Die Tage waren ins Land gegangen, hatten sich gar zu Monaten verlängert, doch das Bein des alten Tiberiers wollte und wollte nicht heilen. Voller Schmerzen lag Durus in seinem Bett, während die Ärzte die eiternde Beinwunde unablässig wuschen und bereits erwogen, das gesamte Bein zu amputieren. Doch gerade, als Durus und Laevina, seine treusorgende Gattin, diesem schwerwiegenden Eingriff zustimmen wollten, besserte sich der Zustand. Und so war es tatsächlich Bergauf gegangen! War es anfangs unmöglich, das Bein zu belasten, war es Durus schließlich gelungen, unter Schmerzen aufzutreten und - gestützt von seinem Sekretär oder seiner jungen, kräftigen Gattin - einige Schritte zu gehen. Unter Aufsicht des Arztes schritt die Genesung schließlich immer weiter fort und endlich war es so weit: Nach andauerndem Bitten und Streiten mit dem Medicus stimmte dieser zu, dass Durus nach Rom zurückkehren durfte. Welch eine Freude hatte die alten Knochen des Tiberiers durchfahren! Schon hatte er befürchtet, wahnsinnig zu werden in dieser Villa quasi am Rande der Welt, ständig die Heilbäder des Ortes besuchend und mit senilen alten Männern, die dem Staatsdienst ein epikureisches Leben vorzogen, oder neureichen Schnöseln über Belanglosigkeiten plaudernd. Nun endlich war es ihm vergönnt, in den Caput Mundi zurückzukehren, von wo er so viele Nachrichten bekommen hatten, während er hier an das Bett gefesselt war. Unerfreulicherweise hatte sein Adoptivsohn Ahala sich jedoch wenig gemeldet und so war Durus besonders gespannt, wie es der Familia in Rom gehen würde.
Was er bei all der Selbstbeschäftigung jedoch nicht bemerkt hatte, war seine Frau: Nach all den Jahren als Junggeselle war er es einfach nicht gewohnt, eine Frau zu haben - und so hatte er ihr auch jetzt in den Zeiten, die geradezu zur Muße und zum Familienleben einluden, nichts mit ihr unternommen. Sicher kam sie täglich an sein Krankenbett, begleitete ihn vielleicht zu einem Spaziergang oder lag mit ihm zu Tisch - doch eine persönliche, vertrauensvolle Beziehung, war nie entstanden. Vielmehr tauschte er mit ihr Belanglosigkeiten aus, wie er es mit all den Senatorengattinnen getan hatte, die jemals sein Haus besucht hatten. Seine persönlichen Ängste, Wünsche und Pläne hingegen tauschte er noch immer mit seinem treuen Sekretär Lukios aus - Laevina hingegen langweilte ihn vielmehr! Und bedingt durch sein schlimmes Bein hatte er nicht einmal seinen ehelichen Pflichten nachkommen können! Doch das hatte ihn auch kaum gestört, denn sein Alter und seine allgemeine Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation hatten in ihm auch nicht das Verlangen danach geweckt. Für ihn war die Aurelia schlicht ein notwendiger Anhang, der seine wichtigste Funktion, die Geburt eines leiblichen Nachkommens, noch nicht erfüllt hatte (und warum auch? Er hatte jetzt ja immerhin einen Adoptivsohn!). Und ebenso behandelte er sie auch. Als sein Arzt ihm mitgeteilt hatte, dass er nach Hause durfte, ließ er nach ihr rufen. Als sie eintrat, verkündete er schlicht:
"Aurelia, wir dürfen nach Hause! Packe deine Sachen, wir reisen morgen ab! Ich schicke heute noch einen Brief an Ahala, dass er alles vorbereitet!"
Die Mitteilung war ebenso knapp wie sachlich - dennoch war Durus sich sicher, dass auch Laevina sich freute, endlich wieder ihre Familie zu sehen!