Beiträge von Lucius Artorius Avitus

    Avitus - Rechtshänder wie er war - legte die Vitis in die linke Hand und packte den kleinen Sklaven am Hals, den Griff fest, aber nicht stark genug, um dem Mann die Luft zu rauben. Mit einem Blick, in dem Verachtung und Amüsement um den ersten Rang miteinander rangen, musterte er den kleinen Schreihals einige Augenblicke lang, hatte dieser vollkommene Depp doch die Freude seiner Ankunft zu schmälern gewagt und ihn vor seinen Kameraden wie einen Vollidioten aussehen lassen. Beherrscht sprach Avitus ihm ins Gesicht, ein kaltblütiges Lächeln aufgesetzt, das einer seltsam schaurigen Maske glich.


    "Ich bin Lucius Artorius Avitus. Tu mir doch bitte den Gefallen, und hör auf, durch dein unnötiges und hysterisches Geschrei die Aufmerksamkeit unserer werten Nachbarn auf sich zu ziehen. Ausserdem..."
    sagte er kühl und lockerte den Griff
    "... was sollen die Gäste denken. Die halten uns doch glatt für Räuber, die gekommen sind, sie auszurauben oder gar noch Schlimmeres"
    Dieser Sklave musste eine Neuanschaffung sein und er mißfiel dem Artorier irgendwie. Um das Ganze Dilemma zu überspielen, drehte er sich zu seinen Freunden um.
    "So viel zum Thema 'herzlicher Empfang nach Abwesenheit beim Heer', nicht wahr?"
    sagte er lächelnd und drehte sich wieder zum Sklaven um.
    "Und nun, rasch, eile hin und melde mich und meine Begleiter an..."
    er beugte sich etwas vor und fletschte die Zähne, seine Stimme bedrohlich senkend
    "... oder ich lasse dich deine eigenen Trauben fressen"

    "Hab Dank"
    gab Avitus zurück.
    "Verrate mir doch bitte gleich den Weg zum Arbeitsraum, wo ich ungestört diese Unterlagen bearbeiten kann, so die Akademie welche bietet"
    fragte er, die Unterlagen in Empfang nehmend.

    Mit der linken Hand die Falten des Palliums vor der Brust haltend, entdeckte Avitus den herannahenden Primipilus und schritt diesem demonstrativ langsam entgegen.
    "Salve, Primus Pilus"
    begrüßte er ihn laut, was manchen Blick auf ihn und Plautius zog.
    "Es freut mich, dass du erscheinst. Die Toga ist vermutlich zu viel des Guten, dies hier soll eine Feier sein, aber zur Not lass dir von den Sklaven beim Ablegen helfen"
    sagte er, den Fackelträger völlig ignorierend. Es war ohnehin klar, dass dieser den Seiteneingang würde nehmen müssen, um unauffällig in den hinteren Räumen der Casa auf seinen Herrn zu warten.
    "Wir warten noch auf Iulius und die anderen, dann gehen wir alle gemeinsam rein, wenn es dir genehm ist"

    In eine frische, weiße Tunika und ein rotes Pallium gekleidet, der so drappiert war, dass er die rechte Schulter frei ließ und die er auf den Märkten erworben hatte, stand Avitus auf der Strasse neben der Casa seiner Familie. Das Cingulum militare, der breite Offiziersgürtel, war zwar dadurch verdeckt, aber die Vitis in seiner rechte Hand, die Caligae an seinen Füßen und seine Haltung verrieten seine Angehörigkeit zum Militär. Wie immer, wenn er in Rom unterwegs war, hatte Avitus eine Waffe unter den Falten seiner Kleider versteckt. Zwar liebte er die Stadt und wusste um das Waffenverbot innerhalb Roms heiliger Grenzen, aber der gesunde Menschenverstand gebot es dennoch, sich nicht nur auf die Frömmigkeit und Gesetzestreue der Bewohner zu verlassen.


    Es war viel Zeit vergangen, seit er Rom verließ und so war es ein seltsames Gefühl, vor dem Eingang zu seinem Heim zu stehen. Doch eintreten wollte Avitus nicht eher, bis die 'anderen' erschienen waren. Er fragte sich zwar, was für einen Eindruck das auf die Gäste der Feier machen würde, wenn so viele Soldaten auf einmal reinplatzten. Bei diesem Gedanken musste er fast schmunzeln, beherrschte sich jedoch.


    Avitus freute sich auf das Wiedersehen mit seinen Angehörigen. Vermutlich war auch der bereits mehrfach in Briefen genannte Artorius Corvinus samt seiner Gattin zugegen sein, so dass sich Gelegenheit bot, sie persönlich kennen zu lernen. Er musste, seiner Kenntnis nach, ein entfernter Verwandter von ihm sein, vermutlich ein entfernter Vetter oder Onkel. Auch auf ein Wiedersehen mit Medeia freute er sich, sowie mit seinem Cousin Imperiosus. Es gab viel zu erzählen, aber das müsste bis nach der Feier warten. Er war gespannt, wer alles zu den Feierlichkeiten, von denen ihm Medeia berichtet hatte, erschienen war und merkte plötzlich, wie Ungeduld an ihm nagte.


    Avitus schaute sich um, um zu sehen, ob bereits jemand von den Legionären auftauchte. Noch schien dies nicht der Fall zu sein. Menschen gingen an ihm vorbei, den Pflichten ihres Alltags nachkommend. Manche schauten ihn an, manche freundlich, andere mit einem Mißtrauen im Gesicht. Manche ignorierten ihn. Doch einer fiel ihm auf. keiner wagte es, ihn anzurempeln, um sich den Weg frei zu machen. Er musste lächeln und sah die Vitis an. Von diesem Rebstock ging, könnte man meinen, eine Art Zauber aus.


    Er schaute sich nochmal um, ob nicht doch schon jemand kam und hoffte, die Wegbeschreibung, die er den anderen gegeben hatte, würde ausreichend sein, dass sie hierher fanden...

    "Männer. Ihr seid 'tot'. Und eure Nächsten dürfen um euch trauern, so denn ihr welche habt..."
    sagte Avitus und ein grollender Unterton war in seiner Stimme nicht zu überhören.
    "Und warum? Weil ihr Lahmärsche viel zu langsam seid. Machen wir also weiter, bis ihr es gelernt habt"
    fuhr er fort. Er dachte nicht daran, diesen Grünschnabeln gegenüber zu erwähnen, dass sie in Wirklichkeit beinahe schnell genug waren.
    "Ad dextram... Pergite..." ~ Rechts um... Marsch
    Er ließ die Männer einige Schritt laufen, ehe er den Befehl gab.
    "Ad aciem" ~ Zur Linie
    Kaum, dass die Männer standen, folgten die nächsten Befehle, von der harten, donnernden Kasernenhofstimme getragen.
    "Ad sinistram... Pergite... Ad aciem... Ad dextram... Pergite... Ad aciem..."
    setzte sich die Befehlskette fort, ließ den Männern keine Zeit zum Verschnaufen.

    Es war ein herrliches Gefühl, wieder mal in diesem Wirrwarr aus Gassen und den Insulae, den schier unzähligen Tempeln und Tabernae zu sein. Doch viel Zeit für Müßiggang blieb nicht. Avitus' Weg führte ihn direkt zur Militärakademie. In seine rote Soldatentunika gekleidet, welche von dem breiten Cingulum geschmückt war, betrat er die Hallen dieser ehrwürdigen Einrichtung.
    Das Officium fand er recht schnell und blieb einen Moment davor stehen. Er richtete seine Kleidung, damit sie halbwegs ordentlich saß und begehrte durch festes und lautes Hämmern mit der Vitis an die Tür Einlaß.

    Mit wütendem Blick sah Avitus zu Aristides.
    "Du vergisst dich, Optio..."
    sagte er leise und zähneknirschend
    "... ich werde es nicht dulden, dass Männer der Hispana eine solche Disziplinlosigkeit an den Tag legen und ihre Weltansichten in einer formellen Besprechung austragen, zumal sie sich ihres Wertes und Könnens als Soldaten Roms..."
    die letzten beiden Wörter sprach er betont aus und schaute zu dem anderen Optio
    "... bewusst sind. Setz dich..."
    sagte er dann, wieder an Aristides gewandt und schaute dann wieder nach vorn.

    Avitus freute sich auf seine ersten freien Tage... und vor allem auf Rom, als er durch die Porta ritt und Plautius und die anderen begleitete. Nach außen hin kühl und gelassen, brodelte es in seinem Innern, denn die Vorfreude des Artoriers auf ein Wiedersehen mit den Seinen und mit der Stadt war immens. Es gab viel zu erledigen, aber nahm sich dennoch vor, mindestens einen Nachmittag nichts zu tun und einfach auf einer Bank zu sitzen und dem allgemeinen Treiben zuzuschauen...
    "Rom... wir kommen"
    murmelte er, als sie das Tor passiert hatten.

    Avitus hob den Becher mit und nickte. Dann trank er den becher in wenigen großen Zügen aus und stellte ihn krachend auf dem tisch ab. Germania hat da wohl abgefärbt, dass er dieses Verhalten an den tag legte.
    "Ein Neuanfang... tja, zumindest für uns, wie es hier so schön heißt, 'Neuen' ist es einer"
    sagte er mit einem nicht unverkennbaren Unterton einer gewissen Bitterkeit, wobei er beim Wort 'Neuen' kopfschüttelte.
    "Sag mal, Macro. Wie ist die Stimmung unter den Soldaten so. Was halten die davon, dass Offiziere aus Germania kamen und sich hier quasi breit gemacht haben"

    "Na, wie auch immer"
    sagte Avitus. Wie die meisten Soldaten war er den Praetorianern gegenüber eher negativ eingestellt, solange er nicht dazu gehörte. Derweil kam die Sklavin mit dem Wein zurück und reichte ihm den Becher. Avitus nahm diesen wortlos entgegen, die vorhin extra eingesteckte Extra-Münze war Dank genug, ausserdem pflegte er sich bei Sklaven nicht zu bedanken.
    "Mela, gab es einen besonderen Grund, dass du uns alle eingeladen hast?"
    fragte Avutus.
    "Wenn ja, dann sag einen Trinkspruch, bei den Furien"

    Avitus lachte auf.
    "Du klaust mir meine Worte"
    sagte er und wandte sich an eine hübsche Sklavin, die in der Taberna servierten.
    "Bring mir doch mal einen Becher eures Tropfens, meine Hübsche"
    er steckte ihr unbemerkt eine Münze ein. Dann drehte er sich zu Macro um. Irgendwie kam ihm der Soldat bekannt vor, aber es war schwierig, nach so kurzer Zeit und so vielen Gesichtern, diese einzuordnen. Vielleicht kannte er ihn vom Exerzierplatz her
    "Und wer bist du, Soldat?"
    fragte er.

    Avitus ritt voller Montur, einzig der helm fehlte, gemächlich durch die Strassen, auf der Suche nach der Taberna, in die er von Mela eingeladen wurde. Auf einige Nachfragen hin erklärteman ihm den Weg. Vor der Taberna tummelten sich einige Milites, die offenbar dienstfrei hatten. Avitus sprang vom Pferd ab, warf den Männern einen strengen Blick zu und trat hinein.


    Drinnen entdeckte zwischen mehreren ihm noch unbekannten Milites Mela und Numerianuns schnell und setzte sich dazu.
    "Salve, Männer"
    sagte er knapp, schnallte den Gladius ab und legte ihn auf den Tisch.
    "Also? Gibt hier einer aus oder wie ist es?"
    sagte er gutgelaunt und der vorbeigehenden Schankmaid in den Hintern kneifend.

    Avitus lauschte Plautius zu, als dieser sprach. In der Tat war es undenkbar, Senatorinen oder amtierenden Magistratinen, geschweige denn Verwandten und sonstigen Angehörigen des Legatus alleine deswegen den Zugang zu verwehren, weil sie weiblich waren. Doch Avitus blieb ruhig und gelassen. Es war in Germania unter Livianus anders gehandhabt worden und er glaubte kaum, dass sich der Legatus von dem Tribun Vorschriften machen ließ, wie man mit Frauen umzugehen hatte, zumal er den Verdacht hatte, dass hinter dieser Anordnung keine militärischen, sondern gesellschaftlichen, diese lächerlichen patrizischen Ansichten, standen und hier offenbar der alte Konflikt zwischen Patriziern und Plebejern aufzuflammen drohte.

    "Ach ja..."
    Avitus klatschte sich beinah mit der Hand auf die Stirn.
    "Dein Stellvertreter, Petronius Mela, ist natürlich ebenfalls eingeladen"
    sagte Avitus, auch wenn er irgendwie unsicher bei diesem Mann war. So lange in Rom zu verschwinden, dann aufzutauchen und den Dienst aufzunehmen, als sei er nie weg gewesen... der Mann war bestimmt ein Speculator der Praetorianer, diesen Verdacht konnte Avitus irgendwie nicht abschütteln.