Der übrige Leichenzug war bereits eingetroffen, bis Durus endlich an das Geländer trat und - diesmal nur mit einer Hand gestikulierend - seine Leichenrede begann
"Quiriten,
ich stehe vor Euch als ein trauernder Mann. Ich trauere um einen lieben Verwandten, einen stolzen Spross unserer Familie und einen verdienten Mann unseres Staates. Quintus Tiberius Vitamalacus war ein Kämpfer sein Leben lang - wie Horatius Cocles stellte er sich dem Feind entgegen, furchtlos und voller Pflichtgefühl gegenüber dem Staat und seiner Familie. Dabei bewahrte er sich jedoch auch stets jene tugendhafte Einfachheit eines Quinctius Cincinnatus, denn niemals geruhte er sich auf seinen Taten auszuruhen, immer weiter trieb es ihn im Namen des Staates und wenn dieser nach ihm rief, so verließ er seinen Pflug, jagte keinen großen Ämtern in Rom nach, sondern stellte sich unter die Adler.
Schon als junger Mann meldete er sich freiwillig zur Legion - war nicht bereit, das Geschenk seiner Adoption anzunehmen und sich an den Annehmlichkeiten eines edlen Stammbaums zu erfreuen. Und die Wahl seines Vaters Tiberius Fabianus erwies sich als richtig, denn rascher als Mercurius den Himmel durchläuft, durchlief er alle Ränge bis er schließlich als Tribun den Ruf seiner Ahnen vernahm und nach Rom aufbrach. Selbstverständlich diente er als Quaestor den Consuln, wie er als Soldat seinem Feldherrn gefolgt war. Er brachte seine Erfahrung als Soldat ein, indem er würdigen Fremden in unseren Einheiten die Möglichkeit gab, das Bürgerrecht zu erhalten und ihre Söhne zu den Legionen zu schicken. Kurz darauf schon schritt er weiter auf dem Cursus Honorum und amtierte als Aedilis Curulis. Seine Ludi Romani werden manchem noch in Erinnerung sein, denn sie gehörten wohl zu den größten, die Rom jemals gesehen hat - nichts war ihm zu teuer, um dem gemeinen Volk Abwechslung von ihrem grauen Alltag zu schenken. Doch sein Pflichtgefühl beschränkte sich nicht nur auf seine Familie und den Staat: Auch den Göttern diente er mit Freuden und wurde so zum Magister der Arvales Fratres, bei denen der Divus Iulianus selbst sein Mitbruder war.
Kaum war seine Amtszeit jedoch vollendet, riefen ihn erneut die Adler. Und obwohl seine Verdienste ihm zweifellos einen Anspruch auf das Kommando einer Legion geboten hätten, nahm er die Bitte des Kaisers an, an dessen Seite als Tribun in der Ersten Legion zu kämpfen, die nicht umsonst die Beinamen Pia Fidelis Constans trägt. Genau dies schienen jedoch die Götter selbst geplant zu haben, denn noch während des folgenden Feldzugs wurde der euch allen bekannte Decimus Livianus von den parthischen Bastarden entführt, sodass mein Vetter das Kommando der Legion übernehmen musste. Gerade in dieser Situation zahlte sich also die große Erfahrung des Tribunus Laticlavius aus. Doch selbst wenn er sie nicht besessen hätte, hatte er sich doch spätestens durch seinen Mut im Kampf gegen die Parther qualifiziert, um an der Spitze einer Legion zu stehen.
Nach dem furchtbaren Krieg schließlich, der uns durch die Arroganz und Feindseligkeit des parthischen Volkes aufgedrängt worden war, kehrte er als Legat nach Italia zurück und führte die Legion, wie es seit frühester Jugend sein Traum gewesen war.
Unglücklicherweise forderten jedoch nun die Parzen den Tribut für seinen Erfolg: Er erkrankte und musste das tun, was ihm das Schwerste war: Seine Truppe verlassen und sich auf sein Landgut zurückziehen in ständiger Hoffnung auf Besserung, um seine Pflicht weiter zu erfüllen. Am Schmerz jedoch, den seine Unfähigkeit seine Pflicht zu erfüllen erzeugte, litt er weiter und erlag schließlich seiner Krankheit. Seine Kameraden, die ihn stets als weisen und gerechten Führer schätzten, erwiesen ihm die letzte Ehre und verbrannten seine sterblichen Überreste, während seine Seele ins Elysium sank.
Dennoch wollten wir ihm noch eine Trauerfeier widmen, die eines so großen Mannes würdig ist: Ich schickte meinen eigenen Sohn hinauf nach Mantua, um die Urne des Tiberius Vitamalacus zu holen und den pietätvollen Transport sicherzustellen. Und so können wir ihn nun hier zu seinen Ahnen betten, wie es sein Wunsch gewesen wäre."
Durus war sich keinesfalls sicher, ob dies wirklich sein Wunsch gewesen wäre - wahrscheinlich wäre er am liebsten zerstückelt auf einem Schlachtfeld geblieben oder zumindest im Sacellum oder dem Friedhof eines Legionslagers bestattet worden. Doch so konnte er immerhin der Ehre der Familie dienen und ein Beispiel für kommende Tiberier sein.