Beiträge von Lucius Artorius Avitus

    Avitus überlegte. Dass der Mann hergekommen war, sich allein in die Höhle des Löwen gewagt hatte und mit ihm sprach, ihm sogar Weg in die Stadt ebnen wollte, war seltsam und ließ nur drei Schlussfolgerungen zu. Entweder handelte es sich um einen Verräter. Oder es war ein Akt der Verzweiflung. Oder es war eine Falle, wobei die Stadtbewohne ziemlich dumm sein mussten, ohne eine Armee in der Nähe die sowieso nach der Schlacht am Chaboras rachsüchtige römische Armee noch weiter zu provozieren.


    Avitus blickte zu Cyprianus, als dieser mit einem Anflug von Sarkasmus die Idee des Surenas kommentierte. Offenbar wollte der Tribun die Stadt lieber im Sturm erobern und dem Erdboden gleich machen. Eigentlich eine gute Idee, gab sie dem Heer doch Gelegenheit, sich endlich mal auszutoben und ordentlich zu plündern. Doch vielleicht ging es auch anders.
    "Ich nehme an, er verlangt dafür, dass wir die Stadt im Gegenzug verschonen? Ich nehme an, dass es in der Stadt zwei Fraktionen gibt, von denen eine kapitulieren will und die andere lieber den Tod aller in Kauf nimmt, als Vernunft walten zu lassen"
    warf Avitus die Frage in den Raum.
    "Gänzlich untätig zu bleiben ist, denke ich, nicht ganz einfach. Ganz ohne ein Exempel zu stauieren können wir hier nicht weg. Und die milites schreien nach Blut. Wenn er seine Stadt retten will, so soll er die Namen aller derjenigen nennen, die uns Widerstand leisten und uns - und den Einwohnern dieser Stadt - unnötigen Schaden zufügen. Alle, die aktiven Täter sowie ihre Sympathisanten"
    schlug er vor. Man musste auch diejenigen ausschalten, die mit der Idee des Widerstands liebäugelten, denn ein friedlicher Einzug in die Stadt würde ihren Entschluss, ebenfalls aktiv zu werden, womöglich erst recht entfachen. Dass sich Surenas dabei gewiss auch seiner Konkurrenten entledigen würde, ahnte Avitus, aber das war egal, denn es ging ihn nichts an. Ein paar unschuldige Tote mehr oder weniger. Nach der letzten Niederlage interessierten solche Details nicht wirklich.
    "So können wir die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuführen, ein Exempel statuieren und das Gesicht wahren und dieser Surenas kann seine Stadt sicher wähnen"
    sagte er.
    "Was also hat er uns anzubieten? Wie möchte er uns in die Stadt führen?"

    Fast hätte Avitus den Flavier durch den Spalt in dem Felsen geschubst, um dem Mann etwas zu helfen. Wenn sie das hier, also den Krieg überstehen sollten, würde er wohl dafür sorgen müssen, dass die Centurionen sich etwas mehr bewegten. War ja nicht mehr mit anzusehen, wie 'vollschlank' manch einer dank dem bequemen Leben in ihren Reihen geworden war. Aber das war nicht dringend und so ersparte er sich auch ein Kommentar oder irgendeine bissige Bemerkung. Irgendwie verstand es Avitus selbst nicht, warum er in letzter Zeit etwas gegen den Flavier zu haben schien. Er focht gut, von seiner Einheit war nichts schlechtes gemeldet worden... vermutlich, weil er sich so viel anders entwickelt hatte, als Avitus als sein ehemaliger Ausbilder gehofft und erwartet hatte. Vermutlich, weil er so streng sein musste, um seinen Nachfolger auf den Rang des Primipilus nicht spüren zu lassen, dass es keine Selbstverständlichkeit war. Oder traute er ihm das gar nicht zu? Doch, eigentlich schon, aber darüber hatte er eh nicht zu entscheiden, das war allein Sache des Kaisers und des Legatus. Von sich aus konnte Avitus nicht einmal eine Empfehlung in diese Richtung aussprechen.


    Wie auch immer, er schlüpfte durch den Spalt, was ihm nicht nur aufgrund seiner schlankeren Erscheinung, sondern auch seines etwas jüngeren Alters deutlich leichter gefallen war, als Aristides, und sah sich um. Das, was seine Augen sahen, war schon erstaunlich. Er fragte sich, wie um alles in der Welt diese Brüder das hier organisieren konnten. So eine Höhle rein zufällig zu finden und sie mit einer Art Altar auszustatten war nwahrscheinlich. Kannten sie diesen Ort gar? Avitus warf sich, ohne lange zu überlegen, den Umhang über und blickte zu Aristides, der ihn etwas ratlos anblickte. Avitus zuckte mit den Schultern, nach dem Motto 'einfach irgendwie umwerfen, zerbrich dir da bloß nicht den Kopf'. Auf die Frage, ob jemand beim Opfer behilflich sein wolle, schwieg der Artorier. Bestimmt gab es irgendwelche komplizierten Rituale und Normen zu bedenken und er als ahnungsloser Gast wollte nichts ruinieren und überließ das lieber einem der 'Brüder', warf aber einen Blick zu Aristides, um zu sehen, ob der sich vielleicht meldete.

    Avitus nickte. Es gab tatsächlich noch jemanden.
    "Ja. Iulius Licinus, mein signifer"
    sagte er.
    "Ein guter Mann, hat sich bei Edessa und am Chaboras bewährt. Ohne die Ehre, das signum zu tragen, auch nur im geringsten abwerten zu wollen, traue ich ihm mehr zu und empfehle eine Ernennung zum optio ad spem ordinis"
    sagte Avitus. Licinus war ein guter Soldat, bescheiden und diszipliniert, hatte gute Kenntnisse und hatte das Signum auch im Angesicht größter Gefahr für sein Leben während der letzten Zeit tapfer getragen. Er würde irgendwann einen guten Centurio abgeben, dessen war sich Avitus sicher.
    "Desweiteren..."
    bei der folgenden Empfehlung würde man ihm Vetternwirtschaft unterstellen, aber schließlich verdankte auch Avitus seinen Aufstieg der Gunst eines anderen, der seines Patrons, von dem seit seinem Ausflug bei Edessa nicht ein Lebenszeichen kam. Wenn die Parther ihn entführt hätten, war er wahrscheinlich längst tot. Klar hätte man ene Suche starten können, aber bei den wie es schien unendlichen Ausmaßen dieses verfluchten Parthien war es schwieriger, als eine Nadel im Heuhaufen zu finden. Und man wusste ja nichteinmal, wo man mit der Suche hätte beginnen können. Dennoch, Avitus war in dieser Sache nicht ohne an sich selbst gerichtete Vorwürfe.


    Doch er fing sich und kam gedanklich wieder auf das aktuelle Thema zurück.
    "... schlage ich meinen optio für eine Ernennung zum centurio vor"
    sprach er aus.
    "Was ihm möglicherweise an Erfahrung fehlen mag, macht er durch seinen unerschütterlichen Mut, den er bereits mehrfach, in Italia und hier in Parthia unter Beweis gestellt hat, wieder wett. Jemandem, der mit so gutem Beispiel vorangeht, folgen die Leute"
    sagte Avitus. Manche Menschen liefen mit einer Corona auf dem Kopf herum, wenn sie eines anderen Bürgers Leben retteten. Imperiosus hatte einen Kameraden aus dem Fluß gefischt, der gewiss ertrunken wäre. Auch bei Edessa hatte er tapfer gekämpft, hatte die Reihen geschlossen gehalten, so weit es damals eben ging und war stets in der Nähe des Adlers geblieben und ihn mit seinem Leben verteidigt. Aber das musste Avitus nicht erwähnen, er war sicher, Vitamalacus hatte bereits ein eigenes Bild von seinem Optio.

    Avitus schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, ob der Legatus die Centurionen meinte oder Milites seiner Einheit.
    "Nein, besonders hevorgetan hat sich niemand..."
    So wie Antwort formuliert war, folgte ein
    "... aber, ..."
    und eine kleine Pause schlich sich ein.
    "... ich bin der Meinung, dass es dennoch milites gibt, die eine Beförderung verdient haben"
    sagte er.


    "Zunächst der aquilifer, Vocontius Archias. Ein guter Mann, altgedienter Veteran, der sogar ein paar Jahre länger bei den Legionen dient, als ich. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass das Tragen des Adlers meist den Abschluss einer Militärlaufbahn bedeutet. Allerdings nicht in seinem Fall, zumindest nicht unbedingt. Der Mann hat mir und meinem damaligen optio in Italia oft genug zur Seite gestanden und versteht was von Führung"
    erklärte Avitus.
    "Ich weiß, dass es für eine centuria in der legio vielleicht nicht ausreicht, aber eine Einheit der auxilia kann der Mann gewiss führen. Am besten einen möglichst rauhen Haufen, wie die Bataver zum Beispiel, dort wird er sich am wohlsten fühlen und am besten dienen können"


    Avitus sah, dass Numerianuns hereintrat, begrüßte diesen mit einem Nicken, warf dann noch der Dame des 'Hauses' ein freundliches Lächeln zu, bevor sie kurz verschwand und dann mit Erfrischungen wiederkam. Avitus nahm seinen Becher, hob ihn fast auf Augenhöhe, wobei er leicht nickte, mit dieser Geste seinen Dank unterstreichend.
    "Hab vielen Dank, werte Iulia"
    Durstig war der Artorier allerdings nicht. Er nahm pro forma einen Schluck und blickte wieder zum Legatus.
    "Wie gesagt, ich schlage hiermit den aquilifer für den Posten des centurio oder decurio bei den Batavern vor. Seinen Platz würde ich gerne mit dem miles füllen, der in der Schlacht bei Edessa unsere aquila aus den Händen der Parther gerissen und ihn in die Reihen der legio zurückbrachte"
    sagte Avitus in einem Ton, der ahnen ließ, dass da noch was mehr kommen würde.


    Sim-Off:

    beides NPCs, um die es hier - erstmal - geht

    Die Barracken bzw. die Centurionenunterkünfte der ersten Kohorte sahen leicht anders aus, als die normalen. Meist zwei sich gegenüber liegende barracken für je zehn Contubernia. Am Ende eine große Unterkunft für den Centurio, die um einiges größer war, als die der einfachen centurionen. die barracke des primus pilus war dann noch ein stück größer, als die der vier anderen primi ordines. von oben betrachtet sah das ganze dann etwa so aus, z.B. so gefunden in Inchtuthil u.a.:


    [Blockierte Grafik: http://img441.imageshack.us/img441/2034/barrackebf4.png]

    Avitus trat ein, salutierte, nahm den Helm ab undklemmte ihn sich unter den linken Arm.
    "Legatus... ich spreche im Namen des Kollegiums der Centurionen der legio Prima. Wir bitten dich, dem imperator unsere Genesungswünsche auszurichten, sowie ihn wissen zu lassen, dass die centuriones der Prima hinter ihm stehen und er sich ihrer uneingeschränkten Loyalität nach wie vor sicher sein kann"
    begann Avitus. Was wie ein Treuebekenntnis klang, war für Soldaten, wie er und Vitmalacus es waren, ein mehr als deutlicher Ausdruck des Mißfallens über den für das Heer ungünstigen Verlauf der letzten Schlacht.
    "Die Prima ist im Lager, die Verwundeten werden versorgt, die beschädigten Rüstungen und pila werden gerichtet, die Wachen sind eingeteilt"
    fur Avitus fort.
    "Einiges an Ausrüstung musste zurückgelassen werden, aber es werden bald Spähtrupps geschickt, um sie zu bergen"
    schloss er seinen sehr knapp gehaltenen Rapport ab und verharrte, in Erwartung dessen, was der Legatus zu erwiedern hatte.


    Sim-Off:

    das mit dem Mißmut bitte rein SimOn verstehen; war halt 'ne Niederlage

    Vor dem Zelt des Legaten angekommen traf Avitus auf die Sklaven, die dieserhinausgescheucht hatte. Die Diener machten einen etwas verstörten Eindruck.
    "Was ist los?"
    fragte Avitus streng. Der Tag war schlimm genug, noch weitere schlechte Neuigkeiten konnte er selbst und die Prima wohl nicht gebrauchen.
    "Ist der legatus zu sprechen?"

    Avitus nickte.
    "Gut. Weitermachen, optio"
    sagte er und klopfte Imperiosus auf die Schulter, als dieser vorbeiging, um seinen Kontrollgang fortzusetzen. Er selbst blieb noch einige weitere Minuten lang still stehen, spürte den kühlen Abendwind im Gesicht, der über die Landschaft zog, dachte noch etwas nach über das, was geschehen war und noch geschehen mochte, ehe er nochmal die Wachen am Tor inspizierte und sich dann zum Praetorium der Prima aufmachte.

    Zitat

    Original von Tiberius Artorius Imperiosus
    ...


    Wer dieser Aurelius Ursus war, der Imperiosus einen Brief hatte zukommen lassen, begriff Avitus zuerst nicht. Als jedoch Imperiosus sagte, dass Crista nicht mehr am Leben war, war es offensichtlich. Wohl einer der Beamten des Cursus Honorum, denen die traurige Pflicht auferlegt wird, Angehörige Verstorbener über das Ableben dieser in Kenntnis zu setzen. Schon oft hatten sie solche Nachrichten während dieses Feldzuges erhalten. Viel zu oft.
    "Ich trauere mit dir, Vetter. Sie war deine Schwester, sie war meine Base. Ich habe sie jahrelang nicht gesehen, dann sind wir uns in Italia begegnet, in der castra. Ihr Tod trifft mich ebenso hart wie dich"
    Damals war der Anlass ihres Besuches ebenfalls nicht erfreulich, musste sie Avitus sagen, dass seine kleine Schwester Sabina gestorben war. Avitus konnte Imperiosus daher gut verstehen, wusste genau, wie es ihm ging. Er selbst hatte alle seine Geschwister verloren, war das einzige noch lebende Kind seines Vaters. Dass es jetzt ausgerechnet Crista traf, die Schwester Imperiosus', war ein harter Schlag und machte den Tag völlig zunichte. Zuerst der Verlust zahlreicher Kameraden, auch aus der eigenen Centuria und nun auch noch die Nachricht vom Tod der Schwester bzw. - im Falle Avitus - der Base. Ein schwarzer Tag. Dass Imperiosus sich nicht völlig unter Kontrolle hatte, war ihm daher nur schwer vorzuwerfen. Doch notwendig. Entsprechend schwer fielen Avitus die folgenden Worte.
    "Aber ich muss von dir verlangen, dich zusammenzureissen. Du bist im Dienst, du kannst es dir nicht leisten, so gesehen zu werden, nicht von den milites, die an diesem Tag das Gefühl haben, von den Parthern geschlagen und besiegt worden zu sein"
    sagte er leise, aber mit Nachdruck. So war das eben. Als Optio konnte man es sich nicht leisten, zu zeigen, wie es in einem zuging.
    "Alles zu seiner Zeit, Vetter. Auch die Zeit, über diesen Verlust zu trauern wird kommen. Aber nicht jetzt. Nicht so. Und nicht hier..."

    Avitus hatte Imperiosus zwar nahen hören, hatte seinen Blick aber nicht von der sich vor dem Castrum ausbreitenden Landschaft abgewendet. Parthia, dieses karge Land mit seinen Bergen und Hügeln, trocken wie Staub, abweisend, so als ob es ihnen, den Römern sagen wollte, dass sie hier nichts zu suchen hatten. Vielleicht hatte es sogar Recht. Vielleicht aber auch nicht. An dir, Römer, ist es, über andere Völker zu herrschen, hatte mal jemand gesagt.
    "Klar doch, aber erzähl das auch den anderen"
    brummte Avitus leise.


    Er hörte sich die Meldung an. Zahlen. So trocken, so ohne jedes Gefühl. Sieben weitere Mann gefallen. Sieben. Irgendwo auf dieser Welt brach für sieben Mütter und Väter eine Welt zusammen. Irgendwo trauerten die Geschwister und die Waffenbrüder der Gefallenen. Klagten Kinder und Frauen. Sieben.
    "Ist notiert, danke optio"
    sagte Avitus. Langsam drehte er sich zu seinem Stellvertreter um.
    "Und so haben wir bereits die Hälfte unserer milites verloren"
    sagte er. Ein kleines Wunder eigentlich, dass sie beide noch lebten... nicht, dass Avitus sich deswegen beschweren wollte.
    "Gänzlich dumm, schwach und unbeholfen scheinen die Parther wohl doch nicht zu sein, hm?"
    fragte er. Die Frage war bewusst so - wie sie war - formuliert, denn mehr Respekt für den Gegner, der in ihr zum Vorschein kam, wollte er diesem - öffentlich - nicht zollen.
    "Die Decima ist nicht mehr einsatzfähig, wie es aussieht..."
    fast konnte man von 'nicht existent' sprechen.
    "Doch unsere milites haben sich heute gut geschlagen. Lass es sie wissen"

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    „Im Namen des Gottes, der die Erde vom Himmel geschieden hat, das Licht von der Finsternis, den Tag von der Nacht, die Welt vom Chaos, das Leben vom Tod und das Werden vom Vergehen, schwöre ich nach bestem Wissen und Gewissen, die Mysterien geheim zu halten, die mir heute zuteil werden durch durch die sieben Weihegrade der Bruderschaft. Treu meinem Eid hoffe ich, daß es mir wohl ergehe; aber ich schwöre auch, daß mich Strafe treffen möge, wenn ich zum Verräter werde!“


    Die auf ihn gerichteten Blicke konnte Avitus geradezu spüren, wenn auch nicht sehen. Er holte tief Luft.
    Im Namen des Gottes, der die Erde vom Himmel geschieden hat, das Licht von der Finsternis, den Tag von der Nacht, die Welt vom Chaos, das Leben vom Tod und das Werden vom Vergehen...
    Das war schon etwas, was man sich gut überlegen musste, wenn man schwor, über etwas bis an sein Lebensende zu schweigen. Bis an sein Lebensende... andererseits, noch so eine Schlacht wie die letzte und so lang würde die Zeit dann schon nicht sein.
    "... schwöre ich nach bestem Wissen und Gewissen, die Mysterien geheim zu halten, die mir heute zuteil werden durch durch die sieben Weihegrade der Bruderschaft"
    Avitus war gespannt, welche Mysterien und welches - wie der man es nannte - Wissen ihm heute Nacht zuteil werden würde. Worauf hatte er sich bloß eingelassen. Aber ein Zurück war undenkbar.
    "Treu meinem Eid hoffe ich, daß es mir wohl ergehe; aber ich schwöre auch, daß mich Strafe treffen möge, wenn ich zum Verräter werde!"
    sprach er die Formel zu Ende. Blieb zu hoffen, dass Avitus nie in einen Konflikt geriet, der ihn in die Notwendigkeit einer Entscheidung zwischen zwei Schwüren treiben würde. Zwischen dem an die Legion und Kaiser und dem, den er heute Nacht der Bruderschaft schwor.

    Die Nacht brach herein. Im Westen war der Himmel noch etwas hell, einige graue Wolkenfetzen hingen am Himmel. Nachdenklich stand der Artorier am von den Pila Muralia gesämten Wehrgang in einiger Entfernung der Porta Decumana des Marschlagers. Unbewusst kaute Avitus leicht auf seiner Unterlippe. Seine Gedanken drehten sich um die Ereignisse vergangenen Tages, um die Schlacht, die sie an diesem Tage gefochten hatten. Seinen Blick senkte er nicht, ließ auch nicht die Schultern hängen, aber wenn jemand nah genug wäre, um dem Primipilus in die Augen zu schauen, hätte erkannt, dass er nach Antworten suchte, dass Fragen ihn quälten.


    Alles, was sie heute erlebt hatten, erschien so unwirklich. Wie ein Traum. Unweigerlich drangen sich ihm die Bilder des vergangenen Gefechts auf. Die Bilder vom Feuer. Von Dutzenden, hunderten, vielleicht gar tausenden toten Legionären. Und am schlimmsten... es berührte ihn nicht. Nicht im geringsten. Vielleicht, weil er er abzustumpfen begann, sich an den sie umgebenden, sie stets begleitenden und überall lauernden Tod zu gewöhnen begann. Vielleicht, weil er geschockt war durch die Niederlage. Eine Niederlage... etwas, was er für unmöglich gehalten hatte. Andere mochten verlieren können, er nicht. Seine Milites nicht. Vielleicht sträubte er sich einfach dagegen, sich einzugestehen, dass sie heute geschlagen wurden. Aber war es eine Niederlage? Sie hatten de facto eine ganze Legion in Flammen aufgehen sehen. Sie zogen sich zurück. Oder doch nicht? Eigentlich war die Entscheidung heute ausgeblieben. Oder erkannte er bloß nicht, dass dem nicht so war? Fragen über Fragen, die dem Artorier nicht aus dem Kopf gehen wollten. Wenn dies heute keine Niederlage gewesen war, warum hatte das Gefecht am Ende den bitteren Beigeschmack einer solchen? Avitus seufzte.


    Letztlich konnte er sich kaum beklagen. Sie haben den Rückzug erfolgreich gedeckt und er war am Leben. Nicht in Sicherheit, aber am Leben. Und wenn er daran dachte, wie er die beiden Parther heute vom Pferd geholt hatte, lächelte er leicht ungläubig und kopfschüttelnd, den Blick etwas gesenkt. Verdammt, die Übungen die er damals veranstaltet hatte, hatten sich ausgezahlt. Wie ein nasser Mehlsack war der Reiter vom Pferd gerutscht... Sein Gesichtsausdruck und der Blick seiner Augen trübte sich wieder, als er an die Gefallenen seiner Centuria dachte. Weitere Milites waren gefallen. Sinnlos. Ruhmlos. Avitus atmete tief durch. Der Tod der Milites seiner Centuria berührte ihn also noch. Abgestumpft war er also nicht. Das, was er auf dem Exerzierplatz stets sagte, dass ein Centurio nach Kräften bemüht sein wird, seine Milites lebend durch die Anstrengungen und Gefahren zu bringen, das stimmte. Das tat er, das versuchte er. Aber manchmal war das nicht genug.


    Avitus nahm seinen Helm, der bis dahin dort hing, von einem Pilum und klemmte ihn sich unter den Arm. Er vertrieb diese Gedanken. Sie lenkten nur ab. Allmählich nahm sein Gesicht wieder den gewöhnlichen, Unerschütterlichkeit suggerierenden Ausdruck. Er durfte sich nichts anmerken lassen. Niemals. Wie sehr bewunderte er die Centurionen, die Caesar in seinen Büchern erwähnte. Sie waren seine Helden, ihnen hatte er stets nachgeeifert, sie bewundert. War es auch für sie so schwer gewesen? Hatten auch sie manchmal Angst gehabt? Hatten Zweifel aufkommen lassen? Bestimmt nicht. Avitus wusste, so wie diese Männer konnte er wohl nicht werden. Aber es zu versuchen, würde er nicht aufhören.

    Dass der Kaiser durch die Parther verwundet worden war, erfuhr er in eben diesem Augenblick. Bei solchen Neuigkeiten waren die Befehle, auf Gefangene zu verzichten, überflüssig. Sobald den Milites dies bekannt wurde, würde es schwer werden, sie zurückzuhalten. Doch nach außen zeigte Avitus keine Regung, nickte bloß, als er antwortete.
    "Wird ausgeführt, legatus..."
    sagte er und machte sich davon.


    "Befehl vom legatus... Verwundete, pila und alles an Ausrüstung aufsammeln, das wir finden können. Jeder Parther, der hier auf dem Schlachtfeld gefunden wird, wird getötet. Keine Gefangenen... Agite"
    sagte er, bei der Kohorte angekommen. Der Melder eilte davon, um die anderen Centurionen davon in Kenntnis zu setzen.

    Avitus war dem Soldaten gefolgt. Schweigsam, ohne Worte zu verlieren. Etwas überrascht war er, als er erkannte, dass Aristides ebenfalls eingeladen wurde. Ausgerechnet der.
    "Salve et tu, centurio"
    grüßte er leise zurück.... ausgerechnet der.
    "Nein, ich gehöre nicht dazu. Habe die seltene Ehre, als Gast beizuwohnen"
    sagte er. Aus der Art, wie Aristides die Frage formulierte, schloss Avitus, dass dieser der Bruderschaft angehörte. Ganz sicher war er sich nicht, aber die Gelegenheit nachzufragen bekam er nicht, denn schon lud der Soldat sie beide ein, ein Stück zu laufen. Also doch kein Mitglied der Bruderschaft... Die Frage, ob sie bereit seien, beantwortete Avitus mit einem knappen Nicken.

    Zitat

    Die Legio I schützt mit den Resten der Legio X den Rückzug gegen die Parther, die allerdings angesichts der bald hereinbrechenden Dunkelheit kein Interesse an einer ernsthaften weiteren Verfolgung zu haben scheinen


    Noch immer wusste Avitus nicht, dass der Kaiser verwundet worden war. Der Kampf gegen die Panzerreiter forderte die ganze Aufmerksamkeit, wenn er heil überstanden werden sollte. Der Befehl jedoch, dass das Heer sich nach vorne zurückziehen und die Prima den Rückzug zu decken hatte, erreichte die Kohorten schnell. Hinter ihren Scuta gedeckt, bildeten die Milites einen Wall, ein Hinderniss, dem die Panzerreiter wenig entgegenzusetzen vermochten. Hier, auf diesem engen, mit verkohlten Leichen und der Überresten zurückgelassener, verbrannter Ausrüstung übersähten Schlachtfeld, konnten sie ihre Zahl, ihre gewaltige Masse nicht zur Geltung bringen, konnten keinen Schwung entwickeln, um die Reihen der Prima zu sprengen. Hier, auf diesem Schlachtfeld nützte ihnen ihre Panzerung gar nichts, denn sie traten gegen eine Gefechtslinie stark gepanzerter, zu allem entschlossener römischer Infanterie entgegen. Und die herannahende Dunkelheit der Nacht tat ihr übriges.


    Wütend war der Ausdruck der Augen des Artoriers, als er dem Feind entgegenblickte. Schwer ging sein Atem, während er sie anblickte, die Feinde. Blut tröpfelte von der Klinge des Gladius auf den Boden. Das Blut des Feindes... an seinen Händen. Er sprach nicht viel, es gab nicht viel zu sagen. Jeder sah auch ohne eine Erklärung, was geschah. Merkte, dass das Heer seinen Zug weiter aufnahm. Ein gutes Zeichen... vielleicht. Gewiss hätte Avitus anders darüber gedacht, hätte er in diesem Augenblick die Gründe gekannt, die das Heer zu seinem Weitermarsch veranlasst hatten. Hätte er gewusst, dass es ein Rückzug war. Sie, die Prima, waren hier hinten, sahen das Ausmaß dessen, was geschehen war, während sie weiterzogen. Eine ganze Legion... einfach weg.


    Die Parther blieben auf Abstand. Sie folgten ihnen nicht. Pfeile flogen zwar nach wie vor. Vereizelt. Ohne etwas anzurichten.
    "Was ist los mit denen, centurio?"
    hörte er Fullo fragen.
    "Warum folgen die uns nicht?"
    "Die haben Schiss"
    schrie jemand. Ein Lachen ging durch die Reihen.
    "Ruhe..."
    gebot der Erste Speer.
    "Seid wachsam"
    Wenn sie etwas gelernt hatten während ihrer bisherigen Aufeinandertreffen mit den Parthern, dann, dass sie jedesmal für eine böse Überraschung gut waren.
    "Seid wachsam"
    wiederholte Avitus leise. Mehr zu sich selbst, denn zu den anderen.


    ~~~


    Zitat

    Vorne erreichen die ersten Voraustrupps der Legio XII den eilig ausgesuchten Lagerplatz, der durch die Lage am Fluß durchaus geeignet ist, zumindest an einer Seite gut gegen nächtliche Überfälle geschützt zu sein. Ein großer Teil der Truppen bleibt kampfbereit, während der Rest ein Lager errichtet und es bis weit in die Abenddämmerung hinein massiv zu schützen versucht


    Die Dämmerung war nicht mehr fern.
    "Da, sie ziehen ab"
    Tatsächlich. Die Parther blieben zurück, verfolgten sie nicht weiter. Es hatte nicht lange gedauert, dann waren die Panzerreiter ausser Sicht, verschwunden in einer aufgewirbelten Staubwolke.
    "In Gefechtsbereitschaft bleiben"
    befahl Avitus. Man konnte nie wissen.


    ~~~


    Es dämmerte bereits und der Lagerbau war in vollem Gange, als die letzten Kohorten, darunter die Erste, aufrückte.
    "Befehl an die cohors... Verletzte sollen behandelt werden. Wer einsatzfähig ist, beteiligt sich am Lagerbau"
    sagte er.
    "Und noch was... gut gemacht"
    fügte er an. Die Kohorte hatte sich wieder im Kampf bewährt, verdiente den Lob. Avitus wandte sich an seinen
    OPTIO.
    "Stelle fest, ob und wenn ja wie viele und was für Verluste die centuria heute hinnehmen musste"
    sagte er.
    "Der tesserarius soll die Wachen einteilen. Lass die Tiere versorgen. Nachdem Lagerbau sollen die milites essen..."
    Die Befehlskette wurde fotgesetzt. Routine. Wie jeden Abend.


    Zitat

    Die Nacht bleibt ruhig und von einem parthischen Heer ist auch am Morgen danach nichts zu sehen. So plötzlich, wie es aus dem Nichts aufgetaucht war, scheint es auch wieder verschwunden zu sein, in dieser unübersichtlichen Hügellandschaft

    Avitus - mit einem Pilleus auf dem Kopf und ausnahmsweise mal nicht in seine mit dünnem Purpurstreifen versehene, sondern eine einfache Soldatentunika gekleidet - speiste gerade mit einigen Muliones und Stratores, den Maultier- und Pferdeknechten der Centuria, sowie den sonstigen, rangniederen Nichtkombattanten. Eigentlich mochte er dieses Fest nicht. Leute von niederem Stand bildeten sich alles mögliche ein und Leute von Rang und Namen vergaßen und betranken sich zuweilen bis zur Besinnungslosigkeit. Aber Tradition war nunmal Tradition.


    Es gab Brot zu Essen, irgendwelche gebratenen Vögel, von denen Avitus hoffte, dass es Hühnchen waren - dies aber stark bezweifelte - dazu etwas Obst, Gemüse und Wein, dass er bei den Händlern, die den Truppen wie ein Schatten folgten, erworben hatte. Keine großen Variationen, hier draussen konnte man sich derlei nicht leisten, aber das Essen war besser, als sonst.


    Ein Mann trat hinzu.
    "Salve, primipilus"
    sagte er. Avitus erhob sich.
    "Salve comilitones. Bona Saturnalia..."
    Er ahnte, um wenn es sich bei den Besuchern handelte. Der Mann erwiederte die Begrüßung nicht wörtlich, nickte nur leicht.
    "Es ist so weit, primipilus. Du wirst erwartet"
    Avitus blickte zu den Speisenden.
    "Lasst euch nicht stören"
    sagte er. Dann wandte er sich an den Ankömmling.
    "Na dann los"
    sagte er, warf sich das Sagum über und folgte dem Mann nach draussen.

    Fest umklammerten die Finger des Artoriers das Pilum, das er in seiner rechten Hand trug. Die Knöcheln seiner Hand, weiß vor Anstrengung, jedoch mit Staub und Ruß beschmutzt, stachen deutlich hervor, während er einen parthischen Reiter anvisierte. Das Pilum zu werfen war nicht einfach, schon gar nicht gezielt. Viel zu groß und zu schwer war diese Waffe und um Präzision ging es normalerweise auch gar nicht. In Salve geworfen, schlugen sie vernichtend und wahllos auf die Feinde ein. Aber hier ging es nicht. Er konnte keine Salven befehlen, um diejenigen zu töten, die zu retten er hergeschickt wurde. Hier waren sie, um die geschlagene und demoralisierte Decima zu retten. Oder das, was von ihr noch übrig war. Vor ihren Augen lag eine ganze Legion, geschlagen, vernichtet. Und der Feind, der nicht aufhörte, sie zu demütigen, indem er nicht nachließ, sondern erbarmungslos auf sie einschlug, einstach und noch den letzten Mann dieser einst tapferen Truppe auslöschen wollte. Und der parthische Reiter, gepanzert und unheimlich, das Gesicht hinter einer Maske aus metallenen Schuppen, mit einem dunnen Visier, aus dem seine haßerfüllten Augen jenen Miles anblickten, den seine Lanze in eben diesem Moment durchbohrte. Das Schreien des Verwundeten, das Klirren des Metalls und der Triumphgeschrei des Parthers gingen im allgemeinen Chaos der Geräuschkulisse unter. Avitus hob den Arm, konzentrierte sich. In diesem Moment gab es nichts, ausser ihm, den Jäger und seiner Beute. Nur das zählte. Er hatte es oft genug geübt. Damals, in Italia, auf dem Campus. Er holte aus und schickte das Pilum mit einer starken Wucht, blutgierig und brutal, auf seinen Weg, dem Parther entgegen. Kalt und scharf war die Klinge des Speers, schnitt die warme parthische Luft und traf den Parther in den Oberkörper, bohrte sich unbarmherzig durch seine Rüstung, seine Kleider, seine Haut und sein Fleisch, riss die Wunde auf und ließ den Parther in seinem Sattel zusammensacken, langsam seitlich vom Pferd fallen... Avitus blickte zurück.
    "Pilum..."
    verlangte er.
    "Milites.... pila nach eigenem Ermessen einsetzen... schlachtet sie"
    Ein weiterer Wurf, ein weiterer Parther, der schwer verwundet zu Boden glitt, der die kalte Wut und römische Klingen kennengelernt hatte. Blieben bloß noch einige tausend...

    Avitus hatte seiner Centuria nicht befohlen, sich ihrer Pila zu entledigen und auch nicht mitbekommen, dass die zweite ihre nicht mehr trug. Er würde die Dinger schleudern oder sie als Lanzen benutzen, wenn es sein musste, aber er würde diese verfluchten... Den Gedanken konnte er nicht zu Ende führen, denn dann sah er, was ihnen bevorstand und wurde Gewahr, um wieviele Panzerreiter es sich handelte, gegen die die Prima wieder ins Gefecht zog. Für einen Moment hatte Avitus einen Kloß im Hals, ihm wurde irgendwie kalt und er hatte das dringende Bedürfnis, den sehnlichen Wunsch, in einem kühlen römischen Badehaus zu sein. Oder sonst wo auf der Welt. Überall, bloß nicht hier.
    "Oh scheiße..."
    entfuhr es ihm leise und im gleichen Moment bereute er es, riss sich zusammen, tadelte sich. Eben noch dachte er, dass der Anblick des Adlers etwas war, wofürer bereit war, sein Leben zu geben, im nächsten Moment hatte er die Hosen voll... Nein, er nicht. Er war kein verdammter Feigling. Er führte die erste Kohorte in den Kampf gegen einen Feind, den er schon einmal bezwungen hatte.
    "Also milites..."
    brüllte er, wohlwissend, dass seine Stimme nur die ihm am nächsten stehenden Milites erreichen würde
    "... die haben mich schon bei unserer letzten Begegnung vor Edessa nicht sonderlich beeindruckt"
    was natürlich glatt gelogen war, aber das musste ja keiner wissen. Beeindruckt hatten sie ihn. Aber die Furcht, die hatte er verloren. Sie näherten sich, jeden Moment konnte der sein, in dem sie Feindberührung hatten und die verbleibenden Augenblicke nutzte der Artorier, an die Milites einige Worte zu richten.
    "Bleibt in Formation. Beweist denselben Mut und denselben heldenhaften Kampfgeist wie bei Edessa..."
    beim Erwähnen von 'Edessa' gab es ein zustimmendes Raunen zu hören, das durch die Reihen der ersten Centuria ging.
    "Zeigen wir ihnen, wer wir sind. Und macht keine Gefangenen"
    Scheiß auf Gefangene. Nach dem, was diese Bastarde der Decima eben angetan haben, hieß es nun 'Fressen oder Gefressenwerden'...