Einige Tage waren vergangen, seitdem Petronius Crispus die Armee verlassen und ein ziviles Leben begonnen hatte. Nun hatte er beschlossen, sein Entlassungsgeld - so hoch es gewesen war - doch ein wenig zu investieren, um seinem Sohn eines Tages gute Bildung und ein komfortables Leben zu ermöglichen. Nach gewissen Recherchen war er auf eine Möglichkeit gekommen: Der Steinbruch von Vicus Novus!
Dieser hatte bisher einem Decurionen Mogontiacums gehört, der sein Geld jedoch hauptsächlich mit Handelsgeschäften verdient hatte. Und dabei war ihm ein Unfall unterlaufen: Bei einer kostspieligen Verschiffung von Luxusgütern auf dem Rhein waren seine Boote gekentert - alles weg! Nun hatte er dringend Geld gebraucht, um seine Gläubiger zu bezahlen. Davon hatte Crispus erfahren, sodass er die Gelegenheit beim Schopf packte und an den Mann herangetreten war. Die Verhandlungen waren nicht besonders schwierig gewesen, denn der Mann war in Not und Crispus kein großer Feilscher. Man einigte sich und so waren die beiden gemeinsam in die Siedlung geritten, um den Betrieb zu übergeben.
Gehüllt in sein Soldaten-Sagum trat Crispus aus der Reisekutsche, worauf ihm der Händler in seinem teuren Pallium folgte. Der beleibte Herr japste ein wenig, doch Crispus war guter Dinge und betrachtete stolz seinen zukünftigen Besitz.
"Der Steinbruch ist wirklich beeindruckend!"
"Das ist richtig. Wenn ich es mir recht überlege, sollten wir noch einmal über den Preis reden - der Stein hier ist sehr hochwertig!"
erwiderte der Händler und schielte neugierig zu dem Petronier hinüber. Doch dieser machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Vergiss es! Wir haben schon einen Preis vereinbahrt!"
Der Händler senkte das Haupt, ein wenig verärgert wirkend. Doch Crispus musste sich nicht weiter mit ihm herumärgern, denn in diesem Augenblick erschien ein großer, muskulös gebauter Mann in den besten Jahren. Sein Haar trug er kurz, dafür spross ihm jedoch ein stattlicher, brauner Bart im Gesicht. Er ergriff Crispus' Hand und drückte fest zu.
"Ich bin Willigis, der Meister hier."
stellte er sich vor. Crispus musterte den Burschen: Er wirkte tatsächlich sehr intelligent, zeigte jedoch mit seiner Schürze und seinen Armen doch ein typisches Äußeres eines Handwerkers. Außerdem roch er nach harter körperlicher Arbeit - ein Geruch, den Crispus von der Legion her nur zu gut kannte! Crispus erwiderte den Gruß.
"Ich bin Petronius, dein neuer Arbeitgeber! Zeig mir den Steinbruch!"
Während der Händler nebenher ging, besichtigte Crispus gemeinsam mit Willigis das Gelände. Zuerst sahen sich die beiden den eigentlichen Steinbruch an, in dem mehrere Tagelöhner, aber auch fest angestellte Arbeiter mit Spitzhacken Steinblöcke aus dem Kalkstein schlugen. Zwar hatte Crispus mit der Legion selbst schon einmal in einem Steinbruch gearbeitet, dennoch staunte er, mit welcher Effizienz und Kraft die Profis diese Aufgabe erledigten.
Dann ging es weiter zum Lager: Von einer Holzkonstruktion überdacht lagerten hier die Rohsteine in langen Reihen, stets bewacht von einem alten Arbeiter, der die Lehrlinge von der Werkstatt zu den besten Steinen für ihre Arbeit führte.
In der Werkstatt schließlich zeigte sich Crispus jedoch geradezu beeindruckt von der Kunstfertigkeit Willigis' und seiner Lehrlinge und Gesellen. In verschiedenen Stadien konnte man Statuen, Reliefs, aber auch einen Altar, sowie eine Sonnenuhr sehen. Mit voller Konzentration saßen die Arbeiter vor ihren Werken und trugen mit Hammer und Meißel sorgfältig Stück für Stück den überschüssigen Stein ab.
"Sehr beeindruckend, wirklich!"
"Die Jungs sind halt nicht ganz billig."
wies Willigis auf die Schattenseite der Handwerker hin. Der Mann dachte pragmatisch und wollte seinen Dienstherrn nicht mit schönen Worten und Getue blenden. So etwas lag ihm einfach nicht.
"Wenn sie gute Arbeit leisten, zahle ich auch gutes Geld."
antwortete Crispus und zuckte mit den Schultern. Diese Kunstwerke hier würde man auf dem Markt sicher zu hervorragenden Preisen verkaufen können! Noch einen Augenblick betrachtete er die steile Wand, an der die Gerüste des Steinbruchs hingen, dann sah er zu Willigis
"Kann ich dann noch die letzten Abrechnungen sehen?"
"Klaro."
Willigis zuckte seinerseits mit den Schultern und führte den Petronier in eine Hütte, in der der Verwaltungskram des Steinbruchs lagerte. Eine ganze Weile ließ sich Crispus alles zeigen (er kannte sich ja mit Buchführung aus, da er als Primus Pilus eine ganze Kohorte verwaltet hatte), dann wurde ein Vertrag aufgesetzt und man verabschiedete sich. Zuletzt begleitete der Petronier seinen Vertragspartner in die Stadt, um den Vertrag selbst sicher in seinem Haus zu deponieren.