Beiträge von Marcus Petronius Crispus

    Siebzehn Sesterzen? Crispus war nicht gerade ein erfahrener Krämer - die meiste Zeit seines Lebens hatte er sich um seine materielle Versorgung wenige Sorgen machen müssen und als Centurio kaufte man für seine Einheit sowieso immer nach dem staatlich vorgegebenen Preis. Siebzehn Sesterzen kam ihm allerdings doch reichlich hoch vor - aber was war realistisch? Vermutlich musste er einen lächerlich niedrigen Preis entgegensetzen, sodass sie sich in der Mitte treffen konnten:


    "Also ich hatte eher so an den Bereich von zehn Sesterzen gedacht... so wertvoll sind Hämmer und Meißel ja auch wieder nicht..."


    sagte er deshalb und nahm rasch einen Schluck.

    Nach dem Dankopfer zogen sich die beiden Älteren in die Bibliothek des Domitiers zurück und begannen die Verhandlungen über eine mögliche Eheanbahnung. Zu Crispus' Überraschung machte Massula allerdings einen Rückzieher und stellte fest, dass Octavena ihm zu verschlossen sei. Die zögerlichen Versuche des Petroniers, die Verbindung doch noch zu retten, schlugen fehl - letztlich musste er akzeptieren, dass nichts zu machen war.


    Dennoch trennte man sich im Guten - die Petronier wurden sogar noch reich beschenkt, ehe sie sich auf den Heimweg machten.

    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    Die Nachricht von der Villa Rustica erreichte Crispus einige Tage später. Die halbe Besatzung des Turmes hatte es wegen ihrer kleinen Zahl nicht gewagt, in der Nacht nach dem Feuer zu sehen. Am nächsten Morgen hatten sie die verkohlten Überreste des Bauernhofs gefunden und Meldung nach Aquae Mattiacorum gemacht. Von dort aus wiederum hatte einer der Decurionen nach Mogontiacum geschrieben, weil er ein Veteran der Secunda war und Crispus entfernt kannte. Von ihm aus traf sie schließlich in Mogontiacum ein und traf den alten Petronier wie ein Blitzschlag. Statt Angst oder Mitleid zu fühlen, war er zornig - auf die Limes-Besatzung, die in Sichtweite einen Bauernhof ausrauben ließ, auf die Banditen, die seinen Hof ausgeräumt und Alrik, den armen Pächter, umgebracht hatten und auf sich selbst, weil er nicht daran gedacht hatte, dass er in solchen Zeiten vielleicht einen Söldner hätte anwerben können.


    Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, besprach er sich aber mit Privatus und Lucius, was zu tun sei. Beide rieten ihm einstimmig dazu, sich nach einem neuen Pächter umzusehen und den Hof wiederaufzubauen. Zwar meinte Privatus, dass das vielleicht bis zur Rückkehr der Legionen aus dem Süden warten konnte, aber Lucius wandte ein, dass das nicht mehr allzu lange dauern würde, denn die entscheidende Schlacht war ja bereits geschlagen. Außerdem würde schnelles Handeln eine zusätzliche Ernte ermöglichen. Nach einigem Hin und Her hatte man sich schließlich geeinigt, dass Crispus persönlich nach Aquae Mattiacorum reisen würde, um einen neuen Pächter zu suchen. Dies würde den Vorteil bieten, dass er einen vertrauenswürdigen Mann auswählen konnte - außerdem würde er möglicherweise gleich einen Wiederaufbau in die Wege leiten, sodass man dem neuen Pächter nicht zu viel Pacht erlassen musste.


    Lucius würde solange hier die Stellung halten und interimistisch das Kommando über Crispus' Centuria übernehmen, wobei er aber dem Manlius, dem Centurio Militum der anderen Centuria, unterstellt bleiben würde. Rasch verfasste Crispus ein Schreiben an die Duumviri, am nächsten Tag machte er sich dann auch schon auf nach Aquae Mattiacorum...

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    Original von Lucius Petronius Crispus
    Für den jungen Petronier kam die Neuigkeit aus der Civitas Mattiacorum wie gerufen - als Optio unter seinem Vater war es sowieso ziemlich anstrengend gewesen, denn der Alte versuchte ihm bei allem reinzureden und ihn am Ende immer wie einen völligen Idioten dastehen zu lassen. Zuerst hatte er befürchtet, dass der Alte ihn auf den niedergebrannten Hof schicken würde, was vielleicht auch besser gewesen wäre, als hier den ganzen Tag zu Hause zu hocken, aber daran schien Crispus gar nicht gedacht zu haben. Stattdessen hatte Lucius sich blitzschnell eine Strategie zurechtgelegt, in der Privatus - wahrscheinlich, weil der den Alten auch loswerden wollte - ihn geradezu bestärkte. Am Ende hatten sie seinen Vater so weit, dass er ihm die Verantwortung für die Domus Petronia übertrug und selbst über den Rhenus zog.


    Was das für Lucius bedeutete, war klar - seine erste Amtshandlung, nachdem der Alte um die Straßenecke gebogen war, war ein Befehl an Morag gewesen: Niemand war vorzulassen - der Hausherr war verreist und der junge Hausherr mit dringenden Anliegen beschäftigt. Dann hatte er sich Würfel und einen Becher geschnappt, um endlich hinter das Geheimnis der Wahrscheinlichkeiten zu kommen. Seit den Saturnalia hatte er nämlich das Gefühl, dass er dort irgendwo einen Denkfehler drin hatte, weshalb er nun eine kleine Versuchsreihe starten wollte. Der Alte hätte ihm das natürlich nie erlaubt, aber jetzt konnte er sich nach Herzenslust mit mathematischen Problemen beschäftigen - die Leitung der Miliz war locker nebenher erledigt.


    Da er ja eine gute Beschäftigung hatte (die er abends um ausgiebige Zechgelage ergänzte, wie er sie seit der Vicomagistratur nicht mehr erlebt hatte), ging er auch Octavena aus dem Weg. Zum einen, weil er fürchtete, dass sie ihn verpetzte, zum andern, weil er einfach keine Lust hatte, mit ihr zu reden. Viel besser war es doch, sich ins Tablinium zu setzen, den Abakus auf der Linken, einen Stapel Tabulae auf der rechten Seite und dann zu rechnen, zu konstruieren und zu zeichnen!

    Ein junger Mann namens Iullus Helvetius Curio meldete sich ebenfalls in der Domus Petronia, um als Discipulus in die römischen Kulte eingeführt zu werden. Nach ein wenig Smalltalk kam man schließlich auf seine Wunschgottheit zu sprechen:

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    Original von Iullus Helvetius Curio
    Ich würde gerne Apollo Grannus Mogon dienen, sofern das möglich ist.


    gab Curio damit seine Wünsche weiterhin kurz an. Wahrscheinlich waren die Chancen gut, dort auch eine Stellung zu bekommen, gehörte der Apollo-Tempel doch zu den wichtigsten Tempeln der Mogontiacums.

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    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Apollo Grannus ist gut - da werden immer Leute gebraucht."


    stellte er fest und nickte. Diesen Tempel besuchte er sogar selbst etwas häufiger, sodass er auch den Aedituus dort kannte. Außerdem war diese Gottheit wirklich eine gelungene Synthese aus dem besten der römischen und der germanischen Religion und damit vielleicht auch ein guter Einstieg für jemanden, der nicht von hier kam...


    "Ich werde dir ein Ernennungsschreiben für den Aedituus dort ausstellen, dann kannst du zu ihm 'rübergehen und deine Ausbildung eigentlich gleich anfangen..."

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    Original von Iullus Helvetius Curio
    Das ging schneller, als gedacht. Natürlich brachte Curio gewisse Vorkenntnisse mit, aber solch eine Einstellung war ja auch immer an gewisse Bedingungen geknüpft. Offenbar wurden diese von Curio erfüllt, sodass der junge Helvetier jetzt und hier die Ernennung zum Discipulus ernannt wurde und eigentlich sofort mit der Ausbildung beginnen konnte. Er rollte das Ernennungsschreiben zusammen und steckte es dann ein, sodass er sich beim Tempel auch ausweisen konnte.


    Vielen Dank, Pontifex Petronius. Ich werde mich dann gleich sofort auf den Weg zum Tempel machen. Vale, Pontifex.


    sagte Curio, wartete auf die Verabschiedung durch den Pontifex und verließ danach das Haus Richtung Apollo-Tempel.

    Die Saturnalia am Ende des December wurden in der Domus Petronia trotz des Bürgerkriegs wie gewohnt gefeiert: Die Türen standen offen, die Sklaven bekamen frei und stromerten in der Stadt umher und die Hausherren mussten für Essen und Getränke sorgen (diesmal allerdings weniger für aktive Soldaten) - was natürlich vor allem der jüngere Crispus zu übernehmen hatte. Wegen der Kälte versammelte man sich im Triclinium bei warmem Würzwein, Keksen und dem Würfelspiel. Überraschend erschienen die Duccii zum Feiern:

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    Original von Numerius Duccius Marsus
    "Bona Saturnalia", gab er den Gruß gut gelaunt zurück. Amüsiert nahm er den offensichtlichen Gewinn des Hausherrn zur Kenntnis und musste unweigerlich über dessen fröhlichen Ausruf schmunzeln.


    "Gern", willigte Witjon dann in das Würfelspiel ein. Vorher allerdings musste er natürlich noch die Geschenke loswerden.


    "Zunächst wäre es mir jedoch eine Freude, dir einen kleinen Dank für deine Gastfreundschaft zukommen zu lassen", erklärte er deshalb und gab seinem Sohn dann einen Wink, dass dieser dem Gastgeber die Strenae und Kerzen übergeben solle.

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    Original von Lucius Petronius Crispus
    Normalerweise hätten die Sklaven die Aufgabe gehabt, solche Geschenke anzunehmen. Allerdings waren Saturnalien und deshalb musste Lucius die ganzen Sklavendienste übernehmen - der Alte selbst war sich auch in der fünften Jahreszeit zu schade dafür. Also stand er schnell auf und nahm die Kerzen und Zweige entgegen. Eine davon stellte er gleich auf den etwas überladenen Tisch und entzündete sie an einer Öllampe, die Zweige kamen in eine Vase.


    Dann kehrte er zurück - er wollte weiterspielen! Und noch einen Becher Wein nehmen...

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    Original von Caius Duccius Callistus
    Audaod trottete seinem Vater folgsam hinterher und trug wie geheißen den Präsentkorb. Neugierig betrachtete er die Ausstattung und Wandbemalung des Domus Petronia, den er bisher noch nicht betreten hatte. Im Triclinium schließlich stießen sie auf eine fröhliche Würfelrunde, die den Sohn des ehemaligen Duumvirs sogleich begeisterte.


    "Salvete et io Saturnalia!" grüßte er nun ebenfalls artig und ließ dann die Erwachsenen erstmal ein paar Sätze wechseln. Als Lucius dann aufstand, reichte Audaod dem jungen Petronier bereitwillig den Geschenkkorb. Endlich wurde er das Ding los und konnte es sich gut gehen lassen. Langsam wurde er auch die Nachwirkungen der letzten Tage los, also konnte er jetzt wieder einen guten Schluck Würzwein vertragen.


    Jetzt war noch die alles entscheidende Frage, was genau II, IV und das dreckige Dutzend eigentlich waren. Hoffentlich erklärte der alte Petronius die Regeln nochmal für die Neuankömmlinge, sonst würde Audaod fragen müssen.

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    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Oh, vielen Dank!"


    erwiderte der alte Petronier. Als er die Strenae betrachtete, fragte er sich, ob es eigentlich ein vergleichbares germanisches Fest gab, bei dem man bestimmte Dinge schenkte und zusammen feierte.


    "So, dann legt euch 'mal zu uns! Einsatz ist ein As pro Runde! Kennt ihr die Regeln?"

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    Original von Numerius Duccius Marsus
    "Wohl bekomm's", lächelte Witjon in Bezug auf die essbaren Geschenke und folgte dann gerne der Einladung sich niederzulassen. Zum Glück trug man an den Saturnalientagen keine Toga, weshalb er sich ganz bequem auf die Kline legen konnte. Ein Glück, denn Witjon hatte sich über die vielen Jahre als Inhaber eines römischen Amtes zwar an die Toga gewöhnt. Aber ein einfaches Hemd und eine Hose oder zumindest eine gemütliche Tunika waren ihm immer noch um einiges lieber als dieses faltenwerfende Stoffmonstrum.


    Als Petronius dann nach den Regeln fragte, zog Witjon allerdings eine bedauernde Schnute. "Ein As kann ich beisteuern. Mit den Regeln wirst du mir aber wohl helfen müssen..."

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    Original von Numerius Duccius Marsus
    Freudig gespannt beobachtete Witjon, wie die anderen ihr Glück versuchten. Lucius kam ihm mit seiner Zwanzig gefährlich nahe, im Gegensatz zu Audaod und den beiden Haussklaven. Gaius' Ausscheiden dagegen quittierte Witjon mit einem erleichterten Stöhnen. Jetzt musste nur noch der Gastgeber einen ordentlichen Fehlwurf machen.


    Und so kam es auch. Das intensive Würfeln des Petroniers reichte nicht aus. Witjon seufzte erleichtert auf und nahm lächelnd den Jackpot an sich. "Knappes Ding", ließ er Lucius mit anerkennendem Blick wissen und nickte dann, als dessen Vater eine Einsatzerhöhung vorschlug. "Von mir aus", sagte er zu. "Drei As?" warf er dann einen Vorschlag in die Runde. Als Decurio konnte man sich das ja leisten. Bei den Sklaven war er sich allerdings nicht so sicher. Wer wusste schon wie viel Taschengeld die so von Petronius bekamen.

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    Original von Caius Duccius Callistus
    "Na siiiicheeer!" gab Audaod auf die Herausforderung durch seinen Vater zurück und schnappte sich sogleich seinen Becher, den er bis zum Rand füllte. Nur wenige Sekunden, nachdem der Becher dann an die Lippen angesetzt worden war, hatte Audaod ihn auch schon geleert und stellte ihn geräuschvoll auf dem Tisch ab.


    "So Fortuna will, werdet ihr mich heute noch häufiger trinken sehen", verkündete er schließlich, während er sich bereits nachschenkte. Natürlich hoffte er, dass noch weitere Gewinne auf ihn zu kamen. Wenn da einige mit der XXIV erzielt werden konnte, blieb seine Kehle zusätzlich auch schön geölt.


    Als sein Becher also wieder gefüllt war, sackte er den Jackpot ein und warf den Einsatz für die nächste Runde wieder in die Mitte. "So, weiter geht's?" äußerte er die Aufforderung zum Weiterspielen. "Der Wein schmeckt auch auf ex sehr gut", fügte er dann noch grinsend hinzu.

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    Original von Marcus Petronius Crispus
    Dem jungen Duccier schien es zu schmecken und Crispus war zufrieden. Er nahm selbst noch einen Schluck und blickte dann in die Runde.


    "Wer ist dran? Fängst du an, Duccius...äh - Marsus?"


    Dass heute zwei Duccier im Haus waren, war noch ein klein wenig verwirrend - zumindest nach so viel Wein.


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    Original von Numerius Duccius Marsus
    Die Nornen mochte Audaod an diesem Abend tatsächlich. Zumindest was das Würfelglück anging. Er gewann noch drei von sieben weiteren Würfelrunden. Dafür musste er allerdings auch wesentlich mehr Weinbecher in einem Zug leeren als die anderen Gäste, was sich logischerweise auf seinen körperlichen wie geistigen Zustand nicht ausnahmslos positiv auswirkte. Deshalb erklärte Witjon in dem Moment, in dem Audaod anfing ungemein stark zu lallen, dass sie sich nun auf den Heimweg machen wollten. Er bedankte sich beim Gastgeber für den schönen Abend und wünschte noch weiterhin viel Spaß, dann krallte er sich seinen betrunkenen Sohn und brachte diesen nach Hause. Witjon selbst hatte auch nicht gerade wenig Wein intus, aber er schaffte es noch mit halbwegs klarem Kopf den Heimweg zu bestreiten. Gerade bei so winterlich-kalten Temperaturen während der Saturnalien wurde er jetzt wieder recht schnell klar im Kopf, während der Schnee unter seinen Schuhen platt getreten wurde und der kalte Wind ihm um die gefrierenden Ohren pfiff. Witjon dankte schließlich Wodan, Donar und Frigg und allen anderen Asen und Disen, als er die etwas wärmere Casa Duccia erreichte und seinen Sohn ins Bett verfrachten konnte. Das war ein gelungener Abend gewesen.

    Auch für Crispus hieß es nun zu warten - von Innereien hatte er nur bedingt Ahnung, weshalb einer der Opferbeschauer der Magistrate heute assistierte. Schließlich wurde die Litatio verkündet und sie konnten endlich zu den eigentlichen Vota kommen. Wort für Wort sagte ihm einer seiner Collega die uralten Worte vor, die überall im Imperium nahezu gleich lauteten - nur dass normalerweise die capitolinische Trias angerufen wurde, während die Vota hier in Mogontiacum älter waren als der Tempel auf der anderen Seite des Forums, sodass man noch immer Divus Augustus anrief:


    "Divus Augusti, wenn der Imperator Appius Cornelius Palma lebt und sein Haus bis in einem Jahr nach dem Kalender des römischen Volkes unbeschadet ist, und du dem Genannten guten Erfolg gibst, und ihn und sein Haus in seiner Position hältst oder diese verbesserst und sie wohlbehalten aus aller Gefahr bewahrst, geloben wir, die Pontifices im Namen der gesamten Civitas Mogontiacum, dir einen Widder als Gabe darzubringen."


    Im nächsten Jahr würde die Zeremonie vielleicht schon geteilt sein - falls der Krieg bis dahin günstig ausging und Mogontiacum zum Dank für seine Treue den Munizipalstatus erhalten hatte... denn dann war definitiv die Göttertrias anzurufen, wie es auch im römischen Vorbild geschah...


    Es folgten noch einige rituelle Handlungen, dann waren die Vota vorüber und die Beteiligten konnten sich nach Hause aufmachen.

    Genaugenommen traf das mit dem guten Verhältnis nicht für alle zu - aber wahrscheinlich brachte er trotzdem mehr aus den Jungs raus als ein wildfremder Sklavenjäger. Deshalb nickte er nur.


    "Gut, Haakon. Dann sehen wir uns!"


    Damit war wohl alles geklärt. Er deutete auf die Hütte am Eingang des Steinbruchs.


    "Mein Geselle wird dich an Ulixes vorbeibringen. Raus lässt er die Leute nämlich noch ungerner als rein!"

    Erwartungsvoll blickte Willigis den Sklavenjäger an - er hatte noch nie mit so einem Typen zusammengearbeitet und fragte sich, was für Informationen er wohl sonst noch brauchte. Den Flucht-Hergang - das war eine gute Frage!


    "Nee, der kommt unregelmäßig, glaube ich. Ich muss ja normalerweise nicht so viele Sklaven kaufen, die halten sich hier trotz der Arbeit immer recht gut."


    erklärte er aber zuvor. Dann rekonstruierte er die Flucht:


    "Er ist gestern morgen geflohen. Normalerweise haben ich oder mein Geselle die Jungs immer im Auge, deshalb schmieden wir sie nicht immer an - aus dem Steinbruch kommen sie ja sowieso nur durch den Weg hier raus und da sitzt ja Ulixes."


    Er deutete auf den Eingang des Kessels, wo ein Hund angekettet war. Er musste auch Haakon angebellt haben, bis der Geselle dem Wachtier Ruhe befohlen hatte.


    "Naja, er war jedenfalls nicht angekettet und muss irgendwie aus dem Kessel gekommen sein. Da hinten gibt's ja ein Gerüst und die letzten paar Fuß muss er geklettert sein. Die anderen Sklaven - und mit Atto dort verstehe ich mich eigentlich ganz gut - meinten, er hätte gesagt, er müsse mal pinkeln."


    Er deutete auf die Sklaven rüber.


    "Genaueres weiß ich auch nicht - du kannst sie gerne fragen, wenn du willst - wie heißt du überhaupt?"

    Solange im Steinbruch gearbeitet wurde, musste Willigis meistens aufpassen, dass die Sklaven ihre Arbeit ordentlich machen und nur gelegentlich konnte er sich in seine Hütte zurückziehen, um sich der Steinmetzarbeit zu widmen. Jetzt im Winter ging das Steinebrechen aber sowieso nicht übermäßig gut voran, weshalb die Sklaven momentan gebrochene Steine behauen mussten und er die Wand betrachtete, aus der im Frühling neue Steine kommen sollten.


    Dabei wurde er plötzlich von einem Fremden angesprochen. Er drehte sich um und betrachtete den Mann - er war ziemlich groß, kräftig und trotz der offensichtlichen Jugend ein sorgenzerfurchtes Gesicht. Alles deutete darauf hin, dass es ein Sklavenjäger war - Willigis wusste gar nicht, dass der Pontifex solche Leute engagierte, und schon gar nicht für einen entlaufenen Bergwerkssklaven!


    "Ich bin Willigis, ja. Du willst mir helfen, Ballomar zu finden?"


    Er kratzte sich am Kopf - ihm helfen war gut: Willigis hatte Ballomar einfach abgeschrieben und den anderen Sklaven seither wieder die Fußketten angelegt. Genaugenommen war er etwas enttäuscht von Ballomar, denn er hielt sich für jemanden, der die Steinbruchsklaven ganz gut behandelte...


    "Naja, ich denke, ich kann eher dir helfen als du mir. Ich muss nämlich aufpassen, dass die anderen nicht auch abhauen!"


    Er deutete auf die Sklaven, die im Inneren des Steinbruchs arbeiteten.


    "Aber ich kann dir ja 'mal verraten, was ich über Ballomar - so heißt er - weiß: Ich hab' ihn von einem germanischen Sklavenhändler gekauft - ich glaub', ein Suebe namens Rechila. Der kommt regelmäßig und liefert auch meistens gute Ware. Ballomar war... oder ist auch Suebe, Markomanne, glaub' ich.


    Was kann ich noch erzählen? Naja, er hatte von Anfang an ziemlich Heimweh, war scheinbar von Rechila irgendwo jenseits des Rhenus aufgegabelt worden. Ich hab' natürlich auch die anderen befragt, mit denen er an der Kette geschlafen hat, aber die wussten auch nichts von ihm - außer, dass er scheinbar irgendwo hier jemanden kennt. Den Namen wussten sie aber auch nicht mehr... muss wohl jemand aus seinem Stamm sein, der hierher ausgewandert ist."


    Wenn sein neuer "Helfer" ein Sklavenjäger war, wusste er sicherlich, dass entlaufene Sklaven zuerst einmal einen Unterschlupf brauchten. Mit ein wenig mehr Energie hätte Willigis vielleicht selbst Erkundigungen angestellt, aber das lohnte sich nicht - war ja nicht sein Geld, das geflohen war.

    Der alte Petronier, der heute nichtsahnend in die Sitzung gekommen war, staunte nicht schlecht, als Marsus die Nachricht verkündete. Er war sich die ganze Zeit nicht ganz sicher gewesen, ob er auf das richtige Pferd gesetzt hatte - nun schien es aber entschieden zu sein. Wenn Mogontiacum auf der richtigen Seite stand, würde auch Lucius eine gute Chance haben, zum Eques gemacht zu werden!


    "Wir sollten den Göttern ein Dankopfer darbringen!"


    rief er deshalb aus - immerhin war das seine Aufgabe als Pontifex. Und was war wohl ein größerer Grund für einen Dank, als ein Sieg in einem unsicheren Krieg?


    "Aber erzähle mehr, Duccius! Ist der Ka... Salinator auch gefallen? Wie kam es zu der Schlacht? Und was wird jetzt passieren?"


    Im Grunde sagte der eine Satz des Ducciers ja noch nicht allzu viel - so viele Informationen über die Züge des Feindes hatten die Alpen bisher ja nicht überquert...

    "Naja, es geht..."


    log Crispus weiter, denn erst vorgestern hatte er erfahren, dass auch von Reatinus lange keine Lieferung mehr gekommen war. Nicht, dass er damit Versorgungsprobleme gehabt hätte - dank des entlaufenen Sklaven arbeitete der Steinbruch sowieso nicht ganz so rund wie sonst - aber genaugenommen passte das Angebot des Ducciers im Augenblick ganz gut.


    "Aber Werkzeug... naja, das kann man immer brauchen. Was würdest du denn anbieten?"


    antwortete er deshalb vorsichtig - er hätte vielleicht doch Privatus mitbringen sollen, der etwas mehr von Preisen und Angeboten verstand als der alte Petronier selbst...

    Aus den Augenwinkeln verfolgte Crispus die Arbeit der Opferhelfer, unter denen auch ein paar "Lehrlinge" waren. Sie schienen das Aufbrechen des Opfertiers bereits gut gelernt zu haben, denn alles funktionierte einwandfrei.


    "Dann gib sie weiter an den Haruspex!"


    murmelte er auf Asius' Meldung hin zurück. Etwas auf der Seite stand einer der wenigen städtischen Haruspices, die für öffentliche Opfer angefragt wurden. Natürlich war das hier kein echter Etrusker, aber er hatte zumindest ein bisschen die Kunst der Leberschau gelernt und konnte sagen, ob Organe stark deformiert waren. Soweit der alte Petronier wusste, las dieser Haruspex genaueres aber nur aus Fischinnereien...

    http://img818.imageshack.us/img818/7085/xanthos.jpg Meister Xanthos
    Wieder runzelte Meister Xanthos die Stirn - das war eine große Frage, wie er zugeben musste. Er selbst hatte sie sich vor Jahrzehnten einmal gestellt, aber seither keine Zeit mehr gehabt, darüber zu philosophieren.


    "Ich denke, das liegt daran, dass viele ihre Vernunft nicht nutzen, sondern ihren Trieben nachhängen. Sie sind wie Tiere, die dem Genuss hinterherjagen und nicht auf eine goldene Mitte achten."

    Die Frage seines Sohnes verwirrte Crispus ein wenig - was hatte er denn jetzt wieder für verrückte Ideen? Bier an sich war ja schon... eigenartig, aber warmes Bier hatte er noch nie gehört!


    "Mach' keine Umstände - gebt ihm auch einen warmen Met, das is' gut für seine Erkältung!"


    wandte er deshalb ein und ging dann wieder auf Marsus' Gespräch ein. Dass es keine Neuigkeiten aus Italia gab, war natürlich schade - andererseits waren keine Nachrichten ja immerhin keine schlechten Nachrichten...


    Abgesehen davon war kaum mehr Zeit für den Krieg, denn der Duccier kam sofort auf das Geschäftliche zu sprechen. Und der alte Petronier war gespannt, worauf Marsus nun hinauswollte...


    "Ja, hab' ich. Meine Socii sind aber inzwischen in bisschen verstreut... Wieso?"


    Dass die Geschäfte genaugenommen fast zum Erliegen gekommen waren, posaunte Crispus vorerst lieber nicht so hinaus... immerhin waren sie hier noch keine richtigen Geschäftspartner.

    Der alte Petronier ließ sich den Met reichen und verschüttete ebenfalls einen Schluck - dieses klebrige Zeug würde sicherlich noch sehr viel schwieriger wegzuputzen sein als der normale Wein. Aber offensichtlich hatten die Duccier ja genügend Bedienstete dafür!


    "Im Grunde sind's doch die gleichen Götter, Duccius! In eurer Sprache heißen sie eben Wodan und Teiwaz, in unserer Iuppiter und Mars - wichtig ist, dass wir alle zu ihnen beten, damit sie uns Glück bringen!"


    Solche religiösen Bemerkungen hatte Crispus sich ein wenig angewöhnt, nachdem er regelmäßig mit den Pontifices über kultische Themen diskutieren musste. Dort war ihm auch noch klarer geworden, dass es bei den Germanen und Römern im Grunde um das Gleiche ging, weshalb die Interpretatio Romana ja auch hier in Mogontiacum fleißig geübt wurde.


    "Sag' mal, von eurer Familie sind doch auch welche mitgezogen! Habt ihr schon etwas von ihnen gehört?"


    Von seinen Veteranen-Freunden hatte sich leider noch niemand bei Crispus gemeldet...

    http://img818.imageshack.us/img818/7085/xanthos.jpg Meister Xanthos
    "Jaja, Rom ist ein gefährliches Pflaster - ich habe dort auch einmal ein paar Jahre gearbeitet, aber die Mieten wurden mir einfach zu teuer..."


    Abgesehen davon war die Konkurrenz in Rom ziemlich groß und - wie Pacatus schon sagte - war es sehr gefährlich dort. Nicht nur einmal war er in seiner Schule überfallen worden und war morgens von seinen Schülern gerettet worden.


    "Aber hier ist es nicht ganz so schlimm. Ab und zu passiert schon mal ein Überfall, aber Morde haben wir äußerst selten. Ich glaube, Caius war der letzte Mord hier."


    Dann ging er noch auf die etwas verwunderte Nachfrage ein: "Weiter im Norden, gleich in der Straße, die die Via Principalis kreuzt. Dort ganz im Norden wohnen keine reichen Leute, dafür kehren viele Matrosen dort ein. Das sind teils ähnlich raue Burschen wie in Rom, da ist es sehr klug, sich zu verziehen, wenn es Ärger gibt."

    Als nächstes war der Schafbock an der Reihe und Crispus erhob erneut die Hände. Diesmal würde die Gabe an Divus Augustus gehen, denn dieser war immerhin besonders zuständig für alle Fragen der Herrschaft - außerdem bot es eine geeignete Überleitung zu den Vota.


    "O Divus Augustus,
    ewiger Vater des Vaterlandes,
    Schirmer des Imperium Romanum und Friedensbringer,
    Schutzherr aller Augusti!


    Durch Deine Weisheit und Tugend wurden Krieg und Zwietracht beendet. Dcch auch in dieser Stunde neuen Krieges und neuer Zwietracht schenkst du deine Huld dem rechtmäßigen Imperator Caesar Augustus, Appius Cornelius Palma, den unsere Legionen wie einst Dich ausgerufen haben.


    Darum wollen wir Dir durch gute Opfer danken und bringen Dir diesen prächtigen, makellosen Widder als unsere bescheidene Gabe. Sie möge Dir zum Dank gereichen und Deinen Schutz auf Appius Cornelius Palma und seine Familie herabkommen lassen. Möge unser Dank aufsteigen mit dem Rauch des Altares und mögen wir Gemeinschaft haben mit Dir, wenn wir das Fleisch dieses Tieres essen!"


    Damit hatte der Schafbock genug gehört und ein dritter Minister, der Opferschlächter, war an der Reihe. Wie bei jedem Opfer folgte das alte Spiel:


    "Agone?"


    "Age!"


    Und schon fraß sich das Opfermesser in den Hals des blökenden Schafes, schlitzte die Kehle auf und ließ das Tier zittern und zusammenbrechen. Dann waren die Opferhelfer wieder an der Reihe, um das Blut aufzufangen und dem Schlächter mit dem Aufbrechen des Tieres zu helfen.

    "Puh, Schweinekalt, kann ich nur sagen!"


    kommentierte Crispus die Frage nach ihrer Anreise und fröstelte ein wenig - gut, dass sie die feuchten Umhänge auch schon im Vestibulum hatten abgeben können. Dann sah er sich kurz um und stellte fest, dass Armin verschwunden war - offensichtlich hatte man ihn in die Gesindestube gebracht, wo er auf das Ende des Essens warten durfte und hoffentlich bewirtet wurde.


    "Wir nehmen den Wein - is' das ein Roter oder ein Weißer?"


    entschied er dann über die Getränke. Zwar wusste er, dass Lucius auch ein Faible für Bier hatte, aber das konnte der alte Petronier nicht recht verstehen - das schmeckte ja wie Brot, während ein edles Tröpfchen ihn wenigstens ans sonnige Hispania erinnerte!


    Während sie Platz nahmen, fragte Crispus dann auch ganz unverschämt:


    "Oder habt ihr vielleicht warmen Met? Bei dem kalten Wetter, könnte ich eine kleine Aufwämung vertragen..."


    Soweit er wusste, tranken Germanen auch warmen Met - was Crispus ausnahmsweise für eine gute Idee hielt, denn Süßes schmeckte kalt wie warm. Außerdem erinnerte der Met ihn an Mulsum, das italische Pendant...

    http://img818.imageshack.us/img818/7085/xanthos.jpg Meister Xanthos
    Meister Xanthos runzelte die überaus hohe Stirn, die bei ihm ja bis zu seinem Haarkranz reichte. Die Geschichte war nicht besonders schön und damals äußerst aufsehenerregend gewesen - inzwischen war aber Gras über die Sache gewachsen, was den Lehrer etwas betrübte.


    "Naja, es war ein klassischer Straßenmord. Nachts, drüben, ganz im Norden des Vicus. Kein besonders gutes Viertel - ich frage mich bis heute, was Caius da gemacht hat. Caius Vinicius ist - oder war vielmehr der Sohn eines ziemlich angesehenen Decurio. Wahrscheinlich war er in einer dieser Spielunken dort unten."


    Hätte der dickköpfige Caius doch seinen Ratschlag berücksichtigt, sich von solchen Kneipen fernzuhalten, in denen allerlei Gesindel und Fremde herumhingen!


    "Was genau passiert ist, weiß niemand. Er wurde scheinbar niedergestochen, sein Leibsklave erwürgt. Aber ein paar komische Umstände gab es schon: Man hatte Caius seinen Geldbeutel gelassen, dafür seinem Leibsklaven die Tunica gestohlen. Meine Vermutung ist, dass er mit irgendwem aneinandergeraten ist - Caius war schon immer ein Hitzkopf. Die gestohlene Tunica ist aber trotzdem seltsam - wieso sollte man so etwas tun?"


    Über diesen Aspekt hatte der gelehrte Grieche schon öfter sinniert - aber eine überzeugende Erklärung war ihm noch nicht gekommen...