Beiträge von Sciurus

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    Original von Straton
    ..."Io Saturnalia, Sciurus," sagte der Grieche in seiner gemessenen, ruhigen Art, und nickte auch Dido freundlich zu. "Bona Saturnalia auch Dir. Übrigens, solltest Du heute noch ausgehen wollen, dann denke ich, komme ich ab jetzt ganz gut zurecht. Bisher scheint sich niemand prügeln zu wollen, und der Rest ist nicht anspruchsvoller als eine cena."


    Bereits seit Straton sich angeschickt hatte, seine Schritte in Richtung Dido und Sciurus zu setzen, folgte der Blick des blonden Sklaven ihm aufmerksam, denn insgeheim erwartete jener, dass Arbeit auf ihn zu kam. Doch nichts in diese Richtung war es, weswegen Straton seinen Weg tat, gegenteilig.
    "Bona Saturnalia, Straton", erwiderte Sciurus ohne sonderlich große Überzeugung den Saturnaliengruß und musterte sein Gegenüber genauestens. Wollte er ihn womöglich aus der Villa haben? Doch zu welchem Zweck? Oder war dies eine Gefälligkeit, welche der Sklave bei Zeiten würde wieder einfordern? Dennoch nickte Sciurus schließlich. "Brutus feiert mit einigen anderen im Stall. Wenn es Schwierigkeiten geben sollte, lass ihn rufen. Er trinkt keinen Wein, wegen einem Gelübde, aus Glaubensgründen oder etwas in diese Art, sollte also noch nüchtern und einsatzfähig sein."


    Von einem vorbeigehenden Freien, der ein Tablett voll goldbraunfarben gebratenen Gänsefleisches auf seinen Händen balancierte, griff sich Sciurus zwei Stücke und reichte eines davon an Dido weiter. "Dann sehen wir uns nach den Larentalia", sprach er zu Straton und wandte sich um, das Fest zu verlassen. Er achtete nicht darauf, ob die kleine Sklavin ihm folgte, doch natürlich eilte Dido hinter ihm her. Sie würden einige Dinge zusammen packen, wenig nur, ihre Mäntel holen und das Haus verlassen, um ihren eigenen Geschäften nachzugehen.

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    Original von Dido


    Mehr und mehr Gesinde fand sich zur Saturnalienfeier ein, und nicht weniges davon gereichte dazu, Sciurus neben Verachtung die blanke Abscheu das Rückgrad hinauf zu treiben. Die Saturnalia am Tisch mit seinem Herrn waren bereits Zumutung genug - sie würden niemals gleich sein, auch nicht für diese Tage - doch jene kumulierte Ansammlung fremder, minderwertiger Subjekte unter dem flavischen Dach, war eindeutig mehr, als er an diesem Tag der Freiheit zu ertragen gedachte. Selbst Rutger, dem Bodensatz flavischen Abschaumes, war es gestattet, an der Feier zu partizipieren. Zuerst raubte er die Tochter des Aristides, dann fraß er sich satt und fett am Saturnalienmahl, wieder und wieder. Das jämmerlichste Bildnis der karnevalisierten Welt indes gab noch immer Sciurus' eigener Herr, eben bestrebt in dem Tage angebrachten fröhlichen Umgang mit seinem Eheweib, und es dauerte den Sklaven tatsächlich, dass ihm nicht erlaubt war, ihn aus jenem Elend zu erlösen, obgleich dies nur der Anfang des Übels war. Schweigend harrte Sciurus neben der kleinen Dido, ließ ihr gleich seinen Blick über die Gäste schweifen, die Augen in ständiger Bewegung, darum bestrebt jede Regung im Raum zu erfassen, jedes Wort zu erahnen, welches über ferne Lippen drang.

    Das Reich des Mannes mit der Vogelmaske unterlag stetiger Änderung, mal verkroch er sich in den hintersten Winkeln der Gänge unter der Stadt, mal residierte er in einer der großen Hallen samt seines Gefolges, mal stopfte er Luxus und Pomp in eine kleine Kammer direkt neben der Cloaca, von wo der untrügliche Duft nach Leben herüber wehte, mal nahm er nur seinen Beutel und empfing seine Gäste auf bloßem Boden in einer Villa draußen vor der Stadt und manches mal, dies jedoch selten, verfrachtete er seinen Hofstaat gar mitten ins Herzen Roms. Man konnte niemals wissen, wo der Vogelmann in einigen Tagen würde sein, so dass es bereits eine Anstrengung war, ihn zu finden, doch wen er empfangen wollte, den fand er. Den Schlangenhort, wie jener Ort genannt wurde, an welchem er diesen Tages domizilierte, bevorzugte er für Feierlichkeiten dieser wie auch anderer Art, denn jeder Lärm wurde von den dicken Mauern und Türen nach Außen hin abgeschottet. Zwar gab es nur zwei Ein- und Ausgänge, einer davon jedoch, im Hinterzimmer gelegen, war derart von Außen verborgen, dass kaum je Gefahr bestand, dass ein Feind nach einem Angriff durch das Tor von der Unterwelt aus ihn dort würde erwarten.


    Die Hand auf seiner Schulter ignorierend trat Sciurus vor und griff unter seinen Mantel. Fauchend rasselte Forma an ihrer Kette, doch verstummte sie in einem leisen Zischen, als es nur eine Pergamentrolle war, welche Sciurus aus dem Beutel zog, welchen er verborgen unter dem Mantel um die Schulter hängend trug.
    "Sie geben es nicht heraus, aber ich konnte eine präzise Abschrift erstellen. Der Inhalt ist alles, worauf es ankommt, und sie ist auch mit einem offiziellen Siegel versehen." Er sprach dies, als wäre es selbstverständlich, doch womöglich schwang subliminal ein leiser Hauch von Stolz in der Stimme des Sklaven. Doch vielleicht trog der Eindruck auch.
    "Wenn ich nicht wüsste, wer mein Besucher ist, wenn ich nicht ihn sehen könnte, an deinem ersten Satz schon würde ich dich erkennen, Sciurus. Kein Saturnaliengruß, keine Begrüßung, und selbst deine Begleiterin stellst du mir nicht vor. Wahrlich, Sciurus, man möchte nicht meinen, dass du in einem der vornehmsten Häuser Roms einem Haushalt vorstehst."
    Aus dem Schatten heraus schob sich eine schlanke Gestalt, in ein wallendes Gewand aus grünfarbener Seide gehüllt, die Hände von goldfarbenen Handschuhen bedeckt, die Augenpartie und Nase hinter einer Maske verborgen. Grünfarben schillerten die kurzen Federn auf der Maske, mit einem Hauch von Goldstaub bedeckt, durchbrochen nur von den äußeren Augenwinkeln aus durch violette Federn, dazu eine spitze Nase, in Goldorange, welche so weit sich über das Gesicht zog, dass der Mund durch ihre Spitze geteilt wurde, halb in ihrem Schatten verborgen blieb. Der Vogelmann nahm die Pergamentrolle an sich, jedoch ohne sie zu öffnen.


    "Das ist Dido." Ohne sich umzuwenden bewegte Sciurus den Kopf kurz nach hinten, dort, wo das Mädchen noch immer verharren musste. "Sie entstammt dem Haushalt der Flavier, doch ihr Herr weilt derzeit außerhalb Roms."
    "Dido." Wie ein Geier streckte der Mann mit der Maske den Kopf vor, der goldorangefarbene Schnabel zuckte nach vorn und wandte sich der kleinen Sklavin zu, verharrte in diese Pose. "Ist sie deine Tochter?"
    Einige Augenblicke lang wägte Sciurus seine Antwort ab. Es war durchaus möglich, er diente bereits lange genug seinem Herrn in Rom. Dido als sein eigen Fleisch und Blut auszugeben würde gewiss weiteren Fragen vorbeugen, zudem wäre sie zwischen den Verlorenen vor jeglichem Übergriff sicher, denn niemand würde sich an seinem Kind vergreifen. Andererseits jedoch mochte sie von anderer Seite aus gerade ob dessen wegen Ziel eines Angriffes werden, um ihn zu treffen, und obgleich es ihn nicht treffen würde, so würde dies nur unnötige Probleme aufwerfen. "Nein. Sie begleitet mich."
    Die Angelegenheit war damit erledigt, der Vogelmann entrollte das Pergament und der Schnabel senkte sich, als seine im Schatten der Maske verborgenen Augen es sondierten. "Sehr schön." Als der Schnabel sich wiederum hob, zierte ein leichtes Lächeln die Ränder der Lippen dahinter. "Ich habe ebenfalls etwas für dich, nicht nur, weil heute Saturnalia sind, aber womöglich auch deswegen. Der Feuerreiter ist in der Stadt, er hat die Spur dessen aufgenommen, wonach dir der Sinn steht. Demnach scheint es sich tatsächlich in Rom oder zumindest in der Nähe zu befinden. Noch kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, in wessen Auftrag er unterwegs ist, doch es muss eine äußerst bedeutende Persönlichkeit sein, denn es steckt eine gewaltige Menge Sesterzen dahinter. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob du dabei noch mithalten kannst, obgleich ich deine Fähigkeiten kenne und schätze."
    "Mein Herr ist bereit, jeden Preis zu zahlen."
    "Das wird sich zeigen. Als wir ihn zuletzt gesehen haben, hat er mit Cupa, dem Gerber gesprochen. Das war noch vor den Saturnalien, im Fest hat sich seine Spur verloren, womöglich hat er sich sogar für diese Tage aus Rom zurück gezogen, auch wenn ich es bezweifle. Er ist wie ein Schatten, der nur verbrannte Erde und eine Spur aus Asche hinterlässt. Denke daran, er ist nicht von hier, niemand weiß, ob er sich an die pax saturnaliae hält."
    Wortlos nickte Sciurus. Er war dem Feuerreiter bereits einmal begegnet, in dessen Heimat Sizilia. Auf Sizilia kannte man keinen Frieden und keinen Waffenstillstand, nur Krieg.
    "Wenn du meinen guten Freund Cupa besuchst, dann überbringe ihm meine Saturnaliengrüße, ich bin sicher, er wird sich sehr darüber freuen." Der Schnabel der Vogelmaske senkte sich ein wenig, wies wieder in Didos Richtung. "Pass' gut auf das Eichhörnchen auf, Dido, Königin Karthagos. Und denke daran, wer Humus hat, braucht keinen Humor." Geschmeidig zog der Vogelmann sich in den Schatten im hinteren Teil des Raumes zurück, ein leises Rascheln war das letzte Geräusch, welches von ihm zu vernehmen war.

    Mit einem leisen Zischen war die Flamme der Fackel im brackigen Wasser an den Uferrändern des Tibers erloschen und hing nun leblos wie eine Keule an Sciurus' Seite hinab, als das helle Licht der Blendlaterne ihn traf. Unwirsch kniff er die Augen zusammen, während Dido sich eilte, das Licht zu senken.
    "Deficiente!" zischte er ihr zu und schob sie in den Gang hinein, wo er die Fackel in einem Spalt zwischen den Mauern versteckte, um hernach die Laterne aus ihrer Hand entgegen zu nehmen. "Bleib' dicht hinter mir und pass' auf, wo du hin trittst, der Boden ist oft nass."


    Zuckend tanzten vor ihnen die dunklen Schatten des Gewölbes im Licht der goldfarbenen Flamme, welche gleichsam die kargen Wände der Gänge in fahlen Schein tauchte, in der Dunkelheit vor ihnen jedoch kaum etwas erkennen ließ. Bald verließen sie den Hauptstrom der Cloaca maxima, bogen in einen schmalen Gang, in welchem der Boden zwar nicht mehr nass war, die Höhe der Durchgänge doch des öfteren variierte, so dass ein ausgewachsener Mann dann und wann sich zu bücken hatte, während ein Kind dies kaum nur zu tangieren vermochte. Wie eine in dieser Düsternis heimische Ratte bewegte sich das Eichhörnchen durch das Netz dunkler Gänge, zögerte an keiner Abzweigung, verlangsamte seinen Schritt an keinem Durchgang, und achtete nicht darauf, ob Dido ihm konnte folgen, bis das schließlich ein Tor sich vor Sciurus auftat, verschlossenen von einer schweren hölzernen Türe mit eisernen Beschlägen, Musik klang in gedämpfter Weise durch sie hindurch. Der Sklave klopfte dreimal lang und hernach noch einmal zweimal kurz und einmal lang in schneller Folge. Obgleich zu befürchten stand, dass niemand auf der anderen Seite sie würde hören, bewegte sich dort bald mit knarrendem Geräusch ein Riegel, sodann wurde die Türe langsam nach Innen aufgezogen. Ein Gesicht erschien im Spalt zwischen Tür und Mauer, blass und mit blutunterlaufenen Augen, als würde der zugehörige Mann kaum je das Licht sehen. Er grinste, als er Sciurus erkannte, entblößte Zähne beinahe so dunkel wie der Schlund dahinter, und wies mit einem Grunzen und einem Nicken ihnen einzutreten.


    Goldfarbenes Licht durchströmte den großen Raum, erleuchtete ihn hell bis in die hintersten Winkel, während bunte Glasscherben, welche von der Gewölbedecke baumelten, regenbogenfarbene Flecken über die Menschen in seinem Inneren streuten. Auch uns insbesondere im dunklen Reich unter der Stadt Rom wurden die Saturnalia ausgiebig gefeiert, während gleichsam die wichtigsten Geschäfte des Jahres abgeschlossen wurden. Es herrschte die pax saturnaliae, ein unausgesprochenes Gesetz zum Frieden während der Feiertage, denn jedes Verbrechen, welches ober- oder unterhalb des römischen Stadtgrundes an diesen Tagen würde begangen werden, würde die Stadteinheiten mit aller Härte vorgehen lassen. Eine Gruppe von etwa einem Dutzend Personen erfüllte den Raum mit ihren wilden Klängen, ein Gemisch aus römischer Musik mit den nasalen Trompeten aus dem Orient, dazu das rhythmische Prasseln einer Trommel, welche ein Mann von tief schwarzfarbener Haut in ekstatischer Weise schlug, dazwischen immer wieder der Klang der hohen Stimme einer nur leicht bekleideten rothaarigen Schönheit, welche sich im Tanz ihrer Sinne beraubte. Inmitten des Raumes war ein Bankett im Gange, welches in keinster Weise den Vergleich mit jenen in römischen Villen zu scheuen brauchte, die Reste der Speisen ließen erahnen, dass das Fleisch nach der Zubereitung wieder zu beinahe vollwertigen Tieren zusammengesetzt gewesen war - gefiederte Schwäne, pelzige Karnickel, selbst ein Hammel in seinem wollenen Fell - mit der Einschränkung, dass kein Leben mehr in ihnen war. Wein floss in rauen Mengen, die Gäste um die Tafel herum lachten und kreischten und stopften das Essen in sich hinein, doch gegenteilig zu den gereichten Speisen waren sie nur ein verzerrtes Spiegelbild der oberen Welt. Einem Mann teilte eine tiefe Narbe sein Gesicht, statt eines seiner Auge prangte nur noch eine schwarzfarbene Höhlung neben seiner Nase, eine Frau mit dünnem braunfarbenen Haar hatte so viel Farbe auf ihren Augenlidern verteilt, dass es beinahe schien, als müsse sie darunter brechen, ein Zwerg mit kahlem Kopf lachte hell auf und schob sich ein Stück Fleisch in den Mund, so groß, dass er daran zu ersticken drohte, einer alten Frau hatten sich so viele Falten in ihrem Gesicht aufgeworfen, dass sie auf einer Karte hätte die Alpen symbolisieren können, einem groben Kerl hing ein Ohr nur noch in Teilen am Kopf - und dies waren nur einige der feiernden Gestalten.


    Hinter Dido und Sciurus fiel die Tür wieder ins Schloss und der Riegel wurde zurück an seinen Platz geschoben, dann drehte der blasse Türwächter sich um und fuhr Dido mit seinen rauen Händen über den blonden Schopf. "Oi, oi, Sciurus, hast du dem König ein Präsent mitgebracht?"
    In einer schnellen Bewegung schlug Sciurus dem Mann mit dem Handrücken über das Gesicht, das klatschende Geräusch jedoch wurde vom Lärm des Festes verschluckt. "Lass' deine dreckigen Finger von ihr, vaffanculo, sie gehört zu mir und steht unter meinem persönlichen Schutz."
    Beschwichtigend hob der Türwächter die Hände. "Ist ja gut, ist ja gut. Nur keinen Stress. Ich hab schon Schönere gesehen."
    "Wo ist er?"
    "Da hinten, durch die Tür. Piccolo ist gerade bei ihm, ihr müsst euch noch einen Augenblick gedulden. Greift zu, wenn ihr Durst oder Hunger habt. Oder beides! Hahaha!" Sein Lachen erschallte beinahe so dreckig, wie seine Hände dies waren.


    Feine, transluzente Nebeltropfen hingen über dem Tiber, der Lebensader Roms, umhüllten die Gebäude der Stadt, die schiefen Häuser von Trans Tiberim ebenso wie den gewaltigen Kaiserpalast, faserte alle Konturen auf und raubten die Sicht auf jene Welt, welche weiter als etwa ein Dutzend passus entfernt lag. Jene eingeschränkte Sicht mochte den wenigen, doch mehr als üblichen Passanten der Stadt jedoch kaum auffallen, denn so die Straßen und Gassen überhaupt beleuchtet waren, torkelten die meisten Menschen in angetrunkenem oder betrunkenem Zustand ohnehin ohne weitreichende oder mit äußerst eingeschränkter Sicht.


    Mitten auf der Brücke, welche vom Forum Boarium nach Trans Tiberim führte, standen reglos zwei Gestalten, vom Nebel umhüllt wie auf einer Insel mitten im Nirgendwo, im Vergessen gestrandet, wie möglicherweise in dieser Nacht sie es waren. Die Saturnalia hatten den Sklaven des Reiches freie Tage beschert, und Sciurus war gewillt diese zu nutzen. Die Fackel in seiner Hand strahlte ihren Lichtkegel in die feuchte Luft hinaus und konnte kaum bis zur schimmernden Oberfläche des Tibers hinunter reichen. Mit einem leisen Platschen schlug das Wasser an die Pfeiler der Brücke, von Zeit zu Zeit gluckste es hinter dem weißen Schleier verdächtig, doch bis auf die fernen Gesänge der Betrunkenen war es ruhig, denn neben dem Nebel hatte auch ein dumpfes Tuch der Trunkenheit und des Schlafes sich über das feiernde Rom gelegt. Der Sklave blickte zu dem jungen Mädchen an seiner Seite hinab und prüfte, wie es um Didos Aufmerksamkeit bestellt war.
    "Ist dir die Unterwelt der Römer geläufig? Sieh' hinaus in die Nacht, wo kein Licht noch Schatten sich mehr im Nebel zeigt. Wie wir hier stehen, so ist es auf der Überfahrt über den Styx, nicht das diesseitige Ufer kannst du blicken, noch das jenseitige. Verloren im Hauch des Vergessen, trinke aus dem Fluss der Lethe und negiere, wer du bist. Wenn du mir folgst, wird es nicht besser, doch auch nicht geringer sein, als über den Styx zu treten."

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    Original von Dido
    ...


    Mit regungsloser Miene verfolgte Sciurus, wie Dido eilig von dem Tisch kletterte, und wollte sich bereits abwenden, als das Sklavenmädchen weiter das Wort an ihn richtete. Er mochte Kinder nicht - doch wie bereits erwähnt, mochte Sciurus niemanden, so dass auch Kinder nicht die Ausnahme bildeten, sondern sich der Regel eingliederten. Infantilität war nicht unbedingt eine Erscheinung der Kindheit, manch erwachsener Sklave, welcher dem Saturnalienfest an diesem Tage würde beiwohnen, zeigte weit weniger Reife als das kleine, blonde Geschöpf vor ihm, so dass Dido als Teil des Haushaltes nicht mehr oder weniger Bedeutsamkeit beizumessen war, als anderen Sklaven. Dass sie sich zudem darum bemühte, auch während Abwesenheit ihres Herrn einen Platz in der Rangordnung zu behalten, zeugte von berechnender Weitsicht und Intelligenz, was Sciurus weit mehr schätzte denn blinde, instinktive Emotion. Stumm taxierte der Sklave die kleine Person während sich langsam das Atrium füllte. Als der Ruf der Agrippina deren Enkel Serenus erreichte, um ihn zurück nach Baiae zu beordern, hatte sie explizit dafür Sorge getragen, dass dessen Leibsklavin im Haushalt in Rom verweilte, und es war dies aus dem Grund, dass sie das Mädchen mit verantwortlich machte, für die Flausen des jungen Herrn, unter anderem seine Flucht nach Aegyptus. Diese Abneigung der Matrone gegenüber der kleinen Sklavin hatte Sciurus bereits mit großem Interesse verfolgt, als sein Herr selbst nach seiner Seereise eine Zeit lang in Baiae verweilte, damalig noch aus dem Grund, etwaig einzugreifen, wenn der junge Serenus in Gefahr geriet, da Sciurus' eigener Herr sich in den Kopf gesetzt hatte, für jenen Sorge zu tragen, was somit auch seine Aufgabe war.


    Nun jedoch hatten die Konstellationen sich gewandelt. Serenus stand erneut unter der Hand seiner Großmutter, Dido dagegen würde in Abwesenheit ihres Herren und dessen Vaters entweder für sich selbst Sorge tragen, oder aber ein Opfer des Hauses werden, gleichsam würde es für sie nicht einfach sein, sich durchzusetzen. Womöglich konnte sie nützlich für ihn sein und falls nicht, so würde auf diese Weise immerhin eine Sklavin aus ihr, welche wusste, wo ihr Platz war - zumindest, sofern Sciurus nicht sich eines Tages ihrer würde entledigen müssen.
    "In Ordnung." Er ging ein Stück weit in die Hocke, so dass sein Gesicht auf einer Höhe mit dem ihren war, seine Stimme erstarb zu einem Flüstern. "Wenn du möchtest, kannst du mich heute Nacht nach Rom hinein begleiten, sofern du während der kommenden sinnfreien Tage nicht auf der faulen Haut liegen willst."
    Nach Rom hinein war dabei wörtlich zu nehmen, denn seine Geschäfte würden Sciurus tief hinein in die Eingeweide der lupa treiben, und eine schmale, kleine Gestalt konnte ihm dabei wahrlich von Nutzen sein. Zudem würde dort sich zeigen, ob sich die Mühe lohnte.


    Aus den Augenwinkeln wurde der Sklave sich seines Herrn gewahr, welcher auf höchst insipide Art und Weise die Saturnaliengaben an die Gäste verteilte. Brauchtum war nichts, dessen Sinn Sciurus je hatte hinterblicken können und gerade in diesem Falle schien es ihm noch immer äußerst befremdlich, obwohl er Zeit seines Lebens diese Tage bereits jedes Jahr erneut durchlebte, auf die ein oder andere Weise, je nach Güte des Haushaltes, dessen er Teil gewesen war.

    Einerseits mochte Sciurus die Saturnalia nicht, da sie ihn seiner Existenzgrundlage beraubten, ihm seinen Sinn nahmen, andererseits war es die einzige Zeit im Jahr, während derer er völlig unbekümmert für einige Tage seinen eigenen Geschäften nachgehen konnte. Das Festmahl im Kreis der Familie jedoch war eine Angelegenheit, auf welche er gut und gerne hätte verzichten können, denn es gereichte allenfalls dazu, seinem Herrn zusehen zu dürfen, wie jener sich über die Maßen betrank, und sich eine Rüge einzuhandeln, falls er versuchen sollte, ihn davon abzuhalten, was sonstig seine Aufgabe war. Dass in diesem Jahr zudem nicht nur Flavier und ihr Hausstand am Mahl teilnehmen würden, sondern auch Claudier und Aurelier, mochte Sciurus' Laune nicht eben verbessern.
    Zumindest jedoch hatte Straton, der vilicus des Herrn Aquilius, ihm bei der Organisation des Saturnalienmahls hilfreich zur Seite gestanden und obgleich Sciurus auch diesen Sklaven nicht mochte - was kaum verwunderlich war, da Sciurus absolut niemanden auf der Welt mochte, so dass es bisweilen fraglich schien, ob er überhaupt zu solch einem Gefühl fähig war -, so hatte er ihn doch schätzen gelernt. Straton war ein Silberstreif am Horizont des verderbten Haushaltes des Aquilius, welcher es sich sonstig zur Lebensaufgabe gemacht zu haben schien, sämtliches minderwertiges Material vom Sklavenmarkt aufzukaufen und unter seiner Hand zu beherbergen. Seitdem jenes mediokeres Material sich in der Villa eingenistet hatte, hielt sich Sciurus aus den Angelegenheiten der anderen Haushalte heraus, trug nur noch Sorge für jene, welche den Haushalt seines Herrn oder übergreifend die gesamte Flavia betrafen, denn allein der Gedanke, sich mit dem armseligen Pack beschäftigen zu müssen, degoutierte ihn bereits.


    Da Sciurus einer der besser gestellten Sklaven des Hauses war, besaß er eine eigene Tunika, welche er an diesem Tage angelegt hatte. Als er das Atrium betrat, um zu prüfen, ob alles zu seiner Zufriedenheit vorbereitet war, streckte sich die kleine Dido gerade in die Höhe - auf einem Tisch balancierend - und stopfte sich den Inhalt eines Saturnalienbeutels in den Mund. Die Spuren auf der Tischplatte kündeten davon, dass dies nicht das erste Naschwerk war, welches diesen Weg genommen hatte. Lautlos trat Sciurus hinter sie, griff kaum einen digitus weit an ihrem Kopf vorbei und zog einen samtenen, rotfarbenen Beutel von einem der Zweige.
    "Bona Saturnalia." Er hielt den Beutel mit regungslosem Gesichtsausdruck Dido vor die Nase. Er wusste genau um den Inhalt des Geschenkes, denn er hatte den Beutel selbst dort angebracht, nachdem alle anderen Beutel dekoriert waren. Keine Münze war darin versteckt, denn für ein gepresstes Bildnis auf einem Stück Metall waren die Ausrichter der diesjährigen Saturnalien zu feinsinnig. Der Beutel barg eine kleine Statuette des Saturnus, aus purem Silber, und eingeschmolzen oder direkt versetzt mochte sie mehr wert sein als ein einzelner Aureus.
    "Verwahr es bei dir und zeig erst später am Abend, was Saturnus dir beschert hat. Und nun hör auf die Beutel zu plündern, gleich und gleich mag im Mund der Römer gleich klingen, doch gleich ist nie gleich und die Blöße, ihren Gästen leere Saturnalienbeutel aufzutischen, wird dich ungleich ungleicher als gleich machen, wenn die Tage der Gleichheit wieder vorbei sind."

    Zitat

    Original von Tiberius Flavius Quirinalis
    "Mein Name ist Tiberius Flavius Quirinalis, ich wünsche den Hausherrn zu besuchen."


    Sicher trat ich gegenüber dem Sklaven auf. Schließlich war er ein Sklave, da konnte er noch so grimmig gucken und reden.


    Dies also war jener Mann, für welchen bisweilen verirrte Besucher vor den Toren der Villa Flavia Felix standen. Keine Mine verzog Acanthus beim Klang seines Namens, doch haderte er, ob überhaupt den Besucher er sollte einlassen. Unter Flavius Felix hatte es diesbezüglich strenge Regeln gegeben, doch bisherig hatte sich niemand dazu geäußert, ob sie weiter galten oder nicht. Er würde es wohl oder übel herausfinden müssen, doch er schwörte bei Hades, würde dieser Mann für seine Auspeitschung zuständig sein, so würde er eigenhändig jeden weiteren Besucher für ihn über den Hof vom Gelände prügeln. Er wandte sich ab, zog einen jungen Sklaven von einer Bank hinter der Tür und sprach eindringliche Worte ihm ins Ohr.


    Dann öffnete er die Türe, so dass Quirinalis eintreten konnte.
    "Folge dem Jungen ins Atrium, ich werde dem Hausherrn deine Ankunft melden."

    Zitat

    Original von Tiberius Flavius Quirinalis
    Ich stand an der Porta, schon lang bin ich nicht mehr hier gewesen. Ich wusste ja noch nicht einmal, ob ich hier überhaupt willkommen war.


    *klopf* *klopf*



    Acanthus, Ianitor der Villa Flavia, öffnete die Pforte und blickte in seiner gewohnt grimmigen Art nach Draußen. Ebenso gewohnt kurz, doch in ihrer Gänze völlig ausreichend, war die Begrüßung, welche dem Besucher er angedeihen ließ.
    "Salve!"

    Einen Augenblick lang entglitt der Blick des Ianitors. Gesinde aus Hispania für die Villa - das konnte heiter werden. Denn nicht nur die hispanische Verwandtschaft war im Hause verpönt - gleichsam vor allem bei den Sklaven alles, was überhaupt mit Hispania in Zusammenhang stand. Während Achaia Wiege der Wissenschaften, Africa Heimat der Schönheit und Schrift, Gallia das Elysium der Kochkunst und selbst Germania noch rauhe Wildnis waren, so war Hispania nur trockene, öde Provinz.


    "Aha." Es klang, als wäre dies alles, wozu sich Acanthus bewegen wollte, doch rechtzeitig entsann er sich seiner Aufgaben. "Das Gepäck kann durch den Seiteneingang, damit die Tür nicht so lange verstopft ist. Vor dem Tor links und die Gasse hinein. Dein Herr ist derzeit in der Stadt unterwegs und geht seinen Aufgaben nach." Er drehte sich um. "Kaïlos, komm her."


    Ein kleiner, dunkelhäutiger, junger Mann trat an die Türe und blickte zu dem großen Ianitor auf, welcher langsam auf ihn einsprach. "Kaïlos, das ist ein Sklave vom Herrn Aquilius. Zeig ihm die Villa, das Quartier und die Räume von seinem Herrn."
    Dann, wieder zu Straton gewandt: "Er wird dir alles zeigen."


    Tatsächlich war viel weniger dabei, dass ein völlig Fremder am hellen Tage an der Porta der Villa Flavia klopfte, als dies vielleicht vermutbar wäre. Obgleich wenig Gesinde versuchte, hier einige Sesterzen oder etwas Essbares heraus zu schlagen, so kamen viele Fremde um Nachrichten zu bringen oder Einladungen. Acanthus' Gebaren gegenüber Fremden war doch immer similär.


    "Was willst du?" fragte er den vor der Türe Stehenden misstrauisch, nachdem er des kleinen Trosses hinter ihm war gewahr geworden.

    "Ein Mann dieses Namens wohnt hier nicht." Es war überaus seltsam, doch Tiberianus war nicht der erste, welcher in letzter Zeit nach Flavius Quirinalis fragte. Doch die Chance, ihn in der Villa vorzufinden, stieg nicht mit der Häufigkeit der Anfragen, gegenteilig zu Acanthus' Grad der Dysphorie.

    Nicht mit Augen denen des Höllenhundes gleich, sondern jenen des Argus, blickte der Ianitor noch einmal den Ankömmling genauer an, nachdem dieser seinen Zwei-Wort-Satz aus sich heraus gewrungen hatte. Der Name Cnaeus Lucanus war Acanthus nicht geläufig, wohl jedoch der des Caius Maximus, obgleich er auch bei jenem nicht genau wusste, wie dieser mit den römischen Flavia verwandt war, denn so sich Acanthus viele Namen einprägen konnte, so war es doch üblicherweise nicht obligat, sich Beziehungen zwischen diesen zu merken. Auch in diesem Falle war dies nicht von Nöten, Lucanus selbst gab Aufschluss über seine Herkunft: Hispania.


    Noch vor der Begrüßung schwang Bedauern in Acanthus, würde dem jungen Herrn doch kaum ein freundlicher Empfang bereitet werden - womöglich gehörte dessen Vater Maximus gar zu jenen unaussprechlichen hispanischen Flavia, welche der familiären damnatio memoriae Anheim gefallen waren, obgleich sich der Ianitor sicher war, dass ihm dies in diesem Falle geläufig sein müsste. Vielleicht wäre es besser, den Ankömmling zum Herrn Aquilius zu schicken, immerhin selbst aus dem hispanischen Zweig, wenn auch bereits früh ausgewandert. Doch der Herr des Hauses war dieser Tage nicht Aquilius, war sein Vetter Gracchus doch ein wenig, wenn auch nur marginal, älter und nachdem Senator Felix das Haus verlassen hatte und sein Bruder Aristides im Krieg verweilte, der älteste Anwesende seiner Generation und somit Hausherr.


    "Salve, Herr", drang es Acanthus ein wenig gedehnt über die Lippen. "Tritt ein und folge dem Jungen ins Atrium. Ich werde dem Senator Bescheid geben." Er wies auf einen jungen Sklaven, welcher bereit stand, den Ankömmling durch die Villa in das Atrium zu geleiten.

    [Blockierte Grafik: http://img339.imageshack.us/img339/3527/phoebusrt1.jpg]


    Phoebus, ein junger Sklave, kaum 12 Sommer alt, führte Cnaeus Flavius Lucanus vorbei an den Ahnenmasken, hinter welchen zu jeder Zeit kleine Öllampen ihre flackernden Flammen tanzen ließen und den Mienen so den Anschein von Leben einhauchten, vorbei an edlen Vasen und Skulpturen, an stilvollen und kunstreichen Wandmalereien, über dezente Mosaike hinweg bis ins Atrium der Villa Flavia, in dessen Mitte Wasser leise aus dem Füllhorn einer Fortuna in das mit filigranen Seerosen bestückte impluvium plätscherte. Obgleich die Räumlichkeiten nicht die Prosperität und den Stand ihrerer Bewohner verhehlten, so war der Pomp doch nicht übertrieben, sondern zeigte sich in aparter Auswahl und in der alles umfassenden Harmonie des Zusammenspiels der einzelnen Elemente - ein Verdienst des Esprit der verblichen geglaubten Flavia Leontia. Ohne Augen für diese für ihn alltägliche Ästhetik führte der junge Phoebus den Flavier zu einer Klinengruppe im hinteren Bereich des Atrium und schenkte sogleich mit reichlich Wasser verdünnten Wein in ein Glas, welches er Lucanus auf einem silbernen Tablett anreichte, um dessen Wartezeit zu überbrücken.


    Den Kopf von Innen an die Pforte der Villa Flavia gelehnt, döste Acanthus, Ianitor eben jener Villa, in einem oberflächlichen Nickerchen dahin, als ihn das Pochen aus seinen Träumereien riss. Verwundert legte er den Kopf schief, etwas war anders als das üblich dumpfe Dröhnen oder zaghafte Kratzen an der Türe. Beinah wie eine Melodie klang das Klopfen in seinen Ohren nach, während Acanthus trotz allem seinen mürrischen Blick aufsetzte und die Pforte einen Spalt öffnete. Der junge Mann davor erweckte den Anschein, sich im Haus geirrt zu haben, denn selten kamen weit gereiste Männer in der Villa an, so dass der Zustand seiner Kleidung und sein gesamtes Äußeres eher auf einen Bittsteller schließen ließen.
    "Was willst du?" fragte darum der Ianitor in seiner gewohnt unfreundlichen Art.

    Proconsul Lucius Flavius Furianus, Villa Flavia, Tarraco, Regio Hispania Tarraconensis, Provincia Hispania



    Gruß und Heil dir, Verwalter römischer Ordnung, Lenker provinzialer Geschicke, Vetter in der Ferne!


    Kein Grund zur Sorge mag länger dich treiben, denn jene Meldung der Acta Diurna deinen Onkel betreffend war ein fälschliche, wurde bereits durch Worte Aristides' selbst aus Parthia widerlegt. Er befindet sich wohl, soweit der Krieg dies zulässt, und blickt zuversichtlich noch immer nach vorn wie immer dies seine Art war.


    Indes, so desolat mir diese Pflicht auch erscheint, muss dennoch ich traurige Kunde aus dem Herzen der Welt dir senden, denn es erreichte kürzlich ein Schreiben aus Baiae mich, von deiner Großtante Agrippina gesandt, Aristides' Mutter. Ein deplorabler Unfall trug sich dort zu, bei welchem deine Cousine Arrecina ihr viel zu junges Leben musste lassen. Frage nicht nach den näheren Umständen, denn so unwissend wie der Rest der Familie bin auch ich, allen gemein bleibt augenscheinlich uns nur, erneut eine Flavia allzu früh von uns zu lassen.


    Um so mehr erfreut mich deine Nachricht, dass eine Verlobung uns ins Hause steht. Meinen Glückwunsch, Furianus, ob dieser äußerst favorablen Verbindung, dies ist eine Kunde, welche ich nur allzu gerne der Familie werde mitteilen. Sei dir assekuriert, dass was notwendig ist in Rom wir werden tun, um deine künftige Gemahlin in unserem Hause und im Kreis der Familie willkommen zu heißen. Deinem Vater indes werde ich selbst jene erfreuliche Neuigkeit in einem Brief senden müssen, denn er verließ vor einiger Zeit erneut Rom, um sich auf seinen Landsitz auf Sardinia zurück zu ziehen. Nicht allzu besorgniserregend erschien mir seine Salubrität, doch indes scheint ihm das Leben in Rom nicht mehr zu bekommen, so dass er alle Angelegenheiten hier regelte und den Imperator um eine einstweilige Entlassung aus den Hallen der Curia Iulia bat. Obgleich er uns sicherlich noch lange Zeit wird erhalten bleiben, so fürchte ich, hat er Rom und dem öffentlichen Leben auf lange Sicht den Rücken gekehrt.


    Für deine Glückwünsche möchte ich dir Dank sagen. Nach der überraschenden Erhebung in den ordo senatorius folgte tatsächlich kurz darauf die Inauguratio in die Reihen des Collegium Pontificium, was mich mehr noch mit Freude erfüllt, denn Teil der Senatorenschaft des Imperium Romanum zu sein, da noch immer mir die kultischen Belange weit näher liegen denn die Gefilde der Politik. Indes dauert es mich ob dessen ein wenig, dass weder Felix noch du, Vetter, derzeit in Rom anwesend sind, fürchte ich doch, ein nur mäßiges Bild im Senat abzugeben, zudem fehlt mir bisweilen jener tiefgründige Einblick in die Parteien, welcher euch bereits zu eigen ist. Doch sei dir meiner Mühen assekuriert, den Erwartungen an die Flavia gerecht zu werden.


    Die übrige Familie befindet sich wohl, Aquilius geht pflichtbewusst seiner Arbeit in den Tempeln nach, Lucullus' Salubrität erstarkt von Tag zu Tag und auch Minervina und der junge Serenus sind zurück in Rom.


    Da es weiter nichts Neues gibt zu berichten gibt, erlaube mir, Vetter, das Schreiben hier zu beenden. Dir jederzeit Gesundheit und die Gnade der Götter!


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    Ein wenig müde erhob sich Acanthus, Ianitor der Villa Flavia von seinem kleinen Kamelhöckerhocker, welchen der junge Herr Serenus ihm aus Aegyptus mitgebracht hatte. Betrachtete man diesen Höckerhocker, so würde man kaum annehmen, wie komfortabel Acanthus auf jenem die Tage verbrachte, denn ganz wertfrei betrachtet erweckte das Möbelstück nicht den Anschein, als würde ein Mann wie Acanthus dort sein Sitzfleisch auf irgendeine auch nur halbwegs agreable Weise betten können. Doch Acanthus war nun einmal ein spezielles Exemplar Mann, Ianitor seit unzähligen Jahren und sein Sitzfleisch daher allerhand gewöhnt. Dass er müde, um nicht zu sagen ein wenig träge war, dies lag einzig an dem ständigen Kommen und Gehen, was seit einiger Zeit des Nachts im Sklavenquartier herrschte.


    Auch Acanthus herrschte, er herrschte über die Pforte, und den davor stehenden Mann herrschte er fast ein wenig an, obwohl die Worte eher in Missmut übergingen. "Was willst du?"

    Centurio Marcus Flavius Aristides, Lager der Legio I Traiana Pia Fidelis, Parthia



    Gruß und Heil, Hüter des römischen Friedens, Wahrer der imperialen Gerechtigkeit, Vetter in der Ferne.


    Wohl tatest du an deinen Worten, war doch längstens bereits hier in Rom alle Hoffnung ob deines Lebens verloren, waren in tiefe Tristesse und Trauer wir verfallen. Doch nichts hätte mehr uns Freude können bereiten, keine Nachricht, kein Schreiben hätte mehr unsere Herzen können erfreuen, keine Worte wahrhaftig erhabener können klingen, als jene, welche du aus der Ferne uns sandtest. Den Göttern sei gedankt für dein Leben und geopfert für dein zukünftiges Wohl, du kannst dabei ganz auf deine Familie dich verlassen, denn an keinem Tage vergessen wir neben dem täglichen Opfer an Laren und Penaten jenes um den Segen der Götter des Krieges für dich.


    Indes muss ich leider dir mitteilen, dass die Worten deiner Verlobten der Wahrheit entsprachen. Nicht viel kann ich dir dazu berichten, denn Agrippina sandte nur wenige, diffuse Worte ob des Geschehens, welches augenscheinlich ein deplorabler Unfall war, gleichsam wie sie mich anwies, nichts davon dir in die Ferne zu senden, doch welchen Sinn macht es noch, Ereignisse zu verhehlen, derer du ohnehin bereits gewahr bist, und um deren Zweifel nur um so mehr du dich in Sorge und Unruhe stürzt.
    Dennoch, Marcus, brauchst keinerlei Vorhaltungen du dir zu machen ob dieses desolaten Geschehens. Auf so viele Dinge im Leben haben wir kaum Einfluss, bemessen ist die Zeitspanne unseres Daseins noch bevor dieses beginnt, und da der Lebensfaden durchtrennt wird, wenn die zugeteilte Dauer verstrichen ist, so hätte auch deine Anwesenheit weder in Rom noch in Baiae etwas können ändern. Nicht einmal die Götter wagen den Parzen Einhalt zu gebieten, und oblgeich zu mancher Gelegenheit das Herz eines Vaters in Stärke und Intension dem eines Gottes mag similär sein, so ist auch diesem die Macht nicht gegeben, das Schicksal zu wenden. Was immer geschieht, dies ereignet sich aus gutem Grunde, auch wenn es uns selten gegeben ist, dies zu erkennen, einzig wir können es annehmen und daran wachsen oder zu Grunde gehen, die Entscheidung liegt letztlich bei uns selbst.
    Verliere nicht Mut, noch Hoffnung, Marcus, denn noch immer warten Menschen auf dich, welche deiner bedürfen und sich nach deiner Anwesenheit sehnen. Dein Sohn befindet sich wohl zurück in Rom und vermisst seinen Vater, deine Verlobte scheint bereits jetzt eine äußerst außergewöhnliche Bindung zu dir zu hegen - unbeschreiblich war ihre Sorge ob der Verlustmeldung in der Acta Diurna, und nicht zuletzt sind es deine Basen und Vettern, welche deine Person missen, sich bereits jetzt sorgen, ob des Platzes, welcher an den kommenden Saturnalien wird vermutlich leer verweilen, ob des Fehlens deines frohen Gemütes auch die Familie ein wenig leerer uns scheint als bisherig.


    So will ich denn in aller Kürze dir noch berichten, was in familiären Belangen sonstig sich hat zugetragen. Womöglich hast du bereits vernommen, dass dein Neffe Furianus durch den Senat als Proconsul nach Hispania wurde gesandt. Er ist bereits nun einige Zeit dort vor Ort und scheint seine Aufgaben mit Bravour zu erledigen, nun du kennst seinen Elan ohnehin. Zudem gedenkt er baldig sich zu Verloben mit einer Tiberia, was äußerst favorabel, jedoch für dich kein Grund zu Trübsal ob der verpassten Verlobungsfeierlichkeit ist, da eine solche ob der Distanz zwischen Rom und Tarraco ohnehin nicht vorgesehen ist.
    Sein Vater und dein Bruder Felix ist indes nun wieder auf längere Zeit zurück nach Sardinia gekehrt. Er hat alle Verwaltung in Rom geregelt und den Kaiser um seine einstweilige Entlassung aus dem Senat gebeten, so dass wohl anzunehmen steht, dass er nicht allzu bald seinen Landsitz wieder wird verlassen.
    Meine Schwester Minervina befindet sich wieder in Rom, jene Angelegenheit um Cacilius Crassus war bisweilen weitaus verzwickter als bisherig angenommen, hatte sie ihm augenscheinlich bereits eine Hochzeit zugesagt. Sicherlich kannst du dir vorstellen wie überaus blamabel die gesamte Situation für uns war, doch ich hoffe, dies vorerst bereinigt zu haben, die genaueren Umstände werde ich jedoch dir beizeiten erläutern, so du zurück in Italia bist.
    Mein Bruder Lucullus befindet sich wohl, obgleich er noch immer nicht gänzlich wieder genesen ist. Manchen Tages befürchte ich, die Stadt bekommt ihm nicht, doch vermutlich wird es besser sein, er verbringt den Winter in Rom denn im kalten Norden Italias.
    Caius ist derzeit äußerst beschäftigt mit seinen Aufgaben im Tempel des Mars Ultor, es ist bisweilen überwältigend, wie viele Bürger Tag um Tag den Tempel des Kriegsfürsten aufsuchen, um für das Wohl des Imperators und der Legionen im parthischen Krieg Opfer darzubringen. Zudem hat er den Vorsitz über die salii palatini übernommen, so dass beim armilustrium er bereits als vates und praesul uns konnte voran schreiten.
    Weiters wurde ich durch eine schriftliche Weisung des Imperator Augustus aus Parthia in den Senat erhoben, wenige Tage hernach folgte zudem meine Inauguratio in das Collegium Pontificium. Manches mal glaube ich wahrlich, den Göttern fehlt das rechte Maß, entweder senden sie dem Flehenden einen einzelnen Regentropfen auf dass er verdurstet, oder gar einen Wolkenbruch, in dessen Fluten er ertrinkt. Doch mag ich nicht undankbar erscheinen, noch an Entscheidungen zweifeln, zu dessen mir ohnehin nicht das Recht ist gegeben.


    Mein lieber Vetter, nicht mehr kann ich dir zurück senden, denn deine eigenen Worte. Gib auf dich Acht, denn die Familie braucht dich ebenfalls. Möge Mamarce dein Schild schützend über dich halten, möge Duellona dir dein Schwert führen und Diespiter Propugnator deine Gegner niederstrecken.


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