Beiträge von Sciurus

    Praefectus Praetorio Gaius Caecilius Crassus, Roma


    Manius Flavius Gracchus Gaio Caecilio Crasso s.d.


    Kein weiteres Wort werde ich verlieren ob deiner Impertinenz, dennoch solltest du deine Gier im Zaume halten und nicht auf solch insolente Art und Weise mehr verlangen, als dir zusteht und gegeben wird. Solltest du indes nach mehr Tand lechzen, so kann ich dir nur empfehlen, dem unverfroren Banditenpack in Hispania nachzujagen, der erste der imperialen Garde sollte solch einer dilettantischen Provinzrotte immerhin gewachsen sein.


    M.F.G.

    Ein Sklave aus der flavischen Villa pochte an der Pforte des caecilischen Hauses. Nicht nur, dass er ein Schreiben für den Hausherrn überbrachte, sondern gleichsam ein kleines Kästchen, welches nicht den Anschein erweckte, doch gefüllt war mit Münzen.


    Praefectus Praetorio Gaius Caecilius Crassus, Roma


    Manius Flavius Gracchus Gaio Caecilio Crasso s.d.


    Unerklärlich scheint das Versäumnis der vereinbarten Auszahlung, doch sei assekuriert, dass dies nicht in vorsätzlicher Absicht geschah und es dauert mich sehr, dass dir bereits selbst ob des marginalen Betrages ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Hätten wir geahnt, wie sehr das tägliche Wohl der Caecilia von jenen Sesterzen dependiert, längstens hatten wir nach den Geschehnissen in Hispania bereits eine Dotierung getätigt, noch ohne einen genauen Betrag zu wissen. So nun mögen dir nicht nur die Zinsen des ausstehenden Betrages seit unserem Gespräch zukommen, denn ebenso ein kleiner erklecklich Obulus zur Wirtschaftlichkeit des Imperium Romanum, fühlen wir uns als patrizischer Stand doch noch immer dem Volke gegenüber in solcherlei Hinsicht verpflichtet.


    Indes scheint es wie ein Wink der Götter, dass die Zustimmung zu einer Eheschließung mit einer Flavia dir bisherig verwehrt blieb, denn wenn bereits diese Summe Einfluss auf deine Wirtschaftlichkeit findet, so wärst du kaum je in der Lage, eine Gattin von patrizischer Herkunft ausreichend, geschweige denn zu ihrer Zufriedenheit zu versorgen. Ich möchte dir darum dringend anraten, bei künftiger Brautwerbung die gesamte Flavia zu meiden, nicht einzig nur meine Familie, denn ich kann ebenfalls kaum zulassen, dass eine meiner Anverwandten in solch ärmliche Verhältnisse ihren Abstieg nimmt.


    M.F.G.



    Ein Possenspiel, eine Tragödie in bester Manier, womöglich sollte man dem Herrn Aquilius empfehlen, den Sklaven nicht für die Löwung zu verwenden, doch viel eher für eine szenische Darbietung. Es bedurfte keiner Worte mehr, darum ließ Sciurus Rutger Severus ziehen und trat hernach selbst an der gaffenden Meute vorbei.
    "Was wärt ihr ohne sie?", waren einzig seine Worte, bevor er den Raum verließ und jene, welche bereits die Freilassung eines Sklaven hatten miterlebt, würden wissen, dass diese nur allzu schnell im Dreck der Stadt versanken, so sie sich den Flavia als Klientel entzogen.

    Jene Vorwürfe und Vorhaltungen, die der Sklave Sciurus vor die Füße warf, tangierten ihn nicht im Mindesten. Sehr wohl wusste er, was Freiheit war, mehr noch, er war weit freier als sein Herr, in seinen Gedanken wie zumeist auch in seinen Taten. Doch für das Kämpfen, woran er glaubte, dies konnte er sich dennoch sparen, denn Sciurus glaubte ohnehin an nichts.
    "Ich habe es nicht nötig, irgend wen zu terrorisieren, Sklave. Doch wenn es dir Freude bereitet, dann gib mir auch daran die Schuld, dass ihr Angst vor der Wahrheit habt. Vielleicht möchtest du mich auch dafür verantwortlich machen, dass du überhaupt existierst? Nur zu, ich werde dies gern für dich übernehmen, vielleicht fängst du dann an, zu erkennen, dass du kein Mensch bist, und vor allem, dass nichts dich adelt. Du bist ein Sklave und ein schlechter noch dazu. Du hast hier keine Rechte, solange du sie dir nicht verdienst, du hast nicht einmal Anrecht auf einen Namen. Rutger, Severus, Sklave, nichtsnutziges Ding - es ist einerlei. Du existierst einzig und allein aus Großmut deines Herrn, um den Flavia zu Diensten zu sein, und dies kann das einzige sein, was dich adelt. Entweder du begreifst das oder du wirst zermalmt werden wie das Gewürm, welches du so gern in den Mund nimmst."


    Nichts an Sciurus' Haltung wies auf einen Sklaven, hoch erhobenen Hauptes stand er dem wütenden Germanen gegenüber, sich seiner Selbst und seiner Position bewusst. Nachdem mit der Abreise des Senators Felix nach dem vorherigen Vilicus Sica nun auch die alte Hexe Turda die Villa endgültig verlassen und zudem Sciurus' Herr interimsweise bis zur Rückkehr des Aristides den Status des Hausherrn inne hatte, so war der Posten des Vilicus an Sciurus geganen. Alles, was im Haushalt darum vor sich ging, war nun auch seine Angelegenheit, gleich in wessen Besitz die beteiligten Sklaven standen.
    "Es ist mir gleich, was du mit der kleinen Bridhe anstellst, solange du sie nicht von ihrer Arbeit abhältst und sie nicht beschädigst. Du kannst dich meinetwegen an ihr abreagieren bis ihr die Luft ausgeht, solange sie ansonsten weiter ihre Aufgaben verrichtet und du ebenso. Doch denke an meine Worte, Servus Severus, diejenigen, die glauben nicht hier her zu gehören, die sich für besser halten als der Rest, die gehören hier auch nicht her. Doch nach dem hier", er umfasste den Raum, die Villa, das gesamte Dasein mit einer flüchtigen Handbewegung, "gibt es nichts mehr als die Löwen. Wer hier versagt, der kommt nicht einmal mehr in die Minen, denn Versager erfüllen nur noch einen Zweck und dieser ist das Amüsement."

    Haltlos stolperte Sciurus zurück, fing sich gerade im rechten Moment, um nicht rücklings zu Fallen. Wäre Rutger kein Sklave, längstens hätte er die scharfe Sehne des Drahtes verspürt, welcher verborgen in Sciurus' Gürtel eingeschlagen nach dem nächsten Halse gierte. Doch in der Villa galten andere Gesetze als auf der Straße, andere Gesetze als im Untergrund der Stadt. Severus würde dies noch lernen oder er würde sterben.


    Von einem Auflachen begleitet ließ Sciurus ein Schnauben vernehmen. "Ich bin für niemandes Schicksal verantwortlich, deficiente, ihr bringt euch ganz allein dorthin, wo ihr landet. Frage dich, durch wessen Schuld Rutger Thidrikson das Stück Dreck geworden ist, welches du bist. Sein Körper war schon am Kreuz festgenagelt, noch bevor ich überhaupt dein Leben tangierte. Ich bin nicht der Fuß, der den Stein ins Rollen tritt, ich bin nur ein Sandkorn, welches seinen Kurs ein wenig ändert, so dass er schneller an seinem Ziel landet. Euer Fehler ist, dass ihr Angst habt, zu sterben. Dass ihr an einem Leben hängt, welches euch nicht zusteht, dass ihr einem Schimmer nachjagt, welcher eure Augen trübt."


    Obgleich er von Abscheu überkommen war über die unsägliche Kreatur vor ihm, welche das Leben aus Bitterkeit, Pech, Hass und Schwäche geformt hatte, sprach er seine Worte wieder bedacht ruhig. Er wusste nicht, weshalb die Herren sich noch immer mit solchen Missgeburten umgaben, wo längst die eigene Zucht in der Lage war, viel besseres zu produzieren, weshalb sie versuchten den Barbaren ohne Verstand und Zivilisation die Kultur einzubleuen, welche sie ohnehin nie verstehen würden, anstatt sie in die Minen und auf Galeeren zu schicken.
    "Gib sie mir, die Schuld, dreh mir den Hals um und schlachte mein Gedärm aus, wenn du keine Angst vor dem Tod hast, wenn du all die kleinen Mädchen, denen du nachsteigst, mit dir in den Tod reißen willst. Immerhin hast du damit schon angefangen und nach der ersten Patrizierin ist eine Sklavin sicher leichtes Spiel für dich."

    Nur für den Bruchteil einer Sekunde war ein Aufflackern in Sicurus' Augen zu erkennen, schließlich jedoch ließ er sich wiederum unbeeindruckt an die Wand pressen.
    "Du solltest vorsichtiger sein mit dem, was du in deine schmutzigen Finger nimmst. Mein Leben ist mehr wert als der halbe Haushalt zusammen und sollte mein Herr auch nur ein einziges meiner Haare gekrümmt vorfinden, so kannst du dir sicher sein, dass er lange nicht die Milde walten lassen wird, welche dein Herr dir entgegen brachte."
    Er senkte seine Stimme ein wenig.
    "Du solltest dich darüber informieren, was man sich hier im Hause über ihn erzählt. Wie er den gesamten Haushalt der flavischen Landvilla auf Kreta hinrichten ließ wegen des Versagens eines einzelnen. Wie er letztlich jenem Sklaven selbst das Messer in den Rücken stach, nachdem er ihn tagelang ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Stroh oder Decken in einem kargen Loch hatte darben lassen. Gehören tat ihm von allen nur dieser einzige Sklave, es war sein Leibsklave und er trug den Namen Sciurus. Sterben mussten ob dessen alle anderen mit."
    Natürlich war die Geschichte völlig verzerrt in dieser Weise, bis auf den alten Sciurus und eine Magd war von all jenen Sklaven kein einziger umgekommen, schon gar nicht aus Gracchus' Absicht heraus, welcher sich noch immer für all dessen verantwortlich sah und darob nicht selten in Selbstzweifel bangte. Doch derjenige, welcher den Namen Sciurus dieser Tage trug, hatte dafür Sorge getragen, dass sein Herr unter den Sklaven Respekt genoss, dass sie ihn durchaus für so gutmütig halten konnten wie er sich gab, wie er tatsächlich war, doch im Nacken immer ein Hauch von Furcht schwang ob der Unberechenbarkeit, welche ohnehin jedem Flavier zu eigen war.


    Mit einem schabenden Geräusch wurden die Bänke unter den jungen Sklaven im Raum zurück geschoben und die beiden standen auf, starrten Rutger Severus unsicher in den Nacken. Auch Astraia war ob des kleinen Tumultes in die Tür zur Küche getreten, starrte den germanischen Sklaven an. Keiner von ihnen konnte Sciurus leiden, doch beinahe alle Sklaven dieses Haushaltes waren verbunden durch ihre Furcht vor den Herren. Zu gut erinnerten sich alle an die Eskapaden des Herrn Felix, welcher sich kaum je geschert hatte, wem ein Sklave gehörte, welchen er sich zum Zeitvertreib hatte ausgesucht. Zu gut erinnerte man sich an die toten Leiber derjenigen Sklaven, welche zwischen dem jungen Herrn Serenus und seinem Vater Aristides hatten gestanden und darob von vorneherein zum Tode verurteilt gewesen waren, ohne dass sie diesem Schicksal hatten entrinnen können. Mochten die Flavia vordergründig auch gütig wirken, hinter ihren Masken hatte ein jeder von ihnen das Erbe des Domitianus verborgen und es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Sklave es zu spüren bekam.
    "Severus", sprach Astraia zögernd. "Lass ihn los."
    Sciurus hob seine Hände und umfasste die Handgelenke des Germanen. Mit seinen Daumen drückte er fest auf eine Stelle unterhalb jenes Punkt an der Handwurzel, an welchem die bläulichen Adern die Hand verließen. Ein subliminales Lächeln legte sich auf seine Lippen.
    "Ja, Rutger, lass mich los, siehst du nicht, wie sie schon zittert? Wie die kleine Bridha. Nicht ich werde sie vor die Löwen bringen, aber vielleicht wird sie dort landen durch deine Wut oder ihre Faulheit."

    Seine Schritten führten Sciurus selten in den Bereich, welcher den Sklaven des Hauses vorbehalten war, denn Sciurus war längst kein Sklave mehr. Er war der Schatten eines freien Mannes, war lebenswichtige Agenda, Tagesbeginn und Tagesende, Nacht ohnehin, gleich wie auch Tag, und manches mal gar der Puppenspieler, welcher die Fäden des Schattenwerfers in Händen hielt. Trotz allem blieb er ein Sklave, war immer ein Sklave gewesen und würde immer ein Sklave sein, wollte gleichsam nichts anderes, denn Wollen stand ohnehin einem Sklaven nicht zu. Mancher Tage jedoch führte sein Weg nicht an dem schäbigen Gesinde der Villa vorbei, so auch an diesem Tage nicht.


    Der Germane, welcher sich ihm in den Weg stellte, war Sciurus ein besonderer Dorn im Auge. Er hatte seinen Herrn verraten, mehr noch, hatte eine Flavia aus dem Haus entführt und hatte letztlich sich gar vor dem Kreuz erniedrigt und um sein widerwärtig, nutzloses Leben in solcher Art gebettelt, dass der Herr Aquilius ihm tatsächlich Gnade hatte gewährt. Es gab wenig geringeres Getier, welches Sciurus mehr anwiderte als Rutger Severus, nicht einmal in den schäbigen, stinkenden Löchern der Ratten unter der Stadt. Seine drohende Gebärde indes beeindruckte den Sklaven kaum, wie seine gänzliche Erscheinung, denn tumbe Stärke war noch nie ein Vorteil gewesen.
    "Ganz recht," erwiderte er ihm in ruhiger Art, ohne einen Gesichtsmuskel zu verziehen. "Die Latrine ist zu klären. Es ist gut, dass du dich freiwillig zu dieser Arbeit bereit erklärst, dein Herr wird sehr stolz auf dich sein." Sciurus hatte nicht vor, länger seine Zeit an Rutger Severus zu verschwenden und schickte sich an, seitlich an ihm vorbei zu treten.


    Gähnend schob Acanthus den Riegel von der Türe. Wenn es nach ihm ginge, dann sollte Patriziern auch am Tage das Durchqueren der Stadt mit Karren erlaubt sein, denn dann müssten sich ihre pompösen Ankünfte und Abreisen nicht immer auf die Stunden der Abend- oder Morgendämmerung begrenzen.


    "Schrei nicht so", wies er den klopfenden Sklaven an, nachdem das Tor geöffnet worden war und sich Acanthus mit einem Blick auf den Tross vergewissert hatte, dass es auf jeden Fall eine flavische Ankunft war und kein übler Versuch, in die Villa einzudringen. Doch wer so einen Haufen Gerümpel mit sich führte, der hatte es nicht nötig irgendwo einzubrechen, der konnte nur ein wahrhafter Patrizier sein.


    "Dein Herr sollte ebenfalls nicht zu laut sein. Der Senator Felix ist dieser Tage sehr empfindlich, vor allem zu solcher Tageszeit. Erst gestern ist eine Sklavin nur knapp den Löwen entkommen. Und wegen der Sache bei der Verlobung herrscht noch immer dicke Luft, wir haben strikte Anweisungen, was den jungen Herrn betrifft." Er verdreht die Augen. "Der Senator ist sowieso nicht zu sprechen. Für niemanden, schon gar nicht für Personen unter einem passus. Und die Domina Agrippina solltest du besser nicht zu laut erwähnen." Acanthus war schon lange Ianitor der Villa Flavia und manchmal hatte er wahrlich das Gefühl, in einem Irrenhaus gelandet zu sein, vor allem seit es die Villa Flavia Felix war. Er war ganz froh, dass er sich nicht um die Ankunft würde kümmern müssen, schließlich war er der Ianitor und manchmal hatte es einfach Vorteile, an der Türe festgekettet zu sein - obgleich natürlich die Kette derart locker saß, dass er jederzeit seinen Fuß daraus nehmen konnte, doch Traditionsbewusstsein wurde in diesem Hause nun einmal groß geschrieben.

    Scriba des ehrenwerten Rex Sacrorum hörte sich natürlich unglaublich wichtig an, zumindest der Teil des Rex Sacrorum, jener des Scriba vielleicht nicht allzu sehr. Es war lange her, dass eine Flavier zum Rex Sacrorum zitiert worden war, um seinen unsteten Lebenswandel zu rügen, und gerade bei Flavius Gracchus konnte sich Acanthus dies nur schwerlich vorstellen, denn selbst wenn der Herr tatsächlich des Nachts all die Dinge hinter geschlossener Türe mit seinem Leibsklaven, dem widerwärtigen und speichelleckenden Sklaven Sciurus tat, von welchen man in der Sklavenkammer hinter vorgehaltener Hand munkelte, so beschränkte er sich doch auf Räume hinter gut geschlossenen Türen, weshalb dem kaum konnte halböffentlich eine Rüge entgegen gestellt werden.


    Doch Acanthus ging dies natürlich alles nichts an, obwohl er den Sklavenjungen später im Detail würde ausfragen, welchen er nun heranwinkte.
    "Folge dem Jungen, er wird dich zu Flavius Gracchus bringen."
    Es war überflüssig, nachzusehen, ob der Herr bereit war, irgendwen zu empfangen, denn er war es dieser Tage ohnehin beinahe immer, zudem sandte man einen Scriba, welcher vom Rex Sacrorum beauftragt war, nicht unverrichteter Dinge zurück.

    Zitat

    Original von Marcus Valerius Mercurinus
    Valerius Mercurinus, der Scriba des Rex Sacrorum, erschien vor der Porta der Villa Flavia Felix. In der Tasche hatte er einen wichtigen Brief, auf dem Gesicht ein freundliches Lächeln, als er klopfte.


    *KLOPF KLOPF*



    Acanthus, Ianitor der Villa Flavia, war soeben in einem herzhaften Gähnen inbegriffen, als es an der Porta klopfte. Er unterdrückte ob dessen einen geringen Fluch, denn obgleich es nicht übermäßig oft an der Porta klopfte, so ärgerte es ihn doch ein jedes mal, wenn dies zu solch unmöglichen Zeitpunkten geschah, wenn er im Gähnen inbegriffen war, sich an ungenannter Stelle kratzte oder gerade Austreten wollte. Doch da ihm nicht viel anderes übrig blieb, schluckte er das Gähnen hinunter und öffnete die Pforte.


    "Salve." Viel zu freundlich blickte der Mann auf der anderen Seite der Tür, ganz so, als würde er jeden Moment damit beginnen, ein wunderbares Produkt anzupreisen, auf welches die Einwohne dieser Villa nur hatten gewartet, welches sie ungemein glücklich würde machen und welches an diesem Tage zu ihrem Glück zudem zu einem unglaublich günstigen Sonderpreis zu erhalten war.

    Zitat

    Original von Claudia Epicharis
    "Ich... Ist... Ich möchte....bitte, ich möchte einfach nur einen Flavier sprechen...irgendwen, es ist ganz unerheblich, wer es ist",
    ...
    "Bitte, es ist sehr dringend", setzte sie nach und zerknitterte erneut die Acta.


    Aufgelöst war mit Sicherheit das passende Wort, um den Zustand der Claudia zu beschreiben, und hätte sich ihr Körper vor Acanthus eben verflüchtigt, so hätte ihn dies nicht weiter verwundert. Irgendwen, dies war dieser Tage nicht gerade viel Auswahl. Der Herr Felix war wie üblich mit abstrusen Abstrusitäten beschäftigt, von denen weder im Hause irgendwer wusste, was es war, noch dies wissen wollte, der Herr Furianus weilte in Erfüllung seiner Pflicht im fernen Hispania, Aquilius tat zu dieser Tageszeit seinen Dienst im Tempel, Lucullus lag noch immer krank darnieder, so dass nur Gracchus blieb, welcher ob seiner Tatenlosigkeit bereits seit Tagen - womöglich waren es nun gar schon Wochen - die Villa und den Sklavenhaushalt mit seiner dauerhaften Anwesenheit beehrte. An Antonia indes dachte der Ianitor nicht, immerhin war sie eine Claudia, keine Flavia.


    Er schnippte mit den Fingern und holte so ein junges Sklavenmädchen heran, welches die Claudia würde geleiten. "Bitte tritt ein, das Mädchen wird dich ins Atrium geleiten." Gleichsam sandte der Iantior einen Jungen aus, um den Herrn zu benachrichtigen.

    Das junge Sklavenmädchen führte die Claudia stillschweigend ins prächtige Atrium der Villa Flavia und musterte sie dabei verstohlen von der Seite. Dido, Leibsklavin des jungen Herrn Serenus, hatte bereits oft über die gewaltige Nase gesprochen, welche jeder Claudia zu eigen sein sollte, doch außer an der Herrin Antonia, deren Nase gar nicht einmal so groß schien, hatte die junge Sklavin diese These bisherig noch nicht verifizieren können. Die Nase der Epicharis nun befand das Mädchen auch nicht für übermäßig imposant, sie würde dies noch einmal im Detail mit Dido erörtern müssen.


    Mit einem mädchenhaften Lächeln bot die Sklavin der Patrizierin einen Platz auf einem Korbstuhl, welcher in einer kleinen Gruppe mit weiteren Sitzgelegenheiten dieser Art nahe des Impluvium aufgestellt war, goss ihr sodann ein Glas frisches Wasser ein und reichte es ihr, um die Wartezeit zu verkürzen.


    Es war wie üblich der große Acanthus, welcher die Tür nur einen Spalt aufschob und hinaus ins Freie lugte, doch als er die Claudia erkannte, zog er die Pforte sogleich weit auf. "Werte Dame Claudia, wem darf ich deine Ankunft melden lassen?"


    Es erfreute den Ianitor immer ein wenig, wenn erwartete Gäste oder bekannte Gesichter Eintritt in die Villa verlangten, denn so brachte dies denn auch auf sein Gesicht ein freudiges Lächeln, welches ihm andernfalls von Berufs wegen verwehrt blieb. Nur beiläufig schielte er in den leeren Raum hinter der Patrizierin und wunderte sich ob der augenscheinlichen Abwesenheit eines kleinen Sklavengefolges. Womöglich war gar der Dame Mitten in Rom ein Leid geschehen, dass sie so allein vor der Villa auftauchte, womöglich suchte sie Zuflucht, ein wenig aufgewühlt schein auch ihr Gesichtsausdruck. Instinktiv griff der Ianitor nach dem Knüppel, welcher neben der Türe hing, bereit, die Verlobte des Herrn Aristides vor jeglichem Banditentum zu schützen, welches es am hellen Tage wagte, sich an einer Claudia zu vergreifen.

    Ein unscheinbares Zucken der Augenbrauen war Sciurus einzige Reaktion auf den plötzlich aggressiven Tonfall der Sklavin. "Hoffnung ist die personifizierte Schönheit, die Welt liegt ihr zu Füßen, vergöttert sie. Doch inmitten der Dunkelheit liegt die Hoffnung verloren und zerrissen, und wenn es keine Hoffnung mehr gibt ist aller Ruhm so flüchtig wie die Liebe. Schmerz und Ruhm, Hand in Hand, ein Opfer zum höchsten Preis. Inmitten dieser Dunkelheit liegt die Hoffnung tot auf dem Boden, und wenn es keine Hoffnung mehr gibt, ist auch alle Liebe so flüchtig wie der Ruhm. Wie ein Flüstern entschwebt sie, wie ein Geist, der aus dem Leben geht."


    Langsam beugte Sciurus sich zu der Sklavin herunter, bis seine Lippen nah an ihrem Ohr angelangt waren, so dass seine Worte in einem Flüstern genügten. "Liebe deinen Herrn, Bridhe, glaube an ihn und hoffe. Doch an mich und meine Worte wirst du denken, wenn die goldfarbene Schönheit dir gegenüber steht."


    Er erhob sich, wandte sich ab. "Und nun scher dich zurück ins Haus, oder ich werde dafür Sorge tragen, dass deine Hoffnung noch vor dem nächsten Morgengrauen entschwebt." Ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen, verließ Sciurus den Hortus und ging dem nach, weswegen er ursprünglich diese Richtung hatte eingeschlagen.


    Es war wie üblich der große Ianitor der Villa Flavia, Acanthus, welcher die Türe öffnete und hinter dem Sklaven eine halbe Kohorte vor der Villa anrücken sah. Natürlich war er vom Besuch des Praefectus Praetorio unterrichtet worden, doch er hatte nicht angenommen, dass dieser es ihm so leicht machen würde, ihn zu erkennen. Die Rüstung jedoch war unverkennbar und auch der kleine Tross ließ kaum etwas anderes vermuten. Natürlich wusste Acanthus, dass man unter der Sklavenschaft munkelte, der Herr Aristides hätte den Praefectus auf die Liste seiner Todfeinde gesetzt, da er seine Finger an die Tochter des Aristides gelegt hatte, doch es verwunderte den Ianitor doch ein wenig, dass der Praefectus davon auszugehen schien, Aristides würde seinen Groll ganz offen gegen ihn in einem Attentat ausleben. Doch womöglich wusste der Caecilier nicht, dass Aristides im fernen Parthia weilte und vielleicht auch nicht, dass gerade dessen Zweig unter der fachkundigen Anleitung der alten Matrone Agrippina viel subtilere Methoden der Beseitigung bevorzugte - andererseits war womöglich einer der anwesenden Herren ein Praegustator.


    "Salve", grüßte Acanthus den Sklaven und zog die Türe bereits ein Stück weit auf. "Dein Herr wird bereits erwartet." In Erwartung des Caeciliers sprang ein junger Sklave bereit, den Gast in Empfang zu nehmen und ins Atrium zu geleiten, während ein weitere sich um die Anhängerschaft dessen würde kümmern.

    Beinahe wäre Sciurus die Bemerkung entkommen, dass es immer besser war, wenn Mütter tot waren. Doch selten entkam dem Sklaven etwas, was er nicht beabsichtigte und so geschah es auch in diesem Falle nicht. Es hätte ihn zudem zufrieden stellen können, dass das Mädchen ihm recht gab, doch auch dies war eine Regung, welcher er weder bedurfte, noch welche er sich würde gestatteten. In keinem Falle jedoch hatte Mitleid über das vorherige Leben der Bridhe eine Chance aus seiner Miene zu spreche. Ihr früheres Leben tangierte ihn nicht einmal peripher, einzig was sie dieser Tage im Haushalt tat, fiel in seinen Zuständigkeitsbereich, marginal womöglich nur, doch immerhin. Es war eine Tatsache, welche Sciurus am Sklavendasein verabscheute, doch im tatsächlich schlimmsten Falle eines Falles konnte ein einziger Sklave den gesamten Haushalt ins Verderben reißen und nichts und niemand würde dann noch das Schicksal aller verhindern können.


    "Löwen sind goldfarbene Bestien, größer als Wölfe noch. Sie jagen dich eine Weile, schlagen ihre Pranken in deinen Leib, ziehen ihre scharfen Krallen über deine Haut, bis dass der Geruch von Blut sie mehr als hungrig macht. Wenn du Glück hast, fangen sie bei deinem Kopf an, brechen dir mit ihrem Biss das Genick. Wenn du Pech hast, begnügen sie sich vorerst mit deinen Gliedmaßen, reißen dir langsam und genüsslich Haut und Fleisch von den Knochen, reißen dir deine Eingeweide aus dem Bauch und füllen sich den Magen, während du dabei zusiehst. Ein Sklave, welcher zu nichts zu gebrauchen ist, erfüllt so seinen letzten Zweck, die Menge zur Ehre seines Herrn zu belustigen." Er sprach ohne eine Regung, neutral, als würde er ihr erklären, mit welchen Handgriffen sie das Mahl ihres Herrn zu servieren hätte.

    Natürlich war etwas geschehen, was Sciurus hatte so werden lassen, wie er war, und dies war das Leben selbst. Er war ein Sklave, geboren als Sklave in eine Welt ohne Rechte, von Beginn an Spielball zwischen Auflehnung, Grausamkeit, bedingungsloser Hingabe, Tücke und Taten, welche er niemals verstehen konnte, da sie mit dem Streben und dem Verlangen nach Freiheit in Zusammenhang hingen, einem Konzept, welches er nie hatte kennen gelernt und darum weder misste, noch sehnte. Das Bewusstsein darum, was er war, hatte ihn bis an die Seite seines Herrn gebracht, die Willenlosigkeit, die Rechtelosigkeit, Folgsamkeit, gleichsam hatte er dafür Sorge getragen, dass er die Fäden über sich in der Hand behielt und manches mal sogar die seines Herrn. Die einzige Verfehlung, welche Sciurus sich leistete, war die seiner eigenen undurchsichtigen Geschäfte, gleichsam war es die einzige Freiheit, denn jene Geschäfte verfolgten keinen weiteren Zweck denn denjenigen aus sich selbst heraus.
    Doch es gab nichts in Sciurus, was die Bezeichnung 'gütig' verdient hätte. Er zerquetschte keine Käfer, doch nur weil sie der Mühe nicht wert waren. Er war ein Mensch wie ihn niemand freiwillig zum Freund haben wollte, ein Geschöpf mit beinah widerwärtigem Charakter und dennoch völlig in Einklang mit seiner merkwürdigen Welt, denn gleichsam wollte auch er niemanden freiwillig zum Freund haben.


    Sciurus hasste die neue Sklavin nicht, doch sie widerte ihn an, ihre Unnützigkeit, ihre augenscheinliche Verletzlichkeit, ihre Person an sich. Dennoch war er gewillt ihr eine geringe Chance einzuräumen, sich dem zu ergeben, zu was sie bestimmt war.
    "Ich bin nicht böse. Ich habe dafür Sorge zu tragen, dass Sklaven wie du nicht faul im Garten herumlungern oder wie die Waschweiber ihr Geschwätz austauschen. Was auch immer du in deinem vorherigen Leben getan hast, es existiert nicht mehr, es ist nichtig und es hat nie stattgefunden. Du hast keine Vergangenheit wie du keine Zukunft hast. Du gehörst nun zum Haushalt der Flavia, du bist Teil eines patrizischen Haushalts, gehörst damit selbst zu den Privilegierten. Du bist ein Patrizier unter den Sklaven. Verstehst du das? Du gehörst zum Adel deiner Art und es wird dir darum besser gehen als den meisten deiner Art. Doch dafür wird von dir erwartet, dass du deine Aufgaben erfüllst, dass du tust, was man dir sagt. Wenn du das nicht tust, wirst du im Circus landen, bei den Löwen." In einer eindeutigen Geste fuhr sich Sciurus mit dem Daumen über den Hals.

    Ein tief schwarzfarbener Rabe krächzte und folg in den Himmel hinauf als Sciurus sich dem Stück des Gartens näherte, wo das Vogeltier in der Erde nach Beute hatte gesucht, ein dunkler Körper welcher durch den dämmrigen Abend trieb, jedes Licht in seiner Mattigkeit verschluckte, Gefangener in einer Welt ohne Erinnerung. Doch es war nicht das Tier, welches die Aufmerksamkeit des Sklaven erweckte, es war eine andere Art von Bewegung, kaum vorhanden, flüssiger und doch gleichsam viel weniger erhaben. Es kauerte am Boden des Gartens, untätig, in sich versunken und wie es schien in sich verloren, Bridhe - ein unfähiges Ding, wie zu Kaufen es sich nur der Herr Aquilius konnte hinreißen lassen. Alles konnte sie ein wenig, doch nichts davon wirklich, nicht einmal der lateinischen Sprache war sie gänzlich mächtig, und Sciurus fragte sich, weshalb ihr Herr versuchte sie in den Haushalt zu integrieren, wo ohnehin deutlich war, dass sie nur dazu diente, sein Bett des Nächtens zu wärmen. Doch Sciurus hatte kein Recht zu Fragen und hinsichtlich des Herrn Aquilius nicht einmal ein Recht zu Denken, darum ließ er es alsbald sein. Fakt war, dass er das braunhaarige Geschöpf nicht leiden mochte, was jedoch kaum weiter verwunderlich war, da Sciurus ohnehin kaum je irgendwen mochte leiden, was vermutlich - zumindest in den Kreisen der Sklavenschaft - auf Gegenseitigkeit beruhte, und darum nur mehr als gerecht war.


    Als er sich dessen sicher war, dass seine Füße sich längstens in das Blickfeld der jungen Sklavin hatten geschoben, erhob er seine Stimme und durchschnitt die friedliche Harmonie des vergehenden Tages. "Was sitzt du hier herum?" Seine Stimme war leidenschaftslos, emotionslos. "Wenn du nichts zu tun hast, werde ich dafür Sorge tragen, dass du etwas zu tun bekommst. In diesem Haushalt gibt es keinen Müßiggang für deinesgleichen."

    Zitat

    Original von Lucius Decimus Subrius
    Subrius antwortete dem Ianitor auf seine Frage:


    "Ich würde gerne Caius Flavius Aquilius sprechen. Es geht um ein Edikt des Praefectus Urbi."


    Er hoffte, dass diese Antwort genügen würde, um eingelassen zu werden.


    Der Ianitor nickte, winkte eine dunkelhäutige Sklavin herbei und schickte sie, nach dem Herrn Aqilius zu suchen und ihn über die Soldaten zu unterrichten. Dann winkte er einen jungen Sklaven herbei und öffnete die Tür ein Stück weiter.
    "Bitte tritt ein und folge dem Jungen, er wird dich ins Atrium geleiten."