihren Sohn wieder auf die Beine, um voll Stolz das kleine Ebenbild ihres Gatten – in ihren Augen wenigstens - zu betrachten.

    Warum Antonia so viel länger braucht als die beiden anderen Patrizierinnen, um aus ihrer Sänfte zu steigen würde wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben, das lediglich Antonia bekannt war. Irgendwann jedoch schob sich eine helle Hand zwischen die Vorhangbahnen der Sänfte, teilte diese und gaben schließlich zum einen Antonia einen unverschleierten Blick auf das Gewusel um sie herum und zum anderen dem Gewusel einen Blick auf Antonia. Sofort war einer ihrer zahllosen Sklaven zur Stelle, um der Claudia beim Aussteigen behilflich zu sein. Sie hatte sich heute zurückgehalten, sowohl was Schminke, als auch was Schmuck und Kleidung anging. Zweifellos war alles für den normalen Menschen unbezahlbar, was sie am Körper trug, jedoch stach es nicht grell und laut aus der Masse heraus, zog nicht sofort alle Blicke auf sich, wie Celerina es heute tat. Sie hatte sich verändert im Inneren und so hatte dies wohl auch eine Veränderung am Äußeren nach sich gezogen.
    Ohne eine erkennbare Gefühlsregung bedachte sie den kleinen Streithaufen mit einem Blick, da es sich jedoch um Sklaven handelte würde dies wohl alles an Aufmerksamkeit sein, was ihnen zuteil wurde. Da sie ohnehin nicht wusste, welcher Sklave nun zu wem gehörte war es auch gleichgültig. Mit wenigen Schritten erreichte sie die beiden anderen Frauen, bedachte die Flavia mit einem Lächeln – sie hatten sich bereits in der Villa begrüßt – und wandte sich letztlich an die Aurelia.
    „Du musst Aurelia Minervina sein.“, richtete sie freundlich das Wort an diese. “Es freut mich sehr, dich kennen zu lernen. Ich bin Claudia Antonia.“
    Damit war dieser Tagesordnungspunkt abgehakt. Wer nun der Fremde war, der neben Celerina stand interessierte Antonia eher wenig, schließlich waren sie nicht zum Vergnügen hier.
    “Entschuldigt, dass ihr warten musstet. Doch nun… gehen wir?“



    Sim-Off:

    Sorry, bin derzeit sehr uninspiriert :/

    So unerwartet wie die plötzliche Kälte, so überraschend war nun die Besorgnis, die Antonia aus der Gestalt ihres Gemahls entgegen strahlte. Bislang hatte sie ihn nicht derart wankelmütig erlebt und dass allein ihre recht blasse Erscheinung, gekoppelt mit der abrupten Höhenverlagerung ihres Körpers jenen Umschwung verursacht haben könnte, darauf kam sie nicht.
    Blanke Panik machte einer einlullenden Verwirrung Platz, die Antonia ihren Gatten mit ungläubigem Blick ansehen ließ. So echt schien die Besorgnis, so überzeugend der Klang seiner Stimme, dass sie gar versucht war, seine vormalige Kälte nun doch als Einbildung ab zu tun. Oder war es gar Schauspiel für die Verwandten? Sicher würde er ihr später, wenn sie allein waren, noch das ein oder andere Wort hierzu zu sagen haben. Oder noch schlimmer, nichts sagen, sich wieder in Schweigen hüllen und sie stattdessen mit stiller Verachtung strafen. “Ich.. “, begann sie, sah zögernd zum Vetter, der vermutlich allein anhand der Stimmen nun erahnen konnte, dass man sich mehr oder minder hingesetzt hatte und schließlich zurück zu Gracchus.
    “Es ist nichts.“, beeilte sie sich endlich zu sagen, rang sich sogar wieder ein Lächeln ab. Die Angst, die sie glaubte in seinen Augen sehen zu können – und die ausnahmsweise wohl tatsächlich da war – veranlasste sie abzuwinken und den Kopf zu schütteln. “Mir war nur einen Moment schwarz vor Augen. Der Trubel und die vielen Menschen wohl.. “
    Fast hätte sie erschrocken ihre Hand zurückgezogen, als sie unerwartet die wärme zweier Hände spürte, die die ihre umfassten. Erkennend, dass es die Hände Gracchus’ waren unterließ sie dies, reckte stattdessen den Kopf wieder in die Höhe und hielt sich gerade noch zurück, als sie beruhigend seinen Arm tätscheln wollte. “Es geht schon wieder.. muss nur eine Kleinigkeit essen.“, beteuerte sie, während sich ihr Körper die größte Mühe gab, ein den Versicherungen entgegen gesetztes Bild abzugeben. Allein ihr Gesicht strahlte etwas wie Überzeugung aus.
    In der Absicht, die umgeschwenkte Stimmung wieder ein wenig aufzulockern wandte sie sich einmal mehr an Tucca. “Vetter, setz dich doch. Allein stehe ich dieser Übermacht an Nahrungsmitteln wohl hilflos unterlegen gegenüber.“

    Ein nicht minder vorfreudiges Lächeln wie ihr Gatte zierte an jenem Abend Antonias Gesicht. Vermutlich war sie ebenso gespannt wie Epicharis und Aristides, denn zwar wusste sie, wer das Stück geschrieben hatte und worum es in etwa ging, doch hatte ihr Gatte sich ob weiterer Details in Schweigen gehüllt.
    Manius Minor störte sich hieran weniger und wären die Eltern nicht seit seiner Geburt dazu übergegangen, jede wache Minute an seiner Seite zu verbringen, er wäre wohl gar nicht hier. Allzu unwohl fühlte er sich scheinbar trotzdem nicht, sofern man den leisen Geräuschen, die er von sich gab, trauen mochte.
    Epicharis und ihr Gemahl wurden schließlich fröhlich mit einem “Salvete.“ begrüßt, als die allzu ausführlichen Sätze Gracchus bereits ins Stolpern gerieten ließen und Antonia für einen Moment mitleidig, gar leidend den Gatten mustern ließen. Seiner guten Laune tat dies offenbar jedoch keinen Abbruch und so ging auch die Claudia wieder zu einem freundlichen Lächeln über. Ihre Verwandte – nun gleich doppelt verwandt, wie Antonia schmunzelnd feststellte – gab das Zeichen zum Beginn und so zog das Schauspiel die Aufmerksamkeit auf sich. “Kresh?“, echote sie leise auf Epicharis’ Frage und fixierte den entsprechenden Schauspieler. Da das Stück hierauf bereits begann, beließ sie es jedoch bei einem Schulterzucken als Antwort.
    Verlobter und Verlobte auf der Bühne verabschiedeten sich, was eine minimale Pause nach sich zog, die Antonia dazu nutzte, ihrem Gemahl ein Grinsen zu schenken. Es überraschte sie natürlich nicht, dass er bei der Wahl des Stückeschreibers damals wie heute ein glückliches Händchen bewiesen zu haben schien, wie es sie überhaupt selten überraschte, wenn etwas, das er tat perfekt zu funktionieren schien. Weiter wanderte ihre Blick zu Aristides und seiner Frischangetrauten hin, um deren Reaktionen zu beobachten.

    Noch bevor Antonia gutgelaunt auf Tuccas Beinahe-Drohung antworten konnte, kroch eine Kälte ihre Haut entlang, ließ sie frösteln wie an einem eisigen Wintermorgen und stellte ihre Nackenhaare auf. Sie kannte die Stimme, doch noch viel besser kannte sie den Ton, den sie anschlug. Schlagartig schossen hunderte, wenn nicht tausende Bilder durch ihren Geist, jede einzelne Gelegenheit manifestierte sich vorm inneren Auge der Claudia, zu welcher ihr Gemahl jenen Ton angeschlagen hatte. Eingebildet oder nicht, hier und jetzt war er echt.
    Das Atmen hatte sie kurzzeitig vergessen, stocksteif stand sie auf einmal da, wagte kaum sich umzudrehen und in Gracchus‘ Augen zu blicken. Was hatte sie getan? Was war geschehen, dass er nun so sprach? Hatte sie während der Zeremonie einen Fehler begangen? Sich ungebührlich verhalten? Ihr wollte nichts einfallen. Es war ein Glück, dass ihr Vetter sich selbst vorstellte, denn Antonia, zu Tode erschrocken, brachte keinen Ton heraus. Als Tucca sich letztlich ihrem Gatten zuwandte, wagte auch Antonia endlich die Augen auf Gracchus zu richten, fragend, angsterfüllt, jeden Moment einen weiteren verbalen Schlag ins Gesicht erwartend. Seit langem hatte sie seine Stimme nicht mehr derart frostig vernommen und ihre gepeinigte Seele, die sich lange in Selbstbeschuldigung geübt hatte, suchte nach einer Erklärung.
    Sie sagte nichts weiter. Lediglich ein Nicken bestätigte die Worte des Verwandten. Vergessen war für einen Moment alles Glück der letzten Wochen, vergessen, dass jeder einzige Vorwurf, den sie sich selbst während ihrer Ehe gemacht hatte als unnötig abgetan worden war, dies hier bildete sie sich nicht ein, ganz gewiss nicht. Schlimmer noch als der unverhohlene Vorwurf war jedoch das, in Antonias Augen, Fehlen jedweder Ursache für ihn. Das Gefühlschaos ließ sie schwindeln, schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen und nur die Kline hinter ihr verhinderte, dass sie rücklings auf dem Boden landete. Stattdessen sank sie aufs weiche Polster, fast so, als würde sie sich absichtlich hinsetzen. Ein kurzes Kopfschütteln vertrieb letztlich den Reigen von verschwommenen Gebilden vor ihren Augen, sie hob den Kopf und fixierte erneut den Gatten, in Erwartung einer Antwort auf Tuccas Worte.

    Zitat

    Original von Nero Claudius Tucca


    Melodisch und keineswegs so hell, wie das künstliche Gekichere so mancher Geschlechtsgenossin erklang Antonias Stimme, nachdem ihr Vetter die unverleugbaren Vorzüge des Ponuba-Daseins geschildert hatte. “Du hast wohl recht, so habe ich das noch nie gesehen. Doch ich hoffe in naher Zukunft erst einmal vor weiteren Verpflichtungen wie dieser verschont zu bleiben. Die Schwangerschaft machte all die Vorbereitungen nicht unbedingt einfacher.“, erwiderte sie versonnen.


    Wie wohl jede junge Mutter, hörte auch Antonia es gerne, wenn ihrem Sohn eine derartige Zukunft prophezeit wurde. Ob nun gelogen, maßlos übertrieben oder nicht, sie glaubte jedes Wort und schenkte dem Verkünder jener Worte eine ungemeine Sympathie. „Oh, das hoffe ich. Natürlich lässt sich nach nur wenigen Tagen nichts sagen, doch ich denke, Minor wird in der Tat aufsteigen wie ein Stern am Himmel.“
    Wenn nicht er selbst hierfür Sorge trug, so würde wohl zumindest die Mutter ihr Auge auf Karriere und Fortkommen des Nachwuchses haben.


    Gracchus nach wie vor bei Aristides wähnend, entschloss die Claudia sich letztlich dazu, mit dem Claudius ihren Weg zu Speis und Trank freizukämpfen. Kurz zögerte sie, als ihr erneut an diesem Tage die Rolle einer Führerin angetragen wurde. Erst die Braut, nun den Vetter. Kurz schmunzelte sie ob dieses Umstandes, hob dann jedoch die Hand und schickte sich an, Tucca durch das allgemeine Gewusel zu geleiten. Vorsichtig und langsam waren ihre Schritte, darauf bedacht, niemanden anzurempeln oder sonstig ein straucheln des Blinden zu provozieren. Pallas, getreuer Schatten seiner Herrin, trat aus selbigem hervor und bemühte sich hier und dort entsprechend Platz für die beiden Patrizier zu machen. “Natürlich macht es mir nichts aus.“, versicherte sie währenddessen und hielt nach einem angemessenen Platz Ausschau. “Oh, ich fürchte, für die nächste Woche ist in der Tat eine strenge Diät angesagt.“, meinte sie, als ihr Blick über die reich gedeckten Tische schweifte.
    “So, wenn du dich nun nach rechts drehst, kannst du dich rückwärts auf eine Kline setzen.“
    Sie selbst ließ sich ebenfalls auf einer Kline nieder und seufzte leise, als ihre Augen die Kalorienbomben abtasteten.

    Keine Sekunde hatte Antonia Gracchus aus den Augen gelassen, hatte jede Bewegung seiner Hände verfolgt, darauf wartend, dass er endlich das erlösende „Litatio“ verkünden würde. Endlich blickte der Gatte auf, zeigte langsam ein Lächeln, das durch ein ebensolches erwidert wurde. Ein besonderer Glanz trat jedoch in die Augen der Claudia, als er das Gelingen des Opfers verkündete. Litatio… nicht L’tatio, nicht Lit’io, nein, Litatio. Leise zwar, doch vollständig. Stolz kroch in ihr empor, mischte sich mit dem Gefühl der Erleichterung und ließ eine überglückliche Antonia zurück, die nun lediglich, an einem anderen Tag, zwei Ziegen zu opfern hatte.
    Züngelnd gierten die Flammen nach den Organen der jüngst noch so lebendigen Kuh, ließen grauschwarze Rauchschlieren in den Himmel aufsteigen, um letztlich nur verkohlte dunkle Klumpen übrig zu lassen, die kaum sich von der Kohle unterscheiden würden.
    Somit schien die Pflicht für heute getan, die Reste der Kuh würden beseitigt werden, die flavische Sippschaft rottete sich einmal mehr zusammen, nur um sich letztlich wieder aufzuteilen. Der eine setzte vielleicht seinen Weg in die Stadt fort, der andere kehrte zurück zur heimischen Villa. Letzteres taten auch die Eltern des Gracchus Minor, die mit einem guten Gefühl sich in ihre Sänfte begaben und den Heimweg antraten.

    Zitat

    Original von Nero Claudius Tucca


    In quasi offizieller Funktion stand auch Antonia etwas näher beim Brautpaar als die restlichen Gäste, so ergriff sie die sich bietende Chance, gleich nach Gracchus Epicharis in die Arme zu schließen. Wäre sie eine gefühlsbetontere Person, vermutlich stünden ihr Tränen in den Augen. Dies war nicht der Fall, doch freute sie sich nicht weniger über das Glücken der Zeremonie.
    „Herzlich willkommen in der Familie.“, verkündete sie mit breitem Grinsen, noch immer in stiller Verbindung die Hände der Cousine haltend. Es war sonderbar wie ähnlich und zugleich unterschiedlich ihrer beider Schicksale waren. Beide Claudias, beide mit einem Flavius verheiratet. Und doch würde Epicharis’ Leben gänzlich anders verlaufen, dessen war Antonia sich sicher. Wenigstens hoffte sie es für die junge Verwandte. Diese Gedanken im Kopf wandte sie sich an Aristides. „Ich würde Dir ja viel Glück wünschen, Aristides, doch mit Epicharis an deiner Seite wirst du das wohl nicht benötigen.“
    Fröhlich lächelte sie bis an beide Ohren, schließlich war nun alles besiegelt und eine weitere Claudia, die nun genau genommen zur Flavia geworden war, würde das Testosteron in der Villa zum Schmelzen bringen. Schnell machte Antonia jedoch Platz, um den anderen Gästen die Möglichkeit zu geben ebenfalls ihre Glückwünsche an den Mann, beziehungsweise die Frau zu bringen.


    Die Stimme ihres Vetters ließ sie schließlich den Kopf wenden, nach wie vor breit schmunzelnd. „Nun, eine undankbare Aufgabe. Aber jemand musste sie übernehmen.“, frotzelte sie. Abgesehen von der Nervosität war dieses Pronuba-sein gar nicht so schlimm, wie sie es sich ausgemalt hatte, wie sie nun feststellte.
    Die Sprache kam auf den jüngsten der Flavier und obgleich es vorab unmöglich gewesen schien, so strahlte die Patrizierin nun noch um eine Nuance heller. Nicht einmal die Erinnerung daran, dass der kleine Junge das erste und bislang einzige Kind einer langen Ehe war, vermochte dies zu trüben. „Manius Flavius Gracchus Minor ist sein Name. Er ist unser Erstgeborener. Und bereits Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit, wohin er auch kommt.“
    Es mochte befremdlich auf Tucca wirken, schließlich waren Gracchus und Antonia bereits viele Jahre verheiratet, die gänzlich kinderlos vorüber gegangen waren. Mittlerweile zählte für die Claudia jedoch mehr das Ergebnis, denn die Anzahl. Ein Blick in die Menge verriet, dass man langsam dazu überging sich den Speisen zuzuwenden. Prüfend sah die treue Gattin zum Gemahl, welcher nach wie vor im Windschatten des Aristides war. So wandte sie sich wieder an Tucca.
    „Was hältst du davon, wenn wir uns zu den Klinen begeben? Ich bin mir sicher, die Köstlichkeiten am Tisch sollte man sich nicht entgehen lassen.“

    Innerlich versuchte Antonia sich vorzustellen, wie es wohl wäre, eben eine solche Furie im Schlafgemach zu sein. Ansatzweise hatte sie sich bereits darin versucht, hatte die Ratschläge der Lupa umgesetzt… und sich im Anschluss unglaublich schmutzig und minderwertig gefühlt. Nein, Leidenschaft musste gezügelt werden, das war ihre Ansicht. Doch ließ sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten und vielleicht war es aus Sicht eines Mannes auch durchaus etwas anderes. Sie würde es niemals beurteilen können. So schürzte sie für einen Moment die Lippen, legte nachdenklich den Kopf schief und erwiderte unverwandt den Blick, mit welchem Aquilius sie bedachte. Hin und wieder wünschte sie sich doch Gedanken lesen zu können. Es fiel ihr schwer bei diesem Thema zu unterscheiden wo der Schalk aufhörte und der Ernst begann. Wäre ihr Verhältnis zu Gracchus ein anderes, vielleicht hätte sie auch ihn einmal danach gefragt, was ihm lieber war. Die Stille oder die Wilde. Angesichts der Tatsache, dass sie wohl niemals die Ungestüme sein könnte war dies aber wohl ohnehin nebensächlich.
    In Ermangelung eines reicheren Erfahrungsschatzes war sie letztlich gewillt Aquilius’ Aussagen als Tatsachen hinzunehmen und nichts weiter dazu zu sagen. Ohnehin waren sie bereits weiter und endlich konnte auch Antonia über jenes Thema schmunzeln, das ihr so unangenehm war. Ein herzzereissender Seufzer entfuhr ihr, als sie scheinbar resigniert mit dem Kopf nickte.
    „Nun gut, ich habe wohl keine andere Wahl.“, erwiderte sie auf den Kompromissvorschlag des Flaviers, den Schmerz der Welt in den Augen, doch das gelöste Grinsen eines Menschen auf den Lippen. „Irgendwann wirst du schon die Waffen strecken, spätestens wenn mir in zwanzig Jahren die Falten das Gesicht verdecken.“
    Mit Grauen sah sie jenem Tag entgegen, den sie mit unzähligen Mittelchen weit hinauszuzögern versuchte. Nachts sah sie zumindest einem Wesen, das dem Sumpf entstiegen war weitaus ähnlicher als einem Menschen. Gewillt dies zu verdrängen erwiderte die das zuprosten und nahm erneut einen Schluck.


    Das ungleich ernstere Thema hatte einen ebensolchen Gesichtsausdruck zur Folge, wenngleich ein wenig Erleichterung durchaus auch in der Claudia zu finden war. Zwar betrübte es sie Aquilius so gequält zu sehen, doch bedeutete es immerhin, dass es nicht an ihr gelegen hatte, dass sie so unglücklich gewesen war. Dass diese Villa einfach dazu prädestiniert war, die Menschen die in ihr lebten zu verschlucken, gefangen zu halten und ihnen die Luft zu rauben. Und doch konnte und wollte man ihr nicht so recht entfliehen.
    „Mit Sicherheit wird es wieder hellere Tage geben.“, pflichtete sie schließlich mit einem Lächeln bei. Auch wenn sie es selbst nicht geglaubt hatte, für sie war es auch wieder bergauf gegangen. Für Aquilius, der für Antonia stets ein besonderer Liebling der Götter gewesen war, musste dies umso mehr zutreffen.
    Als er begann von einer Frau zu erzählen spitzte die Claudia natürlich die Ohren. Es lag in ihrer Natur, in ihrem Blut, solche Dinge in Erfahrung bringen zu wollen und wenn man sie ihr freiwillig erzählte, umso besser. Glücklicherweise für sie und ihre Umwelt hatte das Blut, das in ihren Adern floss, seit den Glanzzeiten ihrer Gens massiv an Intrigengier verloren. Nur die Neugierde war geblieben. Wenigstens in ihrem Fall.
    Interessiert nickte sie also, als einige Details über seine Auserwählte Preis gegeben wurden. Mit zunehmender Wortanzahl begann sich ihre Stirn in Falten zu legen. Dass man einen Mann wie Aquilius derart im Ungewissen ließ war ihr unverständlich.
    „Um jemanden zu haben, den man im Alter für seine grauen Haare verantwortlich machen kann.“, gab sie augenzwinkernd auf seine Frage zurück, wurde aber umgehend wieder ernst. „Ich muss gestehen, ich kann ihr Verhalten nicht recht nachvollziehen. Aber… vielleicht fürchtet sie die Ehe? Glaubt, sie würde in Ketten gelegt und will ein letztes Mal ihre Freiheit genießen?“
    Nicht mehr als Mutmaßungen und Antonia wusste zu gut, dass sie unwahrscheinlich waren. Frei waren Menschen ihres Standes nie, ganz gleich wohin sie reisten. So hob sie ratlos die Schultern. „Frauen.“, seufzte sie und verdrehte die Augen.

    Sim-Off:

    Sorry, ganz vergessen :(


    „Natürlich.“, erwiderte Antonia auf den Hinweis, dass das Ganze erst noch mit Minervina besprochen werden musste. „Dann freue ich mich, bald mit euch Rom vor uns zittern zu lassen.“
    Ungewohnt neckisch schmunzelte Antonia und legte gleich noch ein Augenzwinkern oben drauf. „Und wenn sie deine Freundin ist zweifle ich nicht daran, dass ich hervorragend mit ihr zurecht kommen werde.“
    Zwar konnte man die Claudia durchaus als „schwierig“ bezeichnen, doch wusste sie unter Gleichrangigen durchaus ihre Launen im Zaum zu halten. Letztlich war doch alles, was man tat nur Fassade. Allerdings war sie nun tatsächlich neugierig auf jene Aurelia. Nun, früher oder später würde diese Wissbegier auch gestillt werden. Mitten in diesen Überlegungen erhob Celerina sich und somit stand auch Antonia wieder von ihrem Sitzplatz auf, nicht ohne letztlich die Arme auszustrecken, um ihren Sohn wieder in Empfang zu nehmen.
    „Jederzeit.“, versprach die Patrizierin und verspürte bereits, trotz des überaus angenehmen Gesprächs, eine diebische Vorfreude darauf, ihren Spross wieder gänzlich für sich selbst zu haben.

    Aquilius’ Schweigen schürte eine kindliche Freude in Antonia. Hatte sie ihn nun etwa? Doch nein, er durchschaute sie, begann zu lachen und so ließ sich auch bei der Claudia nicht länger die ernste Fassade aufrecht erhalten, machte stattdessen einem schelmischen Schmunzeln Platz.
    „Es ist zum Verzweifeln mit dir.“, seufzte sie in gespielter Hoffnungslosigkeit. „Mir scheint es wurde dir in die Wiege gelegt, wie es gemeinhin bei den Flaviern üblich zu sein scheint, besonders talentiert mit Worten umgehen zu können.“
    Erneut schien er sich nicht verkneifen zu können einen Beweis seines Talents hintan zu stellen, ließ wie beiläufig ein weiteres Kompliment in seinen Satz einfließen, was Antonia nur noch mit einem hilflosen Augenverdrehen zu kontern vermochte. Niederlage, mit Pauken und Trompeten. Ihm würde sie niemals jene Art austreiben können. Und vermutlich auch deshalb nicht, weil ein großer Teil von ihr ihn genau so mochte, wie er war. Eine Schnute ziehend hoben sich letztlich die patrizischen Schultern in einer Geste der stillen Resignation.
    Die Schilderung seiner Frauenvorlieben indes war nun wieder ein Thema, bei dem Antonia sich sicherer fühlte, drehte es sich doch, vorerst, nicht mehr um sie selbst. Vielleicht hatte sie aus eben jenem Grund zeitweilen so große Schwierigkeiten mit Gracchus gehabt. Ihm hatte sie stets zugestimmt, brav genickt und immer getan was er wollte. Ob das im Nachhinein ein Fehler war? Kurz legte sie die Stirn in Falten, nur um später wieder eine Grimasse zu schneiden. Egal was sie nun entgegnete, es konnte nur verkehrt sein. Widersprach sie, gestand sie ein leidenschaftslos und langweilig zu sein, stimmte sie zu sagte sie das genaue Gegenteil damit aus. Auf der Unterlippe kauend fixierte sie Aquilius, der mit sichtlicher Freude an seinem Becher nippte.
    „Nun, ich kann natürlich nicht auf deine ungleich größeren Erfahrungen mit leidenschaftlichen Damen zurückgreifen.“ Ein kleiner Seitenhieb, kaum groß genug für eine Revanche, doch mit gütig-tadelnder Miene ausgesprochen, als sei sie die Großmutter und Aquilius ein ungestümer Enkel. „Doch wage ich zu behaupten, dass die größte Furie keineswegs die angenehmste Partnerin diesbezüglich sein wird.“
    Eine wahrhaft politische Antwort. Sie hatte erwidert, ohne sich selbst einzubeziehen, hatte das Riff umschifft und war nicht auf Grund gelaufen. Weder hatte sie zugestimmt, noch widersprochen. Allerdings glaubte Antonia nicht, dass der Flavius es einfach dabei beruhen lassen würde. Um Zeit zu gewinnen ließ auch sie den Rebensaft ihre Kehle hinab rinnen.


    Noch einmal flammte kurz ihr Lächeln auf, als der frischgebackene Onkel sich bereit erklärte, jederzeit hilfreich zur Seite zu stehen. Eingehend nickte Antonia. „Ich hoffe, es wird niemals nötig sein, aber sei versichert, wenn ich Hilfe brauche, werde ich mich an dich wenden.“
    Einen Dank selbst sprach sie nicht aus, erachtete es für unnötig, denn allein ihr Gesicht sprach in diesem Moment Bände. Dies hier war ihre Familie, mehr als es die Claudier je gewesen waren. Und sollte diese Familie sie jemals benötigen, so würde sie keinen Moment zögern zu handeln.
    Aquilius warme Hand auf der ihren spürend senkte sie den Blick, lächelte dankbar, erwiderte jedoch nur schwach den Druck. Den Kopf weiterhin nach unten gerichtet, wo ihre schmale Hand in der seinen lag, lauschte die Patrizierin den Worten des Flaviers. Was währenddessen in ihrem Innern vorging drang lediglich durch den sich verstärkenden Druck der Finger auf Aquilius’ Handrücken an die Außenwelt. Es stimmte wohl, was er sagte. Oft wurde der römische Adel beneidet um die scheinbare Sorglosigkeit in der er lebte. Doch in Wahrheit war ein einfaches Leben, wie der Patrizier es schilderte, wohl weitaus erstrebenswerter, hatte man zwar stets die Sorge um einen zu füllenden Magen, doch blieb einem die Sorge um Stand und Zukunft weitgehend erspart. Erstaunt war sie hingegen darüber, dass nicht nur ihr allein die Villa Flavia oft wie ein Käfig erschien. Ein Goldener zwar, mit allen Annehmlichkeiten die sich ein Mensch nur wünschen konnte, doch nach wie vor ein Käfig. Endlich hob sie den Blick, suchte Aquilius’ Augen. Sie wusste nicht recht, was sie hierauf erwidern, ob sie Trost spenden oder doch lieber schweigen sollte. Am Ende rief ein mitleidiges Wort nur Ablehnung und Zorn hervor. Gedanken schwirrten in ihrem Kopf umher, sagten ihr, er könne sich doch so viele Frauen in sein Bett holen – Sklavinnen oder Bürgerinnen – wie er wollte. Doch sagte eine innere Stimme ihr, dass dies wohl nicht dasselbe war wie still neben jemandem zu liegen, dem man vertraute und der einem Halt bot. Seine Augen wanderten weiter, suchten etwas, das hinter ihr lag und fixierten es. Sie verstand ihn, verstand nur zu gut, besser vielleicht als jeder andere, was in ihm vorging. Und somit wusste sie, egal was sie sagte, es wäre keine allzu große Hilfe, denn das Gefühl der Leere bliebe. Gerade jetzt wo Aristides im Begriff war zu heiraten, wo sie selbst und ihr Gemahl endlich ein Kind bekommen hatten, musste es besonders hart für ihn sein.
    „Ich wünschte-“, durchschnitt ihre Stimme endlich das Schweigen, das sich über die beiden ausgebreitet hatte, „-ich könnte irgendetwas sagen, etwas tun, das es dir leichter macht.“
    Aufmunternd lächelte sie ihn an. „Doch alles was mir bleibt ist dir zu versichern, dass meine Tür dir jederzeit offen steht, solltest du ein offenes Ohr oder ein freundliches Gesicht benötigen.“
    Ein wenig schien sich ihre Rollenverteilung gewandelt zu haben. Früher war er es gewesen, der ihr stets Trost gespendet hatte, der sie aus den Untiefen der Verzweiflung gerissen hatte, in welche sich Antonia selbst stürzte. Und nun saß sie hier und offerierte ihm, was er einst ihr selbst anbot.

    Den Kampf mit Aquilius um die Oberhand in dieser Diskussion schien Antonia zu verlieren. Vermutlich fehlte ihr einfach die Übung im Streitgespräch, denn ihre Sklaven hatten gelernt nicht zu widersprechen und mit allen anderen fand sich bisweilen kein Grund für eine solche Konversation. Der Funke einer Idee glomm auf, fiel auf ausgetrocknetes Blattwerk und entwickelte sich zu einem lodernden Feuer. Der Schein zog sich förmlich bis zu ihren Augen.
    „Nun, vielleicht lege ich es ja darauf an. Ich widerspreche dir, um mehr und mehr Komplimente zu hören, was hältst du von dieser Erklärung? Wäre dies nicht viel wahrscheinlicher? Welche Frau widerspricht dir schließlich, wenn du sie mit derlei Worten bedenkst? Ich wäre ja verrückt, würde ich nicht weitere begehren.“
    Offenbar war sie zwar nicht verrückt – je nachdem welche Maßstäbe man anlegte – doch zwiegespalten in jedem Fall. Natürlich gefielen ihr die Aussagen, die Feststellungen die er zu treffen schien, doch lösten sie vielmehr den Wunsch aus tatsächlich so zu sein. Mit jedem Satz, mit welchem er sie in den Himmel lobte wurde das Bedürfnis stärker. Die ideale Ehefrau. Damit hatte er genau getroffen, was sie begehrte zu sein. Wie Cornelia, wie die Mutter der Gracchen wollte sie sein, nicht wie Livia, jene herrschsüchtige Gattin des Augustus. Abbild der perfekten Matrone. Nun, zumindest die Mutter eines Gracchus war sie mittlerweile geworden, was man wohl also durchaus als amüsanten Zufall, oder aber als bedeutenden Wink des Schicksals verstehen konnte. Diese erste Parallele war demnach gezogen.
    „Doch ich glaube es würde dir gar nicht gefallen, würde ich eines Tages nicht mehr widersprechen, gib es zu. Es macht dir Spaß, mich zu ärgern.“ Amüsiert schmunzelte die Claudia, wenigstens sie selbst fand mitunter einen gewissen Reiz daran sich wie in einem Spiel gegenseitig weiter zu fordern. Natürlich wurde jenes Vergnügen nur zu oft von der Scham überlagert, die, in ihren Augen fehlplazierte, Schmeicheleien auslösten.


    Ruhig lauschte sie den Worten des Flaviers über seine Familie, bedachte ihn mit einem friedlichen Lächeln. Nein, pflegeleicht konnte man die Gens wahrlich nicht nennen, einfach in keinem Fall und doch konnte sie seine Befürchtungen nicht teilen. Die Vorstellung, jenem kleinen Wesen könne jemals ein Leid geschehen löste den unbändigen Drang aus, genau dies zu verhindern. Was unweigerlich die Erkenntnis nach sich zog, ein solcher Fall könne niemals eintreten. Nicht solange sie lebte.
    „Ich weiß, Aquilius, ich weiß.“, seufzte sie. „Doch sei versichert, ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um jedwede Gefahr und allen Schaden von Manius fernzuhalten, woher er auch kommen möge.“
    Wohlweißlich hatte sie eine Eingrenzung des Namens Manius außen vor gelassen. Es galt für beide Maniusse (…^^) in ihrem Leben, einem jeden gäbe sie alles, was sie geben konnte und somit schien allein der eiserne Wille der Patrizierin rund um die Uhr damit beschäftigt alles Übel in näherer Umgebung auszumerzen. Ob dies gleichsam ein fröhliches Leben bewirken würde ließ sich derzeit jedoch kaum absichern. An ihr eigenes, keineswegs besonders fröhliches Leben in der Villa Flavia erinnert, wie es noch vor wenigen Monaten gewesen war, befiel ein trüber Schleier ihr Gesicht. Sie erinnerte sich nicht gern daran, suchte möglichst zu verdrängen, was einst gewesen war.
    „Vielleicht musste es so sein.“, erwiderte sie teilnahmslos. „Denn ich hätte niemals so sehr zu schätzen gewusst was ich nun habe, hätte ich es von Anfang an gehabt.“

    Gänzlich andere Gefühle bezüglich Iuno hegte Antonia. Stets war ihr die Göttin ein Licht in der Dunkelheit, ein Leuchtfeuer der Hoffnung gewesen. So erahnte sie nicht im Entferntesten, was im Kopfe ihres Gatten umherging. Doch war dies ja wahrlich nichts Neues, wusste sie schließlich nicht einmal um den Umstand, welche Empfindungen der Wertlosigkeit sie selbst bisweilen in ihm ausgelöst hatte. So schritt sie mit stoischer Ruhe, sogar mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht nach draußen, wo der größere Teil der Opferung stattfinden würde. Für einen Moment war ihr Blick gefangen vom Glitzern des Kuhfells. Silberfäden im Haar.. vielleicht sollte man sich dies für die nächste Feierlichkeit merken.
    Wassertropfen auf ihrer Haut ließen sie kurz überrascht zusammenzucken, wurde sich dann jedoch wieder des Orts und der Zeit gewahr. Ein lauer Wind kam auf, ließ einige leichte Strähnen ihres Dunklen Haares sich tänzelnd in der Luft bewegen – bereits ein Zeichen der Göttin? Gewiss, was sonst könnte es sein. Die Claudia räusperte sich vernehmlich, erfrischte die Lungen einmal mehr mit einem tiefen Atemzug und begann zu sprechen, wenngleich sie sich sicher war, ihr Gatte, wäre er im Vollbesitz der Herrschaft über seine Zunge, hätte weitaus bessere Worte gefunden.


    „Iuno Lucina, du Mutter der Mütter, strahlende Herrscherin über Ehe und Familie, Dir allein gilt unser Dank. Mater Iuno, Dir zu Ehren opfern wir diese Kuh, Dir zu danken geben wir Dir ihr Leben. Große Iuno, vernimm unsere Gebete, sieh unser Opfer, auf dass es Dich zufrieden stellen möge. Lass es Dir Zeichen dafür sein, mit welchem Dank wir Dir von nun an auf alle Zeit begegnen werden, für das, was Du uns, in all deiner Güte, schenktest. Iuno Lucina, Gütigste der Göttinnen, verehrungswürdige Himmelskönigin, um nicht mehr wollen wir Dich heute Bitten, als unsere Danksagung in Form jenes Tieres entgegen zu nehmen, für den Sohn, den Du uns gewährtest.“


    Ihre Stimme verklang langsam doch noch rührte sich Antonia nicht, widmete der glänzenden Kuh einen letzten Moment der Aufmerksamkeit, ehe diese ihrem Schicksal zugeführt werden würde. Der Blick wanderte zu Gracchus, signalisierte diesem mit einem Nicken, dass sie zu Ende gesprochen hatte und das Opfer somit seinen Lauf nehmen konnte.

    Ein wenig war es Antonia, als sei sie zurückversetzt in ihre Kindheit, säße einem gestrengen Lehrer gegenüber, der sie auf einen Fehler in einer griechischen Übersetzung hinwies und tadelte. Nun rügte Aquilius sie zwar nicht, doch die Situation war der Claudia nicht minder unangenehm und wäre sie nicht jemand, der seinen Körper nur selten aus der Kontrolle des Geistes entließ, sie hätte begonnen unruhig auf ihrem Sitzplatz umherzurutschen. Einzige Regung war, dass ihre Hand den schmalen Rand des Bechers umfuhr, den sie in der anderen hielt. Sei es, um nicht an der Tunika zu zupfen, sei es, um einen Grund zu haben, dem Flavier nicht ins Angesicht sehen zu müssen.
    Nur in einem Punkt konnte sie Aquilius unumwunden zustimmen: Sie hatte nicht das Bedürfnis, sich den ganzen Tag im Spiegel anzusehen. Im Gegenteil, bereits wenige Minuten, die sie mit ihrem stummen Ebenbild verbrachte waren ihr zu viel, schürten den Wunsch, eine andere zu sein. Wenn sie einen Fehler nicht hatte, so war es Eitelkeit. Auch noch auf angebliche Klugheit angesprochen riss sie endlich den Blick los, mehr aus Überraschung denn als wirklich bewusste Handlung vollzogen, was die braunen Augen wieder zum ‚Gastgeber’ brachte. Halb hatte sie schon einen Widerspruch auf den Lippen, ließ ihn jedoch, in Anbetracht eines vermutlich aussichtslosen Kampfes um ihre (nicht-) Vorzüge mit Aquilius, unausgesprochen. Lediglich ein fast schon verzweifelter Gesichtsausdruck verriet, dass sie so gar nicht seiner Meinung war.
    „Es scheint dir großen Spaß zu bereiten, mich in Verlegenheit zu bringen.“, seufzte sie schicksalsergeben. „Aber eines Tages werde ich mich dafür rächen, eine Claudia vergisst so etwas nie.“
    Jener Versuch, das Gespräch wieder in den humorigen Bereich zu lenken, wurde von einem Zwinkern begleitet, das der Drohung, die ohnehin keine war, den Ernst nehmen sollte.


    Seine Beschreibung der Ehe indes deckte sich in weiten Teilen mit ihren Vorstellungen davon, hatte sie sich doch, noch als unverheiratete junge Frau, gleichermaßen niemals der Illusion hingegeben, ihre Ehe würde jemals werden, wie von den Dichtern und in Theaterstücken so gerne dargestellt. So blieb ihr kaum mehr als ein zustimmendes Nicken, bis letztlich eine Frage folgte, die sie vor noch einem Jahr zu einer Lüge gezwungen hätte. Nicht gegenüber Aquilius vielleicht, hatte er doch stets um das gespannte Verhältnis zwischen Antonia und Gracchus gewusst. Doch jedem anderen hätte sie die liebende Ehefrau und freudestrahlende Matrone vorgespielt. Heute war dies nicht mehr nötig. Wie von selbst verzog sich ihr Mund zu einem leichten Lächeln, während sich ihr Kopf zugleich in eine leichte Schräglage begab.
    „Ich bin zufrieden, ja.“, antwortete sie. „Es mag sonderbar klingen, aber ich glaube, nie in meinem Leben war ich so glücklich wie in den letzten Tagen. Dieses Kind hat mich gerettet, in jedweder Hinsicht.“
    Wie sonst hätte sie die Achtung ihres Gatten gewinnen, wie sonst ihrem Leben einen Sinn geben können? Mit nichts und niemals, dessen war sich Antonia sicher.
    „Gewiss, zufrieden mit der Verbindung an sich war ich auch vorher. Manius ist wahrlich keine schlechte Partie gewesen, reduziert man unsere Ehe lediglich auf den politischen Aspekt. Wie du weißt ist meine Familie zwar eine der ältesten, zugleich aber auch eine der unbedeutendsten patrizischen Gentes geworden. Ein Flavier war mehr, als ich damals erhoffen konnte.“

    Vor Antonias innerem Auge erschien eine überlebensgroße Matrone, so breit wie hoch, mit einem hölzernen Küchengerät in der Hand - ein Nudelholz war es wohl – das sie drohend schwang, das Gesicht eine verzogene Fratze, die Haare streng nach hinten gekämmt. Davor ein wesentlich kleinerer Aquilius, der sich mit eingezogenem Kopf duckte. So eine Ehefrau wäre sicher im Stande, ihn von dergleichen abzuhalten, wenngleich es wohl mehr als unwahrscheinlich war, dass der Flavius sich eine derartige Furie aussuchte. Nichtsdestotrotz begann die Claudia breit zu grinsen, nur um letztlich wieder seinem Blick auszuweichen, der ihr gar zu unangenehm auf der Haut lag. Auf jener Haut, die ihr momentan viel zu ausgebeult schien, obwohl sie seit der Geburt wieder etwas abgenommen hatte. Letztlich war ihre Zunahme auch mehr mit der Erreichung des Normalgewichts gleichzusetzen. Sie war absolut unzufrieden damit. Eine Claudia war nicht normal. In keiner Hinsicht.
    „Du schmeichelst mir viel zu sehr, Aquilius.“, erwiderte sie nach einer Weile. „Wenn du dir nicht selbst Einhalt gebietest werde ich am Ende deinen Worten noch Glauben schenken und die selbstgefälligste Patrizierin werden, die Rom je gesehen hat.“
    Das wäre nun nicht allzu einfach, wenn man die Lebenden und Toten einbezog. Dass sie in diesen Tagen jedoch tatsächlich mehr strahlte als zuvor, dies bezweifelte sie nicht. War es doch auch nicht sonderlich problematisch fröhlicher zu sein als früher. Trübsinniger, dies wäre eine wirkliche Herausforderung. Eine Herausforderung, die sie derzeit nicht gedachte anzunehmen.
    „Ist der Gedanke an eine Ehe dir denn unangenehm?“, schob sie endlich den Fokus fort von sich selbst und wieder hin zu Aquilius.
    Aus den Augenwinkeln betrachtete sie den Verwandten ihres Gemahls. Sicher, eine Ehe würde ihn zumindest zwingen, eventuelle Eskapaden und Affären einzuschränken oder geheim zu halten, auch wenn sie ohnehin in letzter Zeit nichts dergleichen über ihn gehört hatte. Ein Magistrat Roms hatte hierfür vermutlich einfach keine Zeit. Ein Jammer für die Frauenwelt. Schmunzelnd schubbste sie den Gedanken fort und wartete auf Aquilius’ Antwort.