Nachdem der Flamen den zweiten Teil des Opfers offiziell eröffnet hatte, erhoben sich Crispus und sein Amtskollege gemeinsam, um über den nächsten Ausgang in die Katakomben des Theaters zu verschwinden. Ihnen folgten zahlreiche weitere Togaträger aus den Rängen - denn nach Mogontiacum waren natürlich auch die übrigen 60 gallischen Civitates an der Reihe, um ihre individuellen Opfer darzubringen!
Dort unten warteten bereits einige bekannte Gesichter, die eben schon dem Iulier assistiert hatten. Ganz vorn stand auch der Discipulus, den Crispus nun schön bei mehreren Gelegenheiten gesehen hatte - gehörte er nicht zum Apollo-Tempel? Naja, für dieses Großereignis hatte man sowieso den gesamten Cultus Deorum zusammengetrommelt...
Kaum hatte der Alte noch einmal den Sitz seines Lorbeerkranzes kontrolliert, als auch schon das Zeichen kam - und wieder traten sie wieder durch das Tor, durch das später die Gladiatoren hereinmarschieren würden, in die "Arena" ein und erklommen die Scena, wo die drei Götterstatuen bereits auf ihre weiteren Opfergaben warteten. Links stand der greise Flamen, gestützt auf zwei Priester, rechts die Musiker, die mit ihrem Flötenspiel das Opfer untermalten.
Doch der Petronier fixierte nur die mittlere der Götterstatuen, von der ihn der etwas abwesend wirkende Blick des jugendlichen Drusus traf. Die Aufmachung war klar die eines Soldaten - wenn auch eines Offiziers. Crispus hatte nie einen solchen Panzer getragen, sondern stets die einfache Lorica Segmentata. Lucius würde vielleicht eines Tages ein Feldherr werden, oder sein Enkel - zu den Göttern würden die Petronier aber ganz sicher niemals aufsteigen. Crispus' Unsterblichkeit, die Erinnerung an seine Kämpfe und Siege würde vielleicht eine oder zwei Generationen halten - am Ende würde man nur noch wissen, dass er der Primipilaris war, der seinen Sohn in den Ritterstand bugsiert hatte...
Sein Souffleur (Livianus Pythermon in diesem Falle) begann aber bereits, ihm den Gebetstext einzusagen, den er natürlich reflexartig nachsprach:
"O Manen des ewig siegreichen Nero Claudius Drusus Germanicus,
des Lieblings der Götter,
des Bruders des göttlichen Tiberius, Vaters des göttlichen Claudius,
des Begründers und Schirmers der Civitas Mogontiacum!
Durch seine Macht hat er unser Land dem grausamen Barbaren entrissen und die Civitas Mogontiacum an diesem Orte begründet, geschirmt durch seine Legionen.
An der Spitze seines Heeres hat er die kühnen Sugambrer und Chatten, gar die aufmüpfigen Cherusker bezwungen und den Frieden und Wohlstand des Reiches bis an diesen Ort getragen.
Seit jenem Tag, an dem sein Leichnam die Grenzen unserer Civitas überschritt, beklagen wir seinen Tod und blicken dankbar auf sein Leben, indem wir Euch gute Gaben darbringen.
Nehmt an diese kupfernen Münzen und diesen Wein als unsere demütige Gabe und versöhnt Euch mit uns Lebenden, aufdass Ihr Gallia und unserer Civitas jenen Schutz gebet, den Drusus Germanicus zu Lebzeiten stets gewährte! Möge unser Dank aufsteigen mit dem Rauch dieses Altares, aufdass sich unsere ganze Civitas mit Euch verbinde."
Dann drehte er sich zur Seite, wo hoffentlich die Ministri die Gaben bereit hielten.