Beiträge von Manius Tiberius Durus

    Ein Brief aus dem fernen Misenum erreichte die Villa im Morgengrauen. Überbracht wurde sie von einem völlig fertigen Cursor, der offensichtlich nicht besonders routiniert war.

    Ad
    M' Tiberius Durus
    Villa Tiberia
    Roma, Italia



    Caius M' Tiberio Duro s.p.d.


    Ich muss Dir leider mitteilen, dass Dein Vilicus Manius Tiberianus Josephus von Deinem Landgut in Misenum das Zeitliche gesegnet hat. Vorerst ruht die Arbeit hier, die notwendige Führung wird von mir, Caius, dem scriba des Iosephus geführt. Ich bitte Dich um Anweisungen, wie zu verfahren sei.


    Scitum per

    Caius
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    Vilicus villae rusticae Tiberiae Miseno


    | Manius Tiberianus Josephus


    Josephus saß in seinem Officium. Er hatte gerade einen Sklaven zu den Ertragschancen des Jahres befragt, als er einen stechenden Schmerz in der Brust spührte.


    "Calpurnia!"


    rief er nach seiner Dienerin, doch als das Mädchen erschien, lag der alte Vilicus tot auf seinem Schreibtisch. Hektisch blickte sich Calpurnia um. Was sollte sie tun? Einen Medicus!
    Und schon war sie verschwunden...

    Durus verfolgte das Mienenspiel des Senators. Das Grinsen gefiel ihm in keinster Weise. Der erste Satz noch weniger. Gedanklich schlug er sich bereits mit der flachen Hand an die Stirn, unterließ es jedoch. Dignitas. Gravitas.
    Das danach klang ziemlich schwammig, aber er schöpfte ein wenig Hoffnung daraus. Dass er in seiner Funktion nicht enttäuschend war...das klang fast, als wäre er persönlich eine Enttäuschung. Am Ende hatte es etwas von Mitleidigkeit. Offensichtlich unterschätzte Hungaricus diesen Mann. Oder überschätzte Durus ihn?


    "Nungut. Wäre das alles?"


    fragte er und verspührte plötzlich den Drang, die Casa zu verlassen und das Erfahrene zu verarbeiten.

    Durus blickte aufmunternd zu seinem Verwandten und sah dann, wie Furianus Iuvenalis vorführte. Das gefiel Durus ganz und gar nicht. Aber er sagte nichts, denn Furianus hatte natürlich Recht. Iuvenalis' Vater konnte möglicherweise noch dazu gehört haben, aber dessen Vater wohl kaum. Andererseits war das völlig egal.
    Der Tiberier verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Hoffentlich würde Iuvenalis' Senilität ihn nicht die Aufnahme kosten.

    Zitat

    Original von Medicus Germanicus Avarus
    "Weder an den Pferden noch an der persönlichen Ausrüstung, nebst dem Gespann sollte es scheitern. Viel intressanter gestaltet sich aber die Frage: Wo bekommen wir Fahrer her, die es lohnt zu fördern?"


    Viele gute Talente gab es nicht. Fahrer, die fahren konnten schon, doch das Gespann um die Obelisken zu lenken war nicht alles, was ein Talent können mußte. Die richtige Führung des Wagens und der Pferde, Ausdauer und Einschätzung der Lage, neben dem perfekten Ausschöpfen der Kraftreserven über die gesamte Distanz, machte einen wirklich guten Wagenlenker aus.


    Durus verfolgte die Diskussionen schweigend. Er erfuhr natürlich recht wenig, da er die meisten Rennen selbst gesehen und den Rest in der Acta gelesen hatte. Auch dass die Bemerkung über neue Fahrer von Avarus kam, konnte ihn nicht daran hindern, gleicher Meinung zu sein.


    "Unsere Anhänger im ganzen Imperium könnten die Augen offen halten. Gerade im Osten soll es doch begabte Fahrer geben.
    Ansonsten könnte man auch versuchen, andere Fahrer abzuwerben. Wir sind schließlich nicht die finanzschwächste Factio, nehme ich an."


    bemerkte er schließlich.

    Durus nickte. Also war es nicht die Thematik, die seinem Patron aufstieß, sondern etwas, das auch ihm aufgefallen war. Diese Sache hatte er ebenfalls noch mit Furianus bereden wollen. Die Unwahrheit hingegen...nunja, das war eine Frage der Interpretation.


    "Achso, nun, da brauchst Du Dir keine Sorgen machen. Wie ein Volkstribun werde ich mit Sicherheit niemals auftreten."


    Er dachte einen Augenblick nach, dann fügte er hinzu.


    "Wenn ich noch eine Frage stellen dürfte..."


    Er räusperte sich und nahm den Becher wieder auf, um festzustellen, dass er leer war.


    "Wie stehst du zu dem Senator Germanicus Avarus?"


    Er musste es wissen - diese Ungewissheit, ob er gegen ihn sprechen durfte, konnte er - sollte er es in den Senat schaffen - nicht brauchen.

    Durus ignorierte Minervinas interessierten Blick und lauschte Gracchus, weshalb er etwas überrascht war, als sie danach etwas sagte. Nachdem sie sich erhoben hatte, verabschiedete er sich rasch.


    "Äh, vale bene. Und möge Neptunus Dir gnädig sein auf der Überfahrt!"


    Dann wandte er sich wieder an den Flavier. Irgendwie imponierte ihm dieser. Gracchus war ebenfalls konservativ, aber auch engagiert. Er würde sicher eines Tages einen fabelhaften Senatoren abgeben, der diesen neumodischen Gepflogenheiten eines Avarus die Stirn bieten würde. Nachdem ihm all das durch den Kopf gegangen war, besann er sich auf das eigentliche Thema.


    "Du hast Recht. Auch unter uns gibt es leider mehr als genug schwarze Schafe. Gerade die militärische Laufbahn war nach der alten Regel unwürdig für einen Patrizier!"


    Durus dachte kurz an Vitamalacus, seinen Cousin, der die ganze Ochsentour durchlaufen hatte.


    "Nicht, dass ein einfacher Soldat ein schlechter Soldat wäre, aber ich denke, dass es verschenktes Potential ist, einen Patrizier 20 Jahre lang durch die Mannschaften zu schleifen, bis er die Möglichkeit erhält, zu führen, wozu er von Anbeginn an erzogen wurde."


    Nun stellte sich der Tiberier vor, wie ein rhetorisch und literarisch gebildeter junger Spross aus gutem Hause von einem Händlersohn mit Bürgerrecht in zweiter Generation zum sturen Gehorsam geprügelt wurde - furchtbar!

    Durus, der sonst wenig politische Aktionen von Furianus kannte, da er dem Senat ja nicht beiwohnte, war etwas überrascht. Wurden seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt? War Hungaricus ein guter Freund des Avarus? Das wäre...ein harter Brocken!


    "Entschuldige, wenn ich so frage, aber - inwiefern?"

    Die Sänfte des Tiberius Durus, die wie üblich von ägyptischen Sklaven getragen wurde, hielt vor der Casa Valeria, wo der Herr ein aufschlussreiches Gespräch erhoffte.
    Der Sänftenführer mit dem typischen agyptischen Kopftuch, das um diese Jahreszeit eigentlich nur einen dekorativen Charakter hatte, klopfte an, während Durus der Sänfte entstieg.


    *KLOPF KLOPF*

    Durus nickte zustimmend.


    "So ist es. Ich denke, dass dies auf jeden Fall dafür sorgen wird, dass nicht mehr allzu viele Emporkömmlinge auf der politischen Bühne auftauchen und versuchen, sich auf Kosten anderer zu profilieren."


    Dabei dachte er natürlich an gewisse gewesene Magistrate, die sich mit dem ganzen Senat angelegt hatten, da ihnen offensichtlich kein Vater Respekt vor anderen gelehrt hatte.


    "Außerdem wird die militärische Grundbildung für angehende Senatoren diesen kaum schaden. Wie gesagt: Selbst ich habe bereits darüber nachgedacht, nachträglich das Militärtribunat zu bekleiden."

    "Oh, Valerius Victor! Er ist doch der Vicarius unserer Factio. Sollte ich mich also an ihn wenden."


    stellte er fest und überlegte, ob er den Septemvir direkt aufsuchen sollte. Doch vorher...


    "Das wären dann all meine Anliegen. Ich bin Dir zutiefst du Dank verpflichtet. Wenn Du meine Hilfe brauchen solltest..."


    Er stellte den Becher ab und setzte sich auf, wagte jedoch nicht aufzustehen, ehe er entlassen wurde.

    Oh ja, das liebe Geld. Durus wollte besser keinen genaueren Report über seine finanziellen Verhältnisse geben. Deswegen sagte er lieber nichts sondern nickte zustimmend. Denn wer nichts sagte, der konnte auch nicht lügen!
    Rasch überlegte er, wie das Thema am besten zu wechseln sei - oder noch besser: Von sich wegzubewegen!


    "Natürlich, aber für das Volk..."


    Er zwinkerte Gracchus zu, da er nicht wusste, wie Minervina zum Volke stand und man heutzutage niemals wissen konnte, auf welcher Seite Patrizier standen...Dann wandte er sich Gracchus auch mit Worten zu.


    "Wie ist es eigentlich bei dir? Musst du auch deine Quaestur wiederholen oder könntest du in zwei Jahren zum Aedilen kandidieren?"

    "Kennst du vielleicht einen Auguren persönlich? Oder weißt du jemanden, der mir dahingehend weiterhelfen könnte - also ganz unverbindlich?"


    fragte er weiter und hoffte auf die umfassenden Kontakte, die Hungaricus doch eigentlich haben musste - gerade als Consul war doch die Zusammenarbeit mit einem Auguren von größter Notwendigkeit!

    Durus lächelte. Wollte Minervina etwa selbst Spiele abhalten?


    "Nunja, ich habe selbst natürlich kaum die Zeit gehabt, durch die Provinzen zu reisen und Sklaven und Tiere auszuwählen.
    Aber das ist auch nicht notwendig, denn hinter dem Flavischen Theater gibt es die Straße der Tierhändler. Dort findet man allerlei Getier und wenn es nicht vorrätig ist, so kann man es zumindest bestellen.
    Allerdings habe ich die Organisation doch in erfahrenere Hände gegeben: Rufus, der Verwalter der Ludus Magnus, hat die Dinge besorgt.
    Es funktionierte ganz gut: Er hat mir sein Angebot gezeigt, ich habe ausgewählt, er hat organisiert, ich habe bezahlt."


    Er lächelte, obwohl der Preis nicht gerade mit einem Lächeln zu zahlen gewesen war...

    Durus war nickte und lächelte. Er wusste zwar nicht, ob diese Aussage eher eine Ausflucht oder eine ernst gemeinte Zusage war, aber es war besser als nichts.
    Nach einem weiteren Schluck aus dem Becher sprach Durus weiter


    "Damit wäre nur noch eine Sache: Ich bräuchte deinen Rat.


    Ich spiele mit dem Gedanken, dem Collegium Augurum beizutreten. Glaubst du, das wäre ohne längere Tätigkeit als Sacerdos Publicus möglich? Ich denke, dies wäre eine ehrenvolle Tätigkeit - auch für einen Senator..."

    Durus sah Vinicius erwartungsvoll an. Was bedeutete das wohl: "Mehr Zeit in Anspruch nehmen"?


    "Ja, einige wenige Männer besitzen fast das gesamte Land und hüten es wie einen Schatz."


    Dass Hungaricus einer von ihnen war, fiel ihm erst danach ein. Hoffentlich fasste dieser das nicht als Kritik auf...


    "Was ja an sich nicht schlecht ist, nur macht es eben den Erwerb von Landbesitz nicht leichter..."


    fügte er schnell hinzu.

    Durus betrat am letzten Tage der Parentalia wieder das Atrium. Die Sklaven hatten bereits Körbe zusammengepackt, um das Picknick auf den Grabstätten der Tiberier abzuhalten. Da es ums Essen ging, trug Durus ausnahmsweise keine Toga, sondern ein Pallium, das jedoch aufgrund des Anlasses wieder eher unauffällig gehalten war. Nun wartete er auf die anderen Familienmitglieder, um gemeinsam mit ihnen in alter Tiberier-Tradition zu Fuß zu den Gräbern der Maiores zu pilgern.