Freya - vermutlich hatte der Haruspex Recht, wobei es im Grunde ja egal war: Für Crispus war Freya nur Venus unter einem anderen Namen. Aber wenn es dem Haruspex besser gefiel, konnte man sie auch Freya nennen.
"Gut, fangen wir an."
sagte er daher und blickte sich nach seinen Amtsdienern um: Sie waren soweit bereit und begannen mit dem Opferritus. Ein Flötenspieler setzte ein, der das gesamte Opfer begleiten musste. Ein Diener trat hervor und wusch dem Magistratus die Hände, woraufhin auch die übrigen Anwesenden mit Wasser besprengt wurden.
Zuerst betrachtete Crispus das Lamm noch einmal. Es war ziemlich verängstigt und blökte traurig. Glücklicherweise war Crispus nicht besonders sentimental, was Tiere betraf und hatte so nicht einmal einen Funken schlechten Gewissens, als das kleine Schaf ihn mit so jämmerlichem Blick ansah. Stattdessen besprengte er es mit Wein und weihte es so der Freya. Der Opferschlächter reichte ihm ein Messer und langsam fuhr der Petronier mit dessen Rücken über den des Tieres. Noch einmal blökte das Lämmchen, dann verstummte es wieder.
Crispus erhob die Hände zum Himmel und begann ein Opfergebet zu sprechen, das ihm ein Diener von einer Rolle vorlas:
"O Freya, die wir Römer Venus nennen, Herrin der Liebe und des Glücks, die du den Winter vertreibst, den Schnee schmilzt und die Felder reifen lässt!
Regelmäßig opfern wir Dir zu Ehren und zur Speise, stets gibst Du uns, was wir brauchen! Nun teile mit uns Deine Weisheit und schenke uns Rat, wie Du es getan hast seitdem Du in Folkwang herrschst. Sage uns, ob wir in diesem Jahr erneut die Kälte des Winters fürchten müssen oder ob Du mit dem Frühling die Herrschaft übernommen hast.
Für diesen Ratschlag schenken wir Dir dieses Lamm, sein Blut und sein Fleisch mögen Dir zur Speise dienen."
Er wandte sich nach Rechts, während er den Accensus bewunderte, der dieses Gebet aufgesetzt hatte - es war wirklich würdevoll und beeindruckend!
Der Opfermetzger griff sich nun das Schaf, das sich heftig zu wehren begann. Offensichtlich hatte der Mann große Mühe, das Tier festzuhalten, während er fragte
"Agone?"
"Age!"
erwiderte Crispus und das Lämmchen hatte zum letzten Male gestrampelt. Sein Blut spritzte aus dem geöffneten Hals, sodass ein weiterer Diener herbeieilen musste, um es aufzufangen. Es würde auf dem Altar verbrannt werden, wie es der Brauch war. Wenig später wurde der zweite Teil des eigentlichen Opfers ebenfalls hervorgebracht: Man öffnete den Brustkorb und nahm nach und nach die inneren Organe heraus, die an Cavarinus weitergegeben wurden. Nun musste dieser sehen, was Freya sich wünschte...
Crispus selbst sah den Haruspex abschätzend an. Er konnte sich nicht vorstellen, was man aus diesem blutigen Klumpen lesen konnte!