Also doch eine Einladung. Wobei sie nach wie vor irgendwas geheimnisvolles an sich hatte. Oder bildete Avitus sich das nur ein? Konnte es dieses typische Mißtrauen sein, das den Praetorianern nachgesagt wird - und noch nicht einmal zu Unrecht nachgesagt wird? Er durfte also gespannt sein.
"Am XIV. Tage vor den Kalenden des September"
wiederholte Avitus so, als würde er einen militärischen Befehl wiederholen. Eine alte Angewohnheit.
Dann wurde wieder umgeschwenkt auf die Person des Princeps Praetorii.
"Prudentius Balbus..."
sagte Avitus langsam, um einige Sekunden Zeit zu schinden, in denen er schonmal überlegte, was er über den Princeps sagen konnte.
"Um ehrlich zu sein, ist er mir in gewisser Hinsicht ein Rätsel. Einen ehemaligen Alenpraefekt erwartet man nicht unbedingt als Logistikchef in den Reihen der Garde zu finden. Denn immerhin ist es die Arbeit eines gemeinen Mannes, nicht die eines eques. Dies spricht meiner Meinung nach dafür, dass er diese Arbeit und die Garde entweder über alles liebt, oder..."
und das 'oder' war, wie immer, wenn man es so formulierte, das, was man eher vermutete
"... dass er nicht das nötige Standesbewusstsein hat, das man vom Sohn eines Konsuls erwarten dürfte. Vielleicht auch beides. Ich jedenfalls kann nicht verstehen, warum er nicht ein Tribunat innehat oder vergleichbares"
Denn dass Balbus irgendwo in Ungnade gefallen sein konnte, war auszuschließen, da er dann gewiss nicht bei der Garde wäre. Avitus machte eine kurze Pause.
"Mir gegenüber ist er sehr hilfreich gewesen am Tage meiner Ankunft. Alles Nötige wurde erwähnt, alles Überflüssige weggelassen. Ein Zeichen dafür, dass er präzise arbeitet und handelt"
Eben diese Präzision erwartete man aber auch schließlich von jemandem, der die gesamte Logistik der Garde beaufsichtigte und organisierte.
"Außerdem ist er auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft nicht unbewandert, wie ich mich persönlich überzeugen konnte"
Wieder eine Pause. Ob das wichtig war? Avitus wusste es nicht, wollte es aber nicht unerwähnt lassen, da Crassus ein umfassendes Statement haben wollte.
"Was ich persönlich von ihm halte? Ich bezweife stark, dass wir je Freunde werden könnten, aber das kommt schon mal vor und damit ist er weder der erste, noch wird er der letzte sein. Ob ich denke, dass er ein guter Soldat ist? Um das zu beurteilen, kenne ich ihn weder gut oder lange genug persönlich, noch kenne ich seine Akte. Ob ich denke, er erfüllt seine derzeitige Aufgabe gut? Das kann ich bestätigen, meine Männer jedenfalls beschweren sich nicht über mangelnde Ausrüstung oder zu einseitige Ernährung. Und das ist für mich nunmal derzeit mit das Wichtigste"
Das war eigentlich alles, was dem Artorier spontan einfiel.