Beiträge von Manius Tiberius Durus

    "Oh, das tut mir leid!"


    erwiderte Durus ebenfalls etwas betreten - wie hatte er das nur übersehen können? Seine zukünftige Frau bei seinem ersten - oder vielmehr zweiten - aufeinandertreffen auf den Tod anzusprechen war wohl nicht sonderlich geschickt.


    "Und lebst du schon länger in Mantua bei Ursus?"


    fragte er dann, um einen raschen Themenwechsel hinzubekommen (wenn auch nicht besonders subtil). Er wollte doch, dass das Mädchen nicht zu sehr in ihre wahrscheinlich doch noch eher frische Trauer um ihren Bruder gestürzt wurde.

    Wieder sah Durus fragend zu Lukios, der eine Tabula hervorholte und einen Augenblick überflog. Er runzelte die Stirn und meinte schließlich


    "Die Caristia wären vielleicht ein guter Termin - ein Familiefest!"


    Eine Verlobungsfeier auf die Caristia zu legen war zwar möglicherweise etwas ungewöhnlich, aber angesichts der langen Parentalia im Februar war es wohl nicht ganz so einfach, in dieser Zeit einen geeigneten Termin zu finden - außerdem war eine Verlobung doch auch ein absolutes Familienfest, womit die ganze Angelegenheit doch recht passend erschien.


    "Gut, ich würde die Caristia bevorzugen - da habe ich ohnehin keine Termine!"


    Was natürlich in gewisser Weise eine Lüge war, denn direkt nach den Parentalia staute sich üblicherweise viel Arbeit auf - aber natürlich konnte der Tiberier sich den halben Tag, den er üblicherweise an solch einem Tag arbeitete, auch freischaufeln.

    Als er Mattiacus erblickte, schenkte Durus ihm ein gewinnendes Lächeln. Inzwischen konnte er sich kaum mehr vorstellen, dass er diesem jungen Mann unterstellt gewesen war - inzwischen hatten sich die hierarchischen Verhältnisse aber deutlich geändert. Dennoch genoss der Decimer als Jurist natürlich höchstes Ansehen, weshalb der Tiberier auch hier war.


    "Oh, ganz gut, danke! Mein Bein macht zur Zeit große Fortschritte - und selbst?"


    Auf die Weisung des Gastgebers nahm er Platz, lehnte seinen Gehstock an die Armlehne seines Sessels und gab mit einer Geste zu verstehen, dass er auf eine Erfrischung verzichtete. Stattdessen ließ er sich von Lukios mehrere Tabulae reichen.


    "Ich brauche wieder einmal deinen Rat als Jurist. Ich habe vom Senat den Auftrag erhalten, die juristischen Gepflogenheiten zum Thema Mündigkeit und Altersgruppen zu referieren. Es geht um eine Überarbeitung der Lex Flavia. Deshalb wollte ich dich bitten, mal einen Blick auf meine Zusammenfassungen zu werfen - damit ich nichts übersehen oder vergessen habe:"


    [simoff]Ich habe mir die entsprechenden Artikel im Neuen Pauly angesehen und versucht, das für den Stand um 100 n. Chr. zusammenzufassen. Allerdings wollte ich doch noch mal deine Meinung als "echter" Jurist einholen ;)[/sim-off]


    Er reichte die Tabulae an Mattiacus weiter:

    Commentarii de Pubertate


    verfasst von M‘ Tiberius Durus



    PRIDIE KAL MAR DCCCLX A.U.C. (28.2.2010/107 n.Chr.) brachte der ehrenwerte Consular L Flavius Furianus einen Gesetzesentwurf in den Senat ein, der an den NON APR DCCCLX A.U.C. (5.4.2010/107 n.Chr.) als Lex Flavia de operositas Gesetzeskraft gewann. Nachdem der bekannte Magister Iuris M Vinicius Hungaricus jedoch Einspruch einlegte gegen dieses Gesetz und seine Aufhebung beantragte war es im Auftrag des Senates an mir, einen Kommentar über die bisherigen juristischen Gepflogenheiten die Pubertas und Tutela betreffend abzufassen.


    Um diese darzustellen möchte ich einleitend die Patria Potestas als prinzipiellste Form der Rechtsvollkommenheit gemäß unserer Mos Maiorum darstellen, ehe ich deren unterschiedliche Abstufungen dem Alter und Geschlecht nach betrachte. Abschließend erfolgt eine knappe Betrachtung der Tutela.


    I. Patria Potestas
    Die vollständigste Rechtsfähigkeit, die für einen römischen Bürger möglich ist, ist die Patria Potestas. Sie kommt zu Oberhaupt einer Familie und erstreckt sich prinzipiell über sämtliche Angehörigen des Haushaltes, die seiner Manus unterstehen. Namentlich handelt es sich hierbei um seine Ehefrau, soweit er mit dieser nicht eine Ehe sine manu eingegangen ist, weiterhin alle seine leiblichen und adoptierten, sowie adrogierten Nachkommen und sämtliche Sklaven des Hauses. Dabei umfasst die Patria Potestas sowohl die alleinige Verfügung über das Hausvermögen, wie auch die leibliche Gewalt über seine Gewaltunterworfenen einschließlich deren Verkauf und Aussetzung. Ausgeschlossen ist hingegen gemäß dem Erlass des göttlichen Augustus das Recht, seine Gewaltunterworfenen zu töten. Solange sich ein Mann unter der Patria Potestas befindet, besitzt er nicht die volle Rechtsfähigkeit, d. h. es ist ihm nicht möglich, für sich selbst Rechte begründen und erwerben zu können. Stattdessen ist es Pubes lediglich gestattet, mit Zustimmung des Gewalthabers in dessen Namen Rechtsgeschäfte abzuschließen.


    Die Patria Potestas kommt nur römischen Bürgern zu gegenüber ihren legitimen Kindern gemäß dem tradierten Eherecht. Sie endet entweder durch den Tod oder die Verbannung des Pater Familias, oder durch die Emancipatio bzw. Adoption durch einen anderen Pater Familias.


    Gemäß den XII Tabulae ist der Pater Familias berechtigt, seinen Gewaltunterworfenen einen Teil des Patrimonium als Peculium zum persönlichen Gebrauch zu überlassen. Zivilrechtlich verbleibt es jedoch im Eigentum des Pater Familias, der entsprechend seiner Gesamtsumme auch für die Peculia seiner Gewaltunterworfenen haftet. Verstirbt der Besitzer des Peculium, geht dieses wieder in den Besitz des Gewalthabers über. Gemäß der Mos Maiorum ist es indessen Sitte, einem Sklaven sein Peculium bei der Freilassung, einem Haussohn beim Verlassen der Hausgemeinschaft gänzlich zu überlassen und ihn frei darüber verfügen zu lassen.


    II. Tutela
    Untersteht ein Impubes (Unmündiger) keiner Patria Potestas, ist für die Verwaltung seines Vermögens und die Sorge für Unterhalt und Erziehung ein Tutor zu bestellen. Diese Bestellung kann auf drei Arten erfolgen:


    (1) Gemäß Tafel V der XII Tabulae ist der Pater Familias dazu berechtigt, in seinem Testament einen Tutor Testamentarius für seine Gewaltunterworfenen zu bestellen. Dieser ist durch den Praetor Urbanus zu bestätigen.
    (2) Bestellt der Pater Familias keinen Tutor für seine Gewaltunterworfenen, so wird gemäß Tafel V der XII Tabulae der nächste agnatische Verwandte zum Tutor Legitimus bestimmt.
    (3) Gemäß der Lex Atilia ist es ebenfalls möglich, dass der Praetor Urbanus einen Tutor bestellt. In unseren Zeiten obliegt dieses Recht jedoch dem Consul, in den Provinzen dem Proconsul.


    Ist der bestimmte Tutor nicht gewillt, die Tutela zu übernehmen, so ist er bei begründeter Excusatio (Entschuldigung) berechtigt, diese auszuschlagen. Namentlich sind diese Krankheit, Absenz infolge des Militärdienstes oder der Bekleidung öffentlicher Ämter oder hohes Alter. Im Falle einer Tutela über eine Frau ist der Tutor jedoch berechtigt, seine Tutela auf einen anderen Mann zu übertragen.
    Die Tutela endet automatisch mit dem Mündigwerden eines männlichen Mündels, also dem Anlegen der Toga Virilis. Zum Schutz vor Übervorteilung ist der junge Mann indessen berechtigt, beim Praetor einen Curator zu beantragen. Dieser übernimmt bis zum Erreichen des 25. Lebensjahrs des jungen Mann die Verwaltung von dessen Vermögen.


    Gegen Veruntreuung und Misswirtschaft seines Tutors ist das Mündel berechtigt, gemäß den XII Tabulae Klage vor dem Praetor einzureichen.


    Auch Frauen sui iuris ist, soweit sie nicht das Ius Trium Liberorum gemäß der Lex des Divus Augustus inne hat, ein Tutor zu bestellen. Gemäß dem Erlass des Divus Claudius ist jede Frau indessen berechtigt, vor dem Praetor die Bestellung eines durch sie ausgewählten Tutors zu beantragen.
    Anders als bei Impubes ist die Auctoritas Tutoris bei mündigen Frauen jedoch lediglich zur Tätigung größerer Rechtsgeschäfte notwendig. Verweigert der Tutor seine Auctoritas, ist die Frau zu einer Erzwingungsklage vor dem Praetor berechtigt.


    Für den Aufwendungen des Tutors ist dieser berechtigt, vor dem Praetor mittels der Actio Tutelae Contraria eine Aufwandsentschädigung aus dem Vermögen des Mündels einzuklagen.


    III. Infans
    Die niedrigste Rechtsstellung, in der sich ein römischer Bürger befinden kann, ist hingegen die eines Infans, der stets unter einer Patria Potestas oder eine Tutela zu stehen hat. Sein Status ist definiert als ein Kind unter VII Jahren, das nicht die Fähigkeit zum Sprechen besitzt. Dementsprechend ist ein Infans nicht zur Tätigung jedweder Rechtsgeschäfte befähigt. Ob dieser Grundsatz durch die Auctoritas eines Tutors aufgehoben werden kann, ist in juristischen Kreisen umstritten.


    Die Mos Maiorum sieht jedoch vor, dass ein Infans über das Peculium seines Sklaven Eigentum und Besitz erwerben kann.


    IIII. Impubes Infantia Maior
    Ab dem Alter von VII Jahren gilt ein Kind als Infans Maior. Als solches ist es zur eigenständigen Durchführung von Rechtsgeschäften befähigt, soweit sich diese lediglich auf den Erwerb von Gütern beschränken. Geht ein Infans Maior ein wechselseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft ein, kann es zur Erfüllung der Pflichten nicht gezwungen werden. Erfüllt es diese jedoch, ist das Rechtsgeschäft gültig.
    Verpflichtungsgeschäfte und Verfügungen erhalten hingegen lediglich mit der Auctoritas Tutoris Rechtskraft. Namentlich ist darunter die Bezahlung von Gütern, Veräußerungen von Besitz, Freilassung von Sklaven, sowie Verpfändung von Besitz zu zählen. Ebenso ist ein Infans Maior nur mit der Auctoritas Tutoris zur Annahme von Erbschaften berechtigt. Die Abfassung eines rechtskräftigen Testamentes ist ihm hingegen nicht gestattet.


    Die Haftungspflicht eines Infans Maior besteht nach neuesten Entwicklungen nur dann, wenn es als Proximus Pubertati bereits befähigt ist, begangenes Unrecht einzusehen.


    V. Pubertas
    Mit dem Anlegen der Toga Virilis erreicht der Jüngling die Pubertas, also die Mündigkeit. Dies erfolgt – wie allgemein bekannt – mit dem Eintritt der Geschlechtsreife, die traditionell mit der Inspectio Habitudinis Corporis überprüft wird. Sempronius Proculus plädiert allerdings dafür, diesen Eintritt generell mit dem XIIII. Lebensjahr zu bestimmen. Für Mädchen tritt die Pubertas hingegen mit dem Erreichen des XII. Lebensjahres ein.


    Mit der damit verbundenen Eintragung in die Bürgerlisten erhalten die Pubes die volle Geschäftsfähigkeit und Strafmündigkeit. Dies beinhaltet die Testierfähigkeit, das Recht zur Eheschließung, der Abschluss von Verträgen etc. Dementsprechend bedarf ein solcher junger Mensch auch nicht mehr eines Tutors, dessen Aufgaben mit Erreichen der Pubertas seines Mündels automatisch erlöschen.


    Einschränkend sei dennoch zu bemerken, dass Pubes weiterhin der Patria Potestas – soweit vorhanden – unterliegen und lediglich auf ein gewährtes Peculium zurückgreifen können. Aus diesem Grunde ist es ihnen gemäß der Lex des Divus Vespasianus nicht gestattet, Darlehen aus eigenem Recht aufzunehmen, sondern können dies nur durch ihren Gewalthaber tun.


    VI. Iuniores
    Die vorletzte Stufe des vollen Rechtsgewinns ist schließlich der Eintritt in die politische Welt. Dieser erfolgt mit dem Beginn des XVII. Lebensjahres. In diesem Alter kann der junge Bürger zum Militärdienst herangezogen werden und erhält damit auch das aktive und passive Wahlrecht. Gemäß der Lex Aelia Sentia sind auch erst Iuniores zur Freilassung ihrer eigenen Sklaven zugelassen.


    VII. Minor XXV Annis
    Bis zum Alter von XXV Jahren schließlich untersteht der junge Mann gemäß der Lex Laetoria noch weiter unter dem besonderen Schutz des Gesetzes, um vor Übervorteilung geschützt zu sein. Im Falle übervorteilender Geschäfte ist es dem Minor außerdem gestattet, die Erfüllung von Verpflichtungen zu verweigern. Tritt dieser Fall ein, kann der Gläubiger mit einer Geldbuße belegt werden und der Minor hat ein Anrecht auf eine Rückerstattung erbrachter Leistungen und eine Abfindung. Zur Steigerung seiner Vertrauenswürdigkeit kann der Minor beim Praetor die Bestellung eines Curators verlangen, der ähnlich einem Tutor bei der Vermögensverwaltung behilflich ist. Dennoch gewinnen auch Geschäfte ohne den Consensus des Curators Rechtsgültigkeit.


    VIII. Furiosi et Prodigi
    Gemäß Tafel V der XII Tabulae genießen alle, die sich im dauernden Zustand geistiger Störung befinden, aber auch Verschwender die Geschäftsfähigkeit von Impuberes und bedürfen demgemäß einer Tutela des gradnächsten Agnaten oder Gentilen.

    Die Aussicht, schon bald wieder zu heiraten, machte Durus einerseits ein klein wenig unsicher, andererseits machte es ihn auch zufrieden, den Makel der Ehelosigkeit ausbügeln zu können - für ihn würde sich ja faktisch kaum etwas ändern. Ob es allerdings soo bald sein musste...


    "Nun, wenn es eine Feier gibt, würde ich doch zumindest bis zum nächsten Jahr* warten. Wobei der Ianuarius auch nicht so günstig ist bei mir, soweit ich weiß..."


    Er sah zu Lukios, der schweigend in einer Ecke stand - stets bereit, etwas zu notieren. Als sein Herr ihn fragend ansah, nickte der Sekretär knapp.


    Sim-Off:

    * Das Gespräch ist ja noch im Dezember

    "Verstehe."


    kommentierte Durus, während ihm diese Information klar machte, dass Orestes ja scheinbar der Bruder seiner zukünftigen Verlobten war. Und dies war auch gleich eine Angelegenheit, auf die er bei seinem kleinen Gespräch eingehen konnte - über Crassus zu sprechen war angesichts dieser Lage ja nicht sehr ergiebig.


    "Wie geht es übrigens Orestes? Hast du wieder von ihm gehört? Leidet er noch immer unter seiner Krankheit?"


    Im Sitzen kam ihm das Gespräch schon gleich viel angenehmer vor - nicht nur, weil es weniger anstrengend war, wenn man nicht befürchten musste, dass die Beine nachgaben.

    "Gehen wir gleich! Die Salutatio ist bereits vorüber, abgesehen davon hat diese Angelegenheit höchste Dringlichkeit!"


    erwiderte Durus auf die Bemerkung, um kurz danach von der Antwort des Prätorianers überrascht zu werden. Dass es sich um einen Klienten eines Patriziers handelte, war doch recht ungewöhnlich - wobei Menecrates noch der wahrscheinlichste Kandidat war, da er ja lange genug beim Militär gewesen war. Und zumindest war dies ein Hinweis, dass es sich um keine Falle handelte - denn so etwas konnte ein Klient sicherlich nicht vor einem Claudier vertreten.


    "Gehen wir gleich!"


    Er bedeutete Lukios, alles vorzubereiten, denn natürlich würde Durus nicht zu Fuß die wenigen Schritte zur Castra Praetoria hinauf gehen - schon des Beines wegen!

    Nachdenklich saß Durus in seinem Tablinium und dachte über seine Pläne nach. Wieder einmal hatte er eine Liste der wichtigsten Senatoren angefertigt, Namen hinzugefügt, andere gestrichen - immer auf der Suche nach den Männern, die er für seine Verschwörung benötigte und - noch viel wichtiger - die den Mut aufbrachten, sich an einer solchen Aktion zu beteiligen. Und letztendlich standen dabei immer die beiden Statthalter im Osten - Calpurnius Piso und Veturius Cicurinus - ganz oben auf seiner Liste. Beide waren schon seit den Tagen des göttlichen Iulianus auf ihren Posten und gehörten demnach nicht zu den Speichelleckern um Salinator. Cicurinus war damals sogar sicherlich nicht glücklich gewesen, dass man den Feldzug des Iulianus abgebrochen hatte. Dich gab es ein weiteres Problem: Wie nahm man mit Männern Kontakt auf, die so weit weg waren? Es war möglicherweise riskant, einen Brief über eine solche Entfernung zu schicken. Und selbst wenn er das tat - konnten einige Zeilen so mächtige Männer davon überzeugen, dass sie Hochverrat begingen?

    Natürlich stand auch Durus bei den Pontifices und als der Flamen Dialis sich zu Wort meldete, nickte er nur.


    "Gehen wir hinein!"


    Damit setzte sich die kleine Prozession des Collegiums in Bewegung und man versammelte sich im Tempel. Vor der Cella mit der Kolossalstatue des Göttervaters stellten die Calatores eilig ein paar Klappstühle auf (die abgesehen vom Material durchaus Ähnlichkeit mit den Sellae Curules hatten) und die Herren nahmen Platz.


    "Die Worte der Haruspices waren recht klar, wie ich meine. Die Neuweihung des Haines, verbunden mit einer Sühnemaßnahme, hat höchste Priorität, wie ich meine. Ich denke, ein großes Opfer sollte Diana wieder milde stimmen. Augenscheinlich sind die Staatsgötter ja nicht erzürnt."


    begann Durus die Diskussion mit einer Relatio.

    "Ja, sehr gern! Aurelia wird zwar vermutlich nicht erscheinen können, da sie ihre Verwandtschaft in Mantua besucht, aber mein Sohn wird sicherlich erscheinen. Heute Abend bin ich zwar leider bereits anderweitig eingeladen, aber morgen Abend wäre es mir eine Freude, deine Gattin und dich begrüßen zu dürfen!"


    erklärte Durus, der in Wahrheit gar nicht genau wusste, wo seine baldige Verlobte sich eigentlich herumtrieb. Leider wusste er das nicht einmal genau bei Ahala - aber dem konnte er zumindest Beine machen.

    Gestützt auf seinen Gehstock humpelte Durus in die Casa Decima. Während er sich umsah, stellte er fest, dass er schon viel zu lange nicht mehr hier zu Gast gewesen war. Vielleicht ließ sich die Beziehung zu Mattiacus wieder ein wenig beleben - für einen professionellen Juristen sollte die Niederlage vor Durus als Richter ja kein Hindernis darstellen.


    Dann wartete er - was natürlich für einen Consularen doch etwas ungewohnt war.

    "So, verstehe."


    bemerkte Durus, dem diese Sache doch ein wenig einfach erschien. Andererseits konnte er auch die Wahrheit sprechen, denn dass Gracchus zweifelsfrei einen unbekannten Toten identifizierte, war wohl nicht einmal mit göttlicher Hilfe unwahrscheinlich. Und offensichtlich handelte es sich bei diesem Prätorianer um den Klienten eines seiner Klienten...


    "Nunja, ich denke, ich sollte mir diese Angelegenheit tatsächlich einmal ansehen."


    Mit einem Ächzen erhob er sich, um seinen Entschluss zu befolgen - nicht einmal Salinator hatte doch wohl so viel Macht, einen angesehenen Consular unter einem Vorwand in die Castra Praetoria zu locken und ermorden zu können. Oder doch?


    "Wer ist übrigens dein Patron? Gavinius Spero?"


    Gavinius war ein Eques aus Rom, der aus seiner Zeit beim Militär einige Kontakte in diese Richtung hatte. Sonst hatte er im Augenblick keinen seiner Klienten im Kopf, die Beziehungen zu den Prätorianern pflegten...

    Poesie war genau das, womit Durus sich wenig bis gar nicht beschäftigte. Natürlich kannte er auch den ein oder anderen Klassiker, schon von seiner Schulbildung her. Privat las er aber meist nur Philosophie, in Ausnahmefällen auch Historiographie - Dichtung war praktisch nie darunter.


    "Oh, wie interessant."


    log er trotzdem - ihm konnte es ja relativ egal sein, was seine zukünftige Ehefrau in ihrer Freizeit anstellte, solange sie Ovids Liebesratschläge nicht allzu stark erprobte (das hatte ja offensichtlich Laevina schon getan).


    "Und, ähm, hast du deinen Großvater Aurelius Crassus eigentlich persönlich kennen gelernt?"


    Natürlich hatte der alte Tiberier sich ein wenig informiert und zufrieden festgestellt, dass ihr Großvater immerhin Princeps Senatus und Statthalter von Syria gewesen war. Dennoch kam ihm dieses Gespräch schon jetzt eher wie ein Verhör als eine angeregte Unterhaltung vor.


    Daher deutete er auf die Sitzgruppe aus Korbmöbeln in einer Ecke des Atriums, in die er sich für kleinere Gespräche zu setzen pflegte. Nur leicht gestützt auf seinen Elfenbeingehstock humpelte er neben Flora her.

    Was sein Klient nun berichtete, erstaunte Durus allerdings ebenfalls zutiefst. Seit seiner letzten Reise nach Misenum war einige Zeit vergangen, daher hatte er noch nicht von den neuen Regelungen erfahren - dies war wirklich eine Unverschämtheit, die jedes zornigen Wortes des jungen Flaviers wert war! Zwar war Flaccus nun auch nicht unbedingt der bedeutendste Römer, sodass es auch gute Gründe geben konnte, einen kranken Kaiser nicht durch seinen Besuch zu beschweren, aber eine prinzipielle Ablehnung war doch etwas anderes - natürlich musste Salinator dahinter stecken! Andererseits sah es auch dem faulen und entscheidungsschwachen Valerianus ähnlich, dass er die Regierungsgeschäfte nun vollständig in Salinators Hände legte.


    "Das geht allerdings zu weit. Inzwischen ist Aelianus scheinbar wirklich nur noch dem Namen nach Kaiser."


    Er winkte Flaccus etwas näher herbei, um ihm das Kommende so leise sagen zu können, dass es nur er hörte.


    "Ich hege schon längere Zeit derartige Gedanken und betrachte sie voller Sorgen. Vielleicht möchtest du heute Abend zu mir kommen, sodass wir gemeinsam ein wenig darüber sprechen können."


    Nachdem er Aurelius Lupus eingeweiht hatte, war es eigentlich nur logisch, auch Flavius Flaccus einzuweihen. Zwar konnte er im Augenblick wenig tun, aber vielleicht verfügte er ja über weitere Kontakte...

    Diese Information war allerdings erstaunlich - so lange hatten die Pontifices geforscht und nun stand ein Prätorianer vor ihm, der offensichtlich der Täter war! Es war kaum zu glauben - und vielleicht eine Falle Salinators?


    "Habt ihr ihn bereits verhört? Einer der Pontifices hat berichtet, der Schuldige sei umgekommen und hat die Leiche präsentiert!"


    bemerkte er etwas nervös. Einerseits hatte er keine Vorstellung, was für eine Falle genau man ihm damit stellen wollte (vielleicht halfen die Prätorianer auch einfach durch die Stellung eines "Verdächtigen", den Frieden Roms zu wahren), andererseits war es doch interessant, ob man tatsächlich den Täter gefunden hatte. Möglicherweise würde der Tathergang sich so doch noch rekonstruieren lassen...

    "Ja, Aulus liest sehr viel - ich weiß allerdings nicht, ob er nicht ein bisschen zu viel liest, als gut für ihn ist!"


    erwiderte Durus mit einem Lächeln auf den Lippen. Ahala schien manchmal die Realität über seine Bücher hinaus zu vergessen, sodass Durus sich vorgenommen hatte, seinem Sohn in Zukunft etwas mehr auf die Finger zu sehen.


    "Und du? Liest du auch gern?"


    fragte er dann weiter.

    Die Prätorianer traten respektvoller auf, als Durus das gewohnt war - üblicherweise ließen sie jeden spüren, dass sie (neben den Cohortes Urbanae und Vigiles) die einzigen waren, denen das Waffentragen innerhalb des Pomeriums gestattet war und sie somit quasi tun und lassen konnten, was sie wollten.


    Allerdings verzichtete Durus - weiterhin misstrauisch - auf weitere Höflichkeitsfloskeln, sondern winkte sie heran. Dann sprach er den offensichtlichen Kopf der kleinen Einheit direkt an:


    "Du hast dem Ianitor gesagt, du wüsstest etwas über den Frevel des Hains der Diana?"

    "Ja, richtig! Und hast du schon wieder einmal von deiner Schwester und ihren Vestalinnen-Plänen gehört? Ich glaube, sie wollte den Kaiser um Aufnahme bitten, aber ich habe nichts mehr gehört!"


    antwortete er dann, nachdem er sich ebenfalls plötzlich an Narcissa erinnerte (ohne natürlich den Namen damit verbinden zu können) - immerhin hatte er das Gespräch von Aulus nicht weiter verfolgt (oder konnte sich nicht erinnern), sodass nur das Thema blieb, das ihre Schwester vorgebracht hatte.


    "Und ich hoffe natürlich, dass Aulus keinen schlechten Eindruck hinterlassen hat!"


    fügte er dann an, da er ja eigentlich etwas über Flora und nicht über ihre Schwester erfahren wollte. Bei dieser Gelegenheit kam ihm auch der Gedanke, dass es wirklich sehr erfreulich war, dass diese Vestalin werden würde - dann konnte man die beiden zumindest nicht mehr so einfach verwechseln!

    Die Steigerung des Dankes für seine Nachfrage hinauf zu der Beschaffung des Ordo Senatorius belustigte Durus ein wenig - zurecht freute es den jungen Mann ganz offensichtlich außerordentlich. Sein Angebot der Revange kommentierte der alte Tiberier allerdings mit einem seiner häufigsten Sätze im Umfeld von Salutationes:


    "Eines Tages, vielleicht auch nie, werde ich dich um einen Gefallen bitte. Nimm meine Hilfe solange als ein Geschenk unserer Freundschaft an."


    Als er dann - offensichtlich etwas enttäuscht - auf das Vigintivirat zu sprechen kam, meinte Durus nur


    "Nun, dann eben im nächsten Jahr! Vielleicht kannst du dann ja mit Aulus zusammenarbeiten."


    Dass auch sein Sohn die Anmeldung zu den Wahlen verpasst hatte, ärgerte wiederum Durus ein wenig...

    | Stesichoros


    Der Hain der Diana? Das klang zumindest danach, als wollten die Prätorianer das Haus nicht auf den Kopf stellen oder seinen Herrn inhaftieren - sehr erfreulich (dann musste er sein Leben nicht dadurch riskieren, dass er diese ungemütlichen Kerle so lange hinhielt, bis sein Herr fliehen konnte).


    "Nun, ich werde sehen, ob er euch empfängt!"


    meinte er und ging rasch davon (nicht ohne die Tür zu schließen). Kurz darauf kehrte er sichtlich entspannt zurück:


    "Mein Herr empfängt euch. Folgt mir!"


    Damit führte er die fünf in die Villa.





    IANITOR – GENS TIBERIA