Beiträge von Marcus Petronius Crispus

    Alpina - das erinnerte ihn wieder an seine Reise:


    "Alpina - kommst du aus den Montes Alpes?"


    fragte er deshalb. Dort ob hatten seine Schmerzen auch wieder angefangen - nach dem ersten Tag im Maultier-Sattel.


    "Ich hab' 'ne alte Beinverletzung, die wieder schmerzt."


    Er nahm seinen Mantel ab, unter dem sein Cingulum Militare zum Vorschein kam - selbst wenn er kein Soldat mehr war, trug er es noch immer mit Stolz. Dann sah er sich um, ob es irgendwo eine Art "Behandlungsraum" gab - oder musste er hier direkt an der Straße seine Tunica lüpfen?

    Crispus war schon einige Zeit nicht mehr beim Arzt gewesen, aber die lange Reise von Rom hierher hatte sein "altes Kriegsleiden" wieder aufbrechen lassen. Nur hatte er feststellen müssen, dass sein alter Medicus, ein pensionierter Militärarzt, inzwischen gestorben war - also musste ein neuer "Hausarzt" her. Und weil Gallicus ihm von der neuen Medica erzählt hatte, hatte er beschlossen, sie einmal auszuprobieren.


    So war er recht neugierig, als er die Taberna betrat und an den Tresen trat.


    "Ave - äh - wie war noch gleich dein Name?"

    Wieder dauerte es eine ganze Weile, bis der Haruspex seines Amtes gewaltet hatte. Von der anderen Seite des Platzes her, aus der Tempelküche des Capitolium, roch man bereits den Duft gebratenen Rindfleisches, das im Anschluss kostenlos unter den Teilnehmern der Opfer verteilt werden würde - bei insgesamt fünf ausgewachsenen Rindern würde wohl fast jeder Einwohner der Stadt einen kleinen Teil bekommen.


    "Litatio!"


    hieß es dann aber doch ein drittes Mal und Crispus nickte zufrieden - damit hatte kultisch an diesem Tag wohl alles funktioniert. Dann konnte man jetzt wohl guten Gewissens zum Essen schreiten. Zuvor musste aber das Volk informiert werden, was der alte Petronier als Vertreter der Priesterschaft nun ebenfalls noch übernehmen durfte:


    "Volk von Mogontiacum, Municipes Mogontiaci!


    Die Götter befürworten die Erhebung unserer Civitas zur Stadt und schenken uns ihren Segen! Wir haben ihnen die geforderten Opfer dargebracht und ihnen ihren Anteil gereicht! Wir wollen aber ebenfalls Gemeinschaft mit ihnen haben, deshalb kann jeder, der in die Bürgerliste Mogontiacums eingetragen ist, sich in einer Stunde an der Tempelküche des Capitolium und des Augusteum melden, um sich seinen Anteil am Opferfleisch zu nehmen. Die Stadt stellt dieses Fleisch kostenlos zur Verfügung! Kommt und holt euch davon, solange der Vorrat reicht!"


    Damit würde schon bald der Run auf die Fleischtöpfe starten. Damit dabei alles geordnet zuging, wurden die Rinder zuerst in den Tempelküchen geschlachtet und in kleine Portionen zerlegt, die dann an langen Bänken ausgegeben wurden. Jeder Bürger, der sich dort anstellte, würde eine Markierung mit Tinte auf dem Handrücken erhalten, damit sich niemand bei verschiedenen Tempeln mehrmals anstellte. Die besten Stücke wurden aber sowieso schon beiseite geschafft werden, denn die waren den Decuriones vorbehalten, die sich nun alle in Richtung Curia schoben...

    Langsam wurde Crispus nervös, während der Haruspex die Innereien drehte und wendete und - seltsamerweise - daran roch. Nach einiger Zeit verlor der Alte die Geduld ich trat zu ihm hin.


    "Gibt's ein Problem?"


    flüsterte er ihm zu.


    "Naja, die Leber riecht komisch."


    antwortete der Opferleser, was der Petronier tatsächlich auch zugeben musste. Die Leber sah auch irgendwie etwas anders aus als sonst - was das wohl zu bedeuten hatte? Dafür gab es eigentlich den Haruspex, aber der sah auch ein wenig ratlos drein. Das Ritual war zumindest recht fehlerlos vollzogen worden, soweit Crispus das sah...


    "Aber Knoten oder so hat sie nicht, oder?"


    fragte Crispus schließlich.


    "Ne, die Form und so weiter passt ganz gut."


    antwortete der Haruspex etwas unsicher, aber Crispus winkte ab:


    "Na also - Mogon soll sich nicht so anstellen!"


    Dann ging er wieder zurück an die Seite von Pacatus, um nach kurzem Zögern doch noch die Stimme des Haruspex zu hören:


    "Litatio!"


    Damit war auch diese Station erledigt und es fehlte nur noch eine letzte. Wieder formierte sich ein kleiner Zug, wieder wurde das Opfertier hinter den Flötisten eingereiht - wobei es doch ziemlich nervös auf den Kadaver seines Artgenossen blickte und vom Opferhelfer etwas fester gezogen werden musste. Diesmal zumindest war der Weg auch nicht mehr so lange, denn es ging nur die Straße hinauf zum Tempel des Augustus, wo der letzte Teil der Opferzeremonie stattfinden würde - diesmal durch einen der Duumvirn!

    Der Alte erschrak fast ein wenig, als es Pacatus die Toga vom Kopf wehte - abergläubische Leute mochten das als schlechtes Omen werten (und Crispus wurde mit dem Alter tendenziell ebenfalls etwas abergläubischer...)! Aber alles andere funktionierte erfreulicherweise sehr gut: Der Ochse ließ sich brav mit Wein begießen und die Dekoration abnehmen, das Opfergebet sprach Pacatus ebenfalls fehlerlos und die Ministri zogen genau in dem Moment, in dem der Aedil seinen Befehl sprach, die Kette, die am Nasenring des Opfertiers hing, nach unten, sodass dieses den Kopf neigte. Und ehe der Ochse wusste, wie ihm geschah, hatte der Opferhammer seinen Schädel gebrochen und das Opfermesser seine Halsschlagader durchtrennt. Wie ein nasser Sack brach er zusammen, während das Blut über sein weißes Fell floss, um schließlich in einer silbernen Schüssel aufgefangen zu werden.


    Prüfend sah der Alte neben das Tempelgebäude, wo ein anderer Opferhelfer flüsternd auf den zweiten Ochsen einredete, der ein klein wenig nervöser wirkte - hoffentlich ging dieser Part ebenfalls noch gut!


    Zunächst musste die Opfergemeinde aber noch eine Weile den Flöten lauschen, denn es dauerte seine Zeit, bis der Ochse ausgeblutet war und dann aufgebrochen werden konnte. Im Gegensatz zu dem Opfer am Kapitol roch Crispus diesmal deutlich, wie die Innereien des Viehs stanken - wahrscheinlich hatte der Opfermetzger einen der zahlreichen Mägen oder den Darm verletzt! Die Leber, die er aber schließlich hervorholte, wirkte ganz normal. Sie ging an den Haruspex, der erneut ein wenig Zeit zum "Lesen" bekam...

    Als der Statthalter herantrat unterbrach natürlich auch Crispus das Gespräch und wandte sich dem Ehrengast zu. Dieser schien sich von der "Feldarbeit" wieder ganz gut erholt zu haben und konnte wieder entspannt lächeln.


    "Wir haben ja schon gesprochen..."


    meinte der Alte deshalb frölich, wobei er auf das "Einsagen" des Opfergebetes anspielte.


    "... trotzdem auch nochmal ein herzliches Willkommen. Und auch nochmal unser Dank - Vinicius Hungaricus hat unsere Initiative ja schriftlich unterstützt!"

    Als Pacatus wieder durch die Tempelpforte kam, war dort auch schon alles vorbereitet. Eine Reinigung der Zuschauer war nicht mehr nötig - das hatten sie ja schon am Capitolium erledigt. Allerdings mussten doch noch die beiden Ochsen geprüft werden, wozu Crispus sich zu dem Aedil gesellte. Gemeinsam traten sie an das eine Tier heran, während man das andere ein wenig zur Seite räumte - immerhin wollte man es nicht beunruhigen, indem man es beim Tod seines Artgenossen zusehen ließ.


    Der Pontifex reichte dem Matinier schließlich die Patera mit Wein, dann das Culter.

    'Marcus' - trotz aller Intimität klang der Praenomen aus dem Mund eines Ducciers für den Alten noch immer etwas seltsam. Aber egal - er würde sich daran gewöhnen!


    Gerade wollte er also vergnügt losplaudern, als der amtierende Aedil dazukam und dann alle Anwesenden die Köpfe zusammensteckten - ob die Decke halten würde? Etwas irritiert sah Crispus ebenfalls nach oben - auf ihn machten die Balken eigentlich einen recht soliden Eindruck...


    "Gibt's Probleme mit der Curia?"


    fragte er deshalb arglos.

    Als der Zug sich in Bewegung setzte, nahmen wieder alle ihre Plätze ein: Ganz vorn gingen Musikanten, dann die Ehrenformation, dann folgte der Pflug, an dem der Statthalter hing. Dahinter kamen die Magistrate, dann die übrigen Decurionen und zuletzt das Volk.


    Während sie so dahinzogen, war Crispus einigermaßen beeindruckt, wie der Vinicier sich mit seinem steifen Bein abquälte - mehrmals war er kurz davor, ihn zu fragen, ob man ihn nicht ablösen solle oder ähnliches. Aber das wäre dem Vinicier sicherlich peinlich gewesen und so beließ der alte Petronier ihn in seinem Kampf. Bis zur Domus Petronia war dieser noch nicht so schlimm, aber als sie dann nach links abbogen, merkte man schon deutlich die Hungaricus' Mühen. Und als sie die Hafenstraße passierten, musste er eine Pause machen - was sich sowieso gut traf, denn bei den Ausfallstraßen musste der Pflug sowieso angehoben und über die Straße getragen werden - so wollte es der Brauch. Die zweite Hälfte ging dann kaum besser, sodass auch Crispus ganz froh war, als sie nach dem Wohnblock mit dem Gestüt der Duccier in die schmale Gasse einbogen, die direkt zu den Mauern des Castellum führte - von hier aus war es nur noch einmal die Breite des Legionslagers, was der Statthalter hoffentlich noch ohne zu straucheln schaffte. Dieser Weg zog sich allerdings besonders lang - manchmal fragte der alte Petronier sich fast, ob Hungaricus nicht mehr auf der Stelle trat als vorwärts kam. Aber schließlich war es doch geschafft: Sie bogen wieder auf die Via Borbetomaga in Richtung Forum ein, von wo aus einer der Ministri übernehmen konnte - die Umgrenzung des Stadtbezirks war ja nun erledigt.


    An der Porta Borbetomaga wartete entsprechend auch eine Sänfte auf den Statthalter, die ihn nun hinter dem Gefährt, das ihm eine Stütze gewesen war, zurück auf den Hauptplatz und dann weiter zum Tempel des Apollo Grannus Mogon trug.


    Hier folgte der vorletzte Akt der Zeremonie: Die beiden Ochsen wurden aus dem Joch gelöst und der eine etwas beiseite geführt, während man mit dem anderen den Tempelbezirk betrat. Dort erwartete bereits ein brennender Altar die Decurionen und übrigen Honoratioren, die noch in den Hof des Heiligtums passten. Nun würde einer der Magistrate - Matinius Pacatus, wie Crispus vom Ablauf her wusste - an der Reihe sein, um dem Stadtgott für seine Unterstützung bei der Erhebung zum Municipium zu danken.


    Zuvor galt es allerdings, mit einem rituellen Gebet die Umgrenzung der Stadt abzuschließen, was der alte Petronier selbst übernahm:


    "O Iuppiter Optimus Maximus!
    O Iuno Regina!
    O Minerva!
    O Apollo Grannus Mogoun!


    Vor euren Augen haben wir jenes Land begrenzt, welches das neue Municipium Cornelium Mogontiaciensis umfassen soll und in dem niemand das Recht der Bürgerschaft und der gewählten Magistrati mindern soll! Nach eurem Willen sollen die Bürger dieses Municipium frei und nach ihren eigenen Rechten leben und wie die Städte Italias in Frieden und Freundschaft mit dem Senat und dem Volk von Rom leben!


    Wir haben Euch gute Gaben gegeben und geben Euch weiterhin gute Gaben für Euren Schutz und Segen!"

    Crispus betrat die Curia ausgesprochen zufrieden - immerhin war sein Part an diesem Tag offensichtlich halbwegs ordentlich verlaufen. Hier hatten nun andere Amtsträger Sorge getragen, doch auch sie hatten ihre Sache gut gemacht - mit den Girlanden und Blumen geschmückt erkannte man den Ratssaal kaum wieder!


    Nachdem er sich kurz orientiert hatte, entdeckte er Octavena an der Seite von Marsus, woraufhin er gleich zielstrebig auf das Paar zusteuerte.


    "Avete, ihr beiden!"


    begrüßte er sie und umarmte die beiden - immerhin gehörte der Duccier jetzt auch zur Familie und man hatte sich lange nicht gesehen!


    "Oh, Massula, salve et tu!"


    wandte er sich dann an den Domitier, den er auf den ersten Blick gar nicht gesehen hatte. Da er aber offensichtlich gerade etwas gefragt oder gesagt hatte, wartete er vorerst mit weiterem Dazwischengerede.

    Willigis sah Crispus etwas verständnislos an, nachdem dieser seine Bestellung abgegeben hatte.


    "Iuppiter wer?"


    "Serapis."


    "Kenn' ich nich'."


    Das hatte der Alte schon auf seiner Fahrt befürchtet - im Gegensatz zu Italia war Serapis ja in Germanien noch nicht allzu verbreitet. Einen Tempel der Magna Mater gab es zwar - aber auch die wurde eher von den Legionären und Veteranen verehrt als von den Einheimischen.


    "Naja, sieht aus wie ein Iuppiter. Is' aus Aegyptus, glaub ich - so wie Isis."


    Die wurde ja immerhin auch im Tempel der Magna Mater verehrt und war - wenn der Alte sich recht erinnerte - sogar eine Kultgenossin des Serapis.


    "Hm, und wie sieht der aus? Wie der normale Iuppiter?"


    "Ja, im Grunde schon. Er hat aber immer so eine komische Krone auf..."


    Die Krone fand Crispus sogar fast ein wenig lächerlich - er selbst hatte nie ein besonderes Faible für die östlichen Variationen der römischen Götter gehabt. Iuppiter war für ihn eben nicht Zeus und nicht Serapis. Aber natürlich hatte er schon einmal eine Statue für ihn gesehen - gerade auf dem Rückweg von Rom hatte er sich diesbezüglich in ihren Reisestationen umgesehen.


    "Was für 'ne Krone? Ein Reif?"


    "Ne, eher so eine... Tonne."


    "Eine Tonne?"


    "Naja, so rund und ein bisschen höher. So ungefähr:"


    Er versuchte die Form mit den Händen auf seinem Kopf gestisch zu beschreiben. Zumindest schien Willigis zu begreifen, denn er sagte:


    "Hm, also quasi auf dem Kopf obendrauf, nicht drumherum wie 'ne normale Krone?"


    "Genau, im Grunde schon. Sonst kannst du ihm noch einen Cerberus beifuß dazustellen."


    Das hatte er an einem Schrein in Massilia gesehen und recht nett gefunden. Und Cerberus kannte Willigis immerhin.


    "Naja, ich mach' mal 'ne Skizze und zeig' sie dir, bevor ich losleg'."


    meinte der Steinmetz schließlich.


    Eine Woche später war der Petronier wieder vor Ort und betrachtete das Ergebnis. Und auch wenn Willigis noch nie in seinem Leben eine Serapis-Statue gesehen hatte, musste Crispus zugeben, dass sein Verwalter und Arbeiter wieder einmal eine recht passable Leistung erbracht hatte: Die Frisur des Gottes war sauber ausgearbeitet, der Faltenwurf der Toga ebenfalls - fehlte nur noch die Farbe!


    "Wunderbar, Willigis! Dafür kriegst du eine Prämie!"


    lobte er deshalb - Lob war ja wichtig, wenn man motivierte Mitarbeiter wollte!


    "Ich hab' ihm jetzt mal den Stab gegeben. Sonst hätte das Stützstück von der Toga blöd ausgesehen. Ich hoffe, das widerspricht dem Ägypter nich'..."


    "Jaja, das passt. Mal' ihn noch an: rote Toga, weißes Hemd, schwarze Haare, goldene Krone. Dann noch die Inschrift wie gesagt und fertig. Dann brauchen wir nur noch einen Händler, der das gute Stück unversehrt nach Ostia bringt..."


    Der Steinmetz lächelte.


    "'Ne Statue von Mogontiacum nach Ostia schicken - so'n Scheiß!"


    "Naja, wenn der Typ zahlt..."


    Viel bekam er natürlich nicht mehr für seine Statue, wenn man die Transportkosten abzog - aber immerhin: Wer konnte schon behaupten, eine Statue aus dem eigenen Betrieb in Ostia gleich neben Rom stehen zu haben? Das sprach doch für die eigene Qualität!

    Nicht ohne Stolz betrachtete Crispus die enthüllten, glänzenden Tafeln mit ihrer Aufschrift, die nicht zuletzt auf seinen eigenen Mist gewachsen war. Noch spiegelte sich die Sonne in der polierten Bronze - bald aber würden sie wohl nachdunkeln und vielleicht sogar irgendwann ergrünen. Auf alle Fälle machten sie sich aber ganz gut zwischen den Statuen der Kaiser.


    Nachdem der Tusch der Legio und der Applaus, an dem sich auch der alte Petronier beteiligte, verklungen war, musste er seine Konzentration aber wieder auf den Ablauf der Zeremonie lenken, denn nun war die symbolische Umgrenzung des neugegründeten Municipiums zu vollziehen. Und die erfolgte bei einer römischen Stadt schon seit den Zeiten des göttlichen Romulus mit einem Pflug. Normalerweise wurde damit die Stadtgrenze einer neu zu gründenden Stadt umrissen - was in Mogontiacum aber natürlich nicht so recht möglich war, denn dort stand bereits ein Erdwall, der bereits die Bewohner der vormaligen Civitas vor streunenden Germanen geschützt hatte. Deshalb hatten die Pontifices sich entschlossen, die Gassen zu bepflügen, die dem Wall jeweils am nächsten kamen (und zwar von innen), sodass das Stadtgebiet zumindest grob umrissen war - immerhin lag die römische Stadtmauer ja auch nicht auf dem Pomerium. Und weil eine Ackerfurche auf den festgetrampelten Wegen recht anstrengend zu ziehen war, um dann sowieso direkt wieder festgestampft zu werden, hatte man den Pflug so präpariert, dass die Furche eher angedeutet wurde. Trotzdem waren zwei weiße Ochsen vorgespannt, die später als Opfertiere für Mogon und den Genius Augusti fungieren würden und entsprechend dekoriert waren. Normalerweise war hier zwar ein Stier vonnöten, aber den bekam man nur schwerlich unters Joch, sodass man zu dem Schluss gekommen war, dass der Genius Palmas hier ein Auge zudrücken würde.


    Die beiden Tiere wirkten allerdings trotzdem ein wenig irritiert, wie sie mit Bändern verziert unter dem Joch standen und nun von einem Opferdiener hergeführt wurden. Crispus ging dem Gespann entgegen und begleitete es bis zum Rand des Kreises, der sich um die Gesetzestafeln gebildet hatte. Dann trat er wieder an den Vinicier heran.


    "Seit der Gründung Roms und zuvor ist es Brauch, dass eine neugegründete Stadt mit einem Pflug umgrenzt wird, bevor eine Stadtmauer und so weiter startet. Romulus hat das getan und wir wollen es heute auch tun, ehe wir unserem Stadtgott und Genius Loci, Apollo Grannus Mogon - und natürlich dem Genius unseres Stadtgründers, dem ehrenwerten Appius Cornelius Palma Augustus - unsere Ehre erweisen.


    Da der Kaiser leider nicht persönlich anwesend sein kann, wird sein Vertreter hier, der ehrenwerte Legatus Augusti pro Praetore Marcus Vinicius Hungaricus diese Aufgabe übernehmen!"


    An der Seite des Legaten ging er nun zu dem Pflug, um dort den Gehstock entgegennehmen zu können - er konnte sich ja auf den Pflug aufstützen, sodass er ihn nicht brauchen würde.

    Während die Tiere zu Boden sanken und vor sich hinbluteten (natürlich aufgefangen von einem Minister mit Schale), war Crispus schon wieder beim nächsten Punkt, denn die Eingeweideschau würde sowieso ein Haruspex übernehmen und dass dieser in so einer Situation, die der Kaiser höchstpersönlich herbeigeführt hatte, ein Fehler passierte, war doch eher unwahrscheinlich. Hinter ihnen an der Curia musste das Stadtgesetz enthüllt werden. Das war prinzipiell kein religiöser Akt, aber da das Davor und Danach Aufgabe der Pontifices war, musste dies doch auch irgendwie berücksichtigt werden.


    Kaum ertönte also das erwartete


    "Litatio!"


    kamen die Flötenspieler zu einem Ende. Die gewaltige Menge Fleisch, die man produziert hatte, würde natürlich verarbeitet werden - die Decurionen und vielleicht auch ein paar mehr Bürger würden sich daran erfreuen können. Aber darauf musste die versammelte Stadtgemeinde ja nicht warten, denn es gab noch viel zu tun.


    Geordnet von den Amtsdienern der Magistrate formierte sich also wieder ein Zug: Zuerst kamen die Decurionen, dann die mogontinischen Priester und Magistrate. Ihnen folgte der Vinicer als Repräsentant des Kaisers, dann kam die Ehrenformation der Legion und zuletzt die einfache Bürgerschaft gestaffelt nach Ansehen und Reichtum. Die einfachen Bürger brauchten sich aber gar nicht einzugliedern, denn vom Capitolium zur Curia war es weniger als ein Katzensprung und bevor sie überhaupt kanalisiert worden wären, hätten die Honoratioren an der Spitze des Zuges schon Aufstellung genommen. Also wechselte der Großteil der Zuschauer relativ unkoordiniert den Schauplatz und bildete einen Ring von Publikum um die noch immer verhüllten Bronzetafeln, die der Statthalter als Vertreter des Stadtgründern nun offiziell enthüllen durfte.


    Natürlich erwarteten die Decurionen, die natürlich die erste Reihe bildeten, eine kurze, erbauliche Rede dazu. Und so war der Alte doch gespannt, was Hungaricus sagen würde - würde er die Verdienste der Stadt loben? Oder doch eher die Segnungen Roms? Oder vielleicht lieber über die Zukunft reden?

    Während der Vinicier die Prüfung der Opfertiere übernahm, die Crispus natürlich schon hundertmal im Vorfeld vorweggenommen hatte, blickte dieser nochmals über die ganze Szenerie und entdeckte dabei Octavena - er musste sie unbedingt bei Gelegenheit besuchen und ausfragen, wie es ihr in dem neuen Haushalt so ging! Aber wie es aussah, hatte sie sich ja schon ganz gut unter die duccischen Frauen eingefügt...


    Als er das Messer wieder zurückhielt und in den Gürtel steckte, kehrte seine Konzentration aber rasch wieder zu dem Opfer selbst zurück. Hinter dem humpelnden Legaten ging er vor den Opferaltar, wo er ein weiteres Utensil hervorholte - diesmal eine Papyrusrolle, von der er dem Opferherrn das Gebet vorlesen konnte. Hungaricus musste es nur noch Vers für Vers nachsprechen, was ihm fehlerlos gelang.


    Somit konnten die Flötisten nun in ein Crescendo verfallen, das den Höhepunkt des Opfers ankündigte: Die Oberschlachter waren bereits mit ihren Opfern in Position gebracht worden, allen voran der Stier mit dem Strick am Boden fixiert worden. Als alles bereit war, fragte der Mallearius, der den Opferhammer zur Betäubung des sichtlich nervösen Stiers hielt, mit lauter Stimme:


    "Agone?"

    Crispus folgte dem Legaten die Stufen zum Tempel hinauf, was etwas langsamer ging als gewohnt. Dann öffneten die beiden Tempeldiener oben die Pforte in den Tempel und sie betraten die Cella. Dort vollzog sich dann das Voropfer in der gewohnten Weise: Man reichte Hungaricus Weihrauch, dann Wein und zum Schluss ein paar Opferkuchen, die allesamt in den rauchenden Kohlen des Foculus verschwanden.


    Kurz darauf wurden die Tore des Tempels erneut geöffnet und die kleine Gruppe, bestehend aus dem Legaten, dessen Toga bereits über den Hinterkopf gezogen war, dem Pontifex und zwei Ministri trat wieder ins Freie, wo das Hauptopfer erfolgen würde.


    Zuvor galt es aber noch einige Vorbereitungen zu treffen, die ebenfalls dem alten Petronier oblagen: Denn während ein anderer Minister dem Statthalter eine Schale mit Wasser reichte, damit dieser kultische Reinheit erlangte, musste Crispus dasselbe für die Anwesenden erreichen. Entsprechend beschrieb er, gefolgt von einem anderen Minister mit Wasserkanne, einen Halbkreis und besprengte die Zuschauer mit Hilfe eines Aspergills ebenfalls mit Wasser.


    "Favete linguis! Favete linguis!"


    rief er dabei immer wieder, um das Geschnatter zur Ruhe zu bringen, sodass man auch die nun ansetzenden Flötenspieler gut hören konnte, die das Opfer begleiteten.


    Es folgte die Prüfung des Tieres, wozu der alte Petronier den Statthalter zu den drei Rindern geleitete. Einer der Ministri reichte dann eine Patera mit Wein, mit der der Statthalter die Tiere nun den Göttern weihen sollte. Kurz darauf reichte Crispus sein Culter, das er als Rangabzeichen am Gürtel trug.

    Der alte Petronier staunte nicht schlecht, als er den Statthalter zum ersten Mal sah: Er kannte den Vinicier noch von seiner letzten Statthalterschaft, aber seitdem war er irgendwie deutlich gebrechlicher geworden - für einen Pontifex, der ja eigentlich körperlich unversehrt sein musste, war er wohl schon nicht mehr zu gebrauchen...


    Aber zumindest konnte er noch stehen und damit auch das Opfer ausführen - und das sprach er auch gleich nach der Begrüßung an. Als Zuständiger für diesen Part trat Crispus deshalb nun an den Legaten heran:


    "Salve, Legatus! Alles ist vorbereitet: Das Voropfer wird wie gewohnt im Tempel stattfinden, die Schlachtung der Rinder hier am Altar. Wir können eigentlich gleich 'reingehen!"


    Er deutete auf die Flötenspieler, die quasi nur auf ihren Einsatz warteten, dazu die übrigen Opferhelfer. Allerdings war das Voropfer natürlich nicht öffentlich, sodass die meisten von ihnen - mit Ausnahme derjenigen, die die Gaben für das Voropfer trugen, sowieso noch auf ihren Einsatz warten mussten, bis der Opferherr wieder aus dem Tempel kam.

    Sim-Off:

    Vorschlag: Wir sparen das Voropfer aus. Ich beschreibe dann im nächsten Posting kurz, was dort vonstatten gegangen ist und wir fahren dann mit dem öffentlichen Part fort.

    Als die Truppen einmarschierten, staunte Crispus nicht schlecht - so eine Show hatte es zu seiner Zeit nicht gegeben! Der neue Legat hatte sich scheinbar einiges einfallen lassen, denn damals, als er bei der Secunda gewesen war, hatte es keine Gardeeinheiten gegeben, die alle eine bestimmte Körpergröße hatten und aus hochdekorierten Veteranen bestanden. Wahrscheinlich war sie extra für diesen Anlass zusammengestellt worden - dafür waren sie aber recht gut eingespielt!


    Wie er die Männer auf ihren Platz marschieren sah, wurde er wieder einmal fast ein bisschen sentimental - vor einigen Jahren wäre er wohl einer der Centurionen gewesen, die an so einem Zug beteiligt gewesen wären...

    Der große Tag war gekommen: Ganz Mogontiacum war auf den Beinen, um die Verleihung des Stadtrechtes an die obergermanische Hauptstadt zu feiern. Um dies reibungslos ablaufen zu lassen, hatten die Stadtväter entsprechend einiges vorbereitet: Die Häuser am Rande des Forums waren mit Girlanden geschmückt, die Tempel waren besonders gereinigt und vor der Curia hatte man auf bequemer Lesehöhe die frischgegossenen Bronzetafeln verhüllt, auf denen die Lex Municipalis eingraviert war. Dazu würde es Gladiatorenspiele und ein Festbankett geben - allerdings nur für die Decurionen und der Legat als Ehrengast. Für den Rest würde der Tag aber auch nicht ganz ohne Feierlichkeiten bleiben: Im Theater vor der Stadt würden Gladiatorenspiele abgehalten werden.


    Crispus als ehemaliger Leiter der Gesandtschaft und Pontifex war dabei natürlich besonders eng eingebunden: Auch wenn sie nicht selbst als Opferherren fungierten, hatten die Pontifices die verschiedenen Opfer vorzubereiten und zu assistieren. Also nutzte der alte Petronier die Zeit unmittelbar vor dem Beginn der Feierlichkeiten, um nochmals alles durchzugehen: Das Capitolium war geputzt, der Altar entzündet und die Bronzestatuen von Iuppiter, Iuno und Minerva glänzend poliert und vor dem Tempel aufgestellt worden, um den Teilnehmern am Opfer eine Show zu bieten. Außerdem war noch zu prüfen, ob die Opfertiere ordentlich beruhigt worden waren.


    Dann aber war alles erledigt: Zusammen mit den beiden anderen Pontifices, den Magistraten und den übrigen Decurionen standen postierte er sich auf der rechten Seite vor den Stufen des Capitoliums, wo die Feierlichkeiten mit einem Opfer beginnen würden. Links standen bereits der Stier und die beiden Rinder - so eine Stadterhebung ließ man sich natürlich etwas kosten - auch gegenüber den Göttern - und alle anderen Opfergaben. Fehlte eigentlich nur noch der Opferherr: der Legat würde ja als Stellvertreter des Kaisers den ersten Teil der Zeremonie leiten.

    Gerade noch rechtzeitig, um die Erhebung der Stadt zum Municipium mitfeiern zu können, erreichte die Gesandtschaft, die vor mehreren Monaten losgeschickt worden war, Mogontiacum am frühen Abend. Crispus stand in seinem nicht mehr ganz so neuen Mantel an der Reling und betrachtete die Fischhütten, Werften und Docks des Hafens, hinter denen sich die Dächer der Häuser, unterbrochen von den höheren Gebäuden wie der Regia oder den Thermen abzeichneten. Und über allem thronte natürlich das Castellum - wo er selbst so viele Jahre seines Lebens verbracht hatte. All das würde bald schon eine richtige römische Stadt sein - aber mit der Erhebung würde die Arbeit erst anfangen: Um auch wirklich einen ordentlichen Eindruck zu vermitteln brauchte es einiger Renovierungen - allen voran die Curia. Und der Erd-Holz-Wall musste einer richtigen Stadtmauer weichen!


    Schließlich erreichten sie den Pier und die Laufplanke wurde ausgelegt. Zuerst betrat der alte Petronier wieder den Heimatboden und drehte sich um:


    "Meine Herren Gesandten,


    ich danke euch im Namen des baldigen Municipiums für euer Engagement! Wir haben einen verdammt weiten Weg hinter uns gebracht im Namen unserer Gemeinde, haben Stürme überlebt, Achsbrüche und Ganoven, die uns übers Ohr hauen wollten. Wir haben Zeit investiert, haben unsere Familien und Geschäfte zurückgelassen und einen Haufen Geld in diese Reise gesteckt - aber jetzt, wo wir wieder daheim sind, sehen wir die Folgen: Mogontiacum wird schon bald ein echtes Municipium sein! Wir als Decuriones werden mehr Unabhängigkeit gewinnen, unsere Magistraten werden über uns Recht sprechen und verdiente Mitglieder unserer Kommune zu römischen Bürgern werden! Und das alles dank eures Engagements!


    Ich bin stolz, dass wir das gemeinsam geschafft haben! Und deshalb entlasse ich euch jetzt - eure Pflicht ist erfüllt!"


    Nach dieser kleinen Rede griff auch er nach seinem Bündel. Die übrigen Decurionen gingen natürlich nach Hause und würden ihre Sklaven holen, die das Gepäck dann später holten. Der Alte hatte dagegen sowieso wenig dabei. Als er gerade gehen wollte, erblickte er Ovinius, der ein bisschen ratlos herumstand.


    "Und dir vor allem nochmal ein Danke - wer weiß, was der Kaiser gesagt hätte, wenn ich weiter so herumgegazt hätte!"


    Der fette Decurio grinste.


    "Keine Ursache - alles für die Civitas! Oder das Municipium genaugenommen!"


    So zerstreute sich die Gesandtschaft recht schnell und alle kehrten zu ihren Familien zurück. Auch Crispus hatte viel zu tun - Privatus würde ihm genau berichten müssen, wie sich der Steinbruch entwickelt hatte! Und dann war da ja noch der Auftrag, den er zu Dumping-Preisen angenommen hatte...