Beiträge von Marcus Petronius Crispus

    Crispus wurde fast schon etwas nervös, als doch endlich der erste Freiwillige sich vorsichtig an den Tisch heranpirschte. Es war ein junger Mann, strohblond und mit einem Bart, was auf eine germanische Herkunft hindeutete. Neugierig beugte er sich über den Tisch von Privatus und sagte voller Stolz


    "Ich will mitmachen!"


    Sein Latein zeigte klar, dass dies nicht seine Alltagssprache war. Trotzdem war der alte Petronier glücklich, überhaupt jemanden gefunden zu haben. Privatus dagegen schien kein besonderes Interesse an dem Jungen zu haben, denn er antwortete genervt


    "Name? Herkunft? Beruf?"


    "Trudbert, Wunolds Sohn. Ich komme aus dem Castellum Mattiacorum. Also genaugenommen bin ich Lehrling bei Notker, dem Schmied. Also - äh - ich lerne die Schmiedekunst. Genau."


    antwortete der Germane etwas unsicher, während Privatus schweigend notierte und dabei vor sich hin sprach


    "Trudbert Wunoldsson, Schmied."


    "Genau."


    Nun trat der alte Petronier an den Tisch heran und klopfte dem jungen Burschen auf die Schulter.


    "Willkommen in der Miliz, mein Sohn!"

    "In den Städten sprechen alle Leute Latein und auf dem Land auch - zumindest da, wo wir herkommen."


    warf Crispus ein, als das Iberische zur Sprache kam. Zwar sprachen einige Tarraconenser den Dialekt der keltischen Urbevölkerung, doch musste man schon in entlegene Dörfer gehen, um niemanden zu finden, der Latein sprach. Immerhin lag die Romanisierung schon Jahrhunderte zurück...

    Für die Einschreibung in die Miliz war alles vorbereitet - und doch war Crispus ein wenig aufgeregt. Ausgerüstet mit seinem alten Militärmantel, den Helm mit der Crista Transversa auf dem Kopf und das Schwert umgehängt stand er auf dem Forum. Die Rüstung war ihm auf seine alten Tage dagegen etwas zu schwer - außerdem spannte sie vorn herum, scheinbar war er doch etwas fett geworden. Dafür hatte Lucius sie bekommen, dem sie nur ein klein wenig zu groß war, was sich zusammen mit der improvisierten Standarte nicht schlecht machte. Als Dritter im Bunde war Privatus mitgekommen, der eine Bank und einen Tisch aufgestellt hatte, um dort die Freiwilligen zu registrieren.


    Nachdem alles vorbereitet war, ging Crispus zum Ausrufer hinüber, der seine kleine Botschaft sofort lautstark verkündete:


    "Unter dem Kommando des ehemaligen Primus Pilus Marcus Petronius Crispus wird eine Miliz aufgestellt! Die Civitas Mogontiacum benötigt junge Männer, die bereit sind, sich für die Sicherheit ihrer Heimat einzusetzen! Gemeinsam sollen sie die Eingänge dieses Vicus bewachen und durch Patrouillen für die Sicherheit der übrigen Vici und Straßen sorgen!


    Dank großzügiger Spenden der Decuriones werden die Milites einen festen Sold erhalten, der dem eines Vigil entspricht! Vor allem aber appellieren die Duumviri und Decuriones an euren Stolz auf eure Heimat und die Pflicht aller, für sie einzustehen!


    Sollten sich nicht genügend taugliche Freiwillige finden, werden die Decuriones genötigt sein, Zwangsaushebungen anzuordnen!"


    Die Botschaft war zwar nicht gerade reißerisch, aber sie fasste nach dem Dafürhalten des alten Petroniers doch das Wesentliche zusammen.

    Nachdem Octavena ein paar vage Angaben gemacht hatte, kehrte wieder ein wenig Schweigen ein - auch Crispus wandte sich vorerst dem Braten zu, bis ihm schließlich wieder ein kleines Smalltalk-Thema einfiel:


    "Ist das Wildschwein eigentlich selbst gejagt?"


    Die Jagd war vielleicht ein Thema, das auch für Lucius und den jungen Domitier interessant war - sie waren auf der Villa Rustica einige Male jagen gewesen, aber inzwischen fühlte der alte Petronier sich aber nicht mehr dazu in der Lage.

    Nachdem Crispus von den Decurionen zum Pontifex gewählt worden war, erschien er zu der feierlichen Zeremonie im Augustalium, um dort seinen Eid abzulegen. Es war lange her, dass er Eide geschworen hatte - und der letzte war der Fahneneid gewesen - aber es erfüllte ihn doch wieder mit Stolz, den Göttern ein Versprechen zu geben:


    "Ego, Marcus Petronius Crispus, Deos Deasque Imperatoremque Romae in omnibus meae Vitae publicae Temporibus me culturum, et Virtutes Romanas publica privataque Vita me persecutorum esse iuro.


    Ego, Marcus Petronius Crispus, Religioni Romanae me fauturum et eam defensurum, et numquam contra eius Statum Publicum me acturum esse, ne quid detrimenti capiat iuro."


    Während er den Eid, den ihn einer seiner neuen Collegae vorlas, sprach, musste er wieder einmal daran denken, dass derzeit gar nicht klar war, welchem Imperator er da eigentlich die Treue schwor. Im Grunde war es ihm herzlich egal, denn der Kaiser saß und Rom und das war weit weg, aber er hatte doch das Bedürfnis, sich bei einem Eid vor den Göttern festzulegen. Und da er ja bald eine Miliz aufstellen würde, entschied er sich spontan für diesen Palma, auch wenn er quasi nichts von ihm wusste.

    Massula war scheinbar auch nicht mehr ganz so jugendlich - das Einschlafen am Arbeitsplatz war doch eher eine Sache älterer Semester, wenn er da an seine Zeit in der Legionsverwaltung dachte. Dort hatten so manche Evocati gearbeitet, die für den Kriegsdienst eigentlich nicht mehr taugten - aber ihre Erfahrung war an vielen Stellen eben unersetzlich.


    Schließlich hatte er das ersehnte Schriftstück in der Hand und bedankte sich.


    "Danke, dann mach' ich mich mal an die Arbeit."


    Damit grüßte er militärisch und verließ das Officium.

    Nachdem niemand etwas dazu sagte, beschloss Crispus, Octavena wieder etwas mehr einzubinden - sie war ja immerhin der Anlass für dieses Gespräch. Und über Familie konnte sie sicherlich auch etwas erzählen:


    "Octavena, weißt du mehr über unsere Herkunft? Und woher kam eigentlich deine Mutter? Auch aus Tarraco?"


    Es war schon Ewigkeiten her, dass Crispus überhaupt von Bassus' Ehefrau gehört hatte und auch beim Namen war er sich nicht mehr ganz sicher - Talia vielleicht?

    "Mehr ginge natürlich auch immer - wenn jeder von uns ebenfalls 300 Sesterzen zahlen würde, könnten wir die Miliz auch regelmäßig bezahlen."


    Dummerweise war Crispus kein großer Rechner, aber er wusste, dass ein Legionär in der Woche vierzig Sesterzen bekam - auf den Tag gerechnet also etwa sechs, wobei man auch etwas unter dem Legionärssold bleiben konnte. Und wenn 50 Sesterzen schon die 3200 zusammenbrachten, würde das sechsfache sicherlich eine ganze Weile ausreichen.


    "Damit könnten wir den Leuten ihre Arbeitsausfälle ersetzen. Ich wäre ebenfalls bereit, dreihundert Sesterzen zu zahlen. Was meint ihr?"

    Beigetreten? - Crispus musste einen Augenblick nachdenken, ehe er sich erinnerte, dass Massula das Bürgerrecht ja erst erworben hatte. Dass man eine Gens allerdings als eine Sippe auffasste, war für den alten Petronier doch etwas ungewöhnlich. Im Gegensatz zu Sippen, die soweit er wusste, doch recht eng zusammenstanden, galt das nicht unbedingt für Gentes:


    "Naja, wenn ich an die Unmengen von Iuliern denk', die so herumlaufen, bin ich nicht ganz sicher, ob man da von einer richtigen Sippe reden kann."


    Der Name war so beliebt, weil Augustus so freigiebig mit dem Bürgerrecht gewesen waren - und die Gens Iulia auch einen Großteil der anderen ersten Kaiser hervorgebracht hatte. Aus Dankbarkeit war es damals eben üblich gewesen, den Namen des Kaisers anzunehmen...

    Nachdem Crispus beim Legatus gewesen war, kehrte er zum Officium des Princeps Praetorii zurück, um dort die Formalia zu klären. Fast hatte er die Bürokratie vergessen, deren Teil er als Optio Tabellarii ehemals selbst gewesen war.


    "Domitius, der Legatus meinte, du könntest mir eine Vollmacht in seinem Namen ausstellen, dass wir Ausrüstung für zwei Centuriae aus dem Fundus der Legio II bekommen. Und den Campus für die Ausbildung nutzen dürfen..."


    begann er direkt, als er eingetreten war.

    Irgendwie hatte Crispus das Gefühl, dass der Legat kein großes Interesse an seinem Anliegen hatte und ihn nun möglichst schnell loswerden wollte - waren die Milizen überflüssig? Oder interessierte den Statilier die Sicherheit der Civitates nur so herzlich wenig, dass ihm persönlich das ganze einfach unwichtig war? Naja, er konnte sowieso nichts daran ändern - außer, sein Bestes zu geben.


    "Jawohl, Legatus. Ich werde mich sofort bei ihm melden, Legatus."


    Er erhob sich und salutierte nochmals militärisch.


    "Vale, Legatus!"

    "Gibt es Einwände gegen meinen Vorschlag? Sonst würde ich mich gleich dran machen, meinen Plan umzusetzen."


    meinte Crispus, nachdem sich niemand weiterhin zu Wort meldete - diese Sache drängte schließlich, denn die Legion war schon seit geraumer Zeit abgezogen und es gab schon Gerüchte, dass das Banditenwesen in der Provinz zugenommen hatte - war die Katze aus dem Haus, tanzten die Mäuse dem Tisch!

    Natürlich hatte Crispus von Petronius Arbiter, dem berühmten Günstling Neros gehört - und gelesen. Vor langer, langer Zeit hatte er sich ja tatsächlich für Literatur interessiert und einiges gelesen. Damals, als er noch ein Jüngling gewesen war - es war Jahrzehnte her.


    "Puh, keine Ahnung. Also nicht direkt, denke ich. Mein Onkel Varus war auch der einzige, der den Ritterring bekommen hat. Und wir stammen von Kolonisten aus Umbria ab, keine Ahnung, woher dieser Arbiter kam."


    Natürlich hatte er sich damals als junger Mann alles mögliche ausgemalt - aber wenn er ehrlich war, war es wohl so, wie er es sagte...