Beiträge von Servius Artorius Reatinus

Zitat

Original von Lucius Quintilius Valerian

Ja, sicher war es die Pflicht der Offiziere, die Leben der Probati zu schützen. Aber in Valerians Augen schmälerte dies nicht die Tat an sich. Er wußte nur zu gut, wie knapp es gewesen war. "Er muß noch im Valetudinarium bleiben, weil er Probleme beim atmen hat. Es... es geht ihm bestimmt auch bald wieder gut. - Jedenfalls, ich werde euch das nicht vergessen. Dir und dem Centurio." Es würde zwar kaum eine Gelegenheit geben, einem der beiden diese Tat zu vergelten, aber sie sollten immerhin wissen, daß er dankbar war und so etwas eben nicht als Selbstverständlichkeit nahm.

"Kein Problem, Probatus... ich verstehe.", entgegnete der Optio mit einem verständnisvollen Nicken für den Probatus, der sich im Valetidunarium aufhielt, behielt jedoch die gewohnte Militär-manier in der Stimme bei. Reatinus wusste, dass ein Aufenthalt im Krankenhaus des Castellums unangenehm werden konnte. Hoffentlich behandelte ihn nicht Metzger-Marcus. Diesen Spitznamen erhielt ein Medicus dort, der wohl lieber den Berufszweig als Fleischer eingegangen wäre.

Es war so gesehen eigentlich schade, dass es lernwillige Rekruten erwischen musste. Aber so konnte das Schicksal eben jeden Treffen. Selbst einen Centurio oder einen Optio, egal in was für einer Form. Doch trotzdem freute sich Reatinus über den Dank. So etwas machte eben immer wieder glücklich.

"Du darfst abtreten, wenn es nichts mehr gibt."

Alles Gute nachträglich!

Verblüfft blickte Reatinus drein. Den hatte er doch neulich mit dem Centurio aus dem Rhenus gezogen! Er hatte schon einmal das ein oder andere Leben gerettet, doch Valerian war der Erste, der sich so offen dafür bedankte. Er bemerkte auch, dass Valerian rot wurde. Aber Mut hatte der Mann!

"Kein Problem, Probatus. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, schließlich wollen wir nicht, dass unsere Probati bei der Ausbildung abnippeln.", antwortete er grinsend. "Was ist mit deinem Kameraden? Gehts ihm einigermaßen gut?". Warscheinlich hatte es den anderen Probatus schlimmer erwischt, als Valerian. Dieser war ja schon auf den Beinen.

Reatinus lag eigentlich erschöpft auf der Pritsche und hatte sich nichtmal eine neue Tunika übergezogen, schon klopfte es an der Türe. "So ein Mist...", murmelte er und sprang auf. Er wühlte unter der Pritsche eine frische Tunika heraus und zog sie sich über. Es sah wirklich nicht ordentlich aus, aber für den unerwarteten Besuch müsste es reichen. Einige geschlagene Sekunden vergingen, bis man auf der anderen Seite der Türe ein "Herein!" vernehmen konnte.

Reatinus nickte seinem Centurio nur flüchtig zu, so dass es niemand merkte und trat dann mit aufgebauter Brust und verschränkten Armen zu den Probati. Man konnte relativ leicht fest stellen, wie erschöpft sie waren, schon weil man den Schweiß riechen konnte. Und das bei diesem kühlen Wetter!

"Ich denke, jetzt dürfte allen klar sein, was das Pilum ist und wie es eingesetzt wird! Damit beenden wir die Ausbildung für heute, und spült euch den Schweiß vom Körper - ihr stinkt, als ob ihr Latrina putzen wart! Probati, abite!"

Vergnügt stand Reatinus einige Meter vom Centurio entfernt und hörte zu, wie er Valerian ausfragte. Dabei erinnerte er sich an seine eigene Ausbildung. Wie fies war es doch, wenn ein Centurio eine Frage stellte, auf die man die Antwort manchmal nicht wusste. Oder eben, man wusste sie doch. Fies war es trotzdem.

Zufrieden beobachtend lief der Optio auf und ab. Die Würfe der Probati wurden mit jedem Mal besser. Sie trafen weiter und Präziser.

"Tollite Pila!!"

"Mittite!!"

So hallte es weiter auf dem Exerzierplatz. Lange brauchte man diese Übung nicht mehr durchziehen.

"So gesehen kann man nie genau sagen, wo sich ein Gegner bewegt! Aber bei der Schlacht ist es doch selbstverständlich, dass der Gegner vorrückt! Aber du lernst erst, stehende Ziele zu treffen!" , erklärte der Optio mit gewohnt grob-militärischem Tonfall. Anders sollte man als Offizier ja nicht klingen.

"Tollite Pila!!"

"Mittite!!"

Das der Centurio die Augenbraue hob, merkte Reatinus nicht, aber es hätte ihn nicht gewundert. Beide schienen wohl ihre eigenen Systeme zu haben. Denn Reatinus´ System war zum Beispiel, auch das Zielen zu erlernen.

"Los, ihr wollt doch keine Muttersöhnchen bleiben, also trefft endlich die Ziele!!"

Er wandte sich trotzdem an Crispus, während die Probati noch beim Wurf waren. Reatinus wollte sich einfach erkundigen, ob soweit alles in Ordnung war mit seiner Ausbildung.

"Centurio Petronius, ich weiss, das System mag etwas anders sein. Ich dachte, sie sollten auch lernen, mit den Pila zu treffen. Schließlich hat uns das Pilum ja weit gebracht, eben weil es traf. Ist es denn soweit in Ordnung?"

Zu Reatinus´ Zufriedenheit bauten die Probati sogar schon die Übungspuppen auf. Sie sahen zwar schwer abgenutzt aus, würden aber für ihre Zwecke reichen. Außerdem wollte warscheinlich eh niemand die Sesterzen dafür aufbringen, die Übungsausrüstung zu erneuern.

"Wie ihr schon wisst,...", fuhrt Reatinus fort, "... werfen nur die erste Reihe, die Zweite und Dritte rücken nach und werden ebenfalls ihre Pila los! Zu Übungszwecken seid ihr nun einfach in einer Dreierreihe aufgestellt!"

Als Reatinus fertig war mit der Erklärung, stellte er sich an die linke Seite der Dreierreihe. "Euer Centurio auf dem Feld wird euch befehlen, wann eure Pila zum Einsatz kommen! Doch da ich heute ausbilde, stellt ihr euch vor, ich sei ein Centurio! Zielt auf die Übungspuppen!". Wie gerne wäre Reatinus wirklich Centurio...

"Tollite Pila!!" ( Fertigmachen zum Pilumwurf!! )

"Mittite!!" ( Feuer!! )

Der Optio schaute sich die mehr oder weniger guten Würfe an und drehte sich danach zu Primus. "Ja, die gibt es, und weil du so schöne Vorschläge machst, darfst du auch gleich die Übungspuppen aus der Horrea holen!". Dann zeigte er auf fünf weitere Probati, die ihn schon ahnend ansahen. "Und ihr helft ihm!".

Diesmal wollte er eine Stufe höher gehen - das Werfen in Formation mit Zielen. Das müsste man so lange durchziehen, bis auch der Letzte gut zielen und werfen konnte, spekulierte Reatinus. Während Primus also mit einigen Probati die Übungspuppen holte, befahl Reatinus weiterhin: "Holt die Holzpila vom Platz zurück und stellt euch in drei Reihen auf!".

Es war ja so schön, Befehle zu erteilen.

Als sich jeder mit einem Holzpilum bewaffnete, gab Reatinus umgehend weitere Befehle.

"In aciem venite!!"

Danach begann er zu erklären.

"Das Pilum wird in der Regel nur von der ersten Reihe in der Formation mit Anlauf geworfen! Danach rücken die Zweite und die Dritte Reihe nach! Da jeder Legionär zwei Pila hat, sind somit sechs Salven möglich!
Doch bevor ihr das Werfen in Formation lernt, lernt ihr überhaupt erst das Werfen."

Der Optio nahm sich eines dieser Übungspila und wollte den Probati vorführen, wie es funktionierte. Dazu zeigte er mit dem Pilum in einen 45° Winkel.

"Aus diesem Winkel müsst ihr werfen. Und aus dieser Stellung..."

Dann führte er auch die Ausgangsstellung vor. Das rechte Bein nach hinten und das Linke nach vorne. Dann nahm er Anlauf und als er jenen beendete, konnte man seine Beine in der gleichen Stellung wie vorhin vorfinden. Das Pilum flog schnurgerade und bohrte sich auf den Boden der Exerzierplatzes.

"Wichtig ist: Das Pilum immer untenrum am Schwerpunkt halten, den Arm gerade nach vorne schleudern und natürlich rechtzeitig loslassen! In der linken ist im Normalfall immer das Scutum, und das Pilum haltet ihr in der Rechten!"

"Sehr gut, Probatus! Zurück ins Glied!", rief Reatinus. Es war es an der Zeit, auch das Praktische zu lernen. Theorie ohne Können brachte nämlich überhaupt nichts. "Probati, damit wir nicht allzu theoretisch werden und euch nicht die Schädeldecke platzt, gehen wir in die Praxis über! Nicht weit neben Centurio Petronius sind einige Holzpila für die Übung! Los, jeder nimmt sich Eines!"

Der Optio war wie sonst immer neben dem Centurio und trat mit einem seiner Pila an, um die erste Lektion für heute zu beginnen. Es war traurig, aber wahr, dass einige Probati fragend auf diesen "Gegenstand" starrten, den selbst der dümmste Legionär als Pilum bezeichnen würde. Aber sie würden es noch lernen.

Als alle in mehr oder weniger voller Montur angetreten waren, erklärte der Optio, was ein Pilum überhaupt ist.

"Probati!

Dieser Gegenstand, den ich in meiner Hand halte, ist ein Pilum! Das Pilum ist ein Wurfspeer, der seinen Einsatz meistens in den Schlachten findet! Wir ihr sehen könnt, ähnelt er einem Speer, doch die Metallspitze oben ist viel länger und der Schaft...", er zeigte dort hin, wo die Metallspitze anfing, "... besteht aus weichem Eisen! Das hat den Nebeneffekt, dass die Pilumsspitze beim Aufprall verbiegt! Das Opfer, in dem dieser Wurfspeer steckt, wird eine schmerzvolle Erfahrung haben und die zähen Jungs, die es raus ziehen können, hab keinen Nutzen mehr davon. Das heisst, es kann nicht zurück geschleudert werden! Außerdem kann man mit dem Pilum ganze Schilde untauglich machen, weil es sich darin verankert und jedliche Bewegung nur erschwert! Ja, manchmal durchbohrt es auch das Schild und spießt den Feind dahinter auf! Deshalb ist das Pilum als Waffe von großem Wert für die Legion!".
Als Reatinus seine kleine Rede beendete, streifte er durch die Reihe. Wie aus der Pistole geschossen zeigte er zu Primus. "Du zeigst uns, ob du zugehört hast! Erläutere den Begriff `Pilum´!"

Reatinus lächelte zurück und legte sich anschließend auf eine Liege, die genauso war wie die, auf die sich Crispus befand.

"Danke für das Vertrauen, Crispus.", antwortete er, während eine hübsche, junge Sklavin anfing, seinen Rücken durch zu kneten. Dann kam ihm eine Frage in den Sinn. "Was hast du denn so für Vorstellungen, was deine Karriere anbelangt?"

Der Optio wartete geduldig, bis die Auzubildenden die Befehle ausführten und zurück schwammen. Er wunderte sich, ohne es sich anmerken zu lassen. Woher konnte jeder von ihnen schon ohne Bedenken und Übung schwimmen?

Doch das war nun auch egal, denn viel wichtiger war es, dass die Probati sich nicht langweilten.

"Ihr seid ja noch bei Kräften! Schluss mit den Aufwärmübungen, los, noch drei Mal ans andere Ufer und zurück!"

Da nun Stille herrschte und man nur das tosende Rauschen des Rhenus hörte, setzte sich Reatinus einfach auf den Kiesboden des Ufers. Vorher war er noch pitschnass, doch die sanften Windstöße trockneten das Wasser auf seiner Haut. Gelangweilt warf er ein paar Steine ins Wasser.

Reatinus befeuchtete sich schon die Lippen, um den letzten Probatus zu bestrafen, als dieser genau in der fünften Sekunde noch ins Wasser sprang. Tja, war wohl nichts.
Daraufhin wandte er sich nun an die Probati, die schon im kalten Wasser des Rhenus standen.

"Probati, ihr schwimmt jetzt alle bis zum gegenüberliegenden Ufer und wieder zurück! Abite!"

Auch Reatinus war heilfroh, dass das Training heute vorbei war. Nun konnte er sich entspannen und sich für den nächsten Tag ausruhen. Also trat er ab und ging zuerst in seine Unterkunft.

Keuchend stand der Optio - splitternackt, vor all den Rekruten - da und schnappte sich die Fetzen seiner zerrissenen Tunika, nachdem er den halb tot scheinenden Legionär auf den Kies des Ufers gelegt hat. Er hatte zumindest etwas, was er sich um das Becken binden konnte, um seine Genitalien zu verbergen. Eigentlich war es ja nichts Tragisches, zumal man sich hier ja in einer römischen Gesellschaft befand, doch Reatinus fühlte sich unwohl, wenn jeder Probatus auf sein bestes Stück starrte.
Als er sich den Tunikafetzen umgebunden hatte, schaute er mit dem Centurio nach den Probatus. Sein Keuchen ließ nach und der Körper des Optios beruhigte sich wieder. Da half den beiden Probati auch kein Medicus, sondern nur Zeit. Zeit und Ruhe, um so einen Schock zu verdauen.

"Soweit alles in Ordnung, Centurio?"

Reatinus stieg natürlich auch aus dem Becken und lief tropfend neben dem Centurio her. "Wirklich? Du hast mich vorgeschlagen?", antwortete er glücklich, machte erfreute und zugleich erstaunte Gesichtszüge . Seine Glücksträhne an diesem Abend setzte wohl noch fort. Erst konnte er Corvinus´ Symphatie (und damit Unterstützung) ergattern und dann hörte er, dass er vielleicht bald befördert wäre. Natürlich war Reatinus nicht abgeneigt, zu danken. "Danke dir, Crispus!"