Beiträge von Titus Tiberius Flaccus

    Auch Flaccus betrat den Raum. Er war schon am nächsten Tag aufgebrochen, nachdem ein Bote ihm das Schreiben der Schule gebracht hatte. Die Sklaven hatte er außerhalb des Gebäudes belassen und ihnen tatsächlich für die Zeit der Prüfung einen gang über das Forum gewährt. So begab er sich zu einem der kleinen Tische und ließ sich dort nieder, den weiteren Prüfling grüßend.
    Salve, ich bin Titus Tiberius Flaccus.

    Flaccus folgte den Worten des Vitamalacus und untermauerte seine Begrüßung nochmals mit einem aufgesetzten Lächeln und Zunicken, während er sich vom Tablett der neuen Sklavin etwas zu trinken nahm. Er selbst sah sie heute das erste Mal und achtete dabei auf ihre Haltung und ihr Auftreten, denn eine ungehobelte wie ungeschickte Sklavin war für den Ruf einer Familie bei solchem Anlass eine Katastrophe.
    Iulius Constantius, Iulia Helena, es ist eine Freude! Es ist möglich, dass du mich unter den Priestern Roms gesehen hast, erst jüngst wohnte ich dem Opfer der Ludi Apollinares bei, welches ja groß gefeiert wurde. Ich diene als Sacerdos Publicus den Göttern und volziehe meinen Dienst meist im Tempel des Sosianus für Apoll.
    Anders als sein Verwandter, liebte Flaccus den Prunk, die Verzierungen des Marmors, die Statuen, die das Atrium und das Peristyl säumten, die Mosaike, all die kleinen Feinheiten, die das Heim mit sich brachte, auch wenn sie ihm schon nach kurzer Zeit immer weniger auffielen.
    Meine Schwester erwarb die Villa kurz vor meiner Rückkehr aus den östlichen Provinzen. Livia hat ein ausgesprochenes Auge für das Ästhetische. Dieses Gebäude ist in der Tat eine architektonische Meisterleistung und eine Zierde zugleich.
    So versuchte der Patrizier wenigstens noch die Pracht der eigenen Villa zu einem Lob des Architekten umzuformen.
    Etwas geschockt betrachtete er Livilla, die unangemessen gekleidet und in forschem Ton den Raum betrat. Sie musste sich mäßigen, schließlich waren Gäste im Haus und als angehende Priesterin geziemte sich nur ein würdevolles Auftreten.
    Livilla, gesell dich doch direkt nach deiner Umkleide zu uns.

    Flaccus schaute der Frau zu, die offenbar mit eben jenen Unterlagen zu tun hatte und sehr schnell seinen Namen dort heraussuchen konnte.
    Ich danke dir. Sobald ich die Prüfung ablegen kann, wirst du mich im Hause der Tiberier erreichen können, Helvetia Longina.

    Ein Sklave war zum Cubiculum geeilt und hatte Flaccus nun über das Eintreffen der Gäste in der Villa informiert. Es war kein offizieller Anlass außer Haus und erst Recht kein Besuch hohen Standes, so dass Flaccus sich eine helle Tunika angelegt und gegürtet hatte.
    So trat er nun in das Triclinium, welches von den Sklaven für diesen Anlass hergerichtet worden war und schaute sich um. Er setzte ein Lächeln auf und begrüßte die eingetroffenen Gäste seines Cousins Vitamalacus.
    Salvete, ich bin Titus Tiberius Flaccus, Vetter des Tiberius Vitamalacus und Bruder der Senatorin Tiberia Livia. Ich grüße euch und möchte euch ebenso in unserem bescheidenen Hause willkomen heißen.

    Nach den Opferungen an Apoll, die zu den Ludi Apollinares durchgeführt wurden, war nun wiedr Ruhe eingekehrt. Flaccus kümmerte sich gemeinsam mit anderen Priestern und ein paar Opferdienern um die Reinigung des Tempels. Die Statue des Gottes bedurfte ebenfalls einer Salbung. Während einige Diener des Tempels die kleinen Foculi reinigten, in denen Blütenblätter und Lorbeer verbrannten, schaute sich Flaccus zufrieden um.

    An einem schwülwarmen Tag erreichte nun auch Flaccus die Schule. Mercurinus hatte ihm mitgeteilt, dass hier die noch zu absolvierenden Kurse abzulegen seien. So hatte er sich hierher aufgemacht und versucht, ein passendes Officium zu finden. Die Stelle eines Scribas war meist richtig und so klopfte er kurz an und trat danach ein.
    Salve, mein Name ist Titus Tiberius Flaccus und ich möchte mich für die Probationes Rerum Sacrarum anmelden, welche ich abzulegen wünsche.

    Vom Sosianus Tempel des Apollo kommend, begab sich Flaccus zum Tempel der Concordia, zu dem man ihn geladen hatte. Er trat verspätet ein und blickte sich unter den Anwesenden um. Ein Teil der Anwesenden gehörte der Familie an, doch auch seinen ehemaligen Sacerdos, unter dem er eine Zeit Discipulus war, erblickte er.
    Als man ihn aufforderte, sich vorzustellen, richtete er sich von seinem Platz auf.
    Ich bin Titus Tiberius Flaccus, Sacerdos Publicus im Cultus Deorum. Während meines Aufenthaltes in den östlichen Provinzen studierte ich vor allem den Kult für Apoll. So ist es auch meine Aufgabe, meinen Dienst an den Göttern an den Altären des Phoibos zu verrichten.

    Der Mann, der Victor zuvor berichtete, erzählte nun weiter.
    Ja, Septemvir, es besteht kein Zweifel... es war ein Prodigium! Wir haben mit dem Griechen selbst gesprochen, dem das Schaf entlaufen war. Er bestätigte, dass es ein vollkommen gesundes und junges Tier war, das dort so plötzlich starb. Ein fliegender Händler, dem das Schaf begegnete, meldete sich zu Wort, als er uns sah. Er erzählte, dass das Tier stehenblieb und geradezu auf den Griechen wartete. Es gab sogar ein Blöken von sich; dann jedoch drehte es sich und rannte wie vom Futter angezogen direkt in Richtung des Tempels der Iuno. Ein Opferdiener, der zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zum Tempel war, sah das Tier ebenfalls, als es an ihm vorbei lief. Dieser Opferdiener konnte bestätigen, dass das Schaf schnell lief und nicht einmal hinkte. Es blökte vor dem Tempel und fiel erst dann aus heiterem Himmel um. Festzustellen war nur noch der Tod des Tieres.

    Die drei stellten sich vor Victors Schreibtisch und einer begann zu sprechen.
    Septemvir, sicherlich hast du von den Gerüchten um den Tod von Jungtieren gehört und von jenem Ereignis, das sich am Tempel der Iuno Sospitas ergeben hat. Unsere Prüfungen und Befragungen am Tempel haben Schreckliches ergeben! Wir sind uns sicher, dass es sich um ein ungünstiges Vorzeichen der Iuno handelt, die Rom zürnt.
    Mit der Aussprache dieser Worte stieg die Nervosität der Männer noch weiter an und sie starrten auf Victor.

    Direkt vom Tempel kommend machte sich das Collegium der Priester auf in die Regia. Sie eilten durch die Hallen, ließen die Anmeldung, einige Gänge und Räume hinter sich, bis sie zielstrebig die Räumlichkeiten der Septemviri erreichten. Dort klopften sie an einem Officium an und drei der Priester traten ein.

    Flaccus war nach dem Voropfer mit den anderen Sacerdotes zusammen vor den Tempel getreten und hatte sich in die Reihen einsortiert, die die Priester auf den Stufen gebildet hatten. Aufmerksam verfolgte Flaccus die Opferung, die durch Victor durchgeführt wurde. Er war erleichtert, als Victor die Litatio ausrief, wie jedes mal, wenn er auf die Opferung mit guten Vorzeichen wartete und hoffte.
    Nachdem die Opferung für das Volk vor dem Tempel beendet war, begab sich auch Flaccus wieder in das Tempelinnere, wo nun die Götterbewirtung durchgeführt werden würde. Langsam setzte sich die Reihe der Priester in Gang und einer nach dem anderen verschwand in der Cella, aus der noch immer ein leichter Nebel trat.

    Zitat

    Original von Marcus Valerius Mercurinus


    "Salve, Sacerdos Tiberius!" Zu Mercurinus Fähigkeiten gehört es, Namen besonders gut in seinem Gedächtnis zu behalten. Es gibt kaum einen Angehörigen des Cultus Deorum in Rom, den er nicht namentlich kennt, von Tempelsklaven über die Popae bis zu den Pontifices.


    Flaccus starrte einige Zeit in die Luft und schien abwesend, senkte seinen Blick jedoch bald wieder in Richtung des Scriba.
    Salve, Mercurinus. Ich bin gekommen, um mich für die Probatio Rerum Sacrarum I anzumelden. Doch ich hörte noch hier auf den Fluren, dass dies schon die Schola Atheniensis übernommen hat. Ist es also richtig, dass man sich ab nun dorthin begibt?

    Der Vorfall hatte unter den Menschen zunächst nicht weiter für Aufregung gesorgt, doch gingen schnell Gerüchte um. Viele bekamen mit der Zeit Angst, dass es sich um ein Prodigium der Göttin Iuno handeln könnte, ein übles Vorzeichen, dem noch ganz andere Katastrophen würden folgen können.
    Einige tage später hatte der Fall in der ewigen Stadt große Bekanntheit errungen, so dass er sogar publik wurde und von den Acta Diurna aufgegriffen.
    Als man auch in höheren Kollegien der Priesterschaft davon mitbekam, machte sich eine Gruppe von speziellen Priestern auf, um den Fall zu untersuchen. Lange Zeit betrachteten sie das Gebiet um den Tempel, befragten Bettler und fliegende Händler, sprachen mit Priesterinnen und Opferdienern des Tempels. Von einigen Personen bekamen sie wichtige Hinweise, so dass sie nach einiger Zeit den Tempel betraten und in ihm kurz berieten. Die Männer stellten schnell fest und waren sich einig, dass es sich eindeutig um ein Prodigium der Göttin gehandelt haben muss. Sie verstauten ihre Aufzeichnungen, die sie hier gemacht hatten, und verließen den Tempel wieder, um aufgeregt zur Regia zurückzukehren.

    Nachdem man die Götterbilder in einer feierlichen Prozession an den Ort des Opfers, den Tempel des Apoll dicht neben dem Marcellus-Theater, gebracht und sie dort auf den Lecti positioniert hatte, wurden die Voropfer begonnen, um die Aufmerksamkeit des Gottes zu erlangen.
    Die Diener hatten bereits den Tempel verlassen und die wenigen Sacerdotes begannen nun mit ihrer Zeremonie. In einem Becken erfolgte die rituelle Waschung der Hände zur Reinigung vor dem Opfer. Zwei Priester traten hervor und gaben Weihrauch in einen der in der Mitte aufgestellten Foculi. Schon nach kurzer Zeit stiegen die wohlriechenden Dämpfe auf und hüllten das Innere des Tempels in einen leichten, mystischen Nebel. Um auch Latona, die dem Iuppiter den Gott gebar, und Diana, die Zwillingsschwester Apolls, die auf Delos mit ihm gemeinsam die Sonne erblickte, die bei diesem Lectisternium gemeinsam mit ihm bewirtet wurden, zu huldigen, streuten schon bald, nachdem die Dämpfe sich verteilt hatten, zwei weitere Priester Blütenblätter für die Göttinen um die Lecti, auf denen die Bildnisse jener Gottheiten aufgestellt waren. Die Priester wandten sich nach rechts ab und kehrten auf ihre Ausgangsposition zurück. Flaccus trat vor und brachte nun Lorbeer dar, der ebenfalls als Opfergabe an Apoll verbrannt wurde. Ein weiterer Priester hielt dem Tiberier hierzu ein tönernes Gefäß hin, das selbst mit Lorbeer geschmückt war. Aus dem Gefäß entnahm Flaccus einige Blätter der Pflanze und ließ sie nach und nach in einen Foculus vor der Statue des Gottes fallen, wo sie sogleich entzündeten und ebenfalls einen unverkennbaren Geruch erzeugten.
    Nachdem das heilige Gewächs des Gottes geopfert worden war, traten auch der beistehende Priester und Flaccus zurück, denn als alles vorbereitet war, konnte bald die eigentliche Bewirtung der Götter folgen, bei dem die Menschen durch dieses Ritual den Überirdischen besonders nahe kamen.

    Flaccus setzte ein leichtes Lächeln auf und führte Livilla näher an den Ort der Geschäftigkeit.
    Sieh, hier sind die Foculi, die kleinen Opferherde, auf denen wir bald die unblutigen Opfer darreichen werden. Dort baut man bereits die Mensa auf, um das Lectisternium durchzuführen. Dieses Göttermahl ist ein griechischer Ritus, durch ihn zeigt sich die direkte Verbundenheit mit dem Gott. Dort wird bereits sein Bildnis auf ein Lectus gestellt.

    Als sich die Frau zu ihm umdrehte, erkannte er seine Cousine Livilla und schaute sie erstaunt an, was sich in einem leichten Heben einer Augenbraue zeigte.
    Livilla? Du hast dich entschieden dem Kult der Götter beizutreten? Ich freue mich darüber und es war sicher eine gute Entscheidung. Livia schlug den Weg in die Politik ein, doch hast du sehen können, welch Unannehmlichkeiten sich daraus ergaben, wie oft sie doch Opfer verschiedenster Angriffe geworden ist. Der Dienst gegenüber unseren Göttern geziemt sich für unsere Familie.
    Flaccus deutete auf nun auftauchende Opferdiener.
    Wie du siehst, wird derzeit das öffentliche Opfer für die Ludi Apollinares vorbereitet und ich überwache dies. So vermag ich dir schon jetzt so manches zu zeigen.