Beiträge von Sun Cheng

    Er lächelte zufrieden. "Du bist eine gute Schülerin. Ich schätze, wir haben jetzt beide einiges zum Nachdenken und sollten das in Ruhe, jeder für sich, tun. Wir sollten uns dann vielleicht morgen wieder treffen?" Langsam begann er, die Zeichnungen wieder in seine Mappe zu sortieren.

    "Nun, die Sache, dass das wasser den Fels formt und der fels das Wasser bändigt, das ist quasi so, wie Licht und Schatten. Beide würden so, wie wir sie kennen nicht ohne den anderen existieren. Und doch kommt bei deiner Erkenntnis noch etwas hinzu, nämlich dass sich beide gegenseitig formen können."

    Cheng schaute verblüfft. "Das... also... das macht Sinn... irgendwie... ja, da ist was dran... ich danke dir. Du hast mir gerade eine neue Erkenntnis gegeben."

    "Früher waren mir meine Privilegien, mein Rang, mein Geld und viele andere Belanglosigkeiten wichtig. Das war, bevor ich das alles verloren hatte. Auf meinem weg hierhin kam ich oft bei einfachen Leuten unter, Bauern oder Nomaden, die kaum etwas besaßen. Und da erkannte ich die Bedeutung der Texte, die mir als Kind beigebracht wurden. Materielles hat keinen Wert, denn es kann einem genommen werden. Ungeduld hat auch keinen Wert, denn sie verursacht nur Leiden. Gute Taten haben Wert, denn sie bereiten einem Freude. wenn man das alles und noch viel mehr erkannt hat, dann wird man wohl so... denke ich jedenfalls." Er lächelte und zuckte mit den Schultern.

    "Als dein Shi muss ich es. Sonst wäre ich ein schlechter Shi." Er sah sie einen Moment lang nachdenklich an. "Außerdem ist es richtig. Und es ist wichtig, das Richtige zu tun."

    "Es gibt einen Unterschied zwischen wollen und können, Pentesilea. Und das wollen ist unserem Geist oder Körper egal, wenn er es nicht kann." Er lächelte verständnisvoll. "Aber ich kann deine Beweggründe durchaus nachvollziehen. Und nun, versuche, nicht zu verkrampfen, sondern konzentriere dich nur auf deinen Atem. Atme ganz bewusst, genieße die frische Luft in dir. Denke an nichts." Er hoffte, dass ihr das helfen würde.

    "Du hast dich doch zumindest an etwas erinnert. Der Rest wird auch noch kommen," sagte er sanft, "Habe Geduld. Versuche nicht, deinen Geist zu lenken. So weit bist du nicht, dass du es versuchen könntest. Und das ist nicht als Beleidigung gemeint, sondern als Rat von mir als dein Shi."

    Er nickte und lächelte sanft. "Schäme dich nicht für deine Tränen und versuche nicht, sie aufzuhalten. Lass es heraus. Danach wird es dir besser gehen."

    Cheng zog ein kleines Seidentuch hervor und wischte ihr damit sanft die Tränen weg. "Das Bild hat Erinnerungen geweckt, richtig? Gute oder schlechte? Oder wieder nur ein weiteres Mosaiksteinchen, das sich noch nicht in das Gesamtbild einfügt?"

    "Nun, so lange das Wissen da ist, wenn man es braucht, reicht es doch," sagte er, während er in seiner Mappe nach einer ganz bestimmten Zeichnung suchte. "Weißt du, ich..." er hatte die Zeichnung gefunden. Genau genommen waren es mehrere zeichnungen, die Petra, die in den Fels gehauene Stadt der nabatäer zeigten. "Hast du diese Stadt schon einmal gesehen?"

    Cheng nickte und nahm sich eine Lanze. Dann ging er wieder auf die Pfähle. zunächst begann er, einige Stiche nach vorn auszuführen, dann machte er Abwehrbewegungen mit der Lanze und schließlich wirbelte er die Lanze regelrecht um seinen Körper, wobei er mehere Schritte auf den Pfählen machte, um seine Richtung zu ändern und erneut einen fiktiven Gegner anzugreifen, bis er schließlich stehen blieb. Die Lanze hielt er, über seinen rechten Unterarm gelegt, in seiner rechten Hand. "Irgendwann konnte ich so etwas auch mal mit einem Schwert, aber da bin ich aus der Übung."