Während der Parentalia war es üblich, die Totengeister innerhalb des eigenen Hauses zu besänftigen. Obwohl Crispus noch immer sehr an Heila hing, obwohl sie bereits sehr lange Zeit tot war, und nicht davon ausging, dass sie als Wiedergänger hierher zurückkehren würde, wollte er lieber auf Nummer Sicher gehen. Gerade Menschen, die eines unnatürlichen Todes gestorben waren (und ein Unfall gehörte dort sicher dazu), waren für so etwas ja gefährdet.
Wie dem auch war - Crispus beschloss, ein paar Gaben für sie und vor allem seine anderen Ahnen (obwohl die wohl eher in Hispania spukten, aber man wusste ja nie...) aufzustellen. Und damit Lucius das lernte, nahm er ihn dazu. So standen sie beim Lararium. Crispus hatte einen Kranz auf dem Markt gekauft, dazu hatte er aus der Speisekammer Wein, Brot und Salz geholt. Dies waren die traditionellen Gaben.
"Wir stellen Mama und allen unseren toten Ahnen diese Dinge hin, damit sie hier nicht umherwandern."
"Aber ich würde Mama gern einmal wieder sehen, Papa!"
"Es ist nicht gut, wenn man Tote trifft, Lucius! Das ist ein böses Omen!"
Lucius wirkte traurig bei dem Gedanken an seine Mutter, was Crispus zu gut verstehen konnte. Auch er hätte Heila gern noch einmal gesprochen, doch er wusste, dass es gefährlich war, so etwas zu wünschen. Die Germanen glaubten, dass Untote ein Omen des Todes waren. Und sie konnten einen Mann in den Wahnsinn treiben.
"Mama ist jetzt in den Gefilden der Seeligen, Lucius. Aber an den Parentalia kommen die Toten auf die Erde. Aber Mama hätte sicher nicht gewollt, dass wir sie suchen und dann deswegen auch sterben müssen. Also stellen wir ihr etwas zu Essen hin, damit sie etwas hat, wenn sie kommt. Aber sie kommt nur, wenn wir nicht hier sind. Also warte nicht - du kannst ihr aber etwas ans Lararium legen, wenn du willst."
"Dann male ich ihr ein Bild! Kriege ich eine Tabula dafür?"
Eigentlich hatte Crispus gehofft, dass Lucius einen Brief schreiben wollte, doch leider konnte er ja nicht gut genug schreiben. Diesmal wollte er seinen Sohn allerdings nicht schon wieder ermahnen - die Worte von Crispina hatten ihn doch ein wenig beeinflusst. So nickte er knapp und stellte dann den Kranz an den Hausaltar.
"Du kannst dein Bild oben auf den Altar legen. Zu dem Essen."
Er stellte die Schale mit Salz, sowie die Kanne mit Wein und das Brot auf den Altar, dann betrachtete er sein Werk. Ja, das würde genügen. Langsam sprach er noch ein kleines Gebet.
"O Divi parentes, meine Heila! Wenn ihr hierher kommt, dürft ihr euch gerne bedienen. Heila, sieh dir auch das Bild von Lucius an! Aber straft uns nicht mit Spuk oder Wahnsinn. Wir werden auch mit euch zusammen an eurem Grab essen...also an dem von Heila. Danke.
Sein Gebet war sehr persönlich und wäre wohl bei einem öffentlichen Opfer absolut unpassend gewesen - in diesem Fall war es jedoch eine persönliche Angelegenheit und Crispus war sich sicher, dass sein Vater und Heila ein solches Gebet gern akzeptierten - sie waren ja nicht Iuppiter oder sonst ein Olymp-Bewohner!