Beiträge von Petronia Arria

    Arria stürmte in den Garten, der schön wie eh und je war. Die Blumen sprießten und blühten, ein süßer Duft lag in der Luft, der jedoch bereits von der Kühle der Jahreszeit überschattet wurden. Neben einem Brunnen ließ sich Arria auf den Boden fallen, lehnte sich an den kühlen Stein und zog die Beine an sich. Sie schlang die Arme darum und versank mit ihrem Kopf zwischen ihren Armen. Wie ein kleines Häufchen sah sie aus, das nicht älter als 10 sein konnte. Und doch hatte sich dort eine 21-jährige, junge Frau niedergelassen.


    Die Tränen flossen nun in rauen Mengen und schienen nie wieder versiegen zu wollen, während sich ihr zarter Körper unter ihrem Schluchzen schüttelte. Ihr ganzes Leben schien irgendwie den Bach hinab zu gehen und das, was sie zuvor so geschätzt hatte, löste sich immer mehr in Luft auf.


    Eine ganze Weile saß sie schluchzend da, bis sich die Sonne senkte und es langsam dämmerte. Zitternd erhob sie sich, wankte in ihr Zimmer. Sie fühlte sich fiebrig und ihr war kalt.

    "Sie sah gut aus, aber wie es ihr wirklich geht, kann ich dir nicht sagen", antwortete Arria mit einem Schulterzucken. "Ich habe nur kurz mit ihr Gesprochen, um in den Cultus aufgenommen zu werden und habe sie wohl etwas enttäuscht. Ich war so furchtbar nervös, dass ich anfangs ganz vergessen habe, ihr zu sagen, dass ich nach Tarraco ziehen musste."

    Arria seufzte und nickte dann.


    "Ich liebe Imperiosus, ich sehne mich nach ihm. Aber Vater hat mir angedroht, mich mit jemand anderem zu verheiraten. Selbst wenn ich es nicht will, ich kann es nicht ändern, Tante", antwortete sie leise. Warum redete sie mit Marcia überhaupt darüber? Immerhin war ihre Tante sogar jünger wie sie und hoch angesehen. Sie war gut erzogen worden, wusste, was sich gehörte, doch inwieweit konnte Arria ihr vertrauen? Sie kannte sie doch kaum. Doch noch bevor ihre Tante wirklich darauf antworten konnte, erhob sich Arria. "Lass uns auf den Markt gehen, dort sind wir ungestört", schlug sie vor und ging mit Marcia an der Hand auf den Ausgang zu. Etwas unsicher war sie noch, dann jedoch wurde sie fester und führte Marcia zu den Märkten.

    Arria nickte leicht. Ihrem Vater widersprechen? Das würde sie nie im Leben, so erhob sie sich und reichte dem Mann das Pergament, das sie fein säuberlich zusammengerollt hatte.



    Sacerdos Titus Iulius Imperiosus
    Templum Mercuris
    Roma


    Salve Imperiosus!
    Wie lange ist es her, seit du mich verlassen hast? Wann habe ich dein Gesicht das letzte mal gesehen, wann dich das letzte Mal geküsst? Gerade in diesen Tagen wünsche ich mir nichts sehnlichster, als mich in deine Arme zu flüchten, möchte nur bei dir sein und alles vergessen, was geschehen ist.
    Stundenlang sitze ich manchmal da und male mir meine Zukunft mit dir aus, frage mich, ob du eine Frau wie mich überhaupt haben willst und verscheuche meine Zweifel mit einer Handbewegung.
    Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen!


    In Liebe,
    Arria

    Zitat

    Original von Titus Petronius Varus
    Varus runzelte die Stirn.
    "Du musst nichts zahlen. Ich wollte ohnehin eine Familienwertkarte kaufen. Jetzt habe ich wenigstens einen Grund dazu", meinte er und zog eine Schublade auf, um das dafür erforderliche Dokument herauszuholen. Er begann es auszufüllen und sprach im Schreiben weiter.
    "Wie geht es dir? Ich habe der Tage den Eindruck, du seist nicht ganz auf der Höhe. Was bereitet dir Kummer?"


    Immer noch blickte Arria auf ihre Hände. Mussten sie jetzt darüber reden? Im Officium ihres Vaters? Das war wohl kaum der passende Ort, wenn er sie zu Hause, wenn er Zeit hatte, immer abwies, wenn sie mit ihm reden wollte. Außerdem hatte sie ihren Entschluss längst gefasst und daran war nichts mehr zu ändern. Sie würde sich verändern, sicherlich, die fröhliche Arria wurde ja nicht gebraucht, nicht gewollt.


    Langsam sah sie auf und richtete sich auf, bis sie kerzengerade und ausdruckslos auf der Sesselkante saß.


    "Es ist nichts, keine Sorge. Ich habe nur eine Weile nachgedacht und den Entschluss gefasst, deinen Ansprüchen gerechter zu werden", fügte sie erklärend hinzu.

    Arria blickte sie einen Moment an, dann setzte sie sich wieder auf die Sesselkante, löste ihre Finger von denen ihrer Tante und legte sie, gemeinsam mit ihrer anderen Hand und starrte darauf, als gäbe es nur ihre Hände in diesem Moment.


    "Ich bin nicht wie du, Tante, aber ich glaube, dass sich mein Vater eine Tochter wie dich wünscht. Eine, die weiß, wie man sich benimmt, die zwar selbstständig denkt und intelligent ist, es aber für sich behält. Eine, die still ist, wenn Männer reden, die der Familia Ehre bringt durch ihr Verhalten. Eine, die nicht vorlaut ist, die mithilft, die der Familia Kinder schenkt. Seit wir hier in Tarraco sind, ist er nicht mehr der Vater, den ich kannte. Er ist strenger und er ist auch ein wenig älter, habe ich das Gefühl. Ich will nicht mit irgendeinem Patrizier, irgendeiner guten Partie verheiratet werden, damit ich der Gens noch zu etwas nütze. Ich will Imperiosus... Und ich will ihm eine gute Frau sein, aber ich habe gleichzeitig Angst, dass ich ihn noch vor der Sponsalia verliere, weil ich ihm verweigere, was er sich wünscht", antwortete Arria leise und bedächtig, ehe ihre Stimme stockte und sie die Zähne zusammen beißen musste, um ihren Tränen, die sich in den Augen sammelten, Einhalt zu gebieten. Schnell jedoch straffte sie sich wieder und blickte Marcia ausdruckslos an. "Ich werde meine Zunge im Zaum halten und der Gens nicht noch mehr Schande bereiten. Wenn ich... Imperiosus endlich wiedersehe, werde ich ihm seine Wünsche erfüllen... Irgendwie", schloss sie mit ihrem Resümee und erhob sich. "Mach dir keine Gedanken darüber, Tante. Ich habe es deinem Mann schon gesagt. Das kleine Mädchen, das im Garten Schmetterlinge gefangen hat, wird nicht mehr gebraucht... und nicht mehr gemocht", fügte sie hinzu.

    Arria nickte verständnisvoll. "Ich habe Tiberia Claudia kennengelernt. Sie kam mir ein wenig... kurz angebunden und unfreundlich vor. Aber dazu habe ich sicher auch meinen eigenen Teil zu beigetragen", antwortete Arria nachdenklich.

    Arria seufzte und schloss die Augen, blieb aber aufrecht auf der Stuhlkannte sitzen. Sie durfte sich keinen Fehler mehr erlauben, überhaupt keinen.


    "Ich sagte nicht, dass du seine Sklavin bist und ich wollte das auch niemals ausdrücken, Tante. Nur sahst du verschüchtert und klein aus und so sehen normalerweise Sklavinnen aus. Ich hatte keinen anderen Vergleich parat. Ich bin mir sicher, dass ihr eine sehr liebevolle Beziehung führt, wenn ihr alleine seid, aber ich wünsche mir, dass du auch nach außen hin eine stolze Frau bist. Mehr nicht", antwortete sie leise und biss die Zähne zusammen, damit die Tränen, die sich in ihren Augen sammelten, nicht hervortraten. Sie hatte alles falsch gemacht in letzter Zeit. Und würde es so weitergehen? Würde sie weiterhin nur Fehler begehen? Würde ihr Vater sie an irgendeinen reichen Schnösel verheiraten, der sie mehr oder minder als Eigentum ansah?


    Arria erhob sich und spürte einen deutlichen, dumpfen Kopfschmerz. "Ich werde Vater nach etwas Geld fragen", murmelte sie und widerstand dem Drang, sich an die Stirn zu fassen.

    Arria biss die Zähne zusammen, trat vor und setzte sich auf die vordere Kante, hielt die Pergamentrolle auf ihrem Schoß fest und zuckte leicht mit den Schultern.


    "ICh finde es ein wenig seltsam, dir hier gegenüber zu sitzen... Varus", antwortete sie und sprach ihn bewusst mit seinem Namen an. Hier war er ja nicht ihr Vater sondern der Praefectus Vehiculorum.

    Arria nickte unsicher und folgte ihr unsicher, setzte sich schließlich neben sie, nicht tief in den Sessel sondern nur an den Rand, die Arme auf den Knien gefalltet. "Ich... Ich habe keinen Hunger", antwortete sie und das stimmte wirklich. Sie fühlte sich irgendwie schummrig und was sie sicher nicht hatte, war Appetit. Innerlich seufzte sie, aber äußerlich war sie ruhig und blickte Marcia an.

    Arria war mit dem Rücken zum Ausgang des Atriums gestanden und drehte sich jetzt zu ihrer Tante, als diese ihre Stimme erhob.


    "Guten Morgen", antwortete Arria und lächelte sie an. "Ich wollte dich auch fragen, ob du Lust hast, mich auf den Markt zu begleiten", erwiderte sie auf deren Frage und spielte nervös mit ihren Händen. Marcia ließ sich nichts anmerken, aber die junge Frau war sich sicher, dass ihre Tante noch böse war. Tante... Wie sie es hasste, sie so zu nennen, immerhin war sie selbst älter. Es war wirklich Zeit, dass sie heiratete.

    Arria blieb noch eine ganze Weile an der Stelle stehen, an der ihr Onkel sie verlassen hatte. Die Kälte, die sich langsam durch die Kleidung schlich, merkte sie kaum und so fror sie auch nicht, selbst als sich bereits eine Gänsehaut über ihren Körper zog. Der Garten lag so friedlich da, war von allen Sorgen, die auf ihr lasteten, unangetastet. Und Sorgen hatte sie viele in diesem Moment.


    Da war einerseits die Sache mit Imperiosus. Sie hatte ihm nicht geben können, was er sich so sehr wünschte, ihre Unschuld war noch unangetastet. Sie würde ihrem Vater keine Schande durch eine ehelose Schwangerschaft machen, aber andererseits... Damals, in Ostia, wenn es gegangen wäre... Sie hätte es nicht bereut, wie groß die Schande auch gewesen wäre. Und wenn sie aus der Familia ausgestoßen worden wäre, die Vereinigung mit ihm wäre es ihr wert gewesen. Zumindest in jenem Moment, da hatte sie an nichts anderes mehr als ihre Gefühle gedacht, die Imperiosus zum Kochen gebracht hatte. Und in jenem Moment war es ihr egal gewesen. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, dann war es gut. Sie brauchte den Schutz ihrer Familie, sie benötigte die Zuneigung und die Fürsorge. Und sie wollte auch nicht mit ihrem Vater brechen.


    Ihr Vater. Das war der nächste Punkt. Die Sache mit Cinna... Die Sache mit Imperiosus... Die Sache mit ihrer Ausbildung... Im Atrium... Alles stürzte auf einmal auf sie ein. Wie konnte er überhaupt noch so freundlich zu ihr sein?


    Und dann war da auch noch Marcia. Sie hatte ein liebreizendes Wesen, aber irgendwie wirkte sie in der Öffentlichkeit so unsicher. Ganz anders als Arria selbst erzogen worden war. Sie ging mit stolz erhobenem Blick voran. Und irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie Cinna wirklich liebte, immerhin waren etliche Jahre zwischen ihnen. Er könnte fast ihr Vater sein...


    Arria holte tief Luft und wachte aus ihrem tranceähnlichen Zustand und spürte nun, dass es wirklich kalt war. Dennoch blieb sie stehen und rührte sich nicht, sondern senkte nur den Kopf. Die Steine waren wie immer und doch starrte sie lange darauf. Wie viel Zeit war vergangen, seit ihr Onkel gegangen war? Leicht zuckte sie die Schultern, als sie sich abwandte und schlotternd in ihr Cubiculum schlich.