Beiträge von Surenas

    "Ehrwürdiger Satrap? Der Bote ist da mit den neuesten Nachrichten."


    Im Zelt des Feldherrn Surenas, nicht weit weg vom Flusse Chaboras. Ein junger Offizier aus niederem adligen Hause, dessen Bart noch nicht den vollen Wuchs erlangt hatte, sah fragend den Feldherrn an, der, über eine Landkarte mit einigen Figuren vertieft, an einem Tisch im Eingangsbereich seines Zeltes stand. Nur eine kleine Bewegung mit dem rechten Zeigefinger war ihm die Anfrage wert, doch selbst diese reichte dem Jüngling. Der Argbadh* wandte sich um, ging ein paar Schritte und winkte den Boten her, der sich dem Zelt des Satrapen mit einer tiefen Verbeugung näherte und auf ein Zeichen wartete, mit seinem Bericht zu beginnen. Und auch hier machte er nur eine kleine Bewegung mit seinem Finger, den Boten selber sah Surenas nicht an. Stattdessen sprach der junge Offizier.


    "Sprich, Bote. Was hast du erfahren?"
    "Humáyak, der unwürdigste unter den Savaran** entbietet dem ... Surenas, dem erlauchtesten unter allen Generälen und weisesten aller Kriegsherren seine aufrichtigen Grüße." fing der Bote mit der üblichen Begrüßungsformel an. "Der Zug der Römer ist zum Stillstand gekommen. Die vorderste Legion der römischen Hunde..." Er spuckte auf den Boden, was sich angesichts dessen, dass er weiterhin in gebückter Haltung seinen Bericht ablieferte, als etwas schwierig erwies. "... wurde wie vom erhabensten aller Satrapen angeordnet in erste Kampfhandlungen verwickelt und verhält sich getreu aller Befehle. Und auch die mittlere Legion wurde aufgehalten durch den Trupp Bogenschützen, genau wie es der würdevolle Satrap vorhergesehen hatte. Nur..."
    Der Bote stockte, was den Satrap, der den Boten bisher keines Blickes gewürdigt hatte, dazu bewog, seine Augen von der Landkarte vor sich ab- und dem Boten hinzuwenden.
    "Nur?" Die Stimme des Surenas hatte im Unterton so ein gewisses Grollen, was die Sklavin im Hintergrund der Szenerie veranlasste, einen halben Schritt zurückzuweichen.
    "Nur..." begann der Bote wieder, "... schickten diese römischen Hunde..." er spuckte erneut auf den Boden, "... gleich viele Reiter auf den Berg und nicht nur ein paar."
    "Wieviele?" knurrte der Satrap.
    "Nuja... acht Dutzend." schätzte der Bote, denn abgezählt hatte er sie nicht und in Rechnen war er nie besonders gut gewesen.


    Ein Römer hätte an seiner Statt zu lachen begonnen, doch er, Surenas, war ein gut erzogener Hochadliger mit familiären Verbindungen zum Königshaus. Vor solch niedriggeborenen Untergebenen eine solche Regung des Gemütes zu zeigen, wäre von der Etikette her ein Skandal. So zuckten seine Mundwinkel nur ein wenig und er entliess den Boten, indem er sich abwandte und keinen Gedanken an den Überbringer der Nachricht verschwendete, dessen Abschiedsgrußformel nicht einmal mehr hörte. Er warf einen kurzen Blick auf die Landkarte, dann sprach er seinen Argbadh an.
    "Ist alles vorbereitet?"
    "Ja, hochwürdigster Satrap. Es steht alles zu deiner Verfügung."


    Etliche Momente später war Surenas auf dem Weg zu jener Stelle, auf welcher er einen Überblick auf den sensibelsten Teil seines Schlachtplanes hatte. Die Vorbereitungen dazu hatten lange gedauert, immer wieder wurden Pläne ent- und wieder verworfen, Figuren auf Landkarten hin- und hergeschoben, Vor- und Nachteile der in Frage kommenden Plätze sorgfältig erwägt und besprochen. Kundschafter der Römer wurden getötet, manche auch bestochen um gezielte Desinformation zu betreiben. Er hatte sogar neue Hornsignale angeordnet, damit die Römer nicht die taktischen Pläne der glorreichen parthischen Armee im vorhinein wussten, sollten die Römer noch die Signale von der Schlacht bei Edessa kennen. Mehrmals wurden die Signale mit den Bläsern und den Unteroffizieren geübt, natürlich mit den obligatorischen Hinrichtungen für jene, die sich besonders idiotisch anstellen wollten.


    Die Luft war klar, als Surenas seinen Beobachtungsposten erreichte. Noch einmal sah er sich um und genoss die Luft, die seine golddurchwirkten Seidengewänder umschmeichelten. Dann fixierte er mit seinem Blick das Schlachtfeld.


    "Lasset die Spiele beginnen!"


    [SIZE=7]*Adjutant
    **Reiter[/size]

    Seine Späher waren gut ausgebildet, leise, mit scharfen Augen und loyalen Geistes ausgestattet. Dennoch war Surenas der Ansicht, man müsse den Feind oftmals mit eigenen Augen besichtigen. Nachdenklich beobachtete er auf einem erhöhten Punkt den Zug der Feinde, die sich in sein Land reingeschlichen haben wie eine Viper, die es nun auszulöschen galt. "Ahriman möge dieses Gewürm zertreten wie lästige Läuse." knurrte er in seinen frisierten Bart und spuckte angewidert auf den Boden. Seine Begleiter, allesamt Männer, die schon lange in seinen Diensten standen, machten es ihm nach und spuckten ebenfalls. Noch einmal versuchte er sich die Ordnung der Römer einzuprägen, dann drehte er sich um.


    "Der Páhatu* von Karchemis** muss benachrichtigt werden, diese römischen Hunde werden bald vor den Stadtmauern auftauchen. Sag ihm, wenn er sich immer noch weigert, mir, dem General Surenas, Truppen zu entsenden, dann werde ich persönlich nach Karchemis kommen, seine Eier abschneiden und den kümmerlichen Rest seiner erbärmlichen Existenz dem Sháh-in-Sháh vorwerfen."


    Der von ihm angesprochene Parther verneigte sich und stieg auf sein Pferd, die Nachricht schnell zum gewünschten Empfänger zu bringen. Surenas raffte sein Gewand und tat ein paar Schritte, den Blick zu Boden gerichtet, offensichtlich in seine Gedanken vertieft, weswegen niemand seiner Begleiter es ohne dringenden Grund wagte ihn anzusprechen (der letzte, der das tat, machte seine letzten Atemzüge an einen Felsen gekettet mit offener Bauchhöhle, so dass die Geier und andere geflügelte Tiere ohne Mühe dessen Gedärme rausziehen konnten). Die Sorgen, die Surenas plagten, waren kaum lösbar. Surenas musste einen Sieg erringen über dieses Geschmeiß, ansonsten wäre sein Leben verwirkt. Ohne Hilfe konnte er jedoch nicht ganze drei Legionen niederringen, das war schlicht nicht möglich, erst recht nicht in einer einzigen Schlacht. Und dann machten ihm die lokalen Herrscherfamilien solche Sperenzchen, so dass man sich fragen musste, ob diese lieber römisch werden wollten. Eine gruslige Vorstellung, so sehr, dass es Surenas schüttelte. Er blickte auf. "Bringt mir mein Pferd. Wir ziehen uns ins Lager zurück." Nur wenige Augenblicke später ritten der General und seine treuen Begleiter weg.


    * Stadtpräfekt
    ** Circesium

    Der Zuschauer


    In sicherer Entfernung hatte ein Satrap die Schlacht genau beobachtet. Mit wenigen Leuten zum Schutz - nur seinen engsten Vertrauten – hatte Surenas sich das Gemetzel angeschaut. Er konnte nicht genau sagen ab wann er den Untergang der Männer Parthiens hatte kommen sehen, aber es war viel früher als vielleicht manch anderer es hat kommen sehen. Wie stolz waren die Parther aufmarschiert und hatten den Römern sicher einigen Respekt abverlangt. Der Schlachtplatz war gut ausgewählt worden. Das musste er dem alten Mann lassen. Doch dann....Viel zu früh hatte er ihnen ihr bestes Manöver offenbart, viel zu früh hatte er seine Trümphe ausgespielt. In den Augen Surenas hatte der Alte Mann versagt.



    Nachdem er Edessa verlassen musste und seine Männer mit ihm gingen, hatte er einen Tagesmarsch entfernt ein Lager aufschlagen lassen. Hier sollten seine Männer halt machen und abwarten. Schnell hatten sie ihre Zelte aufgebaut, Proviant, Ausrüstung und Gerät untergebracht und sich in Bereitschaft gehalten. Wer wusste schon was die Römer vorhatten, wenn erst einmal diese Schlacht für sie gewonnen wurde. Nachdem hier alles fertig war, hatte er seine engsten Vertrauten und besten Offiziere um sich geschart und war mit ihnen in die Nähe des Schlachtfeldes geritten. Sie hatten zwar die Nacht durchreiten müssen, aber waren rechtzeitig dort gewesen um den Untergang einer Armee mitzuerleben.


    Es war wie es in vielen Schriften erzählt wird. Als die beiden Armeen auf einander zugeschritten waren, warteten beide ab. Es herrschte die viel gerühmte Ruhe vor dem Sturm. Wirklich nur der Wind bewegte den Sand, feine Wirbel kringelten sich über den Boden. Schließlich begann die Schlacht und Surenas freute sich schon auf den Zusammenprall und war sehr erstaunt als nun schon das parthische Manöver gezeigt wurde. Ein fataler Fehler, das wusste er. Auch wenn der Ausbruch eines kleinen Teils des römischen Heeres sicher nicht schlecht aussah. Es war zu wenig, zu früh zu schnell durchschaubar gewesen. Was danach gezeigt wurde, war schon eher nach dem Geschmack des Satrapen und es hätte geklappt wären dort mehr Männer auf dem Feld gewesen, seine Männer. Doch man hatte weder sie noch ihn haben wollen und nun würden sie die gerechte Strafe dafür erhalten. Schade nur um die vielen Leben, die diese Strafe bezahlten. Das Gemetzel hätte so nicht sein müssen. Aber was sollte es....


    Was danach gezeigt wurde, war für Surenas vergebliche Liebesmüh, unnötige Tote auf einem Feld, dass nie zur Ehre der Parther gereichen würde. Die Panzerreiter hätten sicher noch einiges wenden können, wäre man nicht gierig auf den Adler los. Das Ende Kashtiraths, schaute er sich nicht mehr mit an. Er hatte es kommen sehen und ehe es zur Gewissheit wurde, ließ er sein Pferd drehen und ritt zurück zu seinem Lager. Edessa war gefallen und erst einmal nicht mehr zu retten.


    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


    Auf dem Weg zurück zum Lager


    Wie es wohl der Prinzessin ging, ob sie noch in der Stadt weilte oder ob sie geflohen war, fortgebracht wurde? Hach...diese Augen. Wie wunderschön sie waren. Er konnte sich jedes Mal aufs neue in sie verlieben. Ihre Gestalt. Mit welcher Anmut sie sich bewegte und diese durfte er für die nächste Zeit nicht betrachten, nicht fühlen. Er durfte sie nur in Gedanken bei sich haben. In seinem Herzen war ein Stück leer geblieben seit er aus Edessa verbannt wurde. Er war sich jedoch sicher sie trotz der Niederlage bald zu seiner Frau nehmen zu können und er war sich auch sicher, dass sie ihn vermisste und es sie nach ihm verlangte....

    Das Brüllen beeindruckte den jungen Satrapen wenig. Genau genommen eigentlich gar nicht. Darin war er nicht weniger gut als der Kerl vor ihm. Schließlich musste er ja seine Männer auch befehligen und so manchen Befehl hin und wieder etwas lauter oder nachdrücklicher formulieren. Auch konnte man es Surenas sicher nicht verübeln wenn er weder schwieg noch glaubte, dass er die wunderschöne Prinzessin je wieder sehen würde. Die Prinzessin brauchte ihn und er... er liebte sie und würde sie sicher nicht diesem Möchtegernhelden aus Artaxata freiwillig geben. Dem Satrapen waren wohl wirklich die Jahre zu lang geworden und hatten ihre Spuren in seinem Oberstübchen hinterlassen. Gerade als er dem alten Mann freundlich aber bestimmt die Meinung geigen wollte, wurde er raussgeschmissen. Für einen Moment war der große Surenas wirklich überrascht. Die Worte ließ er sich auf der Zunge zergehen. Was erlaubte er sich da überhaupt. Er warf ihn raus und beleidigte ihn dermaßen. Das würde er noch bereuen. Er würde sehen was er davon hatte.


    "DU schickst mich fort? Jetzt wo die Gefahr für deine Stadt am größten ist? Wo die Römer gleich vor der Tür stehen? Du weißt wirklich nicht mehr in welcher Zeit du lebst."


    Der Satrap würde diese Entscheidung sicher bereuen. Nur weil sein Stolz angekratzt war, stellte er seine Gefühle über das Wohl seines Volkes.


    "Bei deinem nächsten Gespräch mit Menschen, die dir helfen wollen, solltest du deine Wortwahl auch noch einmal überdenken wenn du ihre Hilfe ablehnst. Satrap, ich wünsche dir viel Glück."


    Der Statrap wusste auch nicht mehr wen er da vor sich hatte. Viele Schlachten hatte Surenas geschlagen und diese erfolgreich. Der blonde Jüngling war wirklich eine ganz besonders schlimme Beleidigung. Das würde er ihm nie verzeihen und nie vergessen. Kurz verneigte er sich und ging dann davon. Was sich gehörte wusste Surenas und nie würde er seine Wut offen zeigen und schon gar nicht vor diesem Tattergreis. Das Glück würde der Satrap allerdings brauchen. Denn Erfolg gab es für ihn nicht. Nicht bei der großen Zahl an Römern, die sich näherten. Den Weg brauchte man ihm nicht zeigen. Er wusste wo es hinaus ging. Hier ließ er schließlich seine Mannen sammeln und sah bei der Abreise mit einem traurigen und einem wütenden Blick auf Edessa zurück.

    So völlig von den Worten des alten Satrapen überrascht, wich er einen winzigen Schritt zurück. Nur der aufmerksame Beobachter konnte dies bemerken. Ein rumhurender Straßenköter war er? So langsam ahnte er worum es ging noch ehe die anderen Worte des Satrapen folgten. Nicht wirklich sehr freundlich, wie er bemerkte. Aber das nur nebenbei. Am liebsten hätte er ihm gezeigt, dass er gar keine dreckigen Hände hatte, aber das wäre dann wohl doch zu viel für den alten Frosch gewesen. Ein wenig wirkte er so. Der alte Mann sprang wirklich viel vor seinem Stuhl herum.


    "Wie ich es wagen kann? Es war auch ihr Wille."


    Schließlich war sie ja einverstanden und warum der alte Mann nun so wild herumsprang, was ihm sicherlich nicht gut bekommen würde, verstand er einfach nicht. Er war eine viel bessere Partie als dieser Partha...Den Namen wollte er sich einfach nicht merken. Musste er ja auch nicht. Dennoch konnte er den Straßenköter und vor allem das rumhurend nicht so ganz gefallen lassen.


    "Du hast auf das falsche Pferd gesetzt mit deiner Wahl, aber das kannst du, der du dem Zeichen des Dromedars anhängst, wo doch längst das Zeitalter des Stiers angebrochen ist, unmöglich verstehen."


    Er würde nicht so aus der Haut fahren wie der Satrap. Er wusste was sich gehörte und wie man mit seines gleichen umging. Dies schien sein Gegenüber aber vergessen zu haben. Das würde er ihm auf ewig nicht vergessen. Ebenso diesen rumhurend... Nein, er dachte da nicht weiter dran. Welch üble Verleumdung es doch war.

    Diese Zitadelle war ein wirklich interessanter Bau. Das es heute einmal nicht um die bevorstehende Schlacht ging, nutzte Surenas die Zeit sich wieder einmal umzusehen und vielleicht...vielleicht sah er ja die Prinzessin noch einmal. Seit diesem Vorfall hatten sie den Kontakt zurückgefahren und wussten nun nicht so recht was passieren würde. 'Eine wirklich interessante Säule' befand Surenas das Gebilde zu seiner rechten. Er kannte dies eigentlich alles, aber die Langeweile und die kleine Nervosität vor der Schlacht mit den Römern, brachte ihn manchmal wirklich zu komischen Tätigkeiten. Auch die nächste Säule war recht passabel. War sie eigentlich anders als die vorhergehende? Er konnte darauf keine Gedanken mehr verschwenden, denn er wurde abgelenkt.


    Entrüstet und auch wütend war er vor den Satrapen gezerrt worden. Man hatte ihm nicht gesagt, worum es ging und auch nicht was man von ihm wollte. Noch nicht einmal die Zeit zum Untersuchen der beiden Säulen hatte man ihm gelassen. Das war noch eine schlimmere Frechheit als ihn überhaupt so unwürdig vorzuladen.


    "Satrap, wir komme ich zu der Ehre?"


    Die Worte waren nicht seiner derzeitigen Stimmung entsprechend. Sie waren sehr neutral an den alten Mann gerichtet worden und ohne eine Ahnung worum es ging.

    Geistesgegenwärtig löste Surenas sich von der Prinzessin, war mit einem Sprung draußen auf dem Weg, und rannte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Einen huschenden Schatten sah er dort, der eben hinter einem blütenübersäten Gebüsch verschwand. Er verfolgte ihn, vorbei an exotischen Blumen und einer Reihe künstlicher kleiner Bäume, in deren silbernen Zweigen winzig kleine Glöckchen hingen und leise bimmelten.
    Dann stand er plötzlich an der hohen Mauer, die den Garten begrenzte. Er spähte, lauschte - keine Spur des Eindringlings. Wachsam folgte er dem Verlauf der Mauer, doch der Schatten blieb verschwunden. Und als er nach vergeblicher Suche vorsichtig zur Laube zurückkehrte, war auch Shirin nicht mehr dort.


    Ärgerlich und besorgt stahl Surenas sich aus dem Garten. Zuerst der unheilvolle Traum und nun war womöglich auch noch jemand Zeuge ihres Treffens geworden.
    Als er wieder in den Gemächern war, die sein Gastgeber ihm zur Verfügung stellte, bemerkte er, dass er in der geschlossenen Hand noch immer das filigrane Tüchlein Shirins hielt. Ungnädig knüllte er es zusammen und stopfte es tief in seine Satteltaschen. Was bildete das Mädchen sich eigentlich ein? Diesen Fetzen an seinem Herzen tragen, und bei jeder Gelegenheit sehnsüchtig 'Shirin...' hineinseufzen würde er gewiss nicht!

    "Auf einem Berg toter Adler...", wiederholte Surenas durchaus beunruhigt, und legte mehr geistesabwesend die Arme um Shirin. Dies war ein schlechtes Zeichen. Er musste seine Sterndeuter befragen - womöglich gar seine gefasste Strategie überdenken? Gegen die Mächte des Schicksals sollte ein Sterblicher sich nicht stellen. Jedoch wollte er die Prinzessin nicht noch weiter beunruhigen.


    "Sorge dich nicht, Shirin. Ich werde die Römer vernichten, sie zerschmettern und in den Staub treten, so dass dieses anmassende Volk noch in Generationen meinen Namen verfluchen wird. Du weißt, es liegt in der Familie. Und nach meinem Sieg werden wir unserer gemeinsamen Vision einen großen Schritt näher sein."


    Mit einem siegesgewissen Lächeln zog er sie wieder eng an sich, fuhr ihr durchs Haar und koste mit den Lippen die samtigweiche, warme Haut ihres Halses. Es war schon ein Jammer, dass er sie nicht würde heiraten können. Doch auch als Hauptfrau seines Rivalen Parthamasires würde sie ihm sicher sehr nützlich sein.


    "Shirin...", flüsterte er grinsend, während seine Hände wieder zielstrebig auf Reisen gingen "...meine spröde kleine Prinzessin. Morgen ziehe ich ins Feld - und natürlich, man weiß nie. Also bedenke wohl, vielleicht ist dies hier deine letzte Chance, mit mir der Liebe zu frönen!"

    Es war riskant sich mit Shirin zu treffen. Die Unterstützung des alten Satrapen war wertvoll, und er sollte sie nicht aufs Spiel setzen wegen einer Frau, möge sie auch noch so betörend sein. Surenas ballte die Faust um das kleine Brieflein, in dem sie ihn in süßen Worten zu dem Stelldichein in der Laube bat, während er mit schnellen Schritten den Garten durchquerte. Er war ungehalten, dass sie solch einen unvorsichtigen Treffpunkt ausgewählt hatte, und ebenso ungehalten, dass er, wie der verliebte Prinz in irgendeinem Schmierentheater, ihrem Ruf trotzdem gefolgt war.


    Wachsam betrat er die überwucherte Laube, die Hand am Dolch, denn natürlich konnte dies ebensogut eine Falle sein. Den starken Blumenduft fand er aufdringlich, geradezu erstickend in der Schwüle dieser Nacht. Er streifte seine Kapuze zurück, und dann trat sie ihm entgegen, schön wie eine mesopotamische Liebesgöttin. Das Zucken der fernen Blitze spiegelte sich in ihren schwarzen Augen, die unverwandt auf ihn gerichtet waren.
    Wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass das Mädchen ihm vollends verfallen war, und dass er in jeder Lage dazu fähig war, einen kühlen Kopf zu bewahren, hätte er sich vielleicht gefürchtet vor der uralten, sinnenbetörenden und grausamen Macht, die da in ihr waltete, ihn zu umfangen und zu verschlingen suchte. Das Weib. Dunkles Rätsel, unheilvoller Sirenensang.


    "Wir haben nicht viel Zeit."


    Er fasste ihre Hüften und zog sie mit einem Ruck an sich. Seine Hände streiften über ihren geschmeidigen Körper. Lösten eine Spange, die das Gewand an ihrer Schulter zusammenhielt. Ertasteten ihren Halsschmuck. Den kannte er doch. Er grinste, wohlgefällig dass sie sein Geschenk trug, und küsste sie glutvoll auf den Mund.


    "Nun, meine teure Shirin - es ist schön dich wiederzusehen. Ich muss dir wohl nicht sagen, dass ich mich in Sehnsucht nach dir verzehrte, und dass ich die Sterne vom Himmel pflücken möchte, um sie dir ins Haar zu stecken?"

    "Gab es schon offenen Kampf?", erkundigte sich Surenas beiläufig, ohne dabei die Augen von einer großflächigen Karte der Ebene von Harran zu nehmen.
    "Und wie ist die Nachrichtenlage?"
    Er nickte langsam, während der tüchtige Kommandant erklärte nein, es habe bisher noch keinen größeren Zusammenstoß mit dem Feind gegeben, dann recht ausführlich über sein System der Späher, Postenketten, Spiegelzeichen und Signalfeuer sprach.


    "So... Die Römer stehen also in etwa hier.", stellte Surenas nachdenklich fest, und unterbrach dabei den Redefluss des Kommandanten. Sinnend schweifte sein Blick über die Karte, über das Muster aus Linien, Farben, Schraffuren und Ortsnamen, und blieb dann an einem ganz bestimmten Punkt hängen.
    "Hm..." Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, während er nachsann, dann blickte er auf, und ein satanisches Lächeln spielte um seine Lippen. Ohne Erklärung erhob er sich.


    "Die Zeit drängt. Einen Ruhetag nur gönne ich meinen Männern. Macht eure Truppen abmarschbereit, Kashtarith, und lasst nur so viele zurück, wie zur Verteidigung der Mauern nötig sind. Wir ziehen ins Feld, und es wird ganz sicher - amüsant."

    Als ihm das Schwert gereicht wurde, neigte er kurz sein Haupt.


    "Nochmals danke ich dir. Ich werde gern mit ihm in die Schlacht gegen die Römer ziehen und mit ihm siegreich daraus hervorgehen. Es ist mir eine große Ehre so ein edles Schwert führen zu dürfen, das von so viel Tradition geweiht wurde."


    Eigentlich mochte er ihn nicht wirklich. Aber es war wichtig ihn auf seine Seite zu ziehen und außerdem stand neben ihm die schönste aller Frauen und er musste sehr aufpassen diese nicht länger als schicklich anzusehen. Wie sehr er sich nach ihr sehnte und dennoch in diesem Moment nicht daran denken durfte. Zu viel stand auf dem spiel und vor den Toren der Stadt. Noch waren die Römer entfernt, aber bald würde es sich ändern. Es galt diesen Moment vorzubereiten.


    "Es tut mir sehr leid diesen Moment der Begrüßung so schnell beenden zu müssen. Doch die Römer sind nah und viel muss noch besprochen und geplant werden. Die Zeit drängt und ich hoffe auf dein Verständnis."


    Die Römer waren wirklich eine Plage und man musste endlich eine Weg finden sie loszuwerden.

    Auf seinem Pferd und von einigen Offizieren begleitet, ritt er durch die Reihen und genoß diesen Empfang. Vor dem Abgariden stieg er schließlich von seinem Pferd und verneigte sich kurz.


    "Ich danke dir sehr für diesen Empfang und deine warmen Worte. Ich habe dir auch ein großzügiges Geschenk mitgebracht."


    Er deutete einem seiner Begleiter mit einer Handbewegung worauf dieser eine große Schatulle hervorholte und diese Surenas gab. Dieser öffnete nun den Verschluß und klappte den Deckel auf. Man konnte viele goldene Schmückstücke erkennen, die sicher aus einigen der großen Raubzüge stammten.


    "Nimm dieses Geschenk mit unserem Wohlwollen entgegen."


    Freundlich lächelte er. Er durfte sich hier keine Fehler erlauben. Denn diese würden über so vieles entscheiden....

    Zwei Tagesreisen später war es soweit, Edessa war zu sehen. Nur wenige Reitstunden trennte das parthische Heer des Sháhs von der Stadt, die Surenas vor den Römern beschützen sollte. Er konnte sich noch gut an die Audienz beim Sháh erinnern, dieser Auftrag hatte einen Nebenton, der ihm überhaupt nicht gefiel. Surenas zog hörbar die Luft ein, er konnte sich schon denken, was passieren würde, wenn er versagte. Und die Folgen gefielen ihm ganz und gar nicht, denn er war nicht verwandt genug mit dem Sháh, als dass ein Einfall der Römer ohne Folgen bliebe.


    Surenas kniff die Augen zusammen. Der Tag war noch jung, dennoch stach bereits die Sonne, als ob sie bereits den Höchststand überschritten hatte. Dementsprechend flimmerte das Bild der Stadt vor ihm und er beschloss, noch heute in die Stadt zu kommen. Das heißt, wenn ihn der Satrap einlud und nicht draußen warten ließ, was auch vorkommen konnte. Surenas wandte sich ab und trank etwas Wein aus seinem Schlauch. Mürrisch gelaunt ob der Hitze und der stechenden Sonne veranlasste er, dass ein Bote nach Edessa gesandt wird, um ihr Kommen anzukündigen und den Satrapen um Einlass zu bitten.


    Für ihn hieß das jetzt warten. Auf den Einlaß und in gewissem Maße auch auf Shirin.

    Der Bote war zurückgekommen, als die Armee des Sháh in Sháhs mit ihrem Kommandanten Surenas nur mehr zwei Tagesreisen von Edessa entfernt war und ihr Lager für den Abend gerade erst aufgestellt hatten. Auf der Rückreise hatte der Bote das Pferd ziemlich verausgabt, das konnte Surenas am durchgeschwitzten Fell des Tieres sehen, als er zufällig die Ankunft des Boten sah, dann in sein Zelt ging und Vírámak, den Boten empfing. Er sah den Boten ein wenig skeptisch an, glaubte er im ersten Moment doch, dass der Bote keine guten Nachrichten bringen würde. Doch dem war dann doch nicht so. Zufrieden nickte Surenas, als er die Antwort des Satrapen Nasreh vernahm. Zumindest eine Sorge war ihm dabei abgenommen. Nicht, dass er mit dem Verrat des Satrapen gerechnet hätte, aber in diesen Zeiten und in seiner Position musste man einfach auf alles gefasst sein. Kühnheit ist wenn, dann nur auf dem Schlachtfeld angebracht.


    Erst nach einigen Momenten des Nachdenkens bemerkte Surenas, dass der Bote ja noch immer da war. "Was ist denn noch?" herrschte er den Boten an, der diesmal, so schien es Surenas, mehr zusammenzuckte als bei der letzten Begegnung. Welche Genugtuung. Der Bote zögerte ein wenig, sicher wegen des gebieterischen Tones, und sagte dann, dass er die Ehre einer Audienz bei der Prinzessin hatte. Surenas' Augenbraue wanderte ein wenig, eigentlich schon unmerklich wenig, nach oben. Damit hatte er jetzt allerdings nicht gerechnet. Entweder war Shirin jetzt von allen guten Geistern verlassen oder sie hatte den Palast so sehr im Griff, dass eine solche Vorgehensweise nicht groß auffallen würde. "Und? Hast du ihr meine Botschaft überbracht?" Der Bote nickte und antwortete, dass die Prinzessin eine Botschaft für ihn hätte. Alle Achtung, jetzt war sie wohl wirklich übergeschnappt, dachte sich Surenas, als er es sich auf seinem Sessel gemütlich machte und einem Sklaven schnippte, der sich darauf in Bewegung setzte und dem Satrapen etwas Wein einschenkte. "Ja und? Jetzt sag schon." Surenas war schon etwas genervt, weil er dem Boten alles aus der Nase rausziehen musste.


    Der Bote vor ihm nickte erneut und holte dann tief Luft. "Prinzessin Shirin dankt gütigst für die liebenswürdigen Glückwünsche. Doch in Zeiten des Krieges muss das persönliche Glück zurücktreten, und so fürchtet sie, dass bis zu ihrer glücklichen Verbindung mit dem Hause des Großkönigs noch allzuviel Zeit ins Land ziehen wird. Wenn es soweit ist, hofft sie den edlen Prinzen Surenas unter den ganz besonderen Ehrengästen begrüßen zu dürfen."


    Surenas blickte den Boten etwas ungläubig an. Das war allerdings eine Nachricht, mit dem er nicht gerechnet hatte, war doch in dieser Nachricht eine zweite Botschaft versteckt, die nur die beiden verstanden. Surenas brach in Gelächter aus und da der Bote doch ein wenig zu blöde stierte, schickte er ihn weg und lachte weiter. Erst nach vielen Augenblicken kriegte er sich wieder ein. "Dieses kleine Luder. Na warte, so einfach mache ich es dir nicht. Du wirst bald heiraten."

    Eine Reise von Assur nach Edessa kann man nicht wirklich als einen Katzensprung bezeichnen. Viele hundert Meilen trennten die beiden Städte voneinander, zudem war Edessa nicht an einem großen Fluß gelegen. Surenas stand vor der Möglichkeit, entweder mit einem Schiff den Tigris raufzufahren und dann den Chaborus runter- und wieder raufzufahren, bis sie in der Nähe von Edessa waren, oder den Weg großteils zu Pferd zu absolvieren. Und Surenas hatte wirklich überlegt, doch sich dann gegen den Flußweg entschieden, obwohl dieser sicher um vieles angenehmer wäre. Aber die Armee wollte auch geführt werden, und er traute den Leuten des Sháhs nur bedingt. Wenn Surenas diese allein gelassen hätte, wer weiß, welche Disziplinlosigkeit dann herrschen würde. Er war zwar geachtet unter den Adligen und im einfachen Volk, doch die Stimmung konnte bei einem Fehler rasant ins Gegenteil ausschlagen. Viele Schlachten hatte Surenas geschlagen und man sagte ihm zu Recht ein gewisses taktisches und militärisches Genie nach, doch war Surenas nicht dumm. Jeder Kommandant wurde nur nach der zuletzt gezeigten Leistung bewertet und dieser Tatsache war sich Surenas nur zu sehr bewußt. Also ritt Surenas an der Spitze, stets umgeben von ein paar seiner Getreuen, die nicht nur seine Freunde und Saufkumpanen, sondern auch seine Leibwächter waren. Was ihn allerdings nicht davon abhielt, selbst auch andere Vorsichtsmaßnahmen zu setzen.


    Die Informationen, die er von einem Lakai des Sháhs bekommen hatte, waren nicht besonders ergiebig. Die Römer waren also mit ein paar Legionen in Syria, auch deren Oberhaupt, Imperator nennen sie ihn, war mittendrin statt nur dabei. Eine faszinierende Tatsache, so dachte Surenas darüber nach, als er in einem der Nächte auf dieser Reise in seinem Zelt saß und über die politische und militärische Lage sinnierte. Wenn der Imperator seine Hauptstadt verließ, dann waren die Römer wohl kaum zum Einkaufen hierhergekommen. Die Römer wollten mehr als die gepflegten Grenzstreitigkeiten der letzten Jahre. Da drauf zu kommen war jetzt allerdings keine taktische Höchstleistung. Draußen vor dem Zelt bekam ein Soldat einen Husten-, der nächste einen Lachanfall. Etwas genervt von der akustischen Störung sah Surenas sich die nächsten Notizen an. Mehrere Legionen, angeblich sechs, zu je etwa 6000 Mann waren nicht gerade ein Trupp, den man unterschätzen konnte. Noch lagern sie in Zeugma, aber angeblich waren sie schon am Aufbruch. Es konnte also nicht mehr lange dauern, bis sie den Euphrat überschritten haben. Seine Spione haben zudem von zwei Legionen berichtet, die nicht in Syria gelandet waren, sondern in Kleinasien an Land gingen. Angeblich nordwärts und angeblich mit dem Ziel Armenias. Das waren ein paar "angeblich" zuviel, aber bessere Informationen hatten seine Spione nicht, noch nicht. Was weiter bedeutete, dass der Sháh sich dieses Mal ungeheuer viel Zeit gelassen hatte, ihn nach Edessa zu schicken. Ob der Sháh die Römer unterschätzte? Oder war er zu sehr mit seiner Innenpolitik beschäftigt? Oder - was viel wahrscheinlicher war - mit seiner Eitelkeit?


    Mißmutig blickte Surenas in seinen Becher. Schon wieder leer und niemand hier, der ihn hätte nachfüllen können, da der Satrap alle Bediensteten weggeschickt hatte, um eine Zeit lang alleine zu sein. Nun würden sie schlafen und Surenas hatte keine Lust, mit seinem Geschrei nach mehr Wein das halbe Lager aufzuwecken. Er trat vors Zelt und sah sich um. Außer den Wachen schliefen alle, allerdings zweifelte er nicht, dass auch irgendwo eine Wache schlief. Noch war dies zu verzeihen, sie waren noch im sicheren Binnenland, aber bald würde er denjenigen aufknüpfen lassen, der während der Wache einschlief. Ohnehin mußte er jemanden hinrichten, sowas hob die Moral und die Männer kämpften besser. Surenas blickte hoch zu den Sternen. In ein paar Stunden würde die Sonne aufgehen. Einer der Wachen hatte ihn nun bemerkt, kam zu ihm und fragte ihn nach seinen Wünschen. Surenas schüttelte stumm den Kopf, doch dann entschied er sich anders und er verlangte nach Wein. Und einen Boten. Es dauerte nicht lange, da wurden seine Wünsche auch erfüllt, und zwar genau in dieser Reihenfolge, was von Surenas sehr begrüßt wurde. Er ließ den Boten ein wenig warten, wollte er doch zuerst seinen Durst stillen und außerdem sollte der Bote ruhig wissen, dass er in der Rangordnung unten stand, auch wenn der Kommandant etwas von ihm wollte. Sonst kam sich noch ein gewöhnlicher Bote wichtig vor, ein unerträglicher Gedanke.


    "Du reitest sofort zum Satrapen Narseh Abgar nach Edessa und überbringst ihm meine persönliche Hochachtung und Ehrerbietung und so weiter. Dann meldest du unsere Ankunft in ein paar Tagen an und bittest ihn um Unterkunft und Verpflegung für mich und meine Männer. Er wird es nicht abschlagen, sollte er doch Sperenzchen machen, dann lässt du nebenbei fallen, daß wir vom Sháh in Sháh geschickt werden, verstanden?" Der Bote nickte und machte dabei ein Gesicht, als könnte ihn kein Wässerchen trüben. Wenn er unfähig war, dann zeigte er es zumindest nicht jetzt schon. "Gut, und solltest du der Prinzessin Shirin begegnen..." Surenas stockte. War es wirklich klug, ihr über einen Boten eine Nachricht zu schicken? Nein, er würde sie ohnehin bald sehen. "... was du allerdings kaum schaffen wirst, so überbringe ihr meine Glückwünsche zur baldigen Hochzeit mit dem ehrwürdigen Parthamasires, Neffe des Sháh in Sháhs." Shirin würde diese Nachricht besser verstehen als dieser tumbe Bote vor Surenas, der wieder verständnisvoll nickte und dabei keine Miene verzog. "Gut, beeile dich und komm mit der Antwort des Satrapen so schnell wie möglich zurück." Der Bote nickte wieder stumm, Surenas fragte sich, ob dieser wohl seine Zunge verloren hätte, und verschwand dann. Surenas hingegen trank noch einen Becher Wein und legte sich dann schlafen. In den nächsten Tagen würde er wieder viele Stunden im Sattel verbringen, so lange bis er endlich in Edessa war.

    Heute noch... Dabei war er heute erst angekommen. Nicht einmal ein Fest zu seiner Ankunft würde er geben können. In Gedanken grummelte Surenas und gab Ahriman alle Schuld an diesem Unglück. Er stellte seinen Kelch an, erhob sich mißmutig von den Kissen und verneigte sich vor seinem Sháh.


    "Die Voraussicht unseres Sháhs und die Geneigtheit Ahura-Mazdas werden uns zum glorreichen Siege über diese Hunde bringen." Surenas verabschiedete sich mit den üblichen Floskeln und Ehrenbekundungen, die einem Orientalen gegenüber seinem König so eigen waren und zog sich danach mit dem vom König bestimmten Lakaien zurück, um sich auf den neuesten Stand zu bringen. Es war keine halbe Stunde vergangen, da verließ Surenas den Palast und begab sich zu seinem Stadthaus. Er würde seine gesamte Sklavenschaft aufscheuchen um alle Notwendigkeiten für die anstehende Reise besorgen zu lassen.

    Der trockenen Kehle des Surenas nach zu urteilen, war es für den dargebrachten Kelch allerhöchste Zeit. "Auf Parthien." prostete Surenas zurück und nippte vom Wein, der für seinen durstigen Geschmack zu schwer war. Was für ein Jammer.


    "In der Tat, eine der größten Talente deines Neffen." In Wirklichkeit mußte dies seine einzige sein, so dachte Surenas. Er hielt nicht viel vom Neffen seines Sháhs, würde dies nur natürlich nirgendwo öffentlich zugeben. Es wurden schon mehr Adlige getötet für eine unbedachte Äußerung als in einem Krieg. Auch in seiner Verwandtschaft, obwohl die meisten, die es traf, waren außerordentliche Dummköpfe und hatten es nicht anders verdient.


    "Möge Ahura-Mazda deinem Neffen weiterhin so wohlgesonnen sein und seinen Pfad auch in Zukunft beleuchten." Surenas deutete einen Gruß an und trank dann den Kelch zur Hälfte aus. Mehr wollte er nicht von dem Wein, einerseits wegen der Schwere, andererseits wollte er nicht gierig erscheinen. Und insgeheim wartete er darauf, dass sein Sháh ihn aus der Audienz entlassen möge.

    'Wie überaus praktisch, gleich in der Nähe eine Armee parat zu haben.' dachte Surenas, nickte und schaffte sogar ein wohlwollendes Lächeln. "Niemand wird je die Weisheit meines Sháhs übertreffen können." antwortete Surenas. Anscheinend war dies schon von langer Hand geplant, der alte Fuchs.


    "Niemals würde ich es wagen, ein solches Angebot abzulehnen." meinte er fast zu seinem eigenen Erstaunen sogar ehrlich. Immerhin war ein Pokal Wein besser als keiner und zu befürchten hatte Surenas eh nichts, hatte er ja gerade erst einen Auftrag erhalten, den der Sháh mangels Alternativen kaum jemand anderen geben konnte. Allerdings, was wusste man schon, was in den Gehirngängen eines Sháh in Sháhs herumgeht? Aber jetzt war es ohnehin zu spät, er hatte schon angenommen.


    Wenigstens etwas gutes hatte die Order: so könnte er Shirin wiedersehen, und das noch, bevor sie an den Idioten Parthamasires verheiratet wird. "Mein Sháh, da fällt mir ein, wie schlägt sich dein Neffe in Armenia?"

    Er hatte es geahnt. Kaum war er da, musste er wieder weg. Und dann auch noch so ein Auftrag. Die Römer so einfach vernichtend besiegen, als ob es sonst nichts wäre. Vielleicht auch noch andere Wünsche? Sterne vom Himmel holen vielleicht gewünscht? Surenas unterdrückte mühsam das Verlangen, dem König eine sehr unadlige Geste zu zeigen und kompensierte dieses Verlangen mit einem Nicken.


    "Ich werde mein möglichstes geben. Es gibt da nur ein Problem: Bis meine Getreuen aus meiner Satrapie vollzählig ausgehoben und bewaffnet sowie hier eingetroffen sind, wird es mindestens mehrere Wochen dauern." Ohne Armee konnte er ja schlecht irgendwo hinziehen und sich den Römern stellen, vielleicht würde der Sháh jetzt davon absehen und Surenas hätte doch seinen kleinen Urlaub?

    Die Frage nach seinem Vater bejahte Surenas mit einem angedeuteten Nicken. Damit war der Höflichkeit Genüge getan und er folgte dem Weisen des Königs und setzte sich auf den ihm zugewiesenen Platz. Kurz überlegte er, ob er sich Zeit lassen sollte bis er es bequem hatte, aber angesichts der Laune des Sháhs unterließ er solche Spielereien. Allerdings nahm er angesäuert zur Kenntnis, dass der Sháh anscheinend seine gute Kinderstube vergessen hatte, denn ein Getränk wurde ihm noch immer nicht angeboten. Seine linke Augenbraue zuckte ein wenig ob dieser Nachlässigkeit, den höflichen Teil der Audienz hatte man tatsächlich schnell hinter sich gebracht. Nun, vielleicht konnte man den Rest genauso schnell absolvieren. Surenas unterdrückte einen Stoßseufzer und ließ nur einige Gedanken zu den vergangenen Stunden zu, welche er in zweifelsohne viel angenehmerer Gesellschaft als der jetzigen verbrachte. Und hübscher waren sie auch. Und jünger. Und besser gelaunt. Aber so hatte er die Vorfreude auf die Zeit nach der Audienz, wenigstens etwas.


    "Ja." antwortete er gedehnt. "So nebenbei. Und?" sprach er mit einem leichten Grinsen, der etwas süffisantes an sich hatte. Allerdings wäre sein Spruch gerade noch lässiger und arroganter gekommen, wenn er nebenbei etwas geknabbert hätte, aber die Höflichkeit des Königs war an diesem Tage schon unterirdisch anzusiedeln. Was für ein Jammer.