Beiträge von Decimus Pompeius Strabo

    Wie jeden Morgen stand ich früh auf, um noch etwas vor der Stadt trainieren zu können. Nachdem ich mein Paket gepackt hatte, trat ich aus der Tür hinaus in die noch ruhigen Straßen des Villenviertels. Pfeifend trat ich um eine Ecke, als mir eine weinende Frau auffiel, die scheinbar gefallen war. Mit einigen Schritten war ich bei ihr.


    "Lucia..."


    Ich half ihr auf und hielt sie beruhigend fest.


    "Was ist denn los? Beruhige dich erst einmal!"

    Lucius blickte den Mann mit gleichgültiger Miene an. Was bildete sich dieser Miles eigentlich ein? Stolzierte durch den Raum, als wäre sein Gegenüber nichts wert. Dabei kannte Lucius die klassischen Verhörmethoden bestens. Ein leises Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und er blickte Decius durchdringend an. Vor sich sah der alte Vigil einen jungen, unverbrauchten Soldaten, der seine besten Tage noch vor sich haben würde. Er selbst war ein Mittvierziger, dem die Lebenserfahrung durch jede Vene seines Körpers floss.


    Und sein Leben war schön gewesen. Mit Freuden dachte er zurück an die Zeiten bei den Vigiles. Unter seinem Optio Strabo gedient zu haben war für ihn eine Ehre gewesen. Langsam trat wieder der Raum und der Prätorianer in sein Sichtfeld und er dachte daran, was ihn noch erwarten würde. Kein Wort würde über seine Lippen treten, kein Laut würde Worte formen. Sein Leben war in diesem Augenblick nichts wert.

    Problemerörterung
    Thema: Der Große Brand Roms unter der Herrschaft des Kaiser Nero


    Gliederung:


    1. Einleitung
    1.1. Beschreibung des historischen Kontext
    Was passierte in der Nacht vom 18. zum 19. Juli 64 n. Chr.?
    1.2. Kurze Biographie der Historiker, denen das Gerücht, Nero sei der Usurpator des
    Brandes, zugrunde liegt.
    1.2.1. Publius Cornelius Tacitus
    1.2.2. Gaius Suetonius Tranquillus
    1.2.3. Cassius Dio
    1.3. Problemstellung
    War Nero für den Brand Roms verantwortlich?
    2. Hauptteil
    2.1. Rolle Neros aus der Sicht von Tacitus, Sueton und Cassius Dio
    2.1.1. Ein Gerücht bringt den Mythos hervor
    2.1.2. Neros Auftreten während des Brandes
    2.1.3. Grund des Brandes aus Sicht der antiken Historiker
    2.2. Rolle Neros aus Sicht der heutigen Geschichtswissenschaft
    2.2.1. Wahrscheinliche Ursache des Brandes
    2.2.2. Neros Verfassung in der Nacht des Brandes
    2.2.3. Brandbekämpfung und nachfolgende Aktionen
    2.3.4. Widerlegung der Thesen der oben genannten Historiker
    3. Schlussteil
    3.1. Nero war wahrscheinlich nicht verantwortlich für den Brand.
    3.2. Schrittweise Besserung des Rufes durch moderne Geschichtsschreibung





    1.1.
    In der Nacht vom 18. zum 19. Juli des Jahres 64 n. Chr. brach in Rom ein Brand bisher ungekannten Ausmaßes aus. Als Stadtteil, in dem der Brand entstanden ist, gibt uns Tacitus folgende Angabe: „Es brach in dem Teil des Circus aus, der nach dem Palatinus und Caelius hin gelegen ist. Dort in den Verkaufsbuden, wo die Waren den Flammen Nahrung boten, entstand es breitete sich vom Wind begünstigt sofort aus und ergriff den Circus in seiner ganzen Länge.“[1] Die engen Gassen, das ungünstige Brandbekämpfungssystem und vor allem ungünstiger Wind waren Faktoren dafür, dass sich das Feuer rasch ausbreitete („So machte er alle Rettungsversuche zunichte, weil er zu schnell fortschritt und die Stadt mit ihren engen, winkeligen Straßen und unregelmäßigen Häuserreihen – so was das alte Rom – der Gefahr besonders ausgesetzt war.“)[2]. Von den insgesamt vierzehn Stadtteilen Roms wurden drei, Circus Maximus, Palatin und der „Isis und Serapis“ genannte, völlig zerstört, in weiteren sieben hielt sich der Schaden in Grenzen, und nur vier, Esquilin, Porta Capena, Alta Semita und Trastevere, blieben unversehrt.
    1.2.
    Um zu verstehen, wie das unterschiedliche Bild Neros in dieser Zeit zustande, muss man auf die historischen Autoren eingehen, die Neros Charakterbild zeichneten. Zuerst werde ich dazu eine Kurzbiographie Tacitus’ liefern, danach die Suetons und schließlich die von Cassius Dio.
    1.2.1.
    Publius Cornelius Tacitus wurde 55 n. Chr. geboren. Über sein Leben existieren nur verstreute Zeugnisse. Diese stammen von ihm selbst und von seinen Zeitgenossen. Wahrscheinlich stammte seine Familie aus einer der römischen Provinzen, vielleicht Gallia Cisalpina oder Gallia Narbonensis. Er starb 115 n. Chr. Seine Werke, die uns auch von Neros Herrschaft berichten, sollte man kritisch betrachten. Tacitus war ein Anhänger der alten Republik und deren Werte und Normen. Im Prinzipat sah er eine Abkehr von diesen Werten. Er prangerte die Dekadenz und den damit verbundenen Werteverfall an. Daher stammt seine grundsätzlich negative Haltung gegenüber den Kaisern, egal ob es jene waren, die schon geherrscht hatten, oder jene, die zu seiner Lebzeit herrschten. Er kategorisierte gern alles im Schwarz-Weiß-Denken und interpretierte manche Ereignisse so, dass sie seine Thesen untermauerten. Manche ließ er sogar ganz wegfallen. Aus diesen genannten Gründen resultiert auch seine überwiegend negative Meinung über Nero, die sich durch seine Schriften zieht.
    1.2.2.
    Gaius Suetonius Tranquillus wurde etwa um 70 n. Chr. in Hippo Regius, einer ehemals phönizischen Hafenstadt westlich von Karthago geboren. Er war ein römischer Schriftsteller und Verwaltungsbeamter. Sein wohl bekanntestes Werk ist „De vita Caesarum“. Dieses enthält zwölf Kaiserbiographien. Am Anfang steht die Biographie Caesars (bis 44. v. Chr.), am Ende die Domitians (81-96). Der große Zeitraum, der zwischen der ersten und letzten Biographie zeigt uns, dass Sueton sich auf verschiedenste Quellen berufen musste. Kritisch zu betrachten ist hierbei, dass er alle Quellen (Archivmaterial, Senatsprotokolle, amtliche Mitteilungen, Briefsammlungen, Memoiren und politische Flugschriften) für bare Münze nahm und nicht ihren Wahrheitsgehalt hinterfragte. Ebenso ließ er Hofklatsch in seine Werke mit einfließen, was den Wahrheitsgehalt seiner eigenen Werke weiter verwässerte. Trotz allem sind die „Cäsarenleben“ eine wichtige Quelle für die Geschichtswissenschaft. Man sollte sie jedoch stets mit kritischem Blick behandeln.
    1.2.3.
    Cassius Dio wurde 155 n. Chr. in Nicaea geboren. Er war römischer Senator, Konsul und Schriftsteller. Sein Werk „Römische Geschichte“ ist ein wichtiges Zeugnis der Geschehnisse um Nero, jedoch beruft sich Cassius Dio meist auf Tacitus und damit auch auf Sueton, der auch Tacitus’ Werke als Quelle benutzt hatte. Daher sind seine Berichte über Nero zwar sehr nützlich, aber ebenso wie die beiden vorher genannten Autoren mit Vorsicht zu betrachten.
    1.3.
    Nachdem nun also der historische Kontext der Autoren wie auch des Brandes geklärt worden ist, möchte ich zur eigentlichen Problemstellung dieser Erörterung kommen. Kaiser Nero hat in der Geschichte zumeist den Ruf, ein tyrannischer, eitler Fantast zu sein. Ebenso wurde ihm vor allem von späteren christlichen Geschichtsschreibern zur Last gelegt, der Usurpator des Großbrandes von Rom gewesen zu sein. Was bei Tacitus nur ein bloßes Gerücht war, wurde bei Cassius Dio zur Gewissheit. In dieser Erörterung möchte ich die Frage klären, ob er wirklich für den Brand verantwortlich war.
    2.1.1.
    In Tacitus’ Werk „Annalen“ findet sich folgende Textstelle: „Darauf ereignete sich ein Unglück, ob durch Zufall oder des Kaisers Hinterlist veranlasst, ist ungewiss – die Geschichtsschreiber haben beides berichtet.“ [3] Tacitus beschränkt sich hierbei deutlich nur auf die Nennung des Gerüchts, der Kaiser hätte etwas mit dem Brand zu tun. Im Laufe seiner Beschreibung kommt er jedoch zum Schluss, dass das Feuer zufällig durch Unachtsamkeit ausgebrochen sein musste (s.o.). Wie kam dieses Gerücht aber zustande? Die von Nero beauftragten Prätorianer legten an strategisch wichtigen Punkten in der Stadt Gegenfeuer. Diese sollten durch gezieltes Abbrennen der betroffenen Häuser dem Hauptfeuer die Nahrung nehmen, um es schließlich endgültig zu „besiegen“. Der Wind stand jedoch so ungünstig, dass auch diese Gegenfeuer katastrophale Schäden anrichteten. Die Bevölkerung, die in Panik nichts von Neros Aktion wusste, nahm an, dass die Prätorianer im Auftrag Neros die Hauptbrände gelegt hätten. Somit entstand das Gerücht, Nero habe etwas mit dem Brand zu tun. Was bei Tacitus noch ein Gerücht war, wurde aber bei Sueton schon zur Gewissheit („Denn unter dem Vorwand, dass ihm die Hässlichkeit der alten Bauwerke und die engen und krummen Straßen zuwider seien, zündete er die Stadt an.“). [4]
    Für Cassius Dio liegt alles klar auf der Hand, da er sich auf Sueton bezieht: „Nero wollte einfach seinen alten Plan realisieren, Rom und das Reich noch zu seinen Lebzeiten zu zerstören.“ Daran sieht man, dass die Beschreibungen und Zeichnungen Neros immer detaillierter und bösartiger werden, je weiter das Ereignis zurückliegt.
    2.1.2.
    Ebenso gibt uns das Verhalten des Kaisers laut Cassius Dio Rätsel auf. Dieser bringt nämlich das Argument an, Nero habe seelenruhig vom höchsten Punkt des Palatins aus den Brand besungen. Aus dem Bericht Tacitus’ jedoch wissen wir, dass der Palatin in Flammen stand. Diese Version kann also ausgeschlossen werden. Hingegen bietet Sueton uns einen anderen Schauplatz dieser Gesangseinlage Neros: den Esquilin. Diese Version scheint schlüssiger, da hier laut Tacitus’ Beschreibung die Feuerwehrkräfte gebündelt worden. Sueton beschreibt sogar, Nero habe unbeschwert, heiter und gelassen den Brand genossen, um sich beim Lautenspiel inspirieren zu lassen. Auch dies klingt schlüssig.
    2.1.3.
    Bei der Frage nach der Ursache des Brandes nennen die antiken Historiker verschiedene Möglichkeiten. Wie schon vorher beschrieben schenkte Tacitus den Gerüchten, Soldaten des Kaisers hätten das Feuer entfacht, keinen Glauben. Jedoch sagt er später noch: „Übrigens machte sich Nero den Untergang seiner Vaterstadt zunutze und erbaute sich einen Palast, der nicht so sehr durch Edelsteine und Gold, die ja längst etwas Gewöhnliches und durch Verschwendung Gemeines waren, ein Wunderwerk sein sollte durch Wiesen und Teiche, durch den Wechsel von einsamen Wäldern, freien Plätzen und Ausblicken.“[5] Nero hätte aber sicher keinen Brand gebraucht, um Platz für seine städtebaulichen Visionen zu haben. Als nahezu absolutistischer Monarch hatte er weitaus effektivere Mittel, wie z.B. Enteignung, was zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches war. Sueton und Cassius geben den Gerüchten Nahrung, indem sie wie schon oben gesagt, direkt behaupteten, Nero habe aus purem Egoismus gehandelt und die Stadt anzünden lassen. Damit vertauschen sie aber die Ursache mit der Wirkung des Ganzen.
    2.2.1.
    Die wahrscheinliche Ursache des Brandes hat uns Tacitus mit seinem Bericht ja bereits geliefert. Im Stadtviertel des Circus Maximus gab es viele Verkaufsstände, die aus trockenem Holz bestanden. Ebenso lag hier Strom und anderes leicht entzündliches Material herum. Ein Funke hätte also genügt, alles wie Zunder zu entfachen. Gefördert durch den Wind breitete sich das Feuer schnell aus. Nachdem es vorerst gelöscht worden war, brach es in einem anderen Stadtteil wieder aus. All dies beweist, dass der Brand wahrscheinlich natürlichen Ursprungs gewesen sein muss. Außerdem wäre Nero der Letzte gewesen, der Interesse daran gehabt hätte, selbst seinen eigenen Regierungspalast niederzubrennen.
    2.2.2.
    Sueton und Cassius tischten ihren Lesern das Argument auf, Nero habe den Brand in aller Seelenruhe besungen. Passt diese Beschreibung jedoch zu seiner wirklich psychischen Verfassung in dieser Nacht? Sehen wir uns einmal an, was Tacitus schreibt. Bei dieser Stelle geht es um den Tribun Subrius Flavus, einer derjenigen, der zur sogenannten Pisonischen Verschwörung gehörte, der auch Neros ehemaliger Mentor Seneca angehörte. Diese hatte sich das Ziel gesteckt, Nero zu entmachten, um so dem unsittlichen Treiben ein Ende zu bereiten. Hierbei sollte man sich aber wieder einmal fragen, welche Definition von unsittlichem Treiben Tacitus, der den Bericht verfasste, hatte. Sehen wir uns also die Textstelle an: „Subrius Flavus soll sogar den raschen Entschluss gefasst haben, Nero anzugreifen, als er auf der Bühne sang oder als er in der Nacht, da sein Haus (beim großen Brand) in Flammen stand, unbewacht hierhin und dorthin eilte. Hier hatte ihn die günstige Einsamkeit, dort gerade die Menschenmenge als schönste Zeugin seiner Heldentat verlockt. Aber es hielt ihn die Sorge um sein eigenes Leben zurück, die ja stets großen Taten hinderlich ist.“[6]
    An dieser Textstelle sehen wir also, wie es um die Verfassung des Kaisers in dieser Nacht stand. Er irrte wahrscheinlich verängstigt und verwirrt durch die Gassen. Dies spricht somit gegen das Argument Suetons und Cassius Dios, dass Nero den Brand seelenruhig besungen hatte.
    2.2.3.
    Am dritten Tag des Tages musste Nero feststellen, dass die Stadtteile Circus Maximus, Caelius und Palatin nicht mehr zu retten waren. Daher zog er die Feuerwehr- und Militärkräfte von dort ab und konzentrierte sie am Esquilin, dem ärmsten Stadtteil mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Schließlich ließ er eine breite Bresche in der Stadt schlagen, um dem Feuer die Nahrung zu nehmen („Zwischen der Feuerfront und dem Esquilin hatte sich mittlerweile ein Tal aufgetan, das dem Krater eines erloschenen Vulkans glich.“)[7].
    Außerdem leitete Nero eine Rettungsaktion ein, um den obdachlosen Menschen zu helfen:
    „Als Trost für die obdachlose, umherirrende Bevölkerung gab er das Marsfeld und die Bauwerke des Agrippa frei und ließ Behelfsbauten errichten, die die hilflose Menge aufnehmen konnten, man schaffte Lebensmittel aus Ostia und den benachbarten Landstädten herbei, und der Preis für das Getreide wurde bis auf drei Sesterzen heruntergesetzt.“)[8].
    2.2.4.
    Nun will ich im Einzelnen die Thesen der antiken Historiker widerlegen, indem ich logische Widersprüche in benannten Thesen herausfiltere.
    1. Vielmals wird behauptet, Nero habe das Feuer legen lassen, um Platz für seine Visionen zu haben. Dies habe ich bereits unter 2.1.3. widerlegt.
    2. Wenn es wirklich stimmen sollte, dass Nero der Brandstifter war, ist es unverständlich, dass er sich an den Lösch- und Rettungsaktionen so stark beteiligt hatte.
    3. Durch den Brand wurde auch Neros alter Regierungspalast zerstört. Nehmen wir einmal an, er hätte Platz für das „Domus Aureus“, seinen neuen Regierungspalast schaffen wollen, warum hat er dann nicht vorher die griechischen und römischen Kunstschätze, die er über Jahre dort angesammelt hatte, in Sicherheit vor den Flammen gebracht?
    4. In der Nacht vom 18. zum 19. Juli 64. n. Chr. war Vollmond, was eine denkbar schlechte Vorraussetzung für solch eine geheime Aktion wie das Legen eines Brandes ist.
    5. Nero wäre wirklich der Letzte gewesen, der es sich mit dem Volk hätte verderben wollen.


    3.1.
    Nach dieser Erörterung muss ich zum Schluss kommen, dass Nero nichts mit der Brandstiftung zu tun hatte. Aus schon genannten Gründen ist das logisch nicht möglich. Trotzdem besteht in der Geschichtsschreibung noch immer eine Kontroverse zu diesem Thema.



    Anhang:
    [1] Tacitus, Annalen XV, 38
    [2] Tacitus, Annalen XV, 38
    [3] Tacitus, Annalen XV, 38
    [4] Sueton, Nero XXXVIII
    [5] Tacitus Annalen XV, 42
    [6] Tacitus Annalen XV, 50
    [7] Tacitus Historien III, 71-74
    [8] Tacitus, Annalen XV, 39


    Sim-Off:

    Wäre schön, wenn man mir das vielleicht als Dissertation anrechnen könnte ;)

    "Nun möchte ich zur späteren Innen- und Außenpolitik Neros kommen.


    Nach dem Tod des Prätorianerpräfekten Burrus, der an Kehlkopfkrebs erkrankt war, gewannen zwei Personen immer mehr Kontrolle über Nero: seine Frau Poppaea Sabina und der neue Prätorianerpräfekt Ofonius Tigellinus.


    Seneca, der die Gefahr erkannte, in der er sich nun befand, zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück und genoss seinen Reichtum, den er trotz seiner Lehren und der öffentlichen Kritik angehäuft hatte.


    In diesem Klima wurden - wie schon mehrmals in Roms Geschichte - die Hochverratsprozesse wieder eingeführt. Dazu kamen laufende Steuererhöhungen und eine Münzverschlechterung. Da dies immer noch nicht reichte, um das Loch im Staatshaushalt zu stopfen, griff Nero auch wieder auf die Proskription zurück.


    Durch hohe Steuern und das arrogante Auftreten von Provinzbeamten wurde in Ostbritannien ein Aufstand der Icener entfacht, der die Befriedung der Provinz ins Stocken geraten liess. Zwar konnte der Feldherr Gaius Suetonius Paulinus die Druidenfestung Mona erobern und damit dem einigenden Band der Kelten den Todesstoss versetzen, doch weigerten sich die Briten nun eine noch von Seneca genehmigte Anleihe zum Wiederaufbau an das Imperium zurückzuzahlen.


    All dies mündete 60 in den Aufstand der Stammesfürstin Boudicca, die die römischen Siedlungen Camulodunum (Colchester), Londinium (London) und Verulamium (St. Albans) eroberte. 70.000 Römische Bürger und romanisierte Briten fanden dabei den Tod. Der Aufstand wurde aber bald durch die zahlenmässige und technische Überlegenheit der britischen Legionen in einer Schlacht in der Nähe des heutigen Atherstone niedergeschlagen.


    Am anderen Ende des Reiches hatte der begabteste Feldherr seiner Zeit, Gnaeus Domitius Corbulo, die Aufgabe erhalten Armenien der parthischen Kontrolle zu entreissen. Beinahe wäre ihm der Feldzug geglückt, hätte nicht sein Kollege Caesennius Paetus 62 bei Elazig in der heutigen Osttürkei eine schwere Niederlage erlitten. Doch bereits ein Jahr später konnte Corbulo die römische Autorität wieder herstellen und in einem Abkommen mit den Parthern ein romfreundliches Klientelkönigreich unter Tiridates I. in Armenien einrichten. Dieser folgte im Jahre 66 sogar einer offiziellen Einladung nach Rom und wurde von Nero prunkvoll empfangen. Der Kaiser setzte Tiridates am Forum Romanum eigenhändig die Krone Armeniens auf. Diese Einladung diente sicher auch dazu, dem Verbündeten klar vor Augen zu führen, welche Macht Rom darstellte.


    Diese Ereignisse waren die einzigen beiden außenpolitischen Krisen, die Nero während seiner Regierungszeit zu bewältigen hatte. Aber schon diese meisterte er insgesamt mit viel Geschick und Verstand.


    Indes ereignete sich in Rom eine der schrecklichsten Katastrophren, die die Stadt je gesehen hatte."

    "Aber sicher doch, Livilla. In unseren Stall neben der Casa stehen einige kräftige Pferde, die du auch reiten kannst. Das ist kein Problem."


    Ich sah sie genau an und konnte nicht verhehlen, dass ich mich sehr auf den Ausritt freute.

    Ich nickte grinsend. Scheinbar hatte ich da einen guten Punkt erwischt. Ich kam näher zu ihr und sprach ruhig.


    "Natürlich ist das ernst gemeint. Ich selbst bin lange nicht mehr geritten und brenne darauf, endlich mal wieder auszureiten. Und wenn ich das in solch guter Gesellschaft tun kann, bin ich dankbar."

    Ich nickte.


    "Nun möchte ich zu einigen dunklen Seiten seiner Regierungszeit kommen. Auch seine Beziehung zum weiblichen und männlichen Geschlecht und sein musisches Schaffen sollen thematisiert werden.


    Viele Menschen in Rom hatten sich gewundert, wie es Nero geschafft hatte Britannicus, den leiblichen Sohn des Claudius, in der väterlichen Gunst zu überrunden. Jetzt, nach der Machtübernahme war Britannicus immer noch ein ernst zunehmender Faktor in der Politik. Es überraschte daher niemanden, als Britannicus am 11. Februar 55 beim Abendessen zusammenbrach. Möglicherweise hatte man ihn vergiften lassen. Der Kaiser verkündete, Britannicus sei an einem epileptischen Anfall verstorben. Man liess die Leiche fortschaffen und am nächsten Tag in aller Stille verbrennen. Beweise für einen Mord - durch Nero, vielleicht aber auch Burrus - liessen sich nicht finden, aber Agrippina war über den Tod des Britannicus betroffen, da sie ihn quasi als „Resevekaiser“ betrachtete, falls Nero sich als unkontrollierbar erwiesen hätte.


    Der Mord an Britannicus war der Beginn einer Blutspur, die sich nun langsam durch die kaiserliche Umgebung zu ziehen begann. Im Zentrum stand jedoch nie der Kaiser selbst, sondern immer Agrippina, die sich mit Seneca und Burrus überworfen hatte. Dieser hinter den Kulissen des Palastes ausgetragene Machtkampf sollte ein gewichtiger Faktor in der späteren negativen Beurteilung Neros werden.


    Agrippina hatte unterdessen auch mit ihrem Sohn ihre Probleme. Seine Liebesbeziehung zur Sklavin Acte wurde von ihr ganz und gar nicht gutgeheissen und die ständigen Einmischungen in die Politik waren selbst Nero langsam zu wider. Als sie versuchte mehr Einfluss über die adligen Familien und Offiziere zu erlangen, entzog ihr der Kaiser die Ehrenwache, verbannte sie aus dem Palast in ihre eigene Villa und liess sie an keinen offiziellen Banketten mehr teilnehmen. Ab 55 n.Chr. begann Nero auf den kaiserlichen Münzen zu dominieren und ein Jahr später war das Portrait seiner Mutter endgültig aus dem Münzbild verschwunden.


    Das angespannte Verhältnis wurde durch Neros Beziehung zur selbstbewussten Poppaea Sabina noch mehr strapaziert und Agrippina schien im Hintergrund weiterhin versucht zu haben Fäden zu ziehen. So sah der Kaiser keinen Anderen Ausweg, als seine umtriebig störende Mutter umbringen zu lassen. Der immer noch einflussreiche Seneca hatte ihn in diesem Vorhaben bestärkt und stellte im Nachinein dem Senat das Verbrechen als Selbstmord dar. Mit der Deckung derselben, hatte er aber seiner eigenen Glaubwürdigkeit einen schweren Schlag versetzt.


    Der Tat selbst häte während einer Bootsfahrt in der Bucht von Neapel als Schiffsunfall getarnt passieren sollen, doch Agrippina hatte Glück und besass eine Eigenschaft, die damals nicht weit verbreitet war: sie war eine ausgezeichnete Schwimmerin. So musste Nero schliesslich Marineinfanterie aus Misenum ausschicken um sie ins Jenseits zu befördern. Interessant bleibt die Tatsache, dass man von ihrem Tod kaum Notiz nahm. Durch ihre intriganten Machtspiele hatte sie es sich nicht nur mit den Senatoren sondern auch mit den Prätorianern und der Armee verscherzt.


    Nun konnte sich Nero wieder seinen Vergnügungen widmen. Die antiken Schriftsteller warfen ihm dabei ziemlich alles vor, was ihnen so einfiel: Er zog mit ihnen durch die Bordelle und Tavernen, raubte Passanten aus, belästigte Frauen in dunklen Strassen und plünderte auf den Märkten. Dazu bezichtigte man ihn verheiratete Frauen und freigelassene junge Burschen sexuell belästigt zu haben.


    Seine berühmten sexuellen Orgien mündeten in die sogenannten „Hochzeiten“ mit seinen homosexuellen Liebhabern namens Pythagoras und Sporus. Bei letzterem handelte es sich um einen Knaben, den er kastrieren hatte lassen. Man erzählte sich hinter vorgehaltener Hand, Nero habe bei Sporus den Ehemann und bei Pythagoras die Ehefrau gespielt. Inwiefern diese Angaben der Wahrheit entsprechen, kann heute nicht mehr gesagt werden. Sie sind allerdings garantiert übertrieben.


    Leider fanden auch seine künstlerischen Ergüsse nicht überall Anklang. Die Liebe zur Musik brachte ihn dazu eigene Kompositionen mit der Lyra vorzutragen. Er engagierte - wie bereits erwähnt - Terpnus, den besten Lyraspieler seiner Zeit, als Musiklehrer. Lange Zeit war der kaiserliche Hof und sein Freundeskreis die einzige Bühne, wo er Auftritte wagte. Doch das änderte sich im Jahre 64, als er öffentlich auf eine Bühne in Neapel auftrat. Das Konzert stand unter keinem guten Stern. Kurz nach Neros Auftritt wurde das Theater von einem Erdbeben beschädigt und stürzte schliesslich ein.


    Neros musikalische Fähigkeiten sind nach fast 2000 Jahren schwer zu bewerten. Sueton beschrieb seine Stimme als schwach und heiser. Cassio Dio bezeichnet sie als monoton und undeutlich. Es scheinen sich alle nur über den Gesang, aber nicht über die Verse selbst und das Lyraspiel beschwert zu haben. Es scheint, als beherrschte er das Instrument sehr gut und die Fähigkeit des Dichtens guter Verse war ebenfalls bekannt. Und auf anderen Gebieten erwies sich Nero ebenfalls als Kenner. Seneca billigte dem Kaiser ausgezeichnete Sachenntnis über Malerei und Bildhauerei zu. Die unter seinen Anweisungen ausgegebenen Münzen (besonders in Bronze und Messing) erreichten eine bis zu diesem Zeitpunkt nie dagewesene realistische Detailtreue.


    Den Einwohnern Roms mutete er einen Auftritt schliesslich ein Jahr nach Neapel zu. Er zeigte sich im Gewand eines Schauspielers und trug ein Lied der Niobe vor. Daneben verkörperte er noch einige männliche und weibliche Rollen. Die Vorstellung dauerte bis spät in den Nachmittag und die Prätorianer mussten bei Fuss stehen um dem Kaiser die Leier nachzutragen. Die Reaktion der Menschen war geteilt, verkörperte doch die musische Richtung das Bild des aufgeklärten hellenistischen Herrschers, beileibe aber nicht das eines Regenten des römischen Erdkreises. Zumindest die Gäste aus dem Osten des Reiches dürften begeistert gewesen sein."

    Ich lachte herzhaft. Sie schien Sinn für Humor zu besitzen.


    "Ja, ich bin zu Fuß hier. Aber ein Ausritt ist wirklich eine gute Idee. Darf ich dich noch einmal dazu einladen?"


    Ich sah sie liebevoll an und rückte noch etwas näher. Ich wollte sie nach diesem Treffen gern wenigstens noch einmal sehen. Sie interessierte mich, aber weiter dachte ich nicht.

    "Ich handle frei nach dem Lebensmotto: mens sana in corpore sana. Ich würde mich unrein fühlen, wenn mein Körper nicht mithalten würde. Und scheinbar verfehlt es auch nicht ganz seine Wirkung...", sagte ich schmunzelnd und rückte ein kleine Stück näher, sodass aber noch genügend Platz blieb. Ich wollte nicht aufdringlich wirken.

    Ich zwinkerte ihr schelmisch zu.


    "Ich habe dir doch vorhin erzählt, dass ich einst bei den Vigiles gedient habe. Dort war das morgendliche Training fester Tagesbestandteil. Als Politiker möchte ich trotzdem nicht aus der Form geraten und trainiere daher noch immer jeden Morgen meinen Körper. Daher war ich vorhin so erschöpft..."

    "Wirklich alles...", sagte ich ruhig und schaute ihr das erste Mal wirklich tief in die Augen.


    War sie mir wirklich freundlich gesonnen? Ich versuchte nicht daran zu zweifeln, aber als Politiker musste man immer auf der Hut sein.

    Unauffällig betrachtete ich sie beim Richten ihrer Tunika und grinste verlegen. Schließlich antwortete ich ruhig.


    "Frag mich ruhig, was immer du wissen willst. Schließlich bin ich dir das schuldig!"

    Ich grinste verschmitzt und setzte mich schließlich zusammen mit ihr unter einen Baum. Dort sah ich sie nickend an und antwortete.


    "Nun, wie kann ich ein Eisklotz sein, wenn mich einige Gedanken hierhertreiben? Ich musste einfach wieder mit mir ins Reine kommen. Die Politik fordert einigen Tribut und da bleibt nicht viel Zeit, um mal nachzudenken..."