Beiträge von Lucius Artorius Avitus

    Avitus warf einen Blick auf die Liste. Natürlich war ihm nict entgangen, was Decius im Hinblick auf die Moral der Männer gesagt hatte.
    "Die Männer sollen sich gedulden..."
    sagte er. Einerseits konnte Avitus es Valerian nicht verübeln, dass er der Garde wohl offenbar nur wenig Beachtung geschenkt hatte. Andererseits wusste er, dass man mit der Garde, wie mit dem Feuer, nicht spielte und dass sich Praetorianer nicht lange in Geduld üben konnten.
    "Was die Barracken angeht... walte deines Amtes. Ich muss mich hier auf euch centuriones, auf eure Selbstständigkeit verlassen können. Fühlt euch nicht gezwungen, bei solchen, wie soll ich sagen, regelmäßig auftauchenden Notwendigkeiten gezwungen, auf eine Genehmigung oder ähnliches zu warten. Bringt die Gebäude auf Vordermann, erstattet Bericht und gut ist"


    Er legte die Tafel zu den anderen vier, die ihm bereits vorlagen. Eine stand noch aus, aber der Centurio würde wohl bald aufkreuzen. Anschließend konnte er einen Bericht bei Crassus erstatten, auf den dieser schon so lange wartete.
    "Gut"
    63 Mann einsatzbereit zu haben, war eine normale, wenn nicht gar eine gute Quote. Oft genug mussten sich Centurionen mit kaum mehr als der Hälfte ihrer Soldaten begnügen.
    "Also dann, Caecilius. Schieß los. Wer hat sich in deinen Augen verdient gemacht?"

    Sim-Off:

    hab mich irgendwie vom Wiki-Beitrag verwirren lassen :hmm:; naja, macht nüschts


    Avitus, die Klinge immer noch in der Hand, wartete ab, bis der Victimarius den Strier mit einem präzisen, kräftigen Schlag betäubte. Er trat an den Stier heran, legte ihm die Klinge an den Hals. Seine Finger umklammerten fest den Griff und er konzentrierte sich. Jetzt durfte nichts schief gehen. Nicht, dass ein Schnitt mit einer Klinge etwas war, was dem Artorier, einem gewesenen Legionär, fremd wäre, aber es war dennoch etwas anderes, als das Stechen mit dem Gladius.


    Plötzlich führte er die Klinge am Hals des Stiers entlang. Im gleichen Moment floß das Blut. Reichlich Blut...

    "Das trifft sich gut"
    sagte Avitus nickend und pflichtete Mattiacus dann bei, was den Inhalt anging.
    "Gewiss. Zumal der procurator ja bereits jetzt de facto dieselben Befugnisse hat. Es sind also, so könnte man sagen, nur Formalia, um die es geht. Der Entwurf ist daher keine schwierige, eher eine lästige Angelegenheit. Aber einer muss ihn ja machen. Oder zwei, in diesem Falle"
    sagte er grinsend. Damit war diese Angelegenheit dann auch schon erledigt und er schwenkte auf ein anderes Thema um.
    "Übrigens... Ich habe die Überführung des Parthers in die Wege geleitet. Er wird bald in Rom sein"

    "So denn, nimm bitte Platz. Auch, wenn es nicht lange dauern dürfte"
    Avitus deutete auf die bereitgestellten Sessel, die neben einem gedeckten Tisch standen. Wein, Wasser, Obst, Gemüse. Leichte Sachen eben für zwischendurch.
    "Bedien dich ruhig. Ich war, wie im Schreiben erwähnt, beim Kaiser und seine Antwort war..."
    Avitus versuchte sich an den genauen Wortlaut zu erinnern.
    "'Legt einen verbesserten Entwurf vor' oder so ähnlich. Du beabsichtigst jedoch, Rom in absehbarer Zeit zu verlassen. Angesichts der Tatsache, dass diese Regelungen dein derzeitiges Amt betreffen, nahm ich an, dass du an der Formulierung einer Neufassung unbedingt beteiligt sein magst. Wie also soll verfahren werden? Einen bestimmten Termin gibt es nicht und dringend ist die Sache offensichtlich auch nicht, da man bisher ja auch zurchtgekommen ist. Es wäre also durchaus möglich, dass wir mit dieser Aufgabe warten, bis du und Meridius zurück seid"

    Avitus überlegte kurz. Dieser Aspekt war etwas, dem er bisher wenig bis gar keine Beachtung bei seiner Vorbereitung geschenkt hatte, so dass er das tun musste, wofür die Römer so berühmt waren. Er improvisierte.
    "Zugegeben, ich bin etwas überrascht..."
    kalt erwischt, wollte er damit sagen
    "... dass du den Schwerpunkt auf dieses im Rahmen meiner Nachforschungen über die Primigenia von den 'Quellen' nur mäßig beleuchtete Kapitel legst. Doch mal sehen..."
    Er räusperte sich.
    "Ha-hmm... bekanntermaßen war Mogontiacum ursprünglich eine reines Militärlager, angelegt als Ausgangsbasis für Operationen jenseits des Rheins. Mit wachsender Bedeutung Mogontiacums, immerhin zu einer römischen Stadt gewachsen und zum Sitz des Statthalters erkoren, ging natürlich eine rege Bautätigkeit der vor Ort stationierten Legionen einher. Sprich, der von dir erwähnte Ausbau des Lagers, aber auch der Bau von Aquädukten und Wassersammelbecken zum Beispiel, ohne die ein Funktionieren einer römischen Stadt undenkbar ist und bei denen bekanntermaßen Ziegelsteine als Grundbausteine eingessetzt werden, dürfte darunter fallen"
    Avitus überlegte. Weitere Beispiele unterließ er, um nicht Gefahr zu laufen, sich ungesichert zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Als Lucullus sich jedoch bedankte, nickte er freundlich zu.
    "Gern geschehen"

    Informiert, dass Decimus Mattiacus im Atrium war, ließ Avitus ihn nicht lange warten. In eine frische, leicht bläulich schimmernde Tunika, die ihm in etwa bis zu den Knien reichte, gekleidet, natürlich mit dem Cingulum Militare um den Bauch, trat er ins Atrium.
    "Salve, Decimus"
    er streckte dem Besucher die Hand zum Gruß entgegen.
    "Wie ich sehe, hast du meine Nachricht erhalten"

    Ein von Avitus nicht handschriftlich geschriebener, sondern diktierter und lediglich signierter Brief (was die schreckliche Handschrift und schwere Lesbarkeit dessen erklärte) wurde von einem Boten gebracht...


    An den
    Procurator a cognitionibus
    Marcus Decimus Mattiacus


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    LVCIVS ARTORIVS AVITVS GRVESST DEN EHRENWERTEN PROCVRATOR A COGNITIONIBVS DECIMVS MATTIACVS


    BEZVG NEHMEND AVF VNSER GESPRAECH HINSICHTLICH DER KORREKTVR DER PASSAGEN DES COD.IVR. MOECHTE ICH DICH WISSEN LASSEN DASS DER IMPERATOR VNS AVFTRVG EINEN ENTWVRF VORZVLEGEN. ANGESICHTS DER TATSACHE DASS DV ROM FVER EINE VNBEKANNTE ZEIT VERLAESST WAERE ICH DIR DANKBAR WENN DV MICH IN DER DOMVS ARTORIA AVFSVCHEN WUERDEST AVF DASS WIR IN ALLER GEBOTENEN KVERZE KLAEREN KOENNEN WIE IN DIESER ANGELEGENHEIT WEITER VERFAHREN WERDEN SOLL.


    VALE


    Lucius Artorius Avitus
    [Blockierte Grafik: http://img129.imageshack.us/img129/5084/artoriasiegelhj8.png]


    ANTE DIEM VIII ID SEP DCCCLVIII A.U.C.

    Was sollte er sagen.
    "Das war er"
    sagte er. Und in diesem Moment wurde ihm wieder mal bewusst, wie wenig sie ihn kannte. Und wie wenig er sie kannte. Der Scharfsinn seiner Frau entging ihm nicht, als sie erkannte, was Meridius und Mattiacus wohl vorhatten. Oder wusste sie es bereits? Avitus wusste nicht, wie gut der Kontakt zwischen Calvia und den hier ansässigen Decimer war.
    "Das hoffe ich auch"
    pflichtete er ihr bei, wenngleich er, wie seine Frau, wenig Hoffnung hatte.


    In diesem Moment erschien ein Sklave und überbrachte Avitus ein Schreiben. Oder besser gesagt zwei Schreiben. Beim ersten handelte es sich um eine Mitteilung, beim zweiten um eine Einladung zu einer Hochzeit. Beide stammen von Aristides, der offenbar im Begriff war, eine Claudia zur Frau zu nehmen.
    "Sieh an... das wird dich freuen"
    sagte er und blickte zu Calvia.
    "Wir sind zu einer Hochzeit eingeladen"

    Avitus nickte dem Zuhörer, der verspätet erschienen war und sich nun erdreistete :D als erster zu fragen, zu, zum Zeichen, dass er bereit war, sich anzuhören, was den Mann interessierte. Während ihm die Fragen gestellt wurden, machte sich Avitus zwei Stichpunkte als Notiz, damit er die Fragen nicht vergaß.
    "Zu der Zeit, als sie mit der legio IV Macedonica in einem Lager bei Mogontiacum lag, muss sie viele Ziegelsteige hergestellt haben, denn vielfach findet sich vor Ort auf den Ziegeln der Bauwerke der Stempel der Legion"
    antwortete Avitus.
    "An welchen Bauwerken allerdings die legio selbst, also unter persönlichem Einsatz ihrer Soldaten mitgewirkt hat, vermag ich heute nicht zu sagen. Die Tatsache, dass die Suche nach bestimmten Bauwerken, durch die Legion errichtet, sich als schwierig erweist, lässt den Schluß zu, dass kaum etwas anderes oder größeres oder bedeutenderes gebaut wurde, was eine legio sonst errichtet, wenn sie dauerhaft irgendwo stationiert ist"


    Dann warf er einen Blick auf die eben gemachtn Notizen. Richtig, es ging um die Begegnung mit den Chatten.
    "Um auf deine Frage nach der Begegnung, der ersten Begegnung mit den Chatti zu kommen... dies geschah unter jenem princeps aus dem iulisch-claudischen Hause, dessen Name hier unausgesprochen bleibt [simoff: Caligula] und unter dem Statthalter der Provinz Germania Superior, Servius Sulpicius Galba, der bekanntermaßen im Vierkaiserjahr einer der vier Hauptakteure war, im Jahre 40/41. Die Primigenia war beteiligt an einem Einfall in das Gebiet der Chatten, wobei in etwa zu gleichen Zeit weitere römischen Truppen unter Aulus Gabinius Secundus, dem Statthalter von Germania Inferior, einen Vorstoß gegen die Chauci [simoff: ob Dio von den Chauci spricht oder von den Marsern, kann ich nicht beurteilen, da ich -ein Nicht-Historiker- mich auf im Netz verfügbare Übersetzungen verlassen muss] unternahmen. Sie brachten Rom den letzten noch in den Händen der Germanen befindlichen Adler, einen jener Adler, die in der Varus-Schlacht verlorengingen, zurück"
    Damit war hoffentlich auch klar, dass mehr als die Primigenia teilgenommen hat.
    "Ich hoffe, das beantwortet deine Frage zufriedenstellend"
    fügte er an.

    Avitus nahm wieder Platz.
    "Dessen bin ich mir ganz sicher"
    sagte er. Eigentlich war sich Avitus aber nicht vollkommen sicher und fragte sich, ob er wohl nicht übereilt gehandelt hatte. Doch diese Stimme, die Zweifel in ihm weckte, unterdrückte er. Er hatte alles bedacht. Crassus war reich, war mächtig und so jemanden als Patron zu haben, war der Sinn der ganzen Angelegenheit mit der Klientel. Und ihn als Klient zu haben, einen Praetorianertribun, war auch für Crassus vorteilhaft.


    Während er so in Gedanken war, hatte er von den Tänzen wenig mitbekommen, aber das machte nichts. Als abgeräumt und für den nächsten Gang bereit gemacht wurde, ließ der Artorier seinen Becher nachfüllen und trank einen großen Schluck Wein. Und dann noch einen, während der servierte Fisch - Avitus liebte Meeresfrüchte, Fische und überhaupt alles, was irgendwie aus dem Meer geholt wurde und essbar war - in mundgerechte Happen zerteilt wurde. Besonders kannte er sich nicht aus und konnte nicht sagen, um was es sich da handelte. Aber in diesem Augenblick geschah ohnehin etwas anders, was seine Aufmerksamkeit erforderte. Crassus sprach. Sprach von etwas wie Rom verlassen und von etwas wie, dass er das nicht als Praetorianerpraefekt konnte. Avitus warf einen Blick zum Corvinus, dann auf seinen Teller, dann zum Crassus, dann wieder auf seinen Teller, nahm etwas von dem Fisch, kaute langsam und sah - mit einer seltsamen Mischung aus Freude und Vorsicht und Ungläubigkeit in den Augen - wieder zu Crassus.
    "Ich bin... hm, nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe..."
    Ließ Crassus seinen eben gesagten Worten, dass Avitus seine Entscheidung nicht bereuen würde, so schnell Taten folgen?
    "Du beabsichtigst, als praefectus praetorio zurückzutreten? Ganz ehrlich, aber ich kann mir dich nicht als einen Mann, der sich fortan seinen Autobiographien widmet, vorstellen"
    Crassus war ja kaum älter - oder jünger - als Avitus.

    Nachdem der Camillus auch die Anwesenden rituell gereinigt hatte und der Sacerdos sie zur Ruhe ermahnte, hob Avitus die Arme.
    "Wie es recht ist, Dir, Großer Mavors, Opfer zu bringen, so sei Dir dieser Stier geweiht, auf das mir kein Stein in den Weg gelegt werden vermag, den auszuräumen ich nicht in der Lage bin und auf dass mein Recht auf Rache an den Mördern meines Sohnes durchgesetzt wird"
    So dann setzten die Tibicinae mit der Musik ein. Avitus atmete langsam und tief durch. Nun galt es, sich zu konzentrieren, damit ja nichts schief ging. Nicht, dass ihm das Geld für einen Stier zu schade wäre, aber er selbst würde kein gutes Gefühl dabei haben, alles wiederholen zu müssen.


    Das Tier wurde mit Wein dem Kriegsgott geweiht und die Opferhelfer nahmen ihm den Schmuck ab, legten es beiseite, während Avitus jene Klinge, die ihm Acidinus vorgestern gezeigt hatte, in die Hände nahm und die Spitze der Klinge vom Kopf bis zum Schwanz des Stiers führte. Langsam und ohne, dass der kalte Metall der Klinge das Tier berührte, entkleidete Avitus den Stier symbolisch.


    An dieser Stelle, nun, da das Opfergebet folgen musste, war Avitus soweit, die Hilfe des Sacerdos in Anspruch zu nehmen. Nachdem er die Klinge vom Kopf bis zum Schwanz des Stieres geführt hatte, drehte er sich in Richtung des Altars um und neigte sein Haupt etwas, verharrte so, wie vereinbart, einige Augenblicke. Er traute dem Priester eher zu, das Gebet zu sprechen, als sich selbst und wollte nicht wegen einer falschen Silbe oder falscher Tonlage alles von vorn beginnen lassen.

    Was bisher geschah...


    Fein herausgeputzt, hatte Avitus im Atrium gestanden und auf seine Gattin gewartet. Seine Miene spiegelte Freude vor, aber er wusste, dass er Calvia nichts würde vormachen können. Das war aber auch nicht seine Absicht, denn sie war es, die ihn ermahnte, ihr das ja nicht zu ruinieren. Wobei Avitus beim besten Willen nicht verstand, was er ihr ruinieren sollte und konnte, wenn er behaupten würde, er hätte einfach keine Lust oder er hätte wichtigeres zu tun. Aber aus irgendeinem Grund war es furchtbar wichtig für Calvia, hinzugehen. Frauen. Vermutlich ging es ihr um dieses alberne, überflüssige sehen und gesehen werden. All die Mühen, die Avitus aufbrachte, ihr klar zu machen, dass er weder Flavius besonders gut kennen oder mögen würde, noch sich in der Anwesenheit so vieler Vertreter des patrizischen Standes wohl fühlen konnte, fruchteten nicht und so hatte sich der Artorier letztlich in sein Schicksal ergeben. Wenigstens konnte Avitus eine gewisse Schadenfreude empfinden, da sich der Flavier nun selbst Fesseln anlegen ließ und hoffentlich einmal in einer ähnlichen Lage sein würde und sich von seiner Gattin diktieren lassen würde, ob und wohin sie 'ausgingen'.


    Sie hatten sich durch die Stadt gequält. Calvia ließ sich in einer Sänfte tragen und als sie behauptete, auch Avitus soll in so ein... Ding einsteigen, da drohte er, seine Toga auf der Stelle abzuwerfen und überhaupt nicht hinzugehen. Vor dem Haus hatte eine kleine Schar von Klienten gewartet, die abzuwimmeln Avius nicht konnte oder wollteund so setzte sich eine kleine Prozession in Richtung Aventin in Gang, von Archias angeführt, der wie immer voranging und dafür sorgte, dass ein Durchkommen möglich war. Auf die Eskorte durch seine Leibwache hatte Avitus verzichtet.



    Jetzt...


    Genau das, was er erwartet hatte. Avitus wusste, dass sein Vetter dabei sein würde, doch dass einige bekannte Gesichter aus der Prima anwesend waren, überraschte ihn. Auch einige in Rom wohlbeknnte Gesichter waren da, gewesene Magistrate aus dem flavischen Haus. Offenbar nahm seine Sippe es ihm nicht übel, dass Aristides nah wie vor weit unter seinem Stand, als einfacher Centurio in der Kohorten diente. Doch nun würden bestimmt - so sie Druck ausgeübt haben sollten - nicht nur die Flavier, sondern auch die Claudier darauf bedacht sein, was aus Aristides wurde. Avitus beneidete den Mann nicht um sein Schicksal.


    "Siehst du dort, meine Liebe"
    er wandte sich an Calvia, während sie sich Aristides und Imperiosus näherten.
    "Das ist der bedauernswerte Narr, der aus den Fehlern abertausender Männer vor ihm nicht das Geringste gelernt hat und sein Schiff freiwillig in den Hafen der Ehe steuert, wo es vor Anker liegen wird, angekettet und mit einem zweiten Kapität, einem Kapität aber, der von nun an den Ton angeben wird"
    Das sagte er natürlich so laut genug, so dass Aristides ihn hören konnte. Den Stoß mit dem Ellenbogen in die Rippen, den Calvia ihm versetzte, als er Aristides als Narr bezeichnete, war der Grund, warum er nicht unerwähnt ließ, dass Aristides das Ruder aus der Hand gab. Dass das leichte Grinsen von Avitus nun tatsächlich pure Schadenfreude war, war natürlich übertrieben. Denn ein bißchen freute er sich sogar für den Flavier und war gespannt auf das Erscheinen der Braut.


    Lange mussten er und die anwesenden Gäste dann auch nicht warten und als es so weit war, richtete sich Avitus' Blick auf die Braut, Epicharis, die dort an der Terrasse erschien und verharrte.

    "Jedenfallsl..."
    fuhr Avitus fort
    "... habe ich ihn besucht und erfahren, dass er einen Sohn hinterlässt. Cnaeus Orestes. Orestes, der Ältere, bat mich, mich um den Jungen zu kümmern und ich habe zugestimmt"
    Und bevor gleich ein Aufschrei durchs Haus ging, wie er es wagen könne, einen Jungen zu adoptieren, ohne sich mit ihr abzusprechen, schob Avitus noch schnell nach, dass er den Jungen nicht adoptiert hatte.
    "Ich habe ihn zwar nicht adoptiert, mich aber zu seinem tutor bestellt und werde mich um die Erziehung und Ausbildung kümmern. Im Moment ist er beim Unterricht, aber du dürftest ihn bald kennenlernen. Der Junge wohnt ab jetzt hier"
    Das sagte er entschieden und vermied jeden Anflug von Unsicherheit. Darüber gab es keine Diskussion. Zumindest hoffentlich nicht.


    Das war eigentlich das wichtigste, was er allem anderen voran loswerden wollte. Zumindest war diese Neuigkeit wichtiger, als seiner liebreizenden Gattin zu erzählen, wie Valerian denn so war.
    "Und um auf deine Frage vorhin einzugehen, wie denn Valerian so ist, meine Teure... er scheint nach wie vor nicht ganz bei Kräften zu sein"
    Das war natürlich etwas, was Calvia nur bedingt interessieren musste, aber weder konnte noch wollte Valerian's Äußeres oder seine Charaktereigenschaften in der Art und Weise beschreiben, wie Calvia es hören wollte. Und überhaupt... es gefiel ihm noch nicht einmal, dass sie ausgerechnet ihn danach fragte. Erstens war sie seine! Frau und zweitens... sie würde noch ein Tratschweib aus ihm machen mit solchen Fragen.
    "Aber das wird schon. Ich denke, er ist auf einem guten Weg der Besserung. Übrigens hat er mir aufgetragen, mit deinem Verwandten, Decimus Mattiacus, zusammenzuarbeiten. Das wird aber, denke ich, wohl erst möglich sein, wenn Mattiacus zurückkehrt von der Mission, die er und dein Onkel Meridius vor sich haben"

    Und so begann der Artorier zu berichten.
    "Die legio XXII Primigenia wurde, gemeinsam mit ihrer Schwesterlegion, der legio XV Primigenia, im Jahre DCCXCII A.U.C. [simoff: 39 n.Chr.] aufgestellt und zwar vom princeps aus dem Geschlecht der Iulier, dessen Name hier unausgesprochen bleiben soll [simoff: Caligula]. Vermutlich wurde die legio für einen geplanten Feldzug jenes princeps gegen die Germanenstämme gegründet. Ihr Name -Primigenia- bedeutet die Erstgeborene und geht auf die italische Göttin Fortuna Primigenia zurück, die eine Erscheinungsform der Göttin Fortuna darstellt. Jener princeps reklamierte diese Gottheit als persönliche Schutzgöttin, was die Namensgebung wohl maßgeblich mitbeeinflußt haben dürfte. Die Nummern XXII und XV der beiden Legionen stellen wahrscheinlich einfach eine fortführende Nummerierung der bereits bestehenden Legionen XXI Rapax und XIV Gemina, die die Schwesternlegionen auf dem geplanten, aber aufgegebenen Germanenfeldzug unterstützen und ergänzen sollten.


    Die legio wurde zunächst in einem Doppellager bei Vetera stationiert [simoff: heute Xanten] und zwar zusammen mit der XXI Rapax. Als die jüngere der beiden wird sie wohl den weniger ehrenhaften linken Platz des Lagers bezogen haben müssen. Doch schon ein Jahr später nach ihrer Gründung [simoff: 40/41 oder 43; die "Quellen" sind da uneinheitlich] wurde die legio ins Lager bei Moggontiacum verlegt, zusammen mit der legio IV Macedonica. Auch hier musste sie als die jüngere der beiden Legionen den weniger ehrenhaften linken Platz des Lagers akzeptieren. Die Hauptaufgaben der Primigenia in Mogontiacum waren die der Grenzsicherung, jedoch zeigte sie auch eine rege Bautätigkeit. Ihre ersten Kampferfahrungen sammelte sie gegen den Germanenstamm der Chatten.


    In den Wirren des sog. Vierkaiserjahres nach dem Untergang des letzten Kaisers der iulisch-claudischen Dynastie [simoff: nach dem Tod Neros] unterstützte die legio nach anfänglicher Zurückhaltung auf Betreiben des Legaten der IV Macedonica, Aulus Caecina Alienus, wie die restliche sog. Rheinarmee den angehenden princeps Vitellius. Befehligt wurde sie zu dieser Zeit von Gaius Dillius Vocula, einem Mann, der in der Gunst von Seneca, einem Erzieher des letzten Kaisers der julisch-claudischen Dynastie [simoff: Nero]. Ihr Adler wurde - neben denen anderer Legionen der Rheinarmee - nach Rom getragen, als die gegen die Legionen Otho's siegreiche Rheinarmee in Rom einzog. Auch kämpfte sie in der zweiten Schlacht von Bedriacum auf dem linken Flügen der Schlachtordnung. Bekanntermaßen unterlag die Rheinarmee den Truppen des Kaisers Vespasian.


    Ein Expeditionsheer, bestehend aus Abordnungen der V Alaudae und XV Primigenia wurde derweil in Germania von den aufständischen Batavern besiegt und die beiden Legionen kurze Zeit später belagert [simoff: bei Xanten]. Die XXII Primigenia, befehligt von Gaius Dillius Vocula, wurde entsandt, um Unterstützung zu leisten, zusammen mit der I Germanica und der XVI Gallica. Sie waren jedoch nicht in der Lage, sowohl Germania Inferior als auch Germania Superior effektiv zu schützen, so dass die beiden eingeschlossenen Legionen kapitulieren mussten und massakriert wurden. Auch die I Germanica und die XVI Gallica kapitulierten später, so dass die XXII Primigenia, die die einzige Legion war, die den Angriffen der Bataver bis dahin standhalten konnte, obwohl sie nicht verhindern konnte, dass Mogontiacum von den Batavern erobert werden konnte. Erst weitere Entsatztruppen des mittlerweile neuen princeps Vespasian konnten unter dem Befehl des Quintus Petillius Cerealis die Vernichtung der eingeschlossenen und belagerten, jedoch standhaften Legion abwenden und diesem ehrenhaften Verhalten verdankt sie [simoff: womöglich], dass sie nicht wie andere Legionen der Rheoinarmee aufgelöst wurde. Die Primigenia wurde anschließend im Rahmen der Umstruckturierung der Rheinlegionen nach Colonia Ulpia Traiana [simoff: Xanten] verlegt, wo sie [simoff: vermutlich] das zerstörte Lager Vetera aufbaute.


    Zwanzig Jahre später [simoff: 89 n. Chr.] revoltierte der Statthalter von Germania Superior, Lucius Antonius Saturnius, gegen jenen flavischen princeps, dessen Name unerwähnt bleiben soll [simoff: Domitian]. An der Seite der I Minervina, X Gemina und der VI Victrix zog die Primigenia gegen die Aufständischen. Im Verband mit den anderen Legionen besiegte sie die rebellierenden Truppen und bekam - wie jede andere Legion, die daran teilnahm - den Titel pia fidelis Domitiana [simoff: Pflichttreue, dem Domitian Ergebene]. Nach der Ermordung des letzten flavischen Kaisers [simoff: Domitian] legte die legion den letzten Namen, also das Domitiana, wieder ab. Zu diesem Zeitpunkt kehrte die Legion nach Mogontiacum zurück"


    Avitus nahm einen Schluck Wasser, denn die Kehle war nach der Rede doch etwas rocken geworden, und fuhr dann fort, berichtete über die Legion jene Details, die noch einer Erwähnung wert waren...


    Sim-Off:

    Dort verblieb sie für rund anderthalb Jahrhunderte. Unter den Offizieren der Legion finden sich Namen wie Hadrian, Didius Iulianus oder Laelianus. Abordnungen der Legion wurden zuweilen in andere Provinzen und Standorte geschickt. So übernahm eine Abordnung der XXII Primigenia die Garnison von Bonna an Stelle der I Minervina, als diese teinahm am Dakischen Krieg (ob Abordnungen der Primigenia am Feldzug teilnahmen, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen). Auch halfen Soldaten der Primigenia am Bau des Hadrianswalls und des Antoninuswall. Auch an vielen Stellen links des Rheins finden sich zahlreiche Belege für Bautätigkeit der Legion, erkennbar zum Beispiel an den Stempeln auf den Ziegeln.


    Nach dem Tode des Publius Helvius Pertinax, in dem Bürgerkrieg, der als das Zweite Vierkaiserjahr bekannt ist, blieb die Legion zunächst wie alle Einheiten der Rheinarmee inaktiv und nahm nicht teil. Sie kämpfte nicht, als Septimius Severus auf Rom marschierte, gegen seinen Widersacher Pescennius Niger focht oder eine Invasion in Parthien unternahm. Jedoch als Clodius Albinus gegen Septimius Severus rebellierte (oder sich Severus gegen Albinus wandte, je nach dem), entschied sich die Legion für den letzteren und nahm Teil an der Schlacht bei Lugdunum 197, durch die sich Septimius Severus die Alleinherrschaft über das Imperium Romanum sicherte.


    Unter Caracalla nahm die Primigenia (neben VIII Augusta und III Italica) teil am Feldzug gegen die Alamannen 213 n. Chr., wonach ihr der Name Antoniana verliehen wurde. Zwanzig Jahre danach, unter Severus Alexander, nahmen Abordnungen der Primigenia teil an den Feldzügen gegen die Sassaniden, wo sie sich den Namen Alexandriana verdiente. Die geringe römische Präsenz vor Ort nutzten wiederum die Germanen, die Alemanen, aus und fielen ein. 235 starteten die Römer Vergeltungsaktionen und es wird davon ausgegangen, dass die Primigenia an diesen teilgenommen hat.


    Bei den folgenden Konflikten zwischen Gallienus und Postumus (260-268) unterstützte die Legion den erstgenannten und wurde dafür mit dem Titel Pia VI Fidelis VI und Pia VII Fidelis VII ausgezeichnet (was wiederum bedeutet, dass sie in den 164 Jahren zwischen Domitian und Gallienus 4 Mal mit diesen Titel ausgezeichnet worden sein muss; wann und weshalb dies geschah, ist jedoch unbekannt). Außerdem lässt eine Inschrift aus Perinthus an den nördlichen Ufern des Marmara-See (das Meer am Bosporus, das die Ägäis mit dem Schwarzen Meer verbindet bzw. die beiden trennt) den Schluß zu, dass Abordnungen der Primigenia ian den Feldzügen des Gallienus gegen die Visigothen teilnahmen.


    Die Legion bestand fort bis ins vierte Jahrhundert. Nach der Herrschaft des Constantin I (306-337) verliert sich ihr Schicksal im Dunkeln der Vergangenheit...


    "Damit beende ich meinen Vortrag"
    sagte der Artorier und trank erneut etwas Wasser.

    Avitus verließ den Tempel, schritt hinaus ins Tageslicht, wo schon der Stier, welcher dem Kriegsgott geopfert werden sollte, auf sein Schicksal wartete. Das Tier war festlich geschmückt und sah entsprechend ungewöhnlich aus. Vergoldete Hörner zierten das Haupt des Stiers, es hatte eine blutrote Wollbinde um die Stirn gelegt bekommen und auf seinem Rücken hing zu beiden Seiten eine Decke herunter.


    Avitus wartete kurz ab, auf dass die Teilnehmer symbolisch gereinigt und für das Opfer vorbereitet wurden und der Herold den Anwesenden das Schweigen gebot...

    "Ähm..."
    gab Avitus von sich und überlegte, was genau Calvia interessieren könnte und womit er anfangen sollte.
    "Es ist einiges passiert. Ich erhielt vor einer Weile die Nachricht, dass Silius Orestes in Rom sei und..."
    er blickte zu Calvia und merkte, dass diese wahrscheinlich nicht die geringste Vorstellung davon hatte, wer Orestes war. Denn über seine Jugend hatte Avitus nur wenig geredet und so innig war die Beziehung zwischen ihm und Calvia dann doch nicht, dass er ihr jedes Detail seines gelebten Lebens erzählen musste.
    "Orestes war ein sehr guter Freund aus früheren Tagen"
    fügte er daher dazwischen ein und fuhr dann fort.
    "Ich erhielt also Nachricht, dass er hier in Rom sei und im Sterben liege"
    Avitus hielt kurz inne und seufzte. Irgendwie war es verrückt. Da sahen er und Calvia sich lange Zeit nicht, trafen sich nun wieder und hatten Grund zur Freude, Grund zum Lachen und zum intimen Beisammensein - was noch ausstand und worauf Avitus freute und in schwer aufzubringender Geduld übte. Und doch beherrschte der Tod anderer Personen die Unterhaltung. Irgendwie musste er weg davon...

    Das Auditorium füllte sich langsam und auch Avitus, dessen Vortrag heute gehört werden sollte, betrat den Raum. Ohne sich zunächst an die anwesenden Offiziere zu wenden, ging er zu dem Rednerpult, ordnete seine Unterlagen und prüfte noch einmal den Sitz seiner Toga. Anschließend blickte er auf.
    "Ich begrüße die Anwesenden"
    sagte er dann laut, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er machte schwieg kurz, sein Blick glitt über die Zuhörer. Überrascht stellte er fest, dass Flavius Aristides anwesend war und auch Octavius Dragonum, sein ehemals vorgesetzter Tribun bei den Stadtkohorten. Er erkannte Decius und zwei weitere Centurionen aus seiner Kohorte und merkte sich deren Gesichter, damit er die fehlenden später identifizieren und bestrafen konnte,falls sie nicht mit einer wirklich guten Ausrede kommen mochten. Avitus erkannte auch den Flottenpraefekten, der ihm damals in Germania - das musste eine Ewigkeit zurückliegen - einige wertvolle Lektionen im Umgang mit dem Bogen erteilte. Dass man Crassus eingeladen hatte,hatte Avitus erwartet, wünschte sich aber, er hätte tatsächlich wichtigeres zu tun gehabt, denn die Anwesenheit des direkten Vorgesetzten trug nur bedingt zur inneren Ruhe und Gelassenheit bei.
    "Ich bin Lucius Artorius Avitus, diene als tribunus bei den cohortes praetoriae und befehlige die cohors V"
    Er stellte sich recht ausführlich vor, schließlich sollten die Zuhörer wissen, wem sie zuhörten. Avitus sprach möglichst laut und deutlich und bemührte sich, bloß nicht zu schnell zu sprechen. Aelius Callidus war er heute noch für die Lektionen in der Rhetorik dankbar, wenngleich Avitus sie natürlich nicht so intensiv studiert hatte, wie er sollte.
    "Ich bin Student an der academia militaris und werde heute im Rahmen des examen quartum einen Vortrag halten über die legio XXII Primigenia. Im Anschluß besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen, die zu beantworten ich gerne bereit bin"
    Wieder eine kurze Pause, um den Zuhörern Gelegenheit zu geben, eigene Erinnerungen hervorzuholen oder sich auf das Thema zu konzentrieren.


    Sim-Off:

    Kleine Anmerkungen:
    - die Jahresangaben habe ich ins römische mit dem Taschenrechner und Internet umgerechnet. Sollten sie nicht stimmen, gilt die v.Chr./n.Chr.-Angabe, die der römischen Zahl folgt.
    - Verstöße gegen die Damnatio Memoriae sind zuweilen unumgänglich. Ich versuche zwar, sie zu umschiffen, kenne aber nicht alle und es gelingt auch nicht immer. Ich bitte um Nachsicht.
    - der Vortrag ist zweigeteilt, da die Legion Bestand bis in die Zeit hatte, die aus IR-Sicht die Zukunft darstellt. Dieser Teil wird in einem SimOff-Kasten erscheinen.