Beiträge von Xeones

    Die dunklen, jedoch leuchtenden Augen der Unbekannten, umspielt von dem im Wind wehenden, tiefbraunem, ja fast schwarzem Haar, spiegelten die Sonne, die über dem Horizont emporstieg, als sie in seine Augen blickte. Dann jedoch wandte sie den Blich ab, vermochte dem seinigen scheinbar nicht zu widerstehen. Xeones bemerkte die Unsicherheit. Ein Hauch derselben zwar, kaum merklich und dennoch…da. An einem anderen Tag, unter anderen Umständen, hätte es ihm vielleicht eingeleuchtet. Doch hier und jetzt, da er verwirrt - im Inneren von unbändiger, verzweifelnder Wut und Pein geplagt, nach Außen jedoch bemüht, die Fassung zu wahren – war, ignorierte er dieses Anzeichen.


    Etwas anderes war ihm aufgefallen. Sie bezeichnete ihn als Herr… Xeones war etwas unwohl bei dem Gedanken, dass man ihn einem Römer gleichstellte. Er war stolz auf seine Herkunft. Stolz auf seinen Namen. Die kalten, dunklen Abende des Nordens liebte er nicht minder, als die warmen Sonnenstrahlen Achaias. Er liebte den Schnee nicht weniger, wie er das warme Wasser an Hispaniens Küsten liebte. In den Augen eines Römers war er vielleicht nichts wert. Ungleich. Minderwertig. Aber nie vermochten sie eines zu brechen… seinen Willen. Seinen Stolz.


    "Du magst Recht haben, Herrin, was den Strand angeht" entgegnete Xeones mit leiser, fast flüsternder Stimme, die beinahe um Rauschen des Meeres unterging. "Es ist eine idyllische, malerische Aussicht, die die Augen des Besuchers erfreuen mag…" er beugte sich nach vorn und nahm etwas Sand in die Hand, der zwischen den Fingern rieselte. "Doch Du irrst Dich, was mich angeht. Ich bin ein einfacher Mann, Herrin, und kein Römer... kein Bürger" sagte er, ohne zu merken, dass sich ein wenig Trotz in seine Stimme schlich, als er diese Worte aussprach. "Und ich bin hier…" er machte eine kurze, kaum merkbare Pause "denn hier und heute starb etwas in mir, Herrin. Ein Teil meiner Selbst." fügte er etwas leiser hinzu. Xeones schaute zum Meer hinaus und senkte leicht den Kopf.


    Obwohl seine Worte grausam selbstbemitleidend klangen und den Eindruck des Niedergangs eines Mannes erweckten, mischte sich zum ersten Male ein Anflug von Entschlossenheit in seinen Blick, als er den Kopf hob. Sein Lächeln wirkte nun nicht mehr so gespielt, als er die Unbekannte ansah. "Verzeih, Herrin. Ich muss mich wohl für einen Moment vergessen haben." Er rieb sich die Handflächen, um die letzten Sandkörner wegzufegen. "Du musst hierher gekommen sein, um für Dich alleine zu sein… ich werde Dich in Deiner Einsamkeit nicht stören." sprach Xeones aus, obwohl er innerlich geradezu danach schrie, nicht allein sein zu wollen.

    Iustina hatte ihm einmal gesagt, dass Zeit alle Wunden heilen würde. Auch seine. Doch jetzt im Nachhinein, in einem Moment, da er sich von ihr und den Göttern verlassen fühlte… suchte er vergeblich Trost in ihnen zu finden. Zeit...


    Eine seltsame, unheimliche Leere machte sich in Xeones breit. Sein Körper zitterte, doch nicht die Kälte war es, die ihn in die Knie zu zwingen vermochte. Der Schmerz in seiner Brust kam dem Lodern einer Flamme gleich, raubte ihm den Atem und trieb ihm Tränen in die Augen, die er nur mit Mühe zurückzuhalten vermochte. Es quälte ihn, zerriss ihn innerlich… und das Bewusstsein, diesem Schmerz auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, verstärkte die Qual umso mehr. Zeit…


    Er hatte geahnt, dass es wehtun würde. Das es schmerzen würde. Das ihn die Ohnmacht im Angesicht der Pein lähmen würde… Doch nie hatte er sich vorstellen können, wie grausam es dann doch tatsächlich war. Schmerz vermischte sich in ihm mit Zweifeln. Zorn und Wut stiegen in ihm auf und er ballte seine immer noch leicht zitternden Hände zu Fäusten. Er glaubte sich einsam an diesem Strand… was hinderte ihn daran zu weinen? Was hinderte ihn daran, seiner Wut freien Lauf zu lassen und einen Schrei der Verzweiflung auf die Welt loszulassen. Zeit...


    Aus dem Augenwinkel nahm er die zaghafte, zögernde Gestalt war. Er riss sich etwas zusammen. Eine in recht vornehme Gewänder gekleidete Dame näherte sich ihm langsamen, bedachten Schrittes. Er kannte sie nicht, weder persönlich noch vom Sehen, und wunderte sich, weshalb sie zu dieser frühen Stunde einsam und für sich allein an diesem Strand weilte. Zeit...


    Xeones nahm so etwas wie Haltung an und strich sein pechschwarzes Haar zurück. Hatte sie ihn und Iustina beobachtet? War sie gar beauftragt, sie auszuspionieren… er schob die düsteren Gedanken beiseite und versuchte, ein Lächeln hinzukriegen, während sie näher kam. Er wusste nicht recht, wie er reagieren sollte. Begrüßung? Einfaches Nicken? Ein bloßes Lächeln? Zeit...


    Ich hatte nicht gedacht, jemanden hier anzutreffen“ sagte er plötzlich und durchbrach die Stille. „Was führt eine Dame wie Dich zu solch früher Stunde einsam und verlassen auf diesen traurigen Strand, Herrin?“ fragte er, sich selbst über diese spontane Äußerung seiner Neugier wundernd. Zeit... noch vor Tagen rannte sie ihnen davon... und heute... schien sie still zu stehen.

    Leise plätscherten die Wellen und brachen sanft am Strand. Das Meer zog sich zurück und hinterließ eine nasse, dunkle Spur im Sand, die gleich darauf von neuen Wellen umspült wurde. Die Morgendämmerung zauberte ein fantastisches Schauspiel, als die ersten Strahlen der Sonne hinter dem Horizont hereinbrachen und den neuen Tag mit Licht und neuem Leben erfüllten. Die frische Brise zog vom Meer aufs Land, fegte über den Sand, während die Vögel bereits in der Luft schwebten und Ausschau nach passender Beute hielten.


    Einsam stand Xeones am Strand und fühlte den frischen, kühlen Wind im Gesicht. Sein Blick war starr aufs Meer gerichtet und verriet die Trauer, die sich Seiner bemächtigte. Lange schon, lange vor diesem Tag ahnte Xeones, dass es irgendwann so weit kommen musste. Lange vorher wusste er, dass die Tage des Glücks und Wohlseins einmal vorbei ziehen würden. Und heute war dieser Tag gekommen.


    Er vernahm Schritte hinter sich und drehte sich um. Eine weibliche Gestalt kam die mit dünnem Gras bewachsene Böschung runter. Sie hatte keine Schuhe an und Xeones erkannte das Fußkettchen, das in den ersten Lichtstrahlen dieses Tages spiegelte. Trotz der Kälte an diesem Morgen trug sie lediglich eine hauchdünne Stola, mit einer ebenso hauchdünnen Palla umwickelt. Ihr bernsteinfarbenes Haar war nur zum Teil hochgesteckt und flatterte im Wind. Die Kleidung wehte im Wind und ließ die wohlgeformte Figur nur zu deutlich erkennen.


    Sie war eine Römerin. Die Ehefrau eines recht angesehenen Plebejers. Ihr Name… Iustina. Xeones wusste, dass weder er noch sie hier sein durften. Sie haben stets ihr Leben aufs Spiel gesetzt, wenn sie sich trafen. Stets alles riskiert. Doch sie war er wert. Xeones war zu allem bereit, wenn es um sie ging. Sie war es wert für sie zu töten… für sie zu sterben…


    Wortlos nahm er sie in die Arme, als sie näher kam. Seine Arme umschlangen ihre dünne Taille und er drückte sie fest an sich. Sie widerstrebte dem nicht und legte ihren Kopf an seine Schulter. Xeones atmete tief ein, spürte ihren Duft, spürte das Verlangen, das in ihm stieg… Sie hob den Kopf und sie sahen sich tief in die Augen.


    Sie würde weggehen. Ihr Mann ging nach Rom und sie würde ihm folgen, mit ihm gehen… und Xeones hier zurücklassen. Erst wenige Wochen war es her, dass sie beide davon erfuhren. Wenige Wochen, die viel zu schnell vergingen. Die ihnen ihre Zeit raubten, ihre gemeinsamen Momente… an diesem Tag endete es. Er hatte nie gefragt, warum sie so entschied. Hatte nie gefragt, warum sie nicht wollte, dass auch er nach Rom ging. Vielleicht hatte sie das Versteckspiel satt. Vielleicht schöpfte ihr Mann Verdacht. Vielleicht… es spielte keine Rolle. Sie hatte ihn darum gebeten, ihr nicht zu folgen. Und Xeones versprach, ihrer Bitte zu entsprechen.


    Sie war es wert für sie zu töten… für sie zu sterben… für sie zu leiden.


    Sie gingen ein Stück. Xeones legte den Arm um ihre Taille. Sie sprachen miteinander. Für Xeones war es ein Genuss, ihrer schönen, sanften Stimme zuzuhören, auch wenn sie in diesem Moment mit Trauer erfüllt war und zu einem Flüstern verkam… Er liebte alles an ihr. Einen Moment lang fragte er sich, ob es richtig war, sie einfach so gehen zu lassen. Sie mit einem Mann ziehen zu lassen, dem das Geld teurer war, als die Liebe seiner Frau. Die Liebe Iustina’s.


    Als sie wieder bei der Böschung angekommen waren, verstummten beide. Der Moment des Abschieds war gekommen. Es zerriss ihm das Herz, sie gehen zu lassen… aber er wusste, eine Wahl hatte er nie gehabt. In diesem Moment schien ihm das Leben nicht mehr lebenswert.


    Iustina drehte sich um, um zu ihrer Sänfte zurückzugehen, an der die beiden Sklaven, die sie trugen, geduldig warteten. Xeones hielt ihre Hand. Ein sanfter Zug veranlasste sie, sich wieder umzudrehen. Sie versuchte standhaft zu bleiben, wollte keine Tränen vergießen. Und dennoch… In diesem letzten Moment ihres Zusammenseins überwältigten sie ihre Gefühle, die sie nicht verbergen konnte. Sanft strich ihr Xeones mit der Hand über die Wangen, um die Tränen wegzuwischen.


    Dann ging sie fort, ohne sich noch einmal umzudrehen. Lange starrte Xeones der Sänfte nach. Versuchte zu begreifen, was eben passiert war. Versuchte zu verstehen, dass er sie nie wieder sehen würde. Sie war weg.


    Die Sonne tauchte aus dem Meer hinauf und flutete das Firmament vollends mit Licht. Der neue Tag war angebrochen. Wieder starrte Xeones aufs Meer hinaus.


    Iustina war fort. Und er war allein…

    Hallo an alle. Ich bin weiterer Reisender, der sich im Imperium Romanum niederlassen will.
    die Daten:
    Name: Xeones
    Stand: Peregrinus
    Wohnort: Tarraco


    danke.