Beiträge von Marcus Petronius Crispus

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    Offensichtlich war Crispina sehr neugierig - eigentlich fürchtete der kleine Lucius die Welt außerhalb der Mauern. Einzig seine Zuneigung zu Crispina würde ihm den Mut schenken, es dennoch zu versuchen. Oder auch nur die Aussicht auf Zuneigungsbekundungen... Aber offensichtlich beeindruckte sie auch sein Vater - natürlich, er beeindruckte auch Lucius immer wieder und mit großen Augen hörte er die Geschichten, die er erzählte. Etwa damals, als er gegen Piraten gekämpft hatte, als er Banditen gejagt und mehr als hundert Männer befehligt hatte! Ja, wie er seinen Vater fürchtete, so liebte und bewunderte er ihn auch!


    "Mein Papa war Primus Pilus. Das ist der höchste Centurio in der Legion!"


    Dann jedoch erzählte sie von Rom. Rom, ja, auch davon hatte sein Vater schon erzählt. Soweit sich Lucius erinnerte, hatte er die Stadt einmal besucht, genauer gesagt seinen Onkel. Es hatte ihn sehr fasziniert!


    "Mein Papa hat erzählt, dass es dort Häuser gibt so hoch wie Berge! Und sieben Hügel und da wohnt der Kaiser! Ich weiß nicht, vielleicht hat er da ja vom Kaiser das Land bekommen! Wie ist es da?"


    Natürlich verstand der kleine Petronier noch nicht, dass derartige Landgeschenke an Veteranen absolut üblich waren und es praktisch unmöglich war, in Rom den Kaiser persönlich zu treffen (obwohl man ihn möglicherweise bei den Spielen als roten Punkt in der Kaiserloge erkennen konnte).




    Zitat

    Original von Petronia Crispina
    [...]


    Seine Frage auf einmal kam für sie etwas unverhofft, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass er anfangen würde mit einem Gespräch. Aber irgendwie war es auch klar, dass es eine solche Frage sein musste. Nicht wie geht es euch, nein viel lieber habt ihr schon was getan. Im ersten Moment hätte sie ihm gerne eine patzige Antwort gegeben aber im nächsten riss sie sich zusammen und blickte Lucius an dem man ansehen konnte, dass er das Thema nicht mochte. Gut, dass er nichts sagte, dann würde sie das in die Hand nehmen. Wirklich dazu gekommen waren sie noch nicht, aber sie hatten ein paar Sätze geübt………Kurz kochte die leichte Wut über ihren Onkel hoch und sie dachte sich, dass sie sich wohl erst einmal hier zurecht finden sollte bevor sie den armen Jungen sich zur Brust nahm, aber sie schluckte diese Worte rasch mit dem nächsten Löffel der Brühe hinunter.


    „Wir sind noch nicht ganz dazu gekommen, haben aber einige Sätze einfach mal versucht. Gib uns etwas Zeit, das wird schon werden,“ sagte sie und legte den Löffel in die Schale zurück. Sie brachte keinen weiteren mehr davon runter, zumindest nicht ohne sich zu schütteln und das wollte sie vermeiden. „Er wird das schon schaffen, da bin ich guter Dinge,“ warf sie noch ein damit ihr Onkel nicht auf die Idee kam seinen Sohn nun zu tadeln.


    Crispus stellte fest, dass Crispina offensichtlich keine sehr gute Esserin war, denn sie war schon ziemlich schnell mit dem Essen fertig. Er konnte nicht verstehen, dass man keine Begeisterung für Kesselfleisch hegen konnte und wollte fast einen Kommentar dazu abgeben, als sie jedoch schon antwortete. Offensichtlich hatten sie tatsächlich angefangen, aber offensichtlich auch keine Fortschritte gemacht. Natürlich versuchte Crispina den Jungen in Schutz zu nehmen - sie schien ihn jetzt bereits ins Herz geschlossen zu haben! Doch bei dem alten Petronier rief dies nur Argwohn hervor - vielleicht lernten sie einfach nicht ordentlich oder verbummelten ihre Zeit mit Plaudereien.


    "Das hoffe ich, denn ein guter Römer muss gut lesen und schreiben, nicht wahr, Lucius?"


    Er sah zu seinem Sohn hinüber, der nun zaghaft aufblickte. Doch anstatt zu antworten, blickte er nur stumm in die Runde. In diesem Moment kam Crispus der Gedanke, dass es möglicherweise in Zukunft wichtig sein würde, seinem Sohn ein wenig gesprächiger zu machen - wenn er später einmal so im Ordo Decurionum sitzen würde, würde er niemals etwas erreichen können und langsam musste der Junge seine Kindheit auch ablegen!

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    Crispina sah sich ein wenig um - Lucius interprierte dies so, dass sie interessiert war und bemerkte ihre leichte Enttäuschung überhaupt nicht. Stattdessen freute er sich, denn wenn sie sich nicht auskannte, konnte er sie vielleicht wirklich herumführen! Er hatte noch nie jemandem etwas zeigen können: In der Schule gehörte er eher zu den schlechten Schülern, zu Hause war er der Jüngste und praktisch alles, was er neu entdeckte, hatten alle im Haus schon erlebt. Nur bei der Geometrie, da war er allen eine Nase voraus (außer vielleicht Meister Xanthos) - aber das interessierte leider auch niemanden!


    Leider schien sie das Forum aber ebenfalls zu kennen. Er ließ ein wenig enttäuscht die Schultern hängen, doch dann fragte Crispina weiter. Ob er noch mehr kannte? Natürlich! Er hatte diese Stadt schon oft gemeinsam mit Armin oder Antonius erkundet! Doch außerhalb?


    "Naja, nach Süden geht es nach Borbetomagus und nach Norden nach Confluentes. Mein Papa war bei der Legion öfter überall unterwegs. Aber ich war eigentlich noch nicht so oft draußen - da ist es auch gefährlich!


    Wir gehen ab und zu zum Grab von Mama - das ist an der Straße nach Borbetomagus. Und dann war ich einmal über den Rhenus mit Papa. Er hat da ein Stück Land geschenkt bekommen - vom Kaiser persönlich, stell dir vor! Aber es gibt natürlich noch mehr Städte und Dörfer da draußen - ach ja, Papa hat mich auchmal zu seinem Steinbruch mitgenommen. Der ist auch in die Richtung wie das Grab von Mama, aber nicht so weit."


    Es waren tatsächlich überschaubare Gelegenheit, was nicht verwunderlich war. In Germania waren im Grunde wirklich nur die Städte sicher, schon auf den Landstraßen trieben oft Banditen ihr Unwesen und Eltern schärften ihren Kindern deutlich ein, dass sie bloß keinen Fuß auf das Land außerhalb der Mauern setzen sollten! Trotzdem ärgerte es Lucius, dass er so wenig zu berichten wusste und nahm sich vor, sich in nächster Zeit einmal aus der Stadt zu schleichen.




    Als Turius Cavarinus endlich erschien, begrüßte Crispus ihn freundlich. Er hatte sich inzwischen angewöhnt, nicht mehr die ganze Zeit so griesgrämig dreinzublicken, denn er hatte festgestellt, dass die Bürger wesentlich kooperativer waren, wenn man ihnen freundlich begegnete.


    "Salve, Turius! Ich hab' eine kleine Frage an die Götter - und zwar geht es um's Wetter. Meinst du, da wäre Venus oder Freya die richtige Ansprechpartnerin? Ich meine, es ist die Frage, ob der Frühling schon kommt oder ob es nochmal friert."


    fragte er zuerst, denn bei dieser Angelegenheit war er doch etwas unsicher gewesen...

    Der alte Petronier konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass jemandem dieses leckere Fleisch nicht schmeckte - er hatte eben auch lange Wochen und Monate tristen Getreidebrei erlebt! Daher stieß er voller Freude den Löffel in die Schale und begann direkt zu essen. Lucius tat es seinem Vater gleich, doch wesentlich zurückhaltender - und wenn man genau hinsah, konnte man feststellen, dass er sich vorerst auf die Brühe spezialisierte.


    Auch Gunda nahm inzwischen Platz und machte sich gemeinsam mit den übrigen Sklaven über das Essen her. Nachdem Crispus seinen ersten Hunger gestillt hatte, griff er zu der Weinkaraffe, die ebenfalls am Tisch stand. Langsam hatte er das Gefühl, dass dies hier sich zu einem richtig harmonischen Abendessen mausern konnte - alle saßen einträchtig beieinander! Vielleicht hatte Crispina ihre neue Lage tatsächlich akzeptiert!


    "Sagt mal, habt ihr beiden schon lesen geübt?"


    fragte er ganz unbefangen die beiden Petronier neben sich. Er meinte es nicht böse, doch Lucius schien die Angelegenheit schon wieder sehr peinlich zu sein. Er duckte sich und starrte konzentriert auf seinen Teller. Da Crispus seinen Sohn als stillen Zeitgenossen kannte, blickte er weiter zu Crispina.

    Es war eine alte Tradition, dass römischen Magistraten Haruspices zur Seite gestellt wurden, damit sie, wenn sie nicht mehr weiter wussten, die Götter befragen konnten. Diese Traditionen wurde auch in den Städten, die nach römischem Muster organisiert waren, aufrechterhalten. So besaß auch Petronius Crispus, der Magistratus von Mogontiacum einen eigenen Haruspex, der ihm die Zukunft las. Und heute hatte er ein Anliegen, das seine Kompetenz tatsächlich überforderte: Wie würde das Wetter werden? Würde es noch einmal Frost geben in diesem Winter? Im Augenblick sah es nicht danach aus, doch jederzeit konnte das Wetter umschlagen!


    Aus diesem Grund nun hatte Crispus nach seinem Haruspex rufen lassen. Man würde ein kleines Tier (ein Lämmchen) opfern und dann aus der Leber lesen - zumindest ging Crispus davon aus, weshalb seine beiden Vigiles das Lämmchen gleich mitgebracht hatten. Da er davon ausging, dass es am besten war, der Venus Freya zu opfern, war es ein Weibchen.


    Nun wartete er auf den Haruspex, der eigentlich jeden Moment erscheinen sollte.

    Praefectus Castrorum Artorius Reatinus - Legio II Germanica - Mogontiacum



    M Petronius Crispus Praefecti Castrorum Ser Artorio Reatino s. p. d.


    Ich habe ein geschäftliches Angebot für die Legio II Germanica. Seit kurzem bin ich Eigentümer einer Schneiderei, die Tunicae produziert. Diese Tunicae bester Qualität (der Betrieb hat die Legio bereits zu einem früheren Zeitpunkt beliefert) möchte ich erneut anbieten.


    Entsprechend dem Bedarf der Legio könnte ich bis zu fünf einfache Militärtunicae pro Woche produzieren. Der Preis wäre selbstverständlich verhandelbar, bei Bedarf würde ich selbstverständlich persönlich zu den Preisverhandlungen erscheinen.


    Eine Antwort kann an die Domus Petronia in Mogontiacum gesandt werden.



    Crispus wollte Lucius gerade etwas über seine Arbeit erzählen, um ihn auf sein zukünftiges Leben vorzubereiten, als Crispina eintrat. Sie lächelte Lucius an, dann begrüßte sie ihn - weniger freundlich, eher sogar etwas förmlich. Offensichtlich hatte sie sich noch immer nicht damit abgefunden, dass er ihr neuer Vater war. Doch auch Crispus hatte sich noch nicht an seine neue "Tochter" gewöhnt, sodass er ebenso förmlich zurückgrüßte.


    "Have!"


    Einen Augenblick überlegte er sie zu fragen, ob sie sich schon eingelebt hatte, doch irgendwie wusste er nicht, wie er es formulieren sollte. Und dann rettete ihm Gunda die Gelegenheit, indem sie mit einem dampfenden Topf eintrat. Es roch hervorragend - nach Kesselfleisch! Offensichtlich hatte sie beim Metzger frisch geschlachtetes Tier gekauft und das Fleisch nun gekocht - der Petronier freute sich richtig auf das Essen.


    "Das riecht ja wunderbar, Gunda!"


    verteilte er sogar ein Kompliment, woraufhin die Sklavin lächelte und den Topf abstellte. Morag kam ebenfalls aus der Küche und brachte tiefe Tonteller und Holzlöffel. Auf dem Tellerstapel lag außerdem ein großes Brot zum Eintunken.


    Die Köchin nahm den Schöpfer und gab ein wenig Brühe in den ersten Tonteller, dann fischte sie extra viel Fleisch, das bereits kleingeschnitten war, aus dem Topf. Der erste Teller ging an Crispus. Der nächste an Lucius, der die Fettstücke in seinem Sud ein wenig geekelt ansah. Glücklicherweise sah Crispus das jedoch nicht - er erinnerte sich noch gut daran, dass sie bei der Armee stets darum gestritten hatten, wer das fetteste Stück Fleisch bekam!


    Den nächsten Teller reichte sie Crispina. Darin fand sich eine relativ dünne Suppe, in der geschnittene Karotten, sowie geschnittenes Rindfleisch schwammen. Das ganze war offensichtlich mit Garum-Soße gewürzt worden, dazu schwammen ein paar Küchenkräuter in der Brühe.


    "Ich hoffe, du magst Kesselfleisch?"

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    Lucius sah sich um: Der Schnee war inzwischen einigermaßen weggeschmolzen, die Sonne schien - es war schon fast wieder ein bisschen Frühling! Einen Schneemann konnte man also auch nicht bauen...und Wälder? Sein Vater hatte ihn immer davor gewarnt, die Stadt zu verlassen - außerhalb der Mauern gab es Räuber, wilde Tiere - vor all dem fürchtete sich der kleine Lucius!


    Doch was sollte man tun? Und vor allem: Was sollte man hier in der Stadt tun? Sie spielten nicht Gladiator, sie malten nicht mit Kohlestücken auf den Wänden herum (außer Jugendliche, die manchmal unanständige Dinge an die Wände schmierten), spielten nicht Fangen - eigentlich gingen sie nur immer umher! Vielleicht sollte er einfach Spazieren gehen?


    "Wir können ja zum Forum geh'n - warst du schon auf dem Forum?"


    Vielleicht konnte er sich ja als Stadtführer nützlich machen, denn Brettspiele ließen sich hier ohne jegliche Hilfsmittel kaum improvisieren...




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    Als Lucius an diesem Tag von der Schule nach Hause gekommen war, war er ziemlich niedergeschlagen gewesen: Sie hatten heute bei Caesar weitergelesen und irgendwie verstand der kleine Petronier noch immer nicht so ganz, warum sie diesen langweiligen Text lasen. Und vor allem, warum er es einfach nicht schaffte, diese verdammten Buchstaben sofort zu erkennen! Wenn Meister Xanthos über die Dreiecke und Geraden und Winkel redete, konnte er ihm doch auch ganz einfach folgen! Warum also nicht beim Lesen?
    Caius hatte ihn obendrein noch geärgert und seine Laterne, die er auf dem Schulweg (zumindest in die Schule) benötigte an einen Haken gehängt, den der deutlich kleinere Lucius nicht erreichen konnte. Ein Glück, dass Mucius ihm geholfen hatte!


    Nun war der Tag jedoch viel besser geworden, denn als er zu Hause ankam, hatte Crispina ihn einfach eingepackt, um mit ihr die Stadt anzusehen - der kleine Lucius war mächtig stolz, seiner neuen Cousine etwas zeigen zu können! Rasch hatte er sich in seinen Umhang gehüllt und war an ihrer Seite losgestiefelt. Wenn sie es sagte, wirkte alles so leicht, dass er überhaupt nicht daran dachte, dass sein Vater ihm deshalb böse sein würde.


    Doch auf was hatte er Lust? Er spielte meistens mit Armin, gelegentlich auch mit Antonius und mit diesem zusammen auch mit den anderen Jungen aus seiner Schule. Doch das war nichts, was man mit einem so großen Mädchen wie Crispina spielen konnte - die war ja schon eine richtige Frau mit allem drum und dran! Und er wollte auf keinen Fall etwas vorschlagen, was ihr nicht gefiel, denn er wollte möglichst lange mit ihr zusammen sein! Sie mochte ihn einfach und hatte ihn noch kein einziges Mal geschimpft oder geärgert, wie es fast alle anderen taten!


    "Hm, weiß nicht."


    brachte er schließlich heraus, wobei er sich fragte, ob diese Antwort nicht vielleicht ein wenig dumm gewesen war. Ob sie jetzt umkehren würden? Hoffentlich nicht!




    Einige Tage nachdem Crispina bei den Petroniern eingezogen war, fand wieder einmal das Abendessen statt. Crispus war seiner Nichte bisher konsequent aus dem Weg gegangen, hatte sie, sofern es sich nicht vermeiden ließ, reserviert, aber höflich behandelt. Er wusste einfach nicht, wie er mit dieser neuen Situation umzugehen hatte: Die einzige Frau in seinem Leben (zumindest seit dem Beginn seiner Dienstzeit) war Heila gewesen. Bei ihr hatte er gewusst, wie er mit ihr umzugehen hatte. Doch Crispina war nun so etwas wie eine Tochter, nur dass er sie nicht erzogen hatte, sondern erwachsen vor die Nase gesetzt bekommen hatte. Seine Freunde hatten ihm ebenfalls nicht helfen können - Veteranen und Soldaten hatten zumeist ähnlich viel Erfahrung mit diesen Dingen wie er selbst. So hatte er das Problem vorerst aufgeschoben und war ihr aus dem Weg gegangen, was einfach war, denn als Magistratus hatte er viel zu tun und wurde auch ab und an auf Gastmähler eingeladen.


    Heute war es jedoch so weit: Er konnte es nicht vermeiden, mit ihr das Abendessen zu sich zu nehmen, wenn er nicht auf die gesamte Familie verzichten wollte. Also hatte er in den sauren Apfel gebissen und Gunda angewiesen, für die gesamte Familie zu kochen.


    Etwas missmutig erschien er im Triclinium. Er trug nur seine Tunica, die Amtstoga hatte er gleich beim Nach-Hause-Kommen abgelegt. Er war ein wenig müde, doch andererseits freute er sich bereits auf seinen Sohn, den er liebte - was er allerdings selten zeigte, da er der Ansicht war, dass er ihn abhärten musste. Und tatsächlich waren Lucius und Armin gerade in ein Spiel vertieft, während es verführerisch aus der Küche duftete.


    Als Crispus näher kam, stellte er fest, dass Lucius und Armin gar nicht spielten: Sie hatten irgendetwas auf eine Schreibtafel gemalt und Lucius erklärte! Hatte sein Sohn es etwa geschafft, seinen Leibsklaven endlich beim Lesen und Schreiben zu überflügeln? Doch die Worte enttäuschten den Alten:


    "Schau, wenn ich jetzt hier den Bogen mache, dann ist die Spitze genau drauf. Das hat so ein Mann herausgefunden...Thales oder so..."


    Crispus beugte sich über die beiden und sah interessiert zu. Er hatte keine Ahnung, was sein Sohn da erklärte: Er hatte ein Dreieck auf seine Tafel gemalt und mit einem Faden und seinem Griffel einen Kreis darum gezogen - irgendwie seltsam!


    "Was ist denn das? Konstruiert ihr Buchstaben?"


    fragte er, denn er konnte sich dunkel erinnern, dass Willigis für die Rundungen bei der Gravur von Inschriften ebenfalls zuerst mit einem Faden und einem Schreibgerät vorzeichnete. Lucius blickte jedoch erschrocken auf - er sah fast aus, als hätte er etwas Verbotenes getan! Sogleich begann er zu stottern:


    "I-ich...ehm...das ha...hab' ich von M-meister Xanthos!"


    Das beantwortete die Frage zwar nicht, doch nun wurde Crispus klar, dass es sich wohl kaum um die Konstruktion von Buchstaben handelte. Wahrscheinlich war es diese Mathematik - er hatte schon davon gehört, dass Xanthos ein Faible für diese nutzlose Kunst hatte! Und sein Junge schluckte das, während er kaum lesen konnte? Urplötzlich war seine Stimmung wieder etwas getrübt. Einen Augenblick überlegte er, darüber zu schimpfen, doch stattdessen meinte er nur


    "Kommt, legt das Zeug weg - wir essen!"


    Damit begab er sich zu seiner Kline, Lucius klappte die Tafel zusammen und nahm gehorsam neben seinem Vater Platz. Armin hingegen suchte sich einen Platz gegenüber, wo er mit den übrigen Sklaven schmausen würde.

    Crispina war sehr erregt, doch Crispus mindestens genauso: Sie atmete heftig und schien kein Verständnis dafür aufzubringen, dass Crispus kein riesiges Anwesen mit tausenden Bediensteten und Fußbodenheizung in allen Räumen besaß - dabei war die Domus Petronia schon recht ordentlich verglichen mit allen Häusern (außer der Casa Duccia vielleicht), die Crispus in Mogontiacum von innen gesehen hatte. Was bildete diese Göre sich eigentlich ein?


    Dann zischte sie etwas, was das Fass zum Überlaufen brachte. Eine derartig freche Bemerkung hatte er noch nie vernommen - nicht von einem Probatus, nicht von einem Sklaven und schon gar nicht von einem Familienmitglied! Zorn über so viel Unverfrorenheit durchfloss den ehemaligen Centurio und er hob die Hand, wie er es oft mit seinem Vitis, dem Centurionenstab zur Züchtigung der Soldaten, getan hatte. Beinahe hätte er zugeschlagen, doch dann resignierte er - wahrscheinlich war Crispina zu alt, um durch Schläge zu lernen. Daher entzog er sich dem Streit, indem er aus dem Zimmer rauschte. Was hatte er sich da bloß eingebrockt?

    Nachdem Crispus nun die Renovierung der Forums-Pflasterung ins Auge gefasst hatte, arbeitete er auf Hochtouren daran, sein Projekt rechtzeitig vor dem Ende seiner Amtszeit umzusetzen. Zuerst hatte er seinen Accensus losgeschickt, das genaue Ausmaß des Bedarfs festzustellen (natürlich unter Heranziehung von Experten!). Crispus selbst hingegen war an seinem Amtssitz geblieben, wo er mit den alltäglichen Aufgaben des Baumagistraten beschäftigt war - vor allem bei privaten Bauten, die gegen städtische Vorschriften verstießen. Außerdem störte ihn sein Amtskollege Gavius Laelianus, genaugenommen sein Accensus, der praktisch allein die Aufgaben der Stadtversorgung wahrnahm mit irgendwelchen Wünschen bezüglich des Aquädukts.


    Dies alles räumte er jedoch beiseite, als sein Accensus bei ihm auftauchte, um ihm Bericht zu erstatten.


    "Das Forum hat sich seit Deiner Kontrollbesichtigung wenig verändert, Magistratus. An einigen Stellen fehlt jedoch das Pflaster, entsprechend den aktuellen Marktpreisen sollte eine Pflasterung jedoch nicht mehr als eintausend Sesterzen kosten."


    Bedächtig hörte Crispus sich die Angelegenheit an: Eintausend Sesterzen waren eine ganze Menge Geld, auch für einen pensionierten Primus Pilus - war es doch fast so viel, wie man aufbringen musste, um in den Ordo Decurionum der Stadt zu gelangen! Doch im Augenblick konnte er diese Summe aufbringen und je höher sein Einsatz für die Stadt war, desto mehr Respekt würde er sich von der Stadtgemeinschaft einholen - zumindest hoffte er dies, nachdem er noch immer ständig Probleme mit verschiedenen Familien des Ordos hatte.


    "Und wann können wir anfangen?"


    "Im Grunde jederzeit! Wobei es sicherer wäre, abzuwarten, bis sicher kein Frost mehr entsteht - sonst könnte es Probleme bei der Fundamentlegung geben!"


    erklärte der Accensus und Crispus rieb sich das Kinn. Es war gerade erst Februar, häufig geschahen noch Rückfälle in Richtung Winter. Doch andererseits...er blickte aus dem Fenster: Die Sonne schien, es war ungewöhnlich war für diese Jahreszeit! Vielleicht gab es ja gar keinen Frost mehr! Doch wie konnte er sichergehen?


    "Hm, glaubst du, dass es noch'mal Frost gibt?"


    "Im Augenblick sieht es nicht so aus, Magistratus. Aber ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen - das können wohl nur die Götter wirklich wissen!"


    Crispus seufzte - das dachte er sich auch: Wer konnte schon jetzt mit Bestimmtheit sagen, wie das Wetter wurde? Zwar hatten die Bauern ihre gewissen Regeln, nach denen sie abergläubisch die Entwicklung einschätzten, doch letztendlich machten sie das Wetter ja nicht - das taten doch wirklich die Götter...die Götter! Begeistert setzte Crispus sich auf und sah seinen Accensus zufrieden an.


    "Warum fragen wir nicht die Götter? Das ist eine wunderbare Idee!"


    Wofür hatten Magistrate denn einen Haruspex, wenn nicht, um den göttlichen Willen zu erfahren? Er würde sich gleich auf die Suche nach einem dieser Wahrsager machen!

    Crispus betrachtete Crispina, die sich umsah und dabei nicht besonders glücklich wirkte. Offensichtlich hatte sie etwas anderes erwartet - doch was hatte sie sich denn vorgestellt? Sie waren hier in Germania und es war Winter! Und dieser Raum war seit seinem Einzug nicht bewohnt worden! Glaubte sie etwa, dass er ständig Räume für etwaige Besucher einrichtete und heizte? Es ärgerte ihn geradezu und als sie ihn so verständnislos anblaffte, wurde er prompt etwas ungehalten.


    "Junge Dame, du vergisst wohl, wer du bist! Ich hab' dich hier aufgenommen, da ist es nicht an dir, Ansprüche zu stellen!"


    fuhr er sie an, dann fügte er ob der geradezu sichtbaren Kälte an


    "Natürlich kriegst du eine warme Decke und von mir aus können wir auch ein Kohlebecken aufstellen, aber was hast du bitte erwartet? Ein mediterranes Häuschen mit Blick aufs Meer? Du bist hier in Germanien und es ist Winter!"


    Er verschränkte die Arme vor der Brust - Crispina war wirklich wie ihr Vater: Verzogen und verwöhnt! Fast schon bereute er es, sie aufgenommen zu haben...


    Nachdem die Handelsgeschäfte des Magistraten Crispus ein wenig angelaufen waren und außerdem der Winter sich langsam seinem Ende zuneigte, hatte der Petronier sich ein neues Projekt auf die Fahnen geschrieben: Die Renovierung des Pflasters auf dem Forum! Dies war nicht mit dem Duumvir abgesprochen, doch Crispus hatte befunden, dass dies in seinem Spielraum lag, solange er die Gelder auftrieb - und er hatte sich entschlossen, diese Gelder aus seiner Privatschatulle zu bezahlen, womit wohl kaum jemand etwas dagegen haben konnte!


    So rückte nach dem Ende der größeren Schneefälle ein Bautrupp unter Führung des Accensus, den der Magistratus zur Unterstützung erhalten hatte, an, um sich das Ausmaß der Schäden im Bodenbelag genauer anzusehen und konkrete Schätzungen über den Bedarf anzustellen, obwohl dieser nicht das Problem des Petroniers war - schließlich war er Inhaber eines Steinbruchs, aus dem beste Kalksteinpflaster geschlagen werden konnte!

    Reatinus war sofort einverstanden - sicherlich kannte er die herausragende Qualität der Steine von Vicus Novus. Oder sah er ein wenig Beleidigung in seinem Blick? Nein, da las Crispus (auch wenn er kein besonders guter Leser war) nur Zufriedenheit. Und seine Worte klangen geradezu gönnerhaft - schon seltsam, so etwas von seinem früheren Optio zu hören!


    Crispus erhob sich überraschend flink und bereute es sofort: Sein Kreuz machte auch nicht mehr alles mit! Dann jedoch reichte er seinem alten Freund die Hand.


    "Einverstanden. Zwölf Blöcke zu je 82 Sesterzen. Soll ich sie dir liefern lassen oder holst du sie ab?"


    Damit war das Geschäft besiegelt. Einen Vertrag brauchte man nach Crispus' Meinung nicht - Freunde betrogen sich doch nicht!


    OFFICINA VESTITI PETRONIA




    POSSESSOR: M PETRONIVS CRISPVS


    MAGISTER: BODUUS DIVODURICUS


    Die Officina Vestiti liegen im Vicus Navaliorum unweit des Hafens. Sie ist die Zentrale für die Schneider, die für Petronius Crispus arbeiten, dient aber vor allem als Lagerhaus: Die Wolle, die in den umliegenden Dörfern gekauft wird, wird für die Schneider eingelagert. Diese wiederum holen sich die Wolle, verarbeiten sie zu Hause vor allem zu Tunicae und Mänteln für Militärbedarf und geben sie hier wieder ab.


    Das Gebäude ist eine große Halle, in deren hinteren Teil Stoffballen gelagert werden, die regelmäßig aus den Dörfern abgeholt werden. Vorn befinden sich die Werkstatt des Magister Boduus, der hier nicht nur die Arbeiten der angestellten Schneider überprüft und selbst Kleidungsstücke fertigt, sondern auch für das Färben der Stoffe zuständig ist. Dabei verwendet er unter anderem verarbeiteten Urin, den er in einem Eimer an der Straße von den Passanten "sammelt". Dementsprechend ist der Geruch hier manchmal etwas streng. Trotzdem befindet sich die Wohnung des Verwalters und Färbers direkt über der Werkstatt.


    Einstmals wurde dieser Betrieb von Boduus, einem Handwerker aus Divodurum, gegründet. Leider ging dieser jedoch pleite, als er versuchte, keltische Muster in die Tunicen zu weben und der Armee-Auftrag deshalb beendet wurde. Marcus Petronius Crispus gelang es so, den Betrieb zu einem günstigen Preis abzukaufen. Er hat Boduus jedoch als Verwalter eingestellt, allerdings wieder das alte Programm befohlen, obwohl er selbst keine Ahnung von der Schneiderei hat.

    Reatinus machte es gar nicht dumm: Er ließ Crispus beginnen und schob so den schwarzen Peter von sich, einen Freundschaftspreis festzulegen. Lange musste Crispus grübeln, während er nachdenklich die letzten Puls-Reste herunterschluckte.


    "Hm, also gut..."


    Es galt, die Umstände zu betrachten: Reatinus war Eques, verdiente vermutlich wesentlich mehr als er, der einfache Magistratus. Außerdem war Reatinus noch jung, würde also vermutlich eher noch aufsteigen. Daher war er vermutlich nicht so sehr auf einen guten Preis angewiesen. Andererseits war es unverschämt, seine Freunde über den Tisch zu ziehen...also vielleicht ein moderater Mittelpreis!


    "82 Sesterzen pro Ladung?"


    fragte er daher - das war zwar etwas mehr als der gesetzliche Preis, doch dafür war sein Kalkstein ja auch besonders schön und gut - und jedes Exemplar hangeprüft von Willigis, der ein Meister seines Faches war!