Beiträge von Sciurus

    Wäre Sciurus nicht ohnehin ungehalten gewesen, so hätte er vermutlich einen leichten Ärger über die Antwort seines Herrn verspürt, zeigte sie ihm doch, dass er die Information besser auf anderem Weg besorgt hätte. Doch die Begegnung am Mittag wich nicht mehr aus seinem Sinn und trübte seine Konzentration zunehmend. Es drängte ihn danach, seinen Herrn geradeheraus zu fragen, doch er wusste, dass dies keinesfalls zu einem gewünschten Ergebnis führen würde. In einer unbewussten Manier fuhr er sich mit der Zunge über die Lippe um sie zu befeuchten.


    "Jener deiner Brüder, über welchen nicht gesprochen wird, wie alt ist er im Vergleich zu dir? Und ist er der einzige deiner Brüder, über welchen nicht gesprochen wird?" Zunehmendes Unwohlsein breitete sich in Sciurus' Magengegend aus, denn immerhin gab es zweifelsohne gute Gründe, warum über jenen Mann nicht gesprochen wurde, und sein Herr reagierte bisweilen ein wenig verärgert, wenn dieses Thema zur Sprache kam.

    Als Sciurus die Türe zum Arbeitszimmer seines Herrn öffnete, überkam ihn das Gefühl, zu tief ins Innere dieses Mannes vorzudringen. Er wusste viel über Gracchus, mehr als dieser über ihn, vieles hatte jener bereitwillig in den Nächten, die sie gemeinsam verbracht hatten, über sich und seine Vergangenheit erzählt, doch niemals hatte Sciurus ihm Fragen bezüglich seines Lebens gestellt, denn es war nicht an einem Sklaven seinem Herren Fragen zu stellen. Doch jene Situation, welche sich ihm an diesem Tag eröffnet hatte, jene Situation bedingte äußerst ungewöhnliches Vorgehen.


    Sein Herr saß im Licht einer schummrigen Öllampe an dem kleinen Tisch über eine Schriftrolle gebeugt und knetete abwesend mit der Rechten seine Lippen, was Sciurus verriet, dass er im Nachdenken inbegriffen war. Der Sklave trat vorsichtig näher, wagte jedoch nicht, die Aufmerksamkeit seines Herren auf sich zu ziehen, sondern wartete, bis Gracchus ihn bemerken würde. Als jener dies endlich tat, senkte Sciurus den Blick. "Herr, bitte gestatte mir eine Frage."

    In diesem Augenblick schalt sich Sciurus selbst einen törichten Narren, denn töricht war es gewesen, so blindlings in diese Situation hinein zu laufen, getrieben von gekränkter Eitelkeit, ohne zuvor auch nur die geringsten Informationen über sein Gegenüber einzuholen, das den Anschein eines verwundeten Tieres gab, gefährlich dadurch, vor allem mit dem Messer in seiner Hand. Natürlich war auch Sciurus nicht unbewaffnet erschienen, doch er hatte den Nachteil desjenigen, der seine Waffe erst hervorziehen musste, zudem würde es noch törichter sein, sich auf einen Kampf einzulassen, der weder Ziel noch Zweck hatte, und jeglichen Interessen des Sklaven zuwider laufen würde, denn auch, wenn er über jene noch nicht gänzlich sicher war, ein Kampf lag ganz sicher nicht darin.


    Hätte jener Mann das Gesicht eines anderen getragen, Sciurus hätte ihn ohne zu Zögern für seine eigenen Geschäfte eingespannt, doch mochte er auch keinerlei Skrupel besitzen, jemanden verschwinden zu lassen, so gab es eine einzige Grenze, welche zu Überschreiten er hinsichtlich seiner Geschäfte nicht bereit war, und dies waren die Belange seines Herren, mochten diese auch nur indirekt betroffen sein. Er nickte daher, langsam und bedächtig. "Vermutlich hast du Recht, wahrscheinlich suche ich einen anderen. Fleischer gibt es hier in der Subura immerhin mehr als Fische im Tiber." Aus einem Beutel an seinem Gürtel holte er fünf Münzen hervor, legte sie auf das Holz und schob sie zu Tullius hinüber. Er wollte noch etwas anfügen, als ein Kunde den Laden betrat. Mit einem kurzen Seitenblick taxierte Sciurus den Neuankömmling, griff dann nach dem Fleischpaket und nickte dem vermeintlichen Fleischer zu. "Vale bene."


    Als er den Laden verließ, konnte er Oculus lauernd an der nächsten Ecke ausmachen. Er nickte mit seinem Kinn die Straße entlang und bedeutete ihm, dass er folgen solle, doch erst ein paar Straßen weiter blieb Sciurus stehen, um auf den Bettler zu warten.
    "Es ist wahr, nicht wahr?" Oculus grinste sein triumphierendes, lückenhaftes Lächeln.
    "Hier hast du deinen Obulus, barbone!" Der Sklave drückte ihm das Paket Fleisch in die Hand, rotes Blut hatte sich längst durch den Fetzen Stoff gedrückt und klebte an Sciurus Händen. "Finde heraus wo er herkommt, wie er sich nennt, wo er sich sonst noch herumtreibt und wo er seine Nächte verbringt. Sorgt dafür, dass niemand ihm zu nahe kommt und wenn er irgendwo auffällig wird, dann verhindert das, aber passt auf, dass ihm nichts passiert. Hast du verstanden?"
    Der Bettler wusste zwar, mit wem er es zu tun hatte, doch alles gefallen lassen musste er sich nicht. Unschuldig blickte er von unten zu Sciurus herauf. "Das ist ziemlich viel für ein Stück rohes Fleisch, findest du nicht? Wer bezahlt das alles, was mich den ganzen Tag von meiner Arbeit abhalten wird?"
    "Mein Herr wird dafür aufkommen."
    "So so, dein Herr? Nun, dann werde ich mir besonders große Mühe geben."


    An einem der öffentlichen Brunnen wusch sich Sciurus die Hände, bevor er den Weg zu den Archiven des Cultus Deorum einschlug. Obwohl seine Gedanken nur um jene Begegnung kreisten, so musste er dennoch seine Arbeit verrichten, um nicht mit leeren Händen zu seinem Herrn zurück zu kehren, einem Herrn, dessen er sich mit einem mal nicht mehr sicher sein konnte. Doch auf dem Weg kam ihm ein weiter Gedanke, einer, der obwohl er äußerst abwegig schien noch immer die plausibelste Erklärung bot, eine Erklärung, welche er sogleich zurück in der Villa Flavia eruieren würde.

    Sciurus war es gewohnt beherrscht zu bleiben, weder die Kontrolle über sich, noch über die Situation zu verlieren, überlicherweise auch nicht über sein Gegenüber, vor allem nicht jene dieser Art. Doch Quintus Tullius brachte ihn mehr und mehr aus dem Konzept, denn er sprach mit seiner tiefen Stimme, die nicht seine Stimme war, er sprach aus seinem Gesicht, das nicht sein Gesicht war, taxierte ihn mit seinen braunen Augen die nicht seine Augen waren. Es erinnete den Sklaven an den Tag seiner ersten Demütigung, die ungleich schlimmer gewesen war, als alles was folgte, obwohl er selbst nur bei zugesehen hatte. Es kostete ihn alle Mühe, seiner Stimme einen beiläufigen Klang zu geben, denn es koste was es wolle, er musste diesen Mann irgendwie dorthin bekommen, wo er wollte, obwohl er noch nicht einmal wusste, wo dies sein sollte.


    "Der Fleischer mag denn ein konventioneller sein, aber du bist es nicht. Weder ein Fleischer, noch konventionell." Es war ein Schuss ins Blaue, denn außer, dass jener Mann erst seit kurzem in der Subura aufgetaucht war und seit noch kürzerem hier arbeitete, wusste Sciurus nicht das Geringste über ihn, auch nicht, ob er nicht vielleicht seit Jahr und Tag in einer anderen Stadt dem Fleischershandwerk nachgegangen war. Doch mit diesem Gesicht konnte man weder konventionell, noch Fleischer sein.


    "Ich nehme mal an, ich suche also nach dir." Die Tatsache war mitnichten eine Lüge, wenn auch die Annahme, denn Sciurus wusste es. Während er auf die Antwort seines Gegenübers wartete, vernahm Sciurus das Quietschen eines Schweines, welches gerade inbegriffen war abgestochen zu werden, aus dem hinteren Bereich des Ladens, und obwohl er nicht genau wusste weshalb, so schien ihm dies durchaus die passende musikalische Untermalung - womöglich, da er sich selbst ein wenig so fühlte.

    Er wusste nicht, was genau er erwartet hatte, was genau er hätte erwarten sollen, doch der Anblick des vermeindlichen Fleischers traf Sciurus wie ein harter Faustschlag mitten ins Gesicht und er konnte nicht verhindern, scharf Luft einzuziehen. Der Bart mochte nicht recht passen, denn jener Mann, zu welchem dieses Gesicht gewöhnlich gehörte, versäumte es an keinem Morgen den Tonsor oder auch Sciurus selbst zu ermahnen, gründlich zu sein. Die Haare mochten ein wenig länger sein, ungepflegt wie auch der restliche Mensch, doch Oculus lag falsch mit seiner Behauptung, jener Mann würde Sciurus' Herrn änlich sehen. Denn jener Mann sah ihm nicht ählich, er glich ihm in geradezu unheimlicher Art und Weise, und wäre nicht der scharfe Unterton seiner Stimme gewesen, zu welchem sein Herr auch bei redlicher Bemühung nicht fähig war, so wäre Sciurus ihm ohne zu Zögern zurück zur Villa Flavia gefolgt. Selbst das Muttermal auf der Wange war unter den Bartstoppeln zu erkennen. Neben der Stimme war jedoch auch der Blick ein anderer, als der seines Herren, solch abweisende Kälte hatte Sciurus noch nie darin gesehen, welche doch auch die Profession des Mannes vor ihm als Fleischer Lügen strafte, denn an anderen Männern hatte der Sklave diesen Blick oft genug gesehen, doch nie waren sie Handwerker gewesen.


    Die Situation indes war mit Sciurus' Zögern außer Kontrolle geraten, ohnehin brachte jener Anblick eine Dimension in diese Angelegenheit, über die zu entscheiden nicht angemessen für den Sklaven war. Es war nicht sein Ansinnen gewesen, irgend etwas an diesem Tag in Bewegung zu setzen, doch die Steine waren ohne jegliches Zutun bereits in Bewegung geraten und ohne sein Eingreifen würden sie im ungünstigsten Falle in einer Lawine enden. Nachdem bereits der Abschaum der Stadt Kenntnis über diese Tatsache erlangt hatte, mochten sich bald Gerüchte in Umlauf setzen, und was immer der Fleischer auch tun mochte, jene Gerüchte würden Sciurus' Herrn kaum zur Ehre gereichen. Sciurus beschloss daher all sein Glück auf den Venuswurf zu setzen.


    "Salve," sprach er schließlich trocken und nicht übermäßig laut. "Mein Herr ist auf der Suche nach einem besonderen Fleischer. Man sagte mir, ein solcher wäre hier zu finden." Beiläufig blickte er auf das Fleischermesser, welches ein Stück neben Tullius auf der Ladentheke lag.

    Ein kühler Wind fegte über Rom hinweg, schlängelte sich zwischen den Hügeln hindurch, ließ die Flammen in den Feuerschalen vor den Heiligtümern der Stadt erzittern und wehte so manch edler Dame die Palla vom Kopf. In der Subura jedoch war hiervon nur wenig zu spüren. Zu dicht stand Mietshaus an Mietshaus gedrängt, zu stickig waren die Ausdünstungen, die sich gleich Rauchschwaden aus den Läden im Erdgeschoss der Häuser drängten. Näher dem Stadtkern oder zum Esquilin hin mochte die Subura erträglich sein, doch jener Block, an dessen Ecke Sciurus stand, war durchweg schäbig.


    "Bei meiner Mutter, ich schwöre es dir! Heute Morgen, wie seit einigen Tagen, ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen!"
    Mit grimmigem Gesichtsausdruck taxierte Sciurus die belebte Straße. "Du solltest zu allen Göttern beten, dass es wahr ist, denn anderenfalls werde ich dafür Sorge tragen, dass du nie wieder etwas siehst, ebenso wenig wie deine Mutter." Sein Blick wandte sich dem verdreckten Mann zu, der gebückt neben ihm an einer Mauer kauerte, und der viel zu dick war für einen Bettler der Subura. Doch Oculus war kein gewöhnlicher Bettler, jene Münzen, welche in spärlicher Manier den Weg in seine abgenutzte Holzschüssel fanden, waren für ihn nur ein Zubrot. Speisen tat er in den Gefilden unter der Stadt, gemeinsam mit jenen Männern, für welche er Augen und Ohren offen hielt. Mächtige römische Bürger nahmen selten Notiz von jenen unter ihnen, Sklaven nahmen sie kaum wahr, doch noch weniger beachteten sie die Bettler zu ihren Füßen - sie fürchteten einzig und allein ihresgleichen, daher konnte der richtige Abschaum platziert an der richtigen Ecke durchaus mehr von Nutzen sein, denn jeder Spion. Oculus war ein winziges Korn in der gewaltigen Sanduhr, sein Wissen verkauften andere Männer mithilfe wiederum anderer Männer, wodurch sich ein weitreichendes Geflecht an Beziehungen bildete. Irgendwo außerhalb dieser Sanduhr, doch inmitten des Netzgeflechtes stand auch Sciurus, wenngleich er niemals Vergleiche zwischen dem schäbigen Bettler und sich selbst ziehen würde, und dieser Umstand war es gewesen, welcher ihm zeitig die Information zugespielt hatte, deretwegen er nun in der Subura stand.
    "Wenn du ihn gesehen hast, dann weißt du, wo du deinen Obulus hinerlegen kannst." Oculus grinste beinahe zahnlos und hinkte eilig davon.


    Obwohl Sciurus ihm kein Wort glaubte, so musst er dem doch auf den Grund gehen, war Oculus doch nicht der einzige, der ihn in der Subura gesehen haben wollte. Allein die Vorstellung war geradezu lächerlich, selbst wenn er die Subura betreten würde, so würde er dies nicht ohne ihn und schon gar nicht ohne sein Wissen tun. Die Vorstellung, dass er es doch tat, dies kränkte Sciurus, und ein winziger Funken Furcht erwuchs in ihm, davor, was er in jenem Schlachthaus vorfinden mochte. Er stand über vielen Dingen, war gegen vielerlei gefeit, einzig und allein dadurch, dass er nichts allzu nah an sich herankommen ließ, doch bedingungslose Treue gegenüber seinen Herren war immer eine Ausnahme gewesen. Der Sklave gab sich einen Ruck, ging mit festen Schritten und verschlossener Miene die Straße hinab und betrat schließlich den Laden des Fleischers. Es roch nach Blut, nach viel Blut, und Sciurus' Nasenflügel bebten obdessen leicht.

    Da die Tempel während der Parentalia geschlossen waren, verbrachte Sciurus' Herr viel Zeit in der Villa, und da er sich auf sein bevorstehendes Amt als Vigintivir vorbereitete, brauchte er allerlei Informationen, von welcher es an Sciurus war, jene in den Archiven der Stadt zu beschaffen. Gleichsam bot dies dem Sklaven die Gelegenheit, anderen Geschäften nachzugehen, denn wie lange Informationsbeschaffung dauerte, dies war unmöglich im Vorneherein zu sagen, obwohl es seinem Herrn ohnehin nicht auffiel, wenn er erst unbotmäßig spät am Abend in die Villa zurück kehrte. Die Archive hatten schon geschlossen, da trieb sich Sciurus darum noch immer in den Gassen Roms herum, genauer gesagt in jenen der Subura, holte andere Art von Informationen ein, bevor er an der schmalen Haustür einer schäbigen Insula klopfte und eingelassen wurde. Wortlos führte der hagere Mann hinter der Tür ihn durch eine Werkstatt, in welcher Ton in allerlei verarbeiteter und unverarbeiteter Form lagerte, führte ihn bis in einen kleinen Raum, welcher über und über voll Kisten gestapelt war. Der Hagere schob einen Stapel bei Seite, zog einen schäbigen Sack vom Boden und öffnete die darunter zum Vorschein kommende Luke. Noch immer wortlos drückte er Sciurus eine Fackel in die Hand, entzündete sie mit einer Öllampe und nickte in die Dunkelheit zu seinen Füßen hinab. Es gab wenige Häuser in Rom, welche einen direkten Zugang zu den Kanälen besaßen, der nicht durch das Loch einer Latrine führte, und um so begehrter waren sie bei jenen, welche die Kanäle für ihre eigenen Zwecke nutzten. Die Insula, zu deren Wurzeln Sciurus nun in das Gewirr aus dunklen Gängen trat, lag nicht so weit im Inneren der Subura, als dass sie mit ein wenig Arbeit nicht ein angenehmes Haus hätte sein können, in dessen Erdgeschoss florierende Geschäfte ihren Platz, im ersten Stockwerk durchaus gut betuchte Händler und in den oberen Stockwerken andere Personen eine Wohnung hätten finden können, als das Gesindel, welches dort hauste und zum widerlichsten Bestandteil Roms gehörte. Doch der Mann mit der Maske protegierte jenes Haus und solange er dies tun würde, würde kein Mensch bei Verstand auf die Idee kommen, in jenes Gebäude einen Schritt tun zu wollen, alleine aus Furcht sich schon beim Betreten eine Krankheit zu holen. Die meisten Menschen, die an jenem Haus vorbei liefen taten dies sogar, ohne es eines Blickes zu würdigen, womöglich aus der gleichen Furcht heraus nur bereits auf den Anblick bezogen.


    Seine Füße lenkten Sciurus beinahe wie von selbst, er kannte diese Gänge lange genug. Wo der Vogelmann derzeit residierte, dies hatte er bereits an der Oberfläche der Stadt erfahren, so dass er nun nicht erst nach den Zeichen ausschau halten musste. Es blieb ihm erspart, sich der Cloaca Maxima all zu weit zu nähern, denn sein Weg führte ihn nach Norden hin, Richtung der Via Lata. Natürlich war auch hier der Gestank des Abwassers nicht parfümiert, doch nichts hielt dem Vergleich mit dem großen stinkenden Wasser stand, welches den Dreck zum Tiber hin führte. Sciurus nahm einige Abzweigungen, folgte dem Verlauf eines langen Rinnsals, bog noch ein paar Mal ab und klopfte schließlich zwei mal lang und einmal kurz an eine hölzerne Tür, die den Anschein erweckte, als wäre sie in den letzten hundert Jahren nicht geöffnet worden. Er wusste, dass dies mitnichten der Fall war, und es verwunderte den Sklaven immer wieder ein wenig, wie dies möglich war, doch er machte sich wenig Gedanken darüber, sollte man sich doch nicht über allzu viel im Regnum obscurum wundern.


    Die Pforte öffnete sich und sogleich fiel Sciurus helles, warmes Licht von unzähligen flackernden Lampen und Fackeln entgegen. Er betrat einen großen Raum, beinahe ein Halle, in der sich eine größere Ansammlung der verschiedensten Gestalten tummelte. Er mochte es nicht, wenn der Mann mit der Maske sich in Gesellschaft befand und in eben jener Gesellschaft seine Geschäfte abschloss, Sciurus trat ihm lieber allein gegenüber. Doch der Vogelmann war genau dann genau dort wann er wo sein wollte, und niemand stellte dies in Frage oder kam auch nur auf den Gedanken, ihn um eine diesbezügliche Änderung zu bitten. Ungeduldig reihte sich Sciurus zu den Wartenden, trug jedoch dafür Sorge, dass er den meisten anderen Bittstellern vorgezogen wurde, denn immerhin stand ihm nicht jene Zeit zur Verfügung, welche die unnützen Maden dieser Gesellschaft für sich gepachtet hatten.


    Als er schließlich vor jenem Tisch stand, an dem der Vogelmann seine Geschäfte abwickelte, begrüßte ihn dieser mit einem Nicken und Sciurus glaubte einen Hauch von Belustigung in seiner Stimme zu vernehmen.
    "Sieh an, sieh an. Ich dachte schon, dein Herr würde dich nicht mehr hinaus lassen. Oder war es vielleicht Sica, der dich hinter den dicken Mauern der Villa Flavia hielt?"
    "Ich hatte zu tun." Sciurus zog ein Bündel Papyrus aus einem Beutel und warf sie auf den Tisch. "Es ist mehr, als du brauchen wirst, aber was du brauchen wirst, ist dabei."
    "Du bist wohl wie immer nur wegen des Geschäfts hier, hm? Zu schade, dabei wollte ich dir ein wenig über deine kleine Freundin erzählen. Nun denn, richte Sica aus, dass sie sich noch immer in der Stadt herumtreibt. Wahrscheinlich weiß er es ohnehin schon, aber diese Information ist für euch kostenlos. Nicht, dass sie ein Problem wäre, dafür ist sie viel zu dumm. Andererseits sind es manches mal gerade die Dummen, die gefährlich sind." Er wackelte unschlüssig mit dem Kopf, der Schnabel an seiner Maske verstärkte den Eindruck der Bewegung noch.
    "Das dumme Ding? Sie treibt sich in der Subura herum, Malleus hat es mir schon gesagt." Sciurus hatte ein wenig mit sich gehadert, als er jene Information erhalten hatte. Er hasste diese Sklavin, er hasste alle blonden Germanen, wie er alle Germanen überhaupt hasste, denn nichts erinnerte ihn so sehr an seine schäbige Mutter und an jene blasse Ahnung eines Mannes, der sein Vater gewesen sein musste. Doch letztlich stellte sie tatsächlich keine Gefahr dar, für nichts und niemanden, darum war es Verschwendung, auch nur über ihr Leben nachzudenken, weswegen er das Thema wechselte. "Hast du noch etwas für mich?"
    Ein eifriges Nicken bewegte den Kopf hinter der Maske. "Ja, ja, tatsächlich habe ich noch etwas. Wir benötigen ein weiteres Siegel, das letzte ist uns ... nun, sagen wir, es ist uns bei einem bedauerlichen Unfall abhanden gekommen."
    Die Miene des Sklaven verdunkelte sich. "Du weißt, dass ich es nicht mag, meinen Herrn in diese Dinge hinein zu ziehen. Tut es kein anderes Siegel? Das eines Pontifex, meinetwegen auch das des Pontifex Maximus?"
    "Ach, ach, Sciurus, du musst dich endlich von dieser närrischen Treue gegenüber deinem Herrn lösen. Was nützt uns das Siegel des Pontifex Maximus, wenn jedes Dokument fünfmal überprüft wird? Jeder Mann muss wissen, wann er bescheiden sein muss, kein Mensch schaut auf die Weisung eines Sacerdos. Zudem wird dein Herr ohnehin nicht mehr lange Mitglied des Cultus Deorum sein, davon abgesehen, dass es hunderte Sacerdotes gibt, sollte also etwas schief gehen - was es nicht tun wird - so wird niemals etwas auf ihn zurückfallen. Also tu mir den Gefallen, Sciurullus."
    Es war nicht etwa so, dass Sciurus eine große Wahl hatte, denn dem Mann mit der Maske schlug man keinen Gefallen ab, wollte man nicht vorzeitig aus dem Geschäft aussteigen, da nützte auch kein Zorn über die Art und Weise, wie er sich die Dinge nahm, etwas. "Ich werde sehen, was sich machen lässt. Zur Zeit sind die Parentalia und die Amtsübernahmen können jederzeit stattfinden."
    "Oh ja, mal sehen, möglicherweise könnte uns ein Vigintivirensiegel auch von Wert sein, von denen gibt es immerhin auch mehrere. Allerdings ist es vielleicht schon wieder zu auffällig. Nun, du machst das schon, da bin ich mir sicher. Das war alles, du kannst gehen." Der Vogelmann nahm eine Mandel aus einer Schale vom Tisch und steckte sie in seinen Mund. Sciurus' Angelegenheiten waren damit für ihn erledigt.


    Der Sklave verließ das Schattenreich auf gleichem Wege, wie er hinab gelangt war, durch jene schäbige Insula in der Subura. Der Mann in der Werkstatt des Töpfers sprach wiederum kein Wort als er ihn in das dämmrige Licht hinaus auf die Straße ließ. Sciurus blickte sich kurz um, ging einige Schritte bis zu einer Garküche, vor welcher er stehen blieb und taxierte von dort aus die vorbeigehenden Menschen, bevor er sich auf den Weg zurück zur Villa Flavia machte.

    Mit regungsloser Miene beobachtete Sciurus seinen Herrn. Um zu erkennen, dass jener bereits jenseits seiner Grenzen und am Verlust seiner Muttersprache angekommen war, dazu musste der Sklave nicht erst warten, bis Gracchus versuchte sich zu erheben. Als jener dies jedoch versuchte, war auch für Sciurus der Zeitpunkt gekommen, das Fest zu verlassen, denn sein Dienst würde erst dann enden, wenn sein Herr mit breitem Schädel im Bett lag, Saturnalia hin oder her. Er nickte Sica zu, stand auf und half seinem Herrn auf die Beine, darauf bedacht Gracchus' Schwanken so gut als möglich auszugleichen. Für einen Moment hatte es den Anschein, als wollte sein Herr noch einige großspurige Worte zum Abschied verlieren, doch schließlich winkte er nur ab und ließ sich von Sciurus zu seinem Cubiculum geleiten.

    Das Bild, welches sich dem Sklaven am nächsten Abend darbot als er den Raum betrat, war ähnlich dessen des vorangegangen Tages. Gracchus saß hinter seinem Schreibtisch, Pergamente, Papyri und Tabulae vor sich ausgebreitet, einen Griffel in der einen Hand über eine Schrift gebeugt. Er prüfte die Finanzen des flavischen Haushaltes, war gerade dessen inbegriffen einige Summen zu berechnen und ließ Sciurus daher einige Momente lang unbeachtet im Raum stehen, bevor er sich ihm zuwandte.


    Den ganzen Tag über hatte Sciurus nichts anderes getan, als sich in der Stadt herumzutreiben und Nachforschungen bezüglich jener ominösen Einladungen des Claudius Vesuvianus anzustellen, welche unter anderem die Villa Flavia, nicht jedoch seinen Herrn, erreicht hatten. Ein Sklave, welcher von seinem Herrn aus Mantua geschickt worden und in Rom dahingehend nicht bekannt war, blieb in der Hauptstadt nicht unbeachtet. Trotz dessen, dass die Urbs Aeterna längst über den Status eines Dorfes hinaus gewachsen war, so schien sie in mancherlei Hinsicht sich noch immer nicht sehr von jenem zu unterscheiden. In den einzelnen Vierteln der Stadt kannten sich die meisten Menschen untereinander, wussten über alles und jeden Bescheid, und wer wusste, wo er seine Ohren hinhalten musste, der konnte dies ebenfalls in Erfahrung bringen. Noch vorteilhafter war es, wenn viele Ohren lauschten, und diese das Gehörte an ein einziges weitergaben. Sciurus kannte den Mann, welchem dieses Ohr gehörte, und für einen Gefallen hatte er die Informationen erhalten, welche seinen Herrn so dringend interessierten. Obwohl es nur Namen waren, so konnte man sicherlich mit ein wenig Überlegung die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.


    "Ich habe mich bezüglich der Einladungen umgehört, Herr. Der claudische Sklave wurde an der Casa Octavia gesehen, jene wird zur Zeit hauptsächlich von den Senatoren Octavius Victor und Octavius Maximus bewohnt. Weiters brachte er eine Nachricht zur Casa Purgitia, dort wohnt nur Senator Purgitius Macer, und dies war zweifellos eine Einladung. Zwei Nachrichten, für die Senatoren Hungaricus und Lucianus, erhielt das Haus Vinicia, wobei dort ebenfalls alles darauf hin deutet, dass es sich tatsächlich um Einladungen handelte. Dazu wurde der Sklave an der Villa Tiberia gesichtet, mindestens eine Einladung beinhalteten die Boschaften zweifellos, doch es ließ sich nichts über die genaue Anzahl herausfinden. Zu guter Letzt gab er eine Nachricht an der Pforte des Kaiserpalastes ab, die Sklaven dort sind jedoch äußerst verschwiegen und es ließ sich nicht feststellen, ob dies eine Einladung war und ob sie einem Mitglied der kaiserlichen Familie oder einem des Hauses Aelia galt."

    Der junge Sklave eilte sich, um das Arbeitszimmer des Hausherrn zu erreichen, denn er fürchtete sich vor Felix' Zorn. Jeder Sklave im Haus fürchtete sich vor Felix' Zorn. Er kündigte mit knappen Worten an, dass Flavia Calpurnia untertänigst darum bat, mit dem Senator sprechen zu dürfen und erwartete im gleichen Atemzug bereits, dass Felix seinen Zorn ob dieser Dreistigkeit an ihm würde auslassen. Doch der Junge hatte Glück, schon war er aus dem Raum entlassen, und er eilte sich zurück zur Tür zu gelangen, um die Flavia zu seinem Herrn zu bringen.


    Nur wenige Minuten später klopfte er noch einmal leise an die Tür, trat ein und kündigte den Besuch an.

    "Der Senator ist äußerst beschäftigt. Ich werde sehen, ob er Zeit erübrigen kann, deine Herrin zu empfangen." Er wandte sich um und schickte mit einem Wink einen jungen Sklaven fort, der den Herrn ausfindig machen würde. Acanthus blieb an der Türe und starrte die Sklavin einfach nur an.


    Nach kurzer Zeit kehrte der junge Sklave zurück und teilte dem Ianitor leise mit, dass der Senator Calpurnia empfangen würde. "Deine Herrin mag eintreten, der Junge wird sie zu Senator Flavius bringen."

    Sim-Off:

    Acanthus ist der Ianitor, ein NSC.


    Zitat

    Original von Rebecca
    "Ich will nichts verkaufen! Sehe ich so aus?", raunzte ich zurück, "Meine Herrin, Flavia Calpurnia, ist aus dem Exil zurück und wünscht deinen Herrn zu sprechen.".


    Die unfreundliche Art tangierte Acanthus nicht im Geringsten, denn er wusste, dass ihre Unfähigkeit nicht auf ihn zurückfallen würde. Der Name ihrer Herrin indes verwunderte ihn schon mehr, war sie doch eine der hispanischen Flavia, deren Name noch immer auf der Liste prangerten. Da sie jedoch nicht Einlass begehrte, sondern das Gespräch mit einem der Herren suchte, würde er nachfragen müssen. "Welchen der Herren, es wohnen dieser Tage einige in diesem Haus?"

    Nachdem Acanthus die Porta geöffnet hatte und den Pomp davor sah, musste er nicht lange fragen, wer der Besuch sei. Der Mann war ihm angekündigt worden und sein Auftreten ließ keinen Zweifel daran, dass er es war, welcher zum Mahl geladen war. Der Ianitor ignorierte den Sklaven und sprach direkt zu Tiberius Durus, um ihn zum Triclinium zu gleiten.
    "Salve, Aedilis Curulis. Du wirst bereits erwartet."

    Es war ein trauriges Schauspiel, wie die Damen und Herren sich langsam in einen Dämmerzustand tranken, doch keiner von ihnen würde sich davon abhalten lassen. Sciurus verweilte indes in seiner Stille, enthielt sich jeglichen Kommentares bezüglich seines eigenen Herren oder den Worten seines eigenen Herren bezüglich seiner eigenen Person. Spätestens nach den Saturnalia würde sich Gracchus wieder dessen erinnern, weshalb er auf seinen Sklaven angewiesen war. Doch so lange musste er nicht einmal warten, sein Herr brauchte ihn schon wenige Augenblicke später.


    "Das Geschenk für den jungen Serenus, Herr." Auf einen Wink hin verließen zwei der Freien den Raum und kehrten wenig später mit einem nicht gerade kleinen Geschenk zurück. Es war in etwa in der Form eines Kastens, von einem großen blaufarbenen, samtenen Tuch bedeckt. Sie stellten dies vor Serenus Kline ab, sodann zog einer mit einer fließenden Bewegung das Tuch hinfort. Darunter kam ein kleiner Streitwagen zum Vorschein, das Holz war weißfarben gestrichen, die Speichen der Räder, der Saum des Geländers und die Deichsel silberfarben. Er hatte genau die passende Größe, dass ein Junge wie Serenus damit durch die Rosenbüsche seines Onkels Felix würde fahren können, sofern er eine geeignete Rennziege oder seinen Hund davorspannte.


    "Es ist ein Exemplar aus dem Hause Hermes, mit doppelspeichigen Rädern, vorgelagerter Achse und Kombinationsdeichsel," erkläuterte Sciurus dem Neffen seines Herrn fachkundig. Zudem war es ein völlig überteuertes Geschenk, völlig überflüssig in den Augen Sciurus', da der junge Herr es sicherlich ohnehin binnen weniger Tage gegen irgend eine Wand setzen würde.

    Zitat

    Original von Rebecca
    POCH POCH POCH


    Erbost kehrte Acanthus, der Ianitor der Flavia, zur Türe zurück. Erbost deswegen, weil es bereits wieder an der Türe klopfte, weil er keine Minute austreten konnte, ohne dass einer von diesen aufdringlichen Botenjungen aus der Villa Cornelia vor der Türe stand um dem jungen Herrn seine hochwichtigen Briefe zu bringen. Echte Patrizier schrieben lange Briefe in die Fremde, in die Provinzen, woraufhin sie monatelang auf Antwort warten mussten, doch dieses Gör musste mit dem Nachbarsjungen Botschaften austauschen, die alle paar Minuten beantwortet wurden, zumindest schien es Acanthus so. Er riss die Türe auf, im Ansinnen seine Misslaune am dahinter stehenden Jungen auszulassen, der solch einen Radau produzierte, doch in der Hälfte seiner Bewegung stockte er und sein grimmiges Gesicht wurde zu einer starren Maske. Er hatte nicht erwartet, dass eine Frau dermaßen an die Tür schlug, dass es sicherlich durch die gesamte Villa zu hören war. Obwohl sie nicht das ursprüngliche Ziel seiner Laune war, so besserte sie sich dennoch nicht, immerhin war die Frau ebenfalls augenscheinlich eine Sklavin. "Was willst du? Wir kaufen nichts."

    Acanthus öffnete die Türe gänzlich. "Dein Herr kann eintreten und im Atrium warten, ich werde sehen, ob mein Herr bereit ist, ihn zu empfangen."


    Einen Wink später stand ein junger Sklave bereit, um den Senator in das Atrium zu geleiten.

    Der Sklave begleitete Senator Prudentius bis in das Atrium der Villa Flavia, während der Ianitor selbst den Herrn Furianus benachrichtigen ging. Ob der noch immer winterlichen Lichtverhältnisse brannten im Atrium die Kerzen hinter den Ahnenmasken der Flavia und ließen diese goldfarben flackern. Zudem waren an den schmalen Seiten des Raumes kleine Kohlebecken aufgestellt, welche leise knisternd ihre Wärme in den Raum abgaben, welcher sie jedoch nur unzureichend hielt, bevor sie durch das Compluvium in den kalten Tag über Rom entwischte.

    Der Ianitor, bisher hinter der Türe verborgen, trat an die Porta heran und öffnete diese. Acanthus, so sein Name, bedachte den vor der Tür stehenden Sklaven mit abschätzigem Blick und registrierte aus den Augenwinkeln heraus die Sänfte dessen Besitzers.


    "Salve. Wer ist dein Herr und was will er?"

    Sciurus war lange genug Sklave - er war bereits als Sklave geboren worden - um dem instinktiven Verlagnen, seine Augen einwärts zu drehen, zu widerstehen. Sein Herr vermittelte bereits den Anschein, als könne er jeden Moment von der Kline kippen, und dennoch oder gerade deswegen schwang er große Reden. Zudem begann er bereits in Erinnerungen an Achaia zu schwelgen. Seit der Zeit, da er ihm diente, hatte Sciurus seinen Herrn nur ein einziges Mal bedenklich betrunken erlebt. Es war einige Tage nach dem fatalen Zusammentreffen mit dem Herrn Aquilius gewesen. Mehrere Tage lang war Gracchus mehr neben sich, denn er selbst gewesen, hatte sich in sich gekehrt und seine Aufgaben nur durch den Drang der Routine verrichtet, bis er schließlich an jenem Abend in seinem Cubiculum dem Wein verfiel und versuchte, seinen Kummer in der ungewässerten, blutroten Flüssigkeit zu ertränken. Nachdem er sich über die Ungerechtigkeiten der Welt und das Leid des Lebens ausgelassen hatte, hatte er begonnen von den wilden Abenden in Achaia zu berichten. Im Laufe der nachfolgenden Zeit hatte Sciurus herausgefunden, dass es immer die gleichen, nur wenige Abende waren, von denen Gracchus so gern berichtete, doch sie schienen seinem Herren wahrlich einprägsam in Erinnerung geblieben zu sein, und bedachte man in welch Gegensatz sie zu seinem sonstigen Leben standen, so war dies vermutlich nicht verwunderlich.


    Dennoch war sich Sciurus nicht sicher, ob dieser Saturnalienabend dazu geeignet war, ein solch denkwürdiger Abend zu werden, oder ob es nicht seinem Herren zuträglicher war, ihn frühzeitig von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Doch vermutlich würde dies ohnehin nicht einfach sein. So spielte er denn weiter das Spiel mit, hob seinen Becher, auf dass sein Herr zufrieden sein mochte, und erhob ebenso seine Stimme. "Um den Nachtisch einzuleiten, gebietet der Rex Bibendi die Becher zu leeren, um mit dem Inhalt das Hauptmahl herunter zu spülen."


    Sciurus leerte seinen Becher, der noch immer mit äußerst wässrigem Wein gefüllt war, und winkte den Freien sodann, auf dass sie den Nachtisch servieren mochten. Als die Platten abgetragen waren, brachten sie zuerst wiederum Schüsseln mit lauwarmem Wasser zur Reinigung der Hände, dann schließlich folgte die Nachspeise. Es gab ein silbernes Tablett mit Gebäck aus Blätterteig, bestrichen mit Honig und Pfeffer, eine Schüssel voller mit Topfen, Honig und Pinienkernen gefüllten Datteln, eine Platte voller Birnen, die mit einer Sauce aus Wein, Honig und Gewürzen übergossen war, und schlussendlich einige Platten und Schüsseln voller diverser Früchte, von welchen einige bereits keinen Platz mehr auf dem Tisch fanden und so durch die Freien auf Wunsch herumgereicht wurden.

    Das Geschehen rund um den Tisch war äußerst fad anzuschauen. Geschenke wurden hin- und her- und von der einen zur anderen Seite gereicht, wo sie ausgepackt und betrachtet wurden, manches mal mit anscheinend eher vorgetäuschter, manchesmal dagegen gar mit echter Freude. Dazwischen ging immer wieder jemand hinaus oder kam hinein, doch sonderlich spektakulär war nichts. Selbst der Sohn der Lupa und der Germane beherrschten sich, zu ihrem eigenen Glück, und trugen in zurückhaltender Weise zur allgemeinen Farce bei. Sciurus bedachte seinen Herrn mit großer Aufmerksamkeit. Für eine Weile schien ihn etwas zu beunruhigen, Sciurus kannte den nachdenklichen Ausdruck auf Gracchus' Gesicht nur allzu gut und er hätte gerne gewusst, was im Kopf seines Herrn genau vor ging. Doch sobald dieser sich wieder am Geschenkereigen beteiligte, war auch jenes Zögern von ihm gewichen.


    Einer der Bediensteten trat zu Sciurus hin und teilte ihm leise mit, dass nun der Falerner geöffnet wurde, welchen der Herr Milo vom Markt mitgebracht hatte. Ein hintergründiges Lächeln trieb über Sciurus' Gesicht, er nickte und erhob seinen Becher. Mit seinem Messer in der anderen Hand schlug er drei mal leicht an das Gefäß, um die Aufmerksamkeit der Tischgesellschaft auf sich zu ziehen. "Verzeiht die kurze Störung, doch der Wein wird nun gewechselt. Um den Frevel einer Mischung zu vermeiden, fordert der Rex Bibendi die Becher nun zu leeren, auf dass sie mit neuem, noch schmackhafterem Wein gefüllt werden können."


    Um seiner Forderung Ausdruck zu verleihen hob Sciurus seinen eigenen Becher an den Mund und trank ihn leer. Er hatte dafür Sorge getragen, dass dieser sein eigener Becher gegensätzlich zu den übrigen nur immer mit einer äußerst leichten Wein-Wasser-Mischung befüllt wurde, zudem trank er äußerst mäßig, weshalb ihn der Inhalt des Bechers nur kaum eine Wirkung spüren ließ.