Beiträge von Secundus Petronius Mela

    Mela versuchte ein Lächeln.
    "Alessa. Hm. Ja. Doch. Die find ich ganz nett", sagte er und kratzte sich jungenhaft am Hinterkopf. Er seufzte tief und packte seinen Bruder dann am Arm. Der Händler protestierte zwar, als er Crispus vom Stand weg zog, aber das war Mela egal. Als er seinen Bruder in einer ruhigeren Ecke hatte, sah er Crispus ernst an.
    "Crispus, es geht um eine Frau", begann er.

    Mela zuckte zusammen und sah Crispus überrascht an.
    "Äh...was?" fragte er verwirrt. Tagträumerei war so ziemlich das letzte, was man mit Mela assoziierte. Normalerweise. Aber seit er sie gesehen hatte, passierte es immer häufiger, dass er sich in Tagträumen verfing. Als Soldat war das sicherlich nicht gerade gut.

    "Hm hm", machte Mela und nickte zweimal. Er folgte Crispus und besah sich stumm die Auslage. Wieder beschäftigte ihn diese eine Sache. Seine Gedanken waren ganz wo anders und vollkommen durcheinander. Er fragte sich, was er tun sollte. Was er tun konnte, damit....

    "Soweit ich weiß ist Numerianuns selbst noch in Rom. Zumindest war das bis gestern abend der Fall", erwiderte Mela recht lustlos. Wieder seufzte er.
    "Wie findest du Alessa? Meinst du, Onkel Varus wird glücklich mit ihr?" brachte er das Gespräch in eine andere Richtung. Ihm knurrte der Magen. Vielleicht sollten sie recht bald etwas zu essen suchen. Mela besah sich Crispus von der Seite. Ob er schon einmal ähnliche Probleme gehabt hatte? Nachdenklich runzelte er die Stirn, sah dann wieder nach vorn.

    Mela war den ganzen Morgen schon nicht so gut gelaunt gewesen. Dass die eine Sklavin dann noch so ungeschickt den Krug fallen gelassen hatte, hatte seine Laune auch nicht gerade gebessert. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, hatte er schließlich Crispus gefragt, ob sie nicht einen kleinen Bummel durch Rom machen wollten, um anschließend in der Apicia einzukehren. Crispus hatte sich breit schlagen lassen und so befanden sich die beiden Brüder nun auf dem Markt. Mela stakste mit auf dem Rücken verschränkten Armen umher, wie er es immer tat, wenn er nicht wusste, wo hin mit seinen Armen. Er seufzte tief und wirkte seit dem Abend nach der Sponsalia seltsam abwesend und übellaunig.


    "Wie lang bist du beurlaubt?" fragte er Crispus.

    Mela schüttelte den Kopf.
    "Nein, Livilla. Ich verlange nichts von dir. Nichts, außer dass du du selbst bist. Und das ist kein vermessener Wunsch. Ich bitte dich auch nicht, dich jetzt zu entscheiden, denn das wäre nicht rechtens. Zwei Wochen sind eine viel zu kurze Zeit, um sich über etwas klar zu werden, das vielleicht das ganze Leben beeilflussen könnte, wenn man es lässt. Auch darüber bin ich mir im Klaren. Doch solltest du dir in den folgenden zwei Wochen etwas klar werden, so bitte ich dich ernsthaft und so wahr ich hier stehe: nimm keine Rücksicht auf meine Gefühle, sondern sage es mir."


    Mela hob die Hände und legte sie vorsichtig auf Livillas Schultern.
    "Du wirst mich nicht verlieren. Selbst, wenn du irgendwann eine Entscheidung treffen solltest, die mich schmerzt. Sie wird vielleicht den Liebenden schmerzen und in ein dunkles Loch hinunterziehen, aber sie wird niemals den Freund auslöschen, der ich dir sein möchte."


    Mela ließ die Hände noch einen Moment auf ihren Schultern ruhen, dann nahm er sie fort und trat zwei Schritte zurück. Der Anstand brachte ihn dazu und der Wille, Livilla nicht zu beeinflussen, sondern sich so zu geben, wie er nun einmal war. Es war ihre Entscheidung, ihre ganz allein. Und er würde ihr nicht etwas aufzwingen, das sie nicht wollte. Kurz stand er etwas hilflos herum und fragte sich, wie sie aus dieser Situation nun herauskommen sollten. Dann fiel ihm wieder ein, weshalb er ursprünglich gekommen war und er räusperte sich leise und sagte:
    "Hm, eigentlich war ich gekommen, um dich nach einem gemeinsamen Spaziergang zu fragen. Nicht, um dir Kummer zu bereiten. Ich kann verstehen, wenn du nun nicht mehr spazieren gehen möchtest..."

    Mela erwiderte ihren Blick und verstellte sich dabei nicht. Sie hatte ja recht! Er kannte sie kaum. Sie hatten sich nicht oft gesehen. Und dennoch entschuldigte sie sich für die Wahrheit hinter ihren Worten. Sie hatte Angst vor einer Lüge. Mela sah sie noch eine Weile stumm an, dann machte er langsam einen Schritt nach vorn und nahm langsam ihre Hand, um sie auf die Stelle seiner roten Militärtunika zu legen, unter der sein Herz sich befand. Wieder sah er Livilla an.


    "Du hast Recht mit jedem Wort, Livilla. Aber wie erklärst du dir, das min Herz so scnell schlägt? Wie erkläre ich mir, dass ich mich nach deinem Lachen sehne, nach den kleinen Grübchen, die du hast, wenn deine Augen lächeln? Die Anmut in deinen Bewegungen und dein ganzes Sein... Ich habe dich so vermisst, wie ich keine Bekannte vermissen würde. Du bist schön, ohne Zweifel. Doch bist du noch so vieles mehr für mich. Ich verstehe, wenn du dich jetzt nicht entscheiden kannst oder dich nicht entscheiden möchtest...."
    Er hob ihre Hand nun höher und wagte einen flüchtigen Kuss auf ihren Handrücken.
    "Doch bitte lass uns einander näher kennenlernen, Livilla. Wenn ich abreisen muss, werde ich dein Urteil akzeptieren, so sehr es mir vielleicht auch weh tun mag."


    Mela lächelte Livilla an und fragte sich, was sie nun tun würde. Er wollte sie keinesfalls in etwas hineindrängen und nur auf das eine war er sicherlich auch nicht aus. Er hatte sich einfach in dieses wunderbare Geschöpf verguckt und konnte sich nicht einmal erklären, wo diese romantische Ader in ihm nun plötzlich herkam. Beinahe hatte er Angst vor ihren Worten, doch er war kampferprobter Soldat und riss sich zusammen. So ließ er ihre Hand los, als er sie an seine Brust geführt hatte, und sah sie schweigend an.

    Mela hörte, wie ihre Schritte stockten. Dann ein Rascheln, wieder Schritte und ihre Stimme. Er öffnete die Augen, als sie geendet hatte, sah noch auf den Boden und begann zu sprechen, als er bereits den Blick wieder hob und Livilla mit den Augen fixierte. Die Hände wieder auf dem Rücken verschränkt, sprach er.


    "Ich stünde nicht hier, wäre es nicht so. Seit du fort gegangen bist, ist mir, als fehle etwas wichtiges in meinem Leben. Und mit jeder Meile, die mich das Schiff näher nach Ostia, nach Rom und damit zu dir getragen hat, mit jedem Schritt, den ich vom Hafen hierher gemacht habe, ging es mir besser, Livilla. Ich freue mich so sehr dich zu sehen..."


    Mela war sich darüber klar, dass er Livilla damit seine Gefühle gestand. Es fühlte sich seltsam befreiend an, aber auch befremdlich. Noch nie hatte er über so etwas mit einer Frau geredet. Livilla war die erste, der er das sagte. Nun sah er sie leicht unsicher und nervös an.

    Mela sah Livlla entsetzt an. Was hatte er gesagt, das den Schmerz in ihren Augen rechtfertigte? Er überlegte noch, da sprach sie schon. Mela lauschte bedrückt. Ihre Worte spiegelten mehr wieder. Da war mehr, als nur die Trauer darüber, nun in Rom bleiben zu müssen. Mela schluckte und sah auf ihre schmale Hand hinab, die er in seiner hielt. Und als er wieder aufsah, weinte Livilla. Der Anblick versetzte seinem Herz einen Stich und ließ einen Kloß in seinem Hals hinaufsteigen. Livilla entwandt sich ihm und wollte gehen. Mela wusste nicht, wie er reagieren sollte. Sollte er ihr Freiraum lassen oder sie zurückrufen, gar zurückhalten? Er war gänzlich unerfahren in solchen Dingen und es war ihm, als stünde er vor einer unüberwindbaren Barriere. Mit Gladius und Scutum konnte er hier nicht viel bewirken. Nun waren Worte und Taten gefragt, noch dazu die richtigen. Doch welche waren die richtigen? Mela rang mit sich selbst, schloss dann die Augen und sagte leise und ruhig in den Raum hinein:
    "Ich würde alles für dich tun, Livilla. Ich liebe dich."


    Er wagte es gar nicht, die Augen wieder zu öffnen aus Angst, sie könnte wahrhaftig gegangen sein. So ließ er sie geschlossen in der Hoffnung, eine Reaktion zu hören.


    Ihre Augen ließen Melas Herz kurz wieder schneller klopfen. Doch die Worte, die sie dann sprach, machten aus seinem Gesicht nach einem kurzen Moment, in dem er seine Betrübtheit zeigte, eine Maske. Es war nicht abwegig, dass sie hier eine Stelle angenommen hatte und in Rom bleiben wollte. Mela sog die Luft ein, hielt sie einen Moment an und stieß sie dann langgezogen aus. Er rang sich ein Lächeln ab und griff abermals nach Livillas Hand. Dieses Mal drückte er sie sachte und strich danach mit dem Daumen über die zarte Haut.


    "Ich möchte gar nicht leugnen, dass ich es sehr schade finde, dass du nicht mit deinem Vater zurückreist. Du hättest sicher in Colonia eine ebenso erfolgbringende Stelle gefunden. Und wir hätten uns öfter sehen können. So...."
    Mela verstummte und suchte nach Worten.
    "So werde ich jedes Mal Urlaub beantragen, wenn ich dich besuchen möchte...sofern du mich sehen möchtest", fügte er leiser hinzu. Er war sich unsicher. War nur er es, der dieses Herzklopfen verspürte, wenn Livilla in der Nähe war?

    Mela bemerkte, dass sie sich nun etwas unbefangener gab und das freute ihn mindestens so sehr wie der Umstand, dass sie ihn mit diesem wunderbaren Lächeln belohnte. Beinahe widerwillig ließ er ihre Hand los und faltete die Hände wieder auf dem Rücken. Manche sagten, es war eine Unart, manche behaupteten, das ließ Mela älter wirken. Er äußerte sich nie dazu, sondern nahm diese Haltung stets ein, wenn er nicht wusste, wo er mit den Händen hin sollte.


    "Leider nicht allzu lange. Ich werde bald zurückreisen und meinen Dienst wiederhaufnehmen müssen, auch wenn ich gern noch in Rom bleiben würde. Und du? Ich hoffe sehr, dass du mit deinem Vater zurück reisen wirst."


    Er überlegte einen Moment und fügte hinzu:
    "In Colonia Claudia Ara Agrippinensium kann man viel unternehmen, obwohl es eine vergleichsmäßig kleine Stadt ist. Und arbeit gibt es dort sicher auch für dich, so du einer Tätigkeit nachgehen möchtest."


    Erwartungsvoll und angespannt sah er sie an.

    Mela fühlte sich wie in einem Sog, doch drängte er die Gefühle zurück und griff letztendlich doch nach Livialls Hand.


    "Liebste Livilla", sagte er.
    "Mach dir keine Sorgen. Ich bin mir sicher, dass du gewiss nicht absichtlich ohne Gruß gegangen bist, sonst hättest du nun ganz anders reagiert und mir auch nicht diesen Brief geschrieben."


    Er holte Luft.
    "Ich bin hier, weil mein Onkel sich in diesen Tagen verlobt hat und in Rom feiert. Deswegen schrieb ich dir nicht zurück, sondern komme nun her in der Hoffnung, du mögest mir verzeihen, dass du keine Antwort auf deinen Brief erhalten hast. Es tut mir leid."


    Er lächelte Livilla an und umschloss ihre Hand nun auch noch mit seiner zweiten Hand. So standen sie voreinander und Mela hoffte, sie etwas von ihren düsteren Gedanken abgebracht zu haben.

    Mela hatte sich gerade eines der im Sommer nicht gefüllten Kohlebecken angeschaut, als Livlla eintrat. Er wandte sich um in seiner rotroten Militärtunika und lächelte sogleich.


    "Die Sonne selbst hat diesen Raum betreten", sagte er bewundernd und trat zu Livilla hin, wagte es jedoch nicht, sie zu berühren aus Angst es könnte ein Trugbild sein. Sein Herz hämmerte gegen den Brustkorb, als ob es hinausspringen wollte, während er Livillas Gesicht auf der Suche nach Überraschung und Freude über sein Erscheinen durchsuchte. An ihren Augen blieb er hängen und sah sie bewundernd an.


    Mela nickte dankend und trat hinter dem seltsamen Ianitor in die Casa. Er wurde ins Atrium geleitet und wartete auch hier. Den Brief Livillas trug er in einem kleinen Lederbeutel. Da er nun sowieso in Rom weilte, wollte er sie lieber sehen statt ihr einen Brief zu schreiben. Sein Herz klopfte in Aufregung, als er mit auf dem Rücken verschränkten Armen auf Livillas Ankunft wartete, äußerlich war er ruhig.

    Zitat

    Original von Iulia Helena
    Die Türe schwang kurz nach seinem Klopfen auf und selbst ein hochgewachsender Soldat musste beim Anblick des ausgesprochen breitschultrigen Nubiers, dessen Muskeln locker auch für zwei gut gebaute Männer gereicht hätten, nach oben blicken. Die wulstigen Lippen vorwölbend, blickte der Nubier den Römer einige Momente lang an, als müsse er ergründen, welches seltsame Insekt es gerade wagte, sich in seine Einflußsphäre zu bewegen, bevor er in heiserem Latein bellte: "Was Du wolle!?"


    Mela zog die Brauen hoch, als ein schwarzer Sklave öffnete. Der war wahrlich ein Schrank, zu dem er aufblicken musste, obwohl Mela selbst doch schon recht groß war.
    "Salve. Ich bin Petronius Mela und möchte zu Iulia Livilla. Ich bin ein Freund aus Germanien", erklärte er und wartete auf eine Reaktion des Nubiers.

    Mela hatte nicht lange suchen müssen. Ein Bettler hatte ihm im Tausch gegen eine Sesterze den Weg zur Casa Iulia verraten. Nun stand er in seine rote Militärtunika gehüllt vor der Tür und klopfte dreimal an in der Hoffnung, dass ein ganz bestimmter Jemand zu Hause war.

    Mela lächelte sie an und wusste nich wo hin mit seinen Händen.
    "Es ergeht jedem so, wenn er aus der vertrauten Umgebung gerissen wird, Livilla. Auch ich habe mich gefürchtet, als ich den Weg nach Germanien antrat."
    Er legte den Kopf schief und betrachtete nachdenklich die untergehende Sonne, als sie auf Rom zu sprechen kam.
    "Wirst du denn mir deinem Vater nach Rom reisen?" fragte er sie, immernoch die Sonne anblickend. Er wollte nicht, dass sie ging. Er wollte dass sie bei ihm blieb und wollte, dass sie sich zusammen Sonnenuntergang um Sonnenuntergang anschauen konnten. Mela hätte nicht gedacht, dass er diese romantische Ader besaß.

    Bei Apollo, Livilla war wirklich schnell. Und sie war in großer Eile, den Hügel zu erreichen. Mela trat gerade zwischen den Bäumen hervor, als er ihr strahlendes Gesicht sah und sich sogleich mit ihr freute. Er trat neben sie und ließ den Anblick auf sich wirken. Die Sonne tauchte den Palisadenwall des Castellums in orangene Töne, streckte die gelblichen Finger über die Wiese bis hin zu ihnen und versank langsam in gleißendem Rot.


    "Morgen wird es einen schönen Tag geben", sagte Mela leise. Wenn die Sonne rot unterging, wurde es am nächsten Tag stets schön. Er sah Livillas Profil an und lächelte.