Obwohl der Tiberier sich bereits zum Antritt seines Amtes vor den Comitia Curiata gedrückt hatte, war ihm das an dessen Ende nicht mehr möglich: Er musste die Versammlung einberufen, die seit ältester Zeit das Imperium auf die Consuln übertrug.
Etwas gelangweilt hatte der Noch-Consul daher nach der Vereidigung der Magistrate gewartet, bis die dreißig Liktoren sich auf dem Comitium versammelt hatten. Einige wirkte etwas müde - fast so, als wären sie direkt aus der Taverne gekommen. Welch ein unwürdiges Schauspiel dies doch inzwischen war! Und doch war es eine uralte Tradition und jeder dieser Männer entstammte einem patrizischen Geschlecht!
Ein Sekretär hatte den rituellen Text, mit dem diese Versammlung zu beginnen war, bereits besorgt und sagte ihn Wort für Wort vor, sodass Durus ihn einfach nachzusprechen hatte:
"Hiermit eröffne ich die Comitia Curiata des populus Romanus Quiritum. Am heutigen Tage wollen wir das Imperium und das Ius Auspicii auf die neuen Magistrate, die im folgenden Jahr unser Volk führen und über die Pax Deorum wachen werden, übertragen, wie es seit der Vertreibung des schändlichen Tarquinius Superbus die mos unserer Väter ist.
Zuerst werden wir nach alter Sitte losen, welche Curia die Ehre hat, als erste ihre Stimmen abzugeben."
Das Los musste nun geworfen werden - wofür es selbstverständlich eigene Bedienstete gab. Durus blickte zu den beiden neuen Consuln, die beieinander standen und sich das Ritual ansahen. Sosius Senecio war ein alter Haudegen, ebenso wie Licinius Sura, der darüber hinaus allerdings auch diplomatische Erfolge zu verzeichnen gehabt hatte.
Schließlich hatte man die Curia Titia bestimmt, den Reigen zu beginnen, sodass der Tiberier fortfahren konnte:
"Im Namen des römischen Volkes der Quiriten beantrage ich, dass der Quirite Lucius Licinius Sura mit dem Imperium Consulare ausgestattet wird.
Ich beantrage, dass es ihm gestattet werde, Comitia einzuberufen und vor ihnen zu sprechen, dass er den Senat einberufen und mit ihm verhandeln darf.
Ich beantrage, dass er uneingeschränkte Macht ausüben darf im Namen des Senates und des Volkes von Rom, dass sein Imperium das aller Magistrate übertrifft.
Ich frage also die Curia Titia, ob sie meinem Antrag zustimmt."
"Uti rogas!"
erwiderte der Liktor gelangweilt - offenbar nicht der Ehre bewusst, die erste Sententia abzugeben. Anschließend folgten auch die Fragen an die übrigen Curiae:
"Ich frage die Curia Tifata, ob sie meinem Antrag zustimmt."
"Uti rogas!"
"Ich frage die Curia Foriensis, ob sie meinem Antrag zustimmt."
"Uti rogas!"
Es folgten die Curia Calabra, die Faucia, die Curia Rapta, die Veliensis und all die weiteren Kurien, die jeweils von einem einzelnen Mann repräsentiert wurden. Bei Nummer Zwanzig begann Durus, sich etwas zu langweilen, denn es war doch irgendwie ein unwürdiges Ende für eine Amtszeit, dreißig heruntergekommene Patrizier ihre obligatorische Meinung kundtun zu lassen und jeden einzeln zu befragen. Gerade jetzt erschienen ihm die Worte Macers am Latinerfest wie blanker Hohn: 'Es sind gelebte Traditionen wie diese, die an Roms langen Weg zu seiner jetzigen Größe erinnern und diese Größe nur umso strahlender erscheinen lassen.' Dennoch fuhr Durus ohne mit der Wimper zu zucken fort und sorgte für eine Übertragung dieses, dann aller anderen Imperia auf die gewählten und vereidigten Amtsträger.
Es war bereits Mittag, als endlich das letzte Imperium seinen Inhaber erhalten hatte, sodass Durus die Versammlung auflösen konnte - gemeinsam mit Vitorius Marcellus verließ er dann das Forum, um die Amtszeit Revuepassieren zu lassen.