Beiträge von Servius Artorius Reatinus

    "So, so, Probatus Minucius also...", zischte Reatinus und wandte sich besagtem Probatus zu. Während er Brutus wieder außer Acht ließ, musste Minucius den durchdringenden, gefährlichen Blick des Centurios über sich ergehen lassen und den Reflex unterdrücken, angesichts dessen verängstigt das Weite zu suchen. Reatinus wusste, dass den Probatus alleine nicht alle Schuld, aber wenigstens die Hauptschuld traf. Probatus Atrius war es, der sich mitten in der Übung nach vorne gewagt hatte und ein Teil somit auf seine Kappe ging. Wenigstens ein Grund, Minucius eine unehrenhafte Entlassung zu ersparen, zumal dieser wohl nicht absichtlich traf.


    Mit leiser, direkter Stimme fragte Reatinus den Probatus: "Was bei den Göttern bringt dich auf die Idee, auf einen Kameraden zu schießen?". Gewaltsam musste der Centurio einen Schrei unterdrücken, der wohl wieder die Ohren der anwesenden Probati zum Klingeln gebracht hätte. Er ersparte es seinem Stimmorgan jedoch schließlich, welches heute zur Genüge belastet war.

    Reatinus Augenbrauen schnellten schlagartig in die Höhe, als er Crispus´ Namen zusammen mit dem Wort Ruhestand in einem Satz vernahm. War Crispus schon tatsächlich so alt, dass er langsam in den Ruhestand geschickt wurde? Hatte er seine 20 Jahre schon hinter sich gebracht?
    Reatinus betrauerte diese Angelegenheit, denn mit dem derzeitigen Primus Pilus ging nicht nur ein großer Soldat von der Legion, sondern auch Reatinus´ hochgeschätzter Freund. Schielend wanderten des Centurios Augen zu seinen Männern. Auf einmal erntete er Blicke, die er den Milites ganz und gar nicht übel nahm. Aber wie jetzt? Dachten die etwa, Reatinus würde befördert werden? Naja, schön wär´s! Auch für den Optio, der sich seinen Aufstieg sicherlich verdient hat.


    Gespannt beobachtete Reatinus das Geschehen vorne und die anstehende Reaktion des scheidenden Primus Pilus...

    Es sollte wohl nichts werden mit der von Reatinus ein wenig zu optimistisch erhofften Umsetzung des Befohlenen. Während Simplex ihn mit einer tatsächlich unwichtigen Frage ablenkte, blieb genügend Zeit, irgendwie etwas auszufressen, was man in letzter Zeit wohl liebend gern tat. So konnte der Schreihals keinesfalls den Probati Atrius und Minucius Aufmerksamkeit zollen, welche ein Risiko eingingen, das ungeahnte, aber ernsthafte Folgen haben würde.


    "Centurio Artorius, mit welchen Fingern spanne ich nochmal an...?", fragte Simplex kleinlich und sichtlich eingeschüchtert. "Mit Zeige- und Mittelfinger, Probatus.", antwortete Reatinus kopfschüttelnd. "Ah... danke, Centurio.".


    Plötzlich erschallte die Stimme von Brutus, die seine Kameraden zur Vorsicht aufforderte. Der Aufschrei ließ Reatinus zunächst zu dem riesigen Duccier blicken und sich anschließend fragend umsehen. Doch konnte Reatinus zunächst nichts ausmachen. Sah der Mann etwa Gespen... aber nein! Nicht doch! Kurz darauf musste Reatinus ein wirkliches Unheil erblicken, nachdem er ungläubig über Simplex´ Schulter zu den Zielscheiben blickte. Der Pfeil, den Minucius abgeschossen hatte, traf, aber leider das falsche Ziel. Es war schon längst zu spät, als der Artorier Atrius verwundet und fluchend auf dem Boden liegen sah. Reatinus konnte nichts mehr verhindern, doch er glaubte nicht, was sich da vor seinen Augen abspielte, was ihn zunächst dazu brachte, sich die Augen ordentlich zu reiben. Er musste den blutenden Verwundeten schnellstmöglich versorgen, bevor es diesem schlechter ging als jetzt schon. Erst einige Sekunden nach dem Fluchen des Probatus registrierte Reatinus tatsächlich, was los war. "Oh, scheisse. Ihr Götter, das kann nicht euer Ernst sein.", murmelte Reatinus und ließ Simplex verwirrt dreinblicken, was jener aber sicherlich schon oft genug tat. Mit einem unsanften Stoß schubste Reatinus den Verwirrten Probatus beseite und rannte hektisch zu Probatus Atrius, während er noch im Lauf "Feuer einstellen!" schrie. Dies schürte natürlich die Neugierde unter den Probati.


    Angekommen warf sich Reatinus eiligst vor Atrius hin und sah sich die Verletzung sorgfältig an. Der Pfeil steckte tief im Oberschenkel, aber zum Glück würde der Mann noch durchkommen. Hier konnte Reatinus jedoch nicht viel für Atrius tun, weshalb dieser schnell ins Valetidunarium musste. Außerdem hielten sich die medizinischen Kenntnisse des Artoriers in Grenzen.
    Reatinus brach den halben Pfeil ab, während der Getroffene weiterhin blutend und gegen seine Schmerzen ankämpfend auf dem Boden jammerte. Mit seinem Halstuch verband er provisorisch die Wunde, ohne die Pfeilspitze tiefer in den Oberschenkel zu rammen. "Das wird schon, keine Sorge.", ermunterte der Centurio mit einem Flüstern. Das sollte einen zu großen Blutverlust wenigstens verhindern, hoffte Reatinus. Jetzt musste jemand Atrius schleunigst in das Valetidunarium bringen, wo ihn der Medicus oder die Capsarii behandeln konnten. Reatinus´ Wahl fiel auf zwei zufällig gewählte Probati, welche schaulustig waren und unbedingt das Geschehen mitzuverfolgen versuchen.


    "Probati, bringt Probatus Atrius schnell in das Valetidunarium! Lasst euch keine Zeit, doch seid auch vorsichtig! LOS JETZT!", befahl Reatinus mit auffordender, scharfer Stimme. Reatinus fasste sich an die Schläfe, wo schon wieder eine Ader heraussprang. Das war´s. Die Übung wäre wohl bald beendet, doch zunächst musste der Schütze Rede und Antwort stellen. Reatinus´ Blick fiel auf Brutus, der vor einigen Minuten noch einen Warnschrei ausstieß.


    "Probatus Duccius! Von DIR will ich jetzt wissen, wer den Pfeil abgefeuert hat! Am Besten sagst du es mir sofort, wenn du in der Legion bleiben willst!".

    Auch der Legat war mittlerweile eingetroffen, so imposant, wie der Oberste in der Legion nun einmal zu wirken pflegte. Mit skeptischen Blicken beäugte der Schreihals die zu spät gekommenen Milites, während sie sich in die Formation gliederten. Dieses Mal ließ Reatinus das noch durchgehen, zumal auch schon der Primus Pilus das Wort ergriff und den Appell mit hühnenhafter Stimme startete. Niemand überhörte die lauten Schreie des ersten Speers, den Befehlen wurde deshalb sofort Folge geleistet.


    Bald waren die Augen von Hunderschaften an Soldaten auf einen einzigen Mann, den Legaten gerichtet. Dieser hatte jetzt das Wort und würde höchstwahrscheinlich eine kleine Rede halten, wie Reatinus selbst sie schon unzählige Male gehört hatte. Wartend blickte auch der Centurio zum Legaten und behielt nebenbei seine Männer im Auge, dass sie sich ja keine Flausen in den Kopf setzten.

    Reatinus´ Erwartungen waren wirklich nicht zu hoch gesteckt und obwohl er sowohl schlechte als auch gute Ergebnisse erblickte, wollte er, dass die Guten überwogen. Dies war leider nicht der Fall, weswegen Reatinus weiter üben lassen wollte. Mit lauter Stimme gab er weitere Befehle aus. Am liebsten würde er nach wie vor den Exerzierplatz verlassen, obwohl er sich mittlerweile beruhigt hatte, nach dem Ereignis und der stimmgewaltigen Kulisse von vorhin.


    "Probati, das geht noch besser! Macht dieses Mal noch zusätzlich zehn Schüsse! Wenn jeder mindestens sechs Mal trifft, bin ich zufrieden, ihr sollt ja keine Profis in dieser Disziplin werden!".


    Mit verschränkten Armen und autoritäter Haltung versuchte Reatinus streng, aber wenigstens ein wenig geduldig zu wirken. Er wartete gespannt, wie die Rekruten ihre Befehle umsetzen würden...

    Phaeneas schien sich schon bereit gemacht zu haben, jeden Moment zu gehen, bis er sich doch anders entschied und schnell wieder von dem Gespräch gefesselt wurde. Dies gab Reatinus zu denken, wie lange sie wohl schon diskutierten und ob er morgen wieder fit wäre, die Soldaten zu trainieren. Na hoffentlich, er musste es tun, ob er nun fit war oder nicht. Es war garantiert schon sehr spät in der Nacht und das Gespräch war gefühlt sehr schnell, doch zog es sich unheimlich in die Länge. Aber Reatinus ließ keine Fragen offen, vor allem nicht jene berechtigte Frage, die Phaeneas nun doch noch stellte, als er sitzen blieb.


    "Nun... ich meinte eigentlich, dass ich damit lebe, wenn meine Entscheidung falsch war. Die richtigen Entscheidungen bereichern unser Leben. Falsche Entscheidungen sind uns eine Lektion.", erklärte Reatinus, wie er die Dinge sah. Reatinus´ Blick wandte sich kurz. Jetzt war er schon eine Weile ohne Vinum ausgekommen und zu verführerisch war der Gedanke an noch einen Becher. Doch er war niemand, der seinen Sold versaugen ging, weshalb er sich enthielt. Stattdessen erhallte ein Ruf nach einem Schluck Wasser durch die Taberna. Oder besser gesagt Zwei. Mit irgendetwas musste man sich die Kehle ja anfeuchten!


    "Wirrrt! Zwei Becher Wasser!".


    Eine Frage aus Neugierde fiel Reatinus nun doch noch ein...


    "Sag, stelle dir vor, du würdest freigelassen werden und sogar gehen. Was würdest du tun? Wo würdest du hingehen?".
    Obwohl ja das eigentlich das Problem sein sollte, weshalb der Bythinier auf eine Freilassung verzichtet hätte, wäre ihm die Möglichkeit geboten.

    Ausgang! Noch besser konnte es ja kaum kommen! Kaum hatte der Centurio und neue Primus Pilus seine Worte beendet, suchten erste Legionäre erfüllt von Tatendrang das Weite. Der Optio hingegen blieb einen Moment lang stehen, um Crispus lächelnd zuzunicken. So weit hatte er es also geschafft... Crispus hatte auf eine stolze Karriere zurückzublicken, worum Reatinus ihn ein klein wenig beineidete. Doch er gönnte es ihm. Zu gerne hätte der Optio Crispus jetzt persönlich beglückwünscht, doch da dieser mit dem Legaten redete, ließ er es lieber sein und störte nicht weiter. Die Freude über die Beförderung von Reatinus´ Freund Crispus wurde nur durch die Tatsache betrübt, dass die beiden sich nun nicht so oft sehen würden. Sie waren nun so weit voneinander entfernt... zu selten hatte Reatinus den letzten Primus Pilus gesehen oder gar mit den Veteranen zu tun gehabt. Ihn beschlich die Sorge, dass es nun auch so sein würde.


    Schließlich machte Reatinus kehrt und verließ im Schlepptau der anderen, sich freudig über die Aktivitäten des Abends verabrenden Soldaten das Forum.

    Der Optio musste nicht lange warten, denn unter dem Radau einer aufmarschierenden Legion trat auch Reatinus gehüllt in seiner Lorica auf dem Platz. Als die Ersten den Aushang für den Appell gelesen hatten, dauerte es nicht mehr viel Zeit, bis sich die Neuigkeit rasant und ununterbrechlich herumsprach. Der letzte Appell war schon eine Weile her, weshalb die Atmosphäre wieder etwas ungewohnt schien. Die vielen Soldaten, tausende von Schritten und und nur vergleichsweise wenige Centuriones und Optiones, die ihre Männer an die richtigen Positionen brüllten. Der Aufmarsch einer Legion war wie immer gewaltig und ein beeindruckendes Schauspiel.


    Reatinus suchte seinen Optio auf und nickte ihm zu, dass alles in Ordnung wäre. An den richtigen Postionen hatte die Centuria IV sich schon versammelt und wartete auf die Befehle, sich zu formieren. Reatinus ließ nicht auf sich warten und musste laut schreien, damit unter dem Getöse etwas zu hören war.


    "Milites, venite!!"


    "Oculos ad prosam!" ( "Augen gerade aus!" )


    "State!"


    Anschließend blickte Reatinus nach vorne, wo sich der Primus Pilus befand, der ein wenig aufgeregt zu sein schien. Sich fragend, was das wohl für Gründe hätte, wartete der Schreihals an der Seite seiner Centurie ab. Mittlerweile kamen nach und nach die anderen Centurien in Position...

    Nach dem respekteinflößenden Brüllen und einigen dahergemurmelten Flüchen von Reatinus fand sich jeder Probatus schnurstracks auf dem staubigen Exerzierplatzboden wieder, wo sie ihre anstrengende Zusatzaufgabe bewältigten. Niemanden kam es auch nur in den Sinn, Reatinus´ Tag noch weiter zu verschlechtern. Es war eine kluge Entscheidung, die leider zu spät kam! Viel zu spät!
    Mit einer Stimme, so kräftig wie das Brüllen eines Löwen zählte Reatinus die Liegestützen an und zog sie damit antrengend in die Länge.


    "I... II... III... IV... V...!"


    Während Reatinus mit prüfenden Blicken umher lief und unentwegt weiter zählte, dachte er über seine eigene Legionärszeit nach. Er sah sich selbst Liegestützen auf dem Campus machen und sich verausgabt fragen, wie lange die Arme das Spiel noch mithalten würden. Er vergaß das Keuchen der Probati und tat so, als hätte er die vorsichtig geflüsterten Verwünschungen über jene überhört, welchen man die Strafübung zu verdanken hatte.


    "... LXXIII... LXXIV... LXXV. So, und jetzt auf die Beine, los!", befahl Reatinus streng und setzte dann das geplante Programm fort. Da er nun schlechter gelaunt war, als er ohnehin schon war, konnte ihn selbst nichts mehr auf dem Exerzierplatz halten. Grund genug, jetzt keine Ruhepausen einzuleiten und nahtlos weiterzumachen...


    "Nehmt die Bögen wieder zur Hand, rüstet euch aus der Kiste mit jeweils fünf Pfeilen aus und stellt euch dieses Mal RICHTIG gegenüber der Zielscheiben auf!". Während die Probati an ihre Positionen eilten, rüstete sich Reatinus zu Demonstrationszwecken selbst mit einem Bogen und einem Pfeil aus. Da jeder nun schlagartig so viel Respekt vor dem Schreihals hatte, dauerte es nicht sehr lange, bis alle ordnungsgemäß in Position waren. Stumm stellte sich Reatinus vor den Probati auf, bis er mit etwas beruhigter Stimme zu erklären anfing:


    "Im Prinzip ist das Bogenschießen nicht so schwer! Den Pfeil an die Sehne anlegen, dass die Spitze in die Schussrichtung zeigt! Mit Zeige- und Mittelfinger wird die Sehne dann angespannt! Wenn ihr anschließend gezielt habt, lasst ihr los und seht zu, wie der Pfeil fliegt! Das Schießen ist leicht, das Treffen ist schwieriger! Beachtet beim Zielen Windrichtung, Windstärke, Flugbahn und Schussstärke! Versucht euer Glück!".


    Letztendlich gab Reatinus einen Schuss ab, der relativ mittig, aber nicht ins Schwarze traf.

    Oh ja, die Laune des Centurios sollte sich wohl noch massiv verschlechtern, als er einige Probati erblickte, die den Befehl "an den Zielscheiben aufstellen" wohl doch viel zu wörtlich nahmen. Im Gegensatz zu Narcissus bemächtigte sich Reatinus einer rüden Militärsprache, die wohl mehr als nur deutlich genug war. Eine Ader an Reatinus Schläfe fing an, kräftig zu pochen, ehe er nun nun endlich das tat, was wohl alle Anwesenden erwarteten.


    "Habt ihr eigentlich nur Scheisse im Hirn!!? Mit ´an den Zielscheiben´ war gemeint, ihr sollt euch gegenüber dessen aufstellen, damit ihr schießen könnt! Bei Juppiter, schwingt eure lahmen, verdammten Ärsche hier rüber, damit ich sie aufreißen kann!!", brüllte Reatinus und machte seinem Spitznamen alle Ehre. Hoffentlich hatten die Equites keine Probleme mit ihren Pferden bekommen... und einige Ausbildungstruppen hörten sich neugierig umblickend mit ihren Übungen auf, wurden ihrerseits jedoch von den anderen Centuriones angeschissen.
    Unter den Schreien des Centurio erschracken die Probati unmittelbar neben ihm fürchterlich und zuckten schockiert zusammen. Doch noch mehr Angst hatten jene, die mit dem Brüllen gemeint waren, was sie natürlich sofort wieder zurück zu ihren Kameraden flitzen ließ, welche verstanden, was Reatinus meinte.


    "Ich habe euch gesagt, dass ich einen schlechten Tag habe und ihr habt es provoziert! 75 Liegestützen, auf der Stelle, ALLE! Ihr werdet Blut schwitzen, das garantiere ich euch!".

    Reatinus und die restliche Truppe staunten allesamt nicht schlecht, als der Centurio und bald schon Primus Pilus seine Auszeichnung entgegen nahm. Der Optio freute sich wirklich für Crispus, war er doch sein wichtigster Freund in der Legion... und hatte er sich dies auch redlich verdient. Der Dienst, den er in der Truppe leistete, war herausragend und beispielhaft, wie Reatinus fand. Wer sollte die Centuria IV jedoch führen und wer kam dafür aus der Truppe in Frage? Der Centurio und der Legat wussten dies bestimmt.


    Letztendlich warf die angekündigte Beförderung von Crispus viele Fragen auf. Würde in der Legion nicht die strikte Disziplin herrschen, die man von einem Soldaten erwartete, würden jetzt wohl alle aufgeregt spekulieren und umeinander reden. Gespannt wartete Reatinus auf die Reaktion von Crispus. Er zeigte nicht sehr oft Emotionen... würde er dies so halten können?

    Nach der ausgiebigen Keuchparade, welche von den Probati dargeboten wurde, erwartete Reatinus jeden Einzelnen zurück. Sie keuchten und schwitzten nach dem Lauf, aber sie brachten eine akzeptable Leistung, wenn man betrachtete, dass sie in den schweren Loricae gelaufen waren. Die beiden Männer, welche die Bögen holen gegangen waren, kamen recht schnell mit den Kisten an, welche das für Legionäre etwas ungewöhnlichere Übungsmaterial beeinhalteten. Daraus schloss Reatinus zumindest, dass sein Druckmittel wenigstens ein bischen Wirkung zeigte. Aber bevor ihm die Probati und er selbst zu ungeduldig wurden, setzte er die Grundausbildung fort...


    "Probati, venite! In aciem venite!".


    "Jetzt werden wir mal wirklich mit den Bögen anfangen! Schnappt euch NACHEINANDER einen Übungsbogen und strapaziert dabei meine Nerven nicht! Danach stellt ihr euch an den Zielen auf, welche für das Bogenschießen vorgesehen sind!". Reatinus zeigte nördlich des Exerzierplatzes, wo Scheiben mit kreisförmigen Markierungen für das Bogenschießen standen. In seiner Stimme spiegelte sich die Laune wieder, welche er an jenem Tag hatte.

    Allmählich hatte jeder derer, die für eine Auszeichnung in Frage kamen, ihre Phalerae erhalten... wirklich jeder? Wie es schien, nicht. Für Crispus winkte sicherlich noch eine Auszeichnung, der es verstand, seine Truppe durch die Hölle des Gefechts zu führen. Centurio Petronius meldete sich anschließend bei dem Obersten der Legion, welcher dem Geschehen stumm revue passieren ließ. Was wohl jetzt passieren würde?


    Die Augen von Reatinus und der ganzen Truppe waren auf das Geschehen vorne bei den beiden Offizieren gerichtet. Alle waren neugierig, was den Petronier nun erwarten würde.

    "Vale, Tribunus.", verabschiedete sich Reatinus von dem Tribunen, in dem Wissen, dass es womöglich ihr letztes ausführliches Gespräch war. Und schon war Ursus verschwunden, herbeigewinkt von einem Decurio aus der Reiterei. So verblieb Reatinus in der Gesprächsrunde. Sein Vinum war mittlerweile geleert, aber das machte nichts. Ein Weiteres wollte er sich aus Arbeitsgründen nicht mehr gönnen. Aber passend zum Weggang des karrieremachenden Aureliers fiel Reatinus jetzt wenigstens ein Gesprächsthema ein.


    "Tribunus Aurelius war ein guter Mann. Ich muss zugeben, bevor er da war, hatte ich kein wirklich gutes Bild von den senatorischen Tribunen. Aber er hat mich eines Besseren belehrt. Was meint ihr?", fragte Reatinus grinsend in die Runde.

    Letzte Nacht hatte Reatinus relativ schlecht geschlafen, was sich heute unweigerlich auf seine Laune auswirkte und damit auf die Geduld, die er den Probati entgegenbringen würde. Immer wieder erwachte er gestresst auf seiner Pritsche, einmal jedoch auch mit Nackenschmerzen am Boden liegend. Man konnte zum Glück sagen, dass Reatinus nicht übertrieben müde und geschlaucht war, da er wenigstens ab und zu ein Auge zudrücken konnte. Ein wenn auch nur kleiner Trost... die Probati sollten sich heute dennoch keine Fehltritte leisten, wenn sie klug waren. Die Folgen wären wohl "bemerkbarer" als an einem für Reatinus normalen Tag.


    Aber wie es eben so war, musste es trotzdem weiter gehen, weshalb Reatinus an einem recht warmen Morgen mit gemäßigten Windverhältnissen auf dem Exerzierplatz antrat. Auch die Probati hatten sich ordnungsgemäß auf dem Campus eingefunden, was Reatinus zumindest Hoffnungen gab, seine Nerven schonen zu können. Das Bogenschießen konnte somit beginnen!


    "Probati, venite! State!", ließ Reatinus sammeln und wartete einen Moment lang ab, bis jeder Einzelne sich vor ihm befand.


    "Probati, heute werden wir uns dem Bogenschießen widmen! Ich habe euch gestern nicht umsonst in Rüstung und Scuta hergerufen, denn bevor wir mit dem Bogenschießen anfangen, dürft ihr ein wenig in voller Ausrüstung um den Exerzierplatz laufen! Drei Runden will ich zunächst sehen, wer stehen bleibt, verkackt! Und reizt mich nicht, ich hab´ heute einen schlechten Tag!", läutete Reatinus ein, was es heute zu tun gab. Danach pickte er sich wahllos zwei Legionäre aus, welche die Glücklichen waren und anstatt dem Lauf die Bögen holen durften.


    "Probatus Lusius und Minucius! Ich will euch die Bögen herschaffen sehen! Je länger ihr braucht, desto länger werden eure Kameraden rennen müssen! Also lasst euch ja keine Zeit!". Reatinus war ein Liebhaber von Druckmitteln. :D
    Während die beiden neidisch von ihren Kameraden beäugt wurden, ließ sich Reatinus nicht lange Zeit und gab den Startschuss.


    "Movemini!" ( "Rührt euch!" )

    Es war mal wieder ein Tag, der in dem Stimmgebrauch des Centurios seinesgleichen suchte. Zum Glück war es schon Nachmittag, als der Centurio vom Exerzierplatz abtreten konnte und in aufgebrauchter Gestalt vor seiner Unterkunft stand. Nichtsahnend öffnete Reatinus seine Türe, anschließend eilte ihm der Wachmann salutierend entgegen, unter die Arme das Päckchen geklemmt, welches Ursus für Reatinus abgegeben hatte.


    "Salve, Centurio Artorius! Ein Päckchen für dich, anbei eine Schriftrolle...", erklärte der Legionär und reichte dem Centurio sowohl Päckchen als auch Schreiben. Reatinus staunte nicht schlecht, was sich in seinem Gesichtsausdruck wiederspiegelte. "Danke.", bedankte sich Reatinus perplex und knapp, wieß den Legionär mit einer Handbewegung zurück an seinen Posten.
    In seinem Officium, hockend vor seinem Schreibtisch und das Päckchen vor sich liegend, öffnete Reatinus die Schriftrolle. Sie war von Ursus, demzufolge auch das Päckchen. Reatinus lachte lauthals beim Lesen, obwohl er alleine im Raum war und die Tür (zum Glück) geschlossen war. Eine gute Beobachtungsgabe hatte der Aurelier! Tatsächlich zeigte seine Fibel eine Hand voll Gebrauchsspuren auf, welche kaum zu leugnen waren!


    Danach öffnete Reatinus freudig das Päckchen und bestaunte die Fibel. Sie war wunderschön, und während Reatinus sie mit freudigem Ausdruck in den Augen betrachtete, schob sich schon einmal eine Dattel in den Mund... im Gedanken war er dem scheidenden Tribunen sehr sehr dankbar...



    Sim-Off:

    Danke! :)

    Erstaunlich, dass es dieses Mal beim ersten Anlauf klappte, wunderte sich Reatinus über das Schauspiel, welches sich vor ihm bot. Verbesserungswürdig war wohl nichts, da alles reibungslos seinen Lauf nahm, so wie Reatinus es am liebsten hatte. Doch erstaunlicher war zweifellos, dass sich das heutige Trainigsprogramm mit dieser Übung beendet hatte und Reatinus eine weitere Lektion ad acta legen konnte. Die Probati waren fleißig am Werk, was Reatinus zu einem kurzen und knappen Lob hinreißen ließ. Aber es war ein Lob, wofür Reatinus gegenüber Probati sehr selten zu haben war!


    "Gut gemacht, Probati! Ihr wart heute fleißig!", ließ Reatinus´ Stimme die Ohren der Probati klingeln. Er war hörbar stolz, heute einen weiteren Schritt mit diesen angehenden Legionären gegangen zu sein.


    "Für heute habe ich genug gesehen! Vergesst das Ganze nicht, ich will, dass euch der Pilumwurf wie alle anderen Soldatenfähigkeiten in Fleisch und Blut übergeht! Kein Grund, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen... noch nicht! Morgen steht eine sehr interessante Übung an! Ich will euch morgen auf jeden Fall mit Rüstungen Scuta und topfit hier stehen haben!".


    Da fiel Reatinus ein, dass da noch die Übungspila lagen und versorgt werden mussten. Probatus Duccius und Hortensius wurden mit einem ernsten Blick bedacht, ehe sich Reatinus entschloss, doch ein wenig gnädig zu sein. Sie hatten die Pila ja schon angestrengt herschleppen müssen... so rief Reatinus zwei andere Probati auf, welche sich dieses Mal das Vergnügen des Aufräumens und Abschleppens teilen durften!


    "Probati Atrius und Maecius! Pila aufräumen, in die Kisten und diese zurück ins Magazin schaffen! Kein Murren, keine Fragen, keine Probleme! Verstanden?!".


    "Ach, Scheisse...", dachte Probatus Atrius, eher er nickte.


    "Jawohl, Centurio!", bestätigten anschließend beide Probati und machten sich an die unbeliebte Aufräumarbeit.


    "Probati, abite! Geht euch ausruhen!".


    Nachdem der Schreihals seine abschließenden Worte an die Rekruten gerichtet hatte, trat er selbst mit stolzen Schritten vom Exerzierplatz. Auch er würde morgen geduld und vor allem Nerven brauchen...

    Diesmal gelangen die Würfe schon besser, wie Reatinus erfreut festzustellen hatte. Da dies klappte, konnten sie ja nun einen Schritt weiter gehen und das Werfen in Formation üben. Nachdem Reatinus noch einmal einen Blick auf die Pila warf und sah, dass beinahe jedes im Sand steckte, gab er weitere Befehle aus. Ein Feind hätte jetzt wirklich nicht mehr zu lachen gehabt!


    "Probati, Pila holen! Wir werden danach einen Schritt weiter gehen!", erschallte das Stimmorgan des Schreihalses. Auf dem Rückweg der Probati gab Reatinus schon einmal seine Wünsche, oder viel besser, Befehle offen. Um sich die Beine zu vertreten, lief Reatinus vor den Probati hin und her, die ganz klassisch auf eine Stelle hinter Reatinus blickten. Für sie war das lediglich ein Lauf, der die Autorität und Strenge des Offiziers verstärkte. Naja, Wirkung zeigte es zumindest.


    "In duos ordines!" ( "In zwei Gliedern!" )


    "In der Formation sieht das so aus, dass nur die ersten beiden Reihen ihre tödlichen Salven auf den Gegner loswerden. Die Erste läutet den Beschuss wie geübt ein, danach macht sich die zweite Reihe unverzüglich bereit, die nächste Salve zu werfen! Dabei muss die erste Reihe immer schön Platz für den Anlauf da lassen und die Kameraden nicht behindern! Da jeder Legionarius zwei Pila besitzt, entstehen vier Salven, aber es lässt sich nicht leugnen, dass ein kreativer Offizier die hinteren Reihen aufrücken lassen würde, um noch einige Würfe zu machen, wenn die Zeit bis zum Nahkampf noch reicht! Zu Übungszwecken haben wir hier nur zwei einfache Reihen gebildet, mit denen ihr das Werfen in Formation üben werdet! Bereitmachen!"


    "Tollite Pila!"


    "Mittite!"

    Tribunen kommen und gingen, das wusste selbst die Wache, die an der Porta Wache schob. Er war es gewohnt, dass sich hier regelmäßig Männer abmeldeten, die er wahrscheinlich eh nie wieder sehen würde. Doch nie konnte er es sich verkneifen, die Abgänger auch herzlich zu verabschieden und ihnen die besten Wünsche für die Reise zu geben. In das schöne Rom ging es in diesem Fall. Der Wachmann sehnte sich nach der wärme und Sonne in Italien, das war völlig anders als hier in Germanien. Aber in Germanien mangelte es zumindest nicht an Schatten!


    "Vale, Tribunus! Leb´ wohl und gute Reise!".