Beiträge von Marcus Petronius Glabrio

    Dem Schild an der Tür folgend, hatte Glabrio sein Pferd angebunden und war durch den Garten zu den Feierlichkeiten gelangt. Diese waren nicht schwierig zu finden, da die Gäste, die bereits zahlreich anwesend waren recht laut waren. Sofort suchte Glabrio nach bekannten Gesichtern - und vor allem nach Loki oder Eila. Irgendwo mussten sie doch stecken. Vom langen Reiten waren seine Beine das Laufen nicht mehr so gewöhnt und etwas steif stakste er zwischen den Gästen hin und her und fühlte sich etwas unwohl, weil er sich ununterbrochen für Anrempler entschuldigen musste.
    Ihm fiel auf, wie viele Germanen anwesend waren. Es kam ihm fast so vor, als sei er als Römer schon fast eine Ausnahme. Die blonden Haare, die von den römischen Frauen so bewundert wurden, waren hier im Überfluss überall zu sehen und viele der Anwesenden waren ein gutes Stück grösser als Glabrio. Andererseits war das ja zu erwarten gewesen - Loki, war er auch gut integriert ins römische Reich, ja fast schon "romanisiert", so hing er doch noch sehr an seinen Wurzeln, was Glabrio verstehen konnte, auch wenn seine eigenen Wurzeln ihm nicht besonders viel bedeuteten. Schliesslich meinte er seinen Freund erkannt zu haben und eilte auf ihn zu, so schnell es die Menge erlaubte. "Loki!", rief Glabrio aus, bevor er denselben auf den Rücken tippte um seine Aufmerksamkeit auf sich zu reichen. Selbstverständlich war er so umsichtig gewesen um einen der wenigen Augenblicke zu nutzen, in denen der Bräutigam nicht in ein Gespräch verwickelt war. Die Braut hatte er noch nicht entdeckt, doch sicher würde sie ihm bald vorgestellt werden. Glabrio hatte schon auf der Reise bemerkt, dass er etwas skeptisch war. Er wollte das Beste für seinen Freund, und diesen Ansprüchen zu genügen wäre für jede Frau eine ziemliche Herausforderung gewesen.

    Und so den sonst teilweise recht strengen Kontrollen entkommen, passierte Glabrio das Stadttor ungestört und unbehelligt und begab sich zur Casa Duccia, wo die Feierlichkeiten stattfinden sollten. Es war ein seltsames Gefühl, langsam durch die Strassen der Stadt zu reiten, die früher - wenn auch nicht sein Wohnsitz - so doch die nächste grössere Stadt gewesen war. Auch auf Eila freute er sich nun: Ob sie auch schon jemanden zum Heiraten gefunden hatte? Es musste sicher auch einer aus ihrem oder einem anderen Germanenstamm sein, dachte Glabrio etwas selbstmitleidig - musste dann aber über sich selbst lächeln.

    Sim-Off:

    ;) is gut, sind auch lediglich die Eindrücke von Glabrio...


    Der Mann entschuldigte sich in bestem Latein bei Glabrio und erklärte auch sofort die Umstände unter denen die beiden sich verstehen konnten. Glabrio nickte also noch etwas verwirrt, aber zur Genüge zufrieden gestellt.
    Als Bridhe sich wieder in die Küche begab, machte er sich zügig wieder an seinen Platz um die drängelig werdenden Kunden zu bedienen.
    Konnte er dies Verhalten dulden? Er redete sich ein, dass es nicht schlimm gewesen war, der Mann war nicht sichtbar verletzt, die beiden schienen sich jetzt zu vertragen und vor dem kleinen Kind so böse zu fluchen war nicht viel weniger schlimm, als eine Ohrfeige. So hing er seinen Gedanken nach und war den Rest der Mittagszeit nur oberflächlich für seine Kunden da, innerlich aber tief in sich gezogen.

    Verwirrt war das richtige Wort. Ungläubig starrte Glabrio Bridhe an, als sie ihm erzählte, sie habe den Mann geschlagen. Zunächst dachte er, sie wolle den Mann - aus welchem Grund auch immer - schützen. Doch das ergab so wenig Sinn, dass er diese These schnell fallen liess und ihr wohl oder übel vertrauen musste.
    "Du hast IHN geschlagen?", fragte Glabrio überrascht, doch sein Blick verriet auch einen winzigen Hauch von Bewunderung. Wenngleich er gegen jegliche Art von Gewalt war, schien es ihm erstaunlich, dass diese junge Frau den Mut hatte einen so mächtig gebauten und brutal aussehenden Mann tätlich anzugreifen.
    Bevor er über irgendwelche Konsequenzen nachdenken konnte, wurde er von Bridhes Erklärungen unterbrochen - was wohl auch besser war.
    "Ihr habt also alles geklärt...", murmelte Glabrio wie vor den Kopf gestossen. Doch schon im nächsten Augenblick war er wieder voll anwesend und scheuchte mit wilden Armgesten die herumstehenden Schaulustigen fort.
    "Es ist alles geklärt, alles vorbei, alles ist gut." Das redete er den Menschen ein und sich selbst. Doch dann unterhielten sich die beiden sich wieder auf der fremden Sprache. In der der Situation entsprechenden Strenge erklärte Glabrio: "Ich kann es nicht dulden, dass ihr hier diese Sprache sprecht, wenn ich dabei bin." Seine harschen und irgendwie zu herrisch geratenen Worte bereuend fügte er versöhnlich hinzu: "Schliesslich möchte ich auch wissen, worum es geht."
    Mit einem eiligen Blick zum verlassenen Thresen fragte er eilig: "Kennt ihr euch denn? Oder kommt ihr bloss aus derselben Gegend?" Das Kind schien den Fremden, den Glabrio offenbar fälschlicherweise als brutal eingeschätzt hatte, jedenfalls zu lieben.

    Glabrio hatte hinter der Theke gestanden und war eine ganze Zeit lang sehr damit beschäftigt gewesen, seine Kunden zu bedienen. Auch dem kräftigen Mann hatte er das "Tagesgericht" verkauft, der nun auf einmal aus seiner Ecke Aufmerksamkeit auf sich zog. Denn Glabrio war so beschäftigt gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie Bridhe - vermutlich absichtlich unbemerkt - an ihm vorbei aus der Küche gekommen war. Natürlich genauso wenig, wie er den kleinen Diarmuid bemerkt hatte.
    Im ersten Augenblick war Glabrio auch gar nicht bewusst, was geschah. Es knallte einfach. Das tat es von Zeit zu Zeit, wenn etwas herunterfiel und manchmal zu Bruch ging. Das war in einer gut besuchten Taberna nichts Ungewöhnliches und auch Schläge wie diese, denn er hörte am Knall, dass jemand einen ordentlichen Schlag verpasst bekommen hatte, waren in Tabernen leider nicht selten. Zum Glück kam es in der Taberna Petronia nicht allzu häufig zu Schlägereien und bisher hatte Glabrio auch noch alles schlichten können, bevor es zu eskalieren drohte.
    So verliess er auch in diesem Moment die Theke zügig, nachdem er sich das Geldbeutelchen, in der das gesamte Geld, welches er einnahm sich befand, an den Gürtel gesteckt hatte, um nach dem Rechten zu sehen.
    Der fremde Mann und Bridhe standen sich gegenüber, Diarmuid stand dabei und auch Timoxenus schaute von ferne auf das Geschehen. Die Gäste begannen natürlich auch zu gucken, sie liebten Schlägereien und je bunter, desto besser - selten genug wurden in der Öffentlichkeit anständige Frauen geschlagen. Denn danach sah es aus, beide Beteiligten hatten errötete Köpfe und so musste Glabrio annehmen, der Mann habe Bridhe geschlagen. Mit schnellen Schritten und ohne Rücksicht auf die herumstehende Menge zu nehmen eilte er auf die beiden zu. Obwohl er sich nicht wehren würde, keinerlei Gewalt anwenden würde und auch wohl keine Chance gehabt hätte, drängte er sich zwischen Bridhe und den angenommenen Angreifer und baute sich vor diesem auf. Doch als er gerade zur Ordnung und zum Anstand aufrufen - oder wohl auch eine nicht einhaltbare Drohung ausstossen wollte, hörte er die beiden reden. Sie sprachen eine Sprache, die Glabrio nicht verstand und vor allem redete auch Bridhe. Sie weinte nicht, sie sprach mit fester Stimme und klang nicht, als wäre sie gerade geschlagen worden. Verwirrt drehte Glabrio sich um, versuchte aber unmöglicherweise gleichzeitig den Mann im Auge zu behalten.


    Tiberius Duccius Lando
    Casa Duccia
    Mogontiacum
    Germania


    Mein lieber Freund!


    Ganz herzliche Glückwünsche zu Deiner anstehenden Vermählung. Und mit grosser Freude kann ich Dir ankünden, dass ich es mir mit Sicherheit nicht entgehen lassen werde, Dir und Euch persönlich zu gratulieren und auch Eila wiederzusehen.
    Auch wenn ich den genannten Herrn (?) nicht kenne, so hoffe ich doch, dass ich länger als einige Tage in Germania bleiben kann.
    Gibt es irgendwelchen Bedarf an Mitbringseln aus Rom oder einen besonderen Wunsch für das junge Paar? Wenn Du nicht mehr zum Antworten kommst auf meine kurze Notiz, so ist es nicht schlimm und ich nehme an, der Besuch eines Freundes ist genug Glück aus Rom kommend...


    Plötzlich graut es mir: Mein Freund Loki wird eine Frau haben... - vor mir und überhaupt. Aber es wird schon gut werden. Vielleicht kann ich etwas früher kommen um die glückliche Dame noch zu inspizieren und zu genehmigen, das wäre ja das Mindeste!


    Ich freue mich auf Euch und wie sich das Pferd auf die Reise freut...!


    Gib liebe Grüsse an Eila und die Verlobte und wisse dass ich für euch und eure Ehe bete!


    Dein Freund Glabrio


    Das Kind der neuen Köchin schien sich wohlzufühlen. Gestern abend war es Glabrio viel schwächlicher vorgekommen, aber heute spielte es schon gut gelaunt Verstecken. Glabrio zwinkerte ihm zu und nahm sich dann einen Löffel um die Suppe zu probieren. Der Geruch hatte ihn nicht getrügt, die Suppe war etwas zu heiss gewesen aber köstlich. "Vorzüglich!", sagte er voll Überzeugung und verzichtete zunächst darauf, den Fisch und das Fleisch auch zu probieren. Timoxenus fragte ihm nach dem Wein. Lachend antwortete Glabrio: "Na, das konntest Du ja auch nicht wissen. Es ist immer ein angebrochenes Fass direkt unter der Theke, dort sollte noch genug sein, aber du kannst es ja noch einmal überprüfen. Danach könntest Du übrigens auch die Gäste bedienen, die nur im Vorbeigehen an der Strasse etwas kaufen wollen, während ich im Innenraum hinter der Theke stehen werde und die verweilenden Gäste bedienen werde."
    Durch Zurufe könnte man dann in der Küche gleich mehrere Portionen ordern und trotzdem ein zu grosses Chaos verhindern.
    "Du brauchst nun nur noch Essen anzureichen", sagte Glabrio an Bridhe gewandt. "Für uns geht die Arbeit jetzt erst richtig los!"
    Im gleichen Augenblick war ein Knall zu hören - ein Kunde war da und offenkundig ungeduldig und rief durch das Hauen der Faust auf den Tresen nach dem Wirt. Glabrio lächelte seinen Angestellten und Kollegen noch einmal zu und verliess dann zügig die Küche um dem hungrigen Mann der nach Speis und Trank verlangte zu helfen.

    Kurz bevor die ersten Gäste kamen, betrat Glabrio die Küche. Er fand Bridhe nicht allein sondern in Begleitung zweier Männer vor... ihres Sohnes und des griechischen Süditalikers, den er ebenfalls an diesem morgen neu angestellt hatte. Das Essen roch fantastisch.
    "Ist es bald fertig? Die Mittagszeit ist da und meine Gäste warten nur sehr ungern!"
    Das war wahr, Bauarbeiter und andere einfache Leute konnten sehr ungemütlich werden, wenn ihr Essen nicht pünktlich auf dem Tisch stand. Das war bei Reichen und weniger einfachen Leuten sicher nicht anders - nur dass die das vermutlich nicht so oft erleben mussten.
    Diarmud - Glabrio war sich nicht mehr sicher, wie er wirklich hiess - schien ein grosses Interesse an Timoxenus zu haben und der kräftige Mann hatte sich zu dem kleinen Jungen hinuntergebeugt, während er Bridhe bei der Arbeit zusah. Doch Glabrio entdeckte das Fass Cervisia und ging davon aus, dass auch genug Wein bereit stand, falls den Kunden heute der Sinn danach stände.
    "Darf ich probieren?", fragte er schliesslich an die junge Frau gewandt, die äusserst beschäftigt wirkte und die angenehmen Gerüche gezaubert hatte, die die Küche nun füllten.

    Die beiden Probearbeiter wollten fleissig anfangen zu arbeiten, doch natürlich gab es Fragen. Zuerst zeigte Glabrio Timoxenus den Weg zum Keller. Hinter der Theke gab es eine Falltür, unter der sich eine schräge Leiter befand. Es war eine ziemlich anstrengende Arbeit, die Fässer und Amphoren hoch und auch hinunter zu transportieren, aber der Keller bot Platz und vor allem Kühle, die in Rom ganz und gar nicht immer gewährleistet war.


    Bridhe hatte Tränen in den Augen... Erst nach einem kurzen erschrockenen Moment fiel Glabrio die Zwiebel auf und er musste lachen, als er sich das schlimme Bild so rasch und harmlos erklären konnte.
    Sie erzählte ihm, wie sie die verschiedenen Gerichte zubereiten würde, was er interessiert anhörte. "Das lässt einem ja das Wasser im Mund zusammenlaufen!" Die Idee mit dem römischen Huhn war sicherlich clever. Die Zungen und Mägen von Bauarbeitern, Sklaven und einfachen Leuten vertrugen oft keine Neuerungen. Aussergewöhnlichkeiten waren dann wohl eher etwas für die Reichen und Einflussreichen.


    "Das ist eine gute Frage. Da ich erst vor kurzem geöffnet habe, kann ich das leider noch nicht mit Gewissheit sagen. Ein Dutzend hart arbeitender Männer kommt regelmässig vorbei, oft auch einige mehr. Und an machen Tagen holen sich die Frauen aus der Nachbarschaft, die in ihren Wohnungen nicht kochen können, hier eine warme Mahlzeit. Es ist aber immer unterschiedlich. Vielleicht kannst Du es so anstellen, dass wir die Reste morgen aufwärmen oder wieder verwenden und erneut servieren können, wenn heute kein besonders guter Tag sein sollte."


    Während Timoxenus und Bridhe die harte körperliche Arbeit machten und das Essen vorbereiteten, machte Glabrio seinen Gang durch die Zimmer und räumte ein wenig auf. Gegen die 5. Stunde (11 Uhr) öffnete er den Holzladen vor dem Ausschank. Von innen konnte er nun Mahlzeiten an die Passanten auf der Strasse verkaufen und gleichzeitig den Schankraum im Blick haben. Nachdem er auch die Tür geöffnet hatte - alles war nun bereit für die ersten Gäste - ging er zurück in die Küche um zu sehen, wie weit das Essen war. Es roch schon verlockend.

    Sim-Off:

    Ich führe das hier einfach mal zusammen!



    Am morgen hatte Glabrio Timoxenus getroffen und ihn schliesslich in die Thermen geschickt. Den Rest des Vormittags hatte er sich in der Bibliothek aufgehalten. Einige Bücher mussten noch einsortiert werden - dabei entdeckte er wie üblich wieder interessante Dinge, in die er sich sofort vertiefte. So kam es, dass es schon fast die 5. Stunde/11Uhr war, als er bemerkte, wie stark die Sonne bereits schien. Eilig begab er sich herunter in die Küche. Auf dem Weg traf er Timoxenus wieder und winkte ihm freundlich, mitzukommen. Und in der Küche war tatsächlich schon Bridhe an der Arbeit.
    Sie hatte Gemüse geschnippelt. Glabrio war beeindruckt, dass sie einfach so die Initiative ergriffen hatte. Das war gut. "Na, immerhin bist Du pünktlich - im Gegensatz zu mir. Es wird Zeit!"
    Dann stellte er die beiden einander vor ohne genauer auf ihre Geschichten einzugehen.
    "Timoxenus, könntest Du bitte ein Fass Cervisia aus dem Keller hochholen? Es kann sein, dass wir auch neuen Honigwein brauchen!" Im Keller hatte Glabrio ein nettes Lager eingerichtet. Cervisia gab es, weil es Erinnerungen an Loki weckte - und ganz nebenbei auch bei den Arbeitern recht gut ankam. Der Wein schmeckte ein wenig spanisch. Auch wenn er nur aus Norditalien stammte. Nur einen Feigenwein oder ähnliches aus dem Osten hatte er noch nicht gefunden.
    "Nun zu Dir, Bridhe. Ich sehe, Du hast schon angefangen, das ist gut. Es wird heute eine Suppe geben, Du darfst Dir aussuchen was Du benutzt, aber es müssen die Reste hier aus der Küche verwandt werden. Und für die... besser zahlenden Gäste gibt es Huhn. Bereite es gerne auf brittannische Art zu, wenn Du die Zutaten hier findest - aber es darf nicht zu abstoßend für den römischen Gaumen sein. Ausserdem gibt es jeden Tag etwas mit Fisch - als Spezialität des Hauses. Da darfst Du ruhig kreativ sein." Wie viele Leute würden wohl heute kommen? Es war jeden Tag anders, also wartete ich ab, wie Bridhe diese Frage klären würde.

    Glabrio schien es, als habe er Bridhe etwas mit seiner Frage überrascht - das war schliesslich auch kein Wunder. Er freute sich jedoch, dass er so unverhofft wieder an Lokis Bitte gedacht hatte und um so mehr freute es ihn dann, als die junge Frau sich tatsächlich doch noch an eine Siv erinnern konnte.
    "Ich kenne sie leider nicht.", gab er zu. "Ich suche sie aber für einen gemeinsamen Freund, welcher noch in Germanien lebt. Ich werde auf jeden Fall in der Villa Aurelia Nachforschungen treffen, vielleicht habe ich ja Glück und sie ist es."
    Bridhe kannte nicht nur gesuchte Personen, sie konnte auch noch kochen. Davon war Glabrio überzeugt. Doch ein Probekochen würde klar stellen, ob sie auch römische oder nur die brittanische Küche beherrschte. Die Arbeiter würden nichts kaufen, als das oft so eintönige Essen, das typisch für Rom war.
    "Das wäre sehr schön! Aber jetzt sehe ich Dir... sehe ich EUCH schon an, wie müde ihr seid. Komm, ich führe Dich zu deinem Raum!", sagte Glabrio und stand auf. Bridhe hatte fertig gegessen und dem kleinen Jungen fielen schon fast die Augen zu. Er ging mit einer Öllampe in der Hand voran die Treppe hinauf und wies seinen neuen Gästen eines der Zimmer zu. Es hatte nur ein Bett. Vielleicht könnte man auf längere Sicht eine Wiege oder ähnliches für das Kind finden, aber für heute würde es genügen. Und dann blieb erst einmal abzusehen, was der neue Tag bringen sollte...

    Würde Glabrio wohl auch einmal nach Hibernia oder Britannica kommen? Das wäre sicher auch noch einmal interessant. Allerdings fielen ihm auch die teilweise wilden Geschichten ein, die er gelesen und gehört hatte. Die Römer hatten Angst vor den Barbaren. Andererseits wusste er ja selbst sehr gut, dass vieles nur Gerüchte waren. Nicht nur Bridhe, sondern vor allem auch Loki und Eila waren ja keineswegs "Barbaren" im Sinne eines Römers wie zum Beispiel Tacitus.


    Wer wohl der Vater war, fragte sich Glabrio, aber er fragte es nicht. Vermutlich war es ein Mitsklave oder sogar der Herr. Das war leider so üblich, wie er wusste. Als sie erzählte, dass sie Sklavin war, kam ihm ein Gedanke und auch wenn es unpassend scheinen mochte, fragte er doch sofort nach: "Kennst Du eine Sklavin aus Germanien, die Siv oder so ähnlich heisst? Die Wahrscheinlichkeit ist sicher nicht so gross, aber ein Freund hat mich gebeten, mich nach ihr umzuhören..." Die Geschichte war so ungewöhnlich, dass er sie schlecht erklären konnte.


    Nun schien noch einmal das Schicksal - oder Glabrios Gott - einzugreifen. Die junge Frau konnte kochen und backen und suchte nach einer Arbeit.
    Glabrio lächelte breit und zeigte seine Freude: "Ja, ich suche dringend jemanden! Bisher haben mir... Freunde geholfen, aber das kann so nicht mehr lange weitergehen. Hast Du Erfahrungen in der Küche gesammelt? Schmeckt das auch, was Du zustande bringst?"
    Ein neues Leben anfangen... Eine Arbeit und Unterkunft könnte sie hier womöglich finden und wer weiss, wenn sie wollte, wäre sie in der Gemeinde auf jeden Fall auch willkommen und endlich wieder geborgen. Glabrio war glücklich, dass er sie gefunden hatte. Die Angst und die Wut über den Husten und die Sorgen waren wie verflogen und neue Hoffnung keimte in ihm.

    "Ja, wenn Du zurückkommst werde ich Dich in die Arbeit hier einführen. Gegen Mittag werden die Bauarbeiter der umliegenden Baustellen kommen und hungrig sein. Gewöhnlich gibt es dann jede Menge Arbeit!"
    Glabrio verabschiedete Timoxenus und begab sich selbst hinter die Theke, wo er begann, Becher bereit zu stellen. Als er in die Küche trat, waren die beiden Frauen bereits dabei, das Mittagessen vorzubereiten. Heute würde es eine Linsensuppe geben. Glabrio begrüsste die Schwestern und fasste dann selber mit an, um ihnen die Arbeit etwas zu erleichtern.

    Natürlich hatte er Wasser und sprang sofort auf um einen Becher voll davon zu holen. Als er wiederkam, reichte er der Frau den Becher, das Kind würde ihn vermutlich noch nicht halten können. Wie alt er wohl sein mochte?
    "Das ist irgendwo bei Britannica, nicht wahr? Ich habe nur gehört, dass es sehr weit weg ist - und nicht zum römischen Reich gehört."
    Er fuhr fort und erzählte ein ganz kleines bisschen zu seiner Geschichte. "Ich bin Römer, ich bin hier auch aufgewachsen, aber später war ich dann in Judäa im Osten, in Hispania im Westen und schliesslich eben auch in Germania im Norden. Jetzt bin ich wieder in meine Heimat gezogen. Ich bin auch erst seit kurzem Wirt, es ist nicht immer leicht, aber die Aufgaben faszinieren mich und es macht mir Spass, Menschen zu Gast zu haben."
    Während ihr Sohn glücklich ass und trank, erzählte Bridhe Glabrio den Grund für ihren späten Aufenthalt auf der Strasse.
    "Aber Du bist doch nicht gerade erst nach Rom gekommen... du sprichst sehr gutes Latein.", fragte er sie und hoffte, nicht zu sehr in ihre private Geschichte einzudringen.
    Dass sie mit Kind nicht angenommen werde, überraschte ihn zuerst. Doch dann fiel ihm ein, dass sie sich vermutlich häufig oder besser die ganze Zeit nebenbei um das Kind kümmern musste. "Könntest Du als Amme arbeiten? Was für eine Arbeit suchst Du überhaupt?"
    Amme, das war sicher nicht schön, aber vielleicht wäre es ein Beruf, in dem die Arbeitgeberin kein Problem mit einem eigenen Kind der Amme hätte. War das nicht sogar unvermeidlich?

    Glabrio saß der jungen Frau gegenüber und hörte ihr zu. Dabei beobachtete er sie, es war schön zu sehen, wie gut ihr und auch ihrem Kind das Essen tat, doch auf ihren Dank ging er nicht ein. Er hatte gelernt, dass er jeden Bruder, jede Schwester lieben sollte. Und das Leiden oder die Armut - was mochte wohl der Grund sein, aus dem sie auf der Strasse geschlafen hatten? - dieser beiden schien so ungerecht zu sein, dass er einfach etwas tun musste. Ausserdem - in gewisser Weise fühlte er sich von seinem Herrn zu ihr geleitet.
    "Das sind schöne Namen!", fand Glabrio und stellte sich dann selbst vor. "Ich bin Marcus Petronius Glabrio. Ich bin seit einiger Zeit hier Wirt, vorher habe ich auch in Germanien gelebt, aber du bist nicht dorther, oder?"
    Und obwohl er sie nicht bedrängen wollte, fragte er schliesslich doch nach. "Wieso warst Du so spät auf der Straße? Hast Du keinen Ort zum Schlafen?"
    Heute nacht könnte sie hier bleiben. Ewig ginge das natürlich nicht, aber zuerst einmal ging es für Glabrio auch ein bisschen um die Stillung seiner Neugier.

    Glabrio war zufrieden. Er hatte jemanden gefunden, der für ihn arbeitete und der zumindest die groben Aufgaben gut erledigen würde. Vorläufig würde er aber sicherheitshalber eine der Frauen, die kochten behalten, damit die Gäste nicht plötzlich etwas essen mussten, das von jemandem kam, der von sich sagte, jeder könne ein bisschen kochen.
    "Dann sind wir im Geschäft!", sagte Glabrio erfreut und reichte dem italischen Griechen die Hand um den Vertrag zu schliessen.
    Dann prostete er ihm mit seinem Wein zu und führte ihr Gespräch fort.
    "Ich werde Dir ein Zimmer einrichten, in dem Du wohnen kannst. Gleich in der Nähe sind gute Thermen, heute ist der Eintritt frei. Du kannst dort gerne hingehen, ich kann Dich leider heute nicht begleiten, da ich noch einiges vorbereiten muss für den erhofften Gästeansturm. Wenn Du gegen Mittag wiederkommst, kann ich Dir alles zeigen und Du könntest gleich heute anfangen. Was hälst Du davon?"

    Aus der Stadt kommend führte Glabrio mitten in der Nacht die fremde Frau an der Hand zu seinem Haus. Sie trug ein Kind, das sich langsam wieder beruhigt hatte. Als sie ankamen, öffnete Glabrio die Tür und zündete einige Kirchen im Schankraum der Taberna an und wies seinen Gästen einen Platz zu. "Setzt Euch!" Als sie ihm Folge leisteten eilte er hinter die Theke und füllte zwei Becher mit verdünntem Wein und einen mit Wasser, falls das Kind auch schon etwas trank, Glabrio kannte sich da nicht besonders gut aus.
    Ausserdem füllte er etwas Fladenbrot und einen Schenkel des köstlichen - wenn auch mittlerweile natürlich kalten - Hühnchens, das es heute mittag für die zahlenden Gäste gegeben hatte.
    Alles trug er zurück zum Tisch. "Bedien Dich. Du wirst sicher hungrig sein." Doch bevor er sich selbst setzte, holte er noch eine flauschige und warme Decke aus einem der Wohnräume. Schliesslich kehrte er zurück in den Schankraum und legte die Decke sanft aber nicht zu aufdringlich um die Schultern der jungen Frau.
    Dann setzte er sich ihr gegenüber und beobachtete sie, während er an seinem Wein nippte. Glabrio wartete, ob die Frau etwas von sich erzählen wollte, oder ob sie nur schweigen wollte. Er war gespannt zu erfahren, was sie auf die Strasse gebracht hatte, doch er würde auch noch bis morgen warten können.

    Glabrio atmete auf, sie vertraute ihm. Sie würde mit ihm kommen und sich nicht gegen seine Hilfe wehren. Es musste eine schwierige Entscheidung für sie gewesen sein, doch im Endeffekt die bessere Alternative und natürlich auch die Richtige.
    "Dann folge mir!", sagte Glabrio und griff, als das Gegröle des Säufers wieder lauter wurde, intuitiv nach ihrem Handgelenk und führte sie daran in die Richtung, aus der der Lärm kam. Er liess sie aber schnell wieder frei, damit sie das Kind beruhigen konnte, das immer noch wimmerte.
    Sie mussten am Störenfried vorbei, sonst würden sie einen grossen Umweg machen müssen um zur Taberna zu gelangen.
    Auf ihre Erklärung nickte ich ernst. "Das hatte ich mir schon gedacht. Aber darum geht es nicht. Du kannst erst einmal mitkommen und die Nacht sicher hinter dich bringen, morgen sehen wir weiter!"
    Wir näherten uns nun dem Besoffenen, der in breiten Schlangenlinien über die Strasse torkelte und vor sich hin murmelte. Zwischendurch stimmte er Soldatenlieder an, wobei er sich teilweise nicht mehr richtig an die Texte zu erinnern schien.
    Als er Glabrio und die junge Frau mit dem Baby erblickte, rief er: "He, Süße! K-k-komm her!" Dabei ignorierte er gekonnt oder einfach wegen seiner eingeschränkten Wahrnehmung Glabrio sowie das weinende Kind und steuerte bedrohlich auf die Fremde zu.
    Glabrio wusste nicht, was er tun sollte. Auf einen Kampf mit einem betrunkenen Soldaten sollte er sich nicht einlassen. Dieser wäre sicher stärker und im Rausch konnte so mancher seine ihm sonst selbst vollkommen unbekannten Kräfte nicht mehr kontrollieren. Ausserdem wäre es grundsätzlich falsch sich auf offener Strasse mit diesem Mann zu schlagen.
    Also musste Glabrio auf seine Nüchternheit setzen. Der Mann näherte sich erstaunlich schnell, in einer Hand hielt er eine kleine Amphore mit Wein, mit der anderen deutete er auf sein Ziel. Kurz bevor er es erreicht hatte, schob Glabrio die fremde Frau zur Seite und liess den Mann stattdessen in sich hineinlaufen. Er hatte versucht im letzten Moment auch selbst auszuweichen, doch der Betrunkene rempelte ihn heftig an und schüttete eine ganze Menge schlechten Wein über Glabrios Tunika und seinen Mantel. Doch er lief ins Leere und stolperte schliesslich. Glabrio blickte sich kurz um und griff nach der Hand der Fremden, die mit ihrem anderen Arm ihr Kind hielt, und führte oder besser zog sie zur Taberna.

    Die Frau mit ihrem Kind wich vor ihm zurück, obwohl er sich hingekniet hatte. Es tat ihm weh, dass sie ihm nicht vertraute, doch natürlich durfte sie ihm nicht vertrauen. Es war gefährlich in Rom naiv zu sein!
    "Ich werde Deinem Kind nichts tun. Und Dir auch nicht. Ich möchte Euch helfen." Würde Sie ihm jetzt glauben? Natürlich hatte er nicht den besten Eindruck gemacht, sie hatte ihn sicher schreien gehört - sie fragte sogar nach.
    Glabrio senkte den Kopf und tat die Frage ab: "Naja... Ja, ich habe jemanden gesucht..." Dann hob er seinen Blick und lächelte sie an: "Vielleicht habe ihn schon gefunden."
    Das konnte sie nicht verstehen, hätte Glabrio sich reden gehört, hätte er sich vermutlich an den Kopf gefasst und hätte sich tausendmal entschuldigt für die Verwirrung die er stiftete. Doch ihm war nicht zu bewusst, was vor sich ging. Er wollte bloss diesen beiden armen Geschöpfen helfen. Von ferne hörte er das Singen eines Betrunkenen, das aber nur für einen kurzen Augenblick näher zu kommen schien. Doch auch die Frau hatte es gehört und Glabrio griff entschlossen aber dennoch vorsichtig nach ihrem Arm und sagte eindringlich: "Ihr könnt hier nicht bleiben! Folge mir, ich habe eine Taberna, nicht weit von hier, dort seid ihr erst einmal in Sicherheit. Dein Kind kann etwas zu Essen kriegen. Es hat sicher Hunger, sonst würde es nicht so schreien."
    Glabrio sah den Zweifel, das Misstrauen und die Angst - die Vernunft - in ihren Augen. Er stand auf und bat sie: "Vertrau mir!" Nun wurde das Gegröle des Betrunkenen wieder lauter und Glabrio warf einen Blick über seine Schulter. Er konnte nichts erkennen, doch das beunruhigende Geräusch liess ihn nur noch flehendlicher auf das Mädchen - wie alt war sie wohl? - und ihr Kind blicken. Hoffentlich würde sie die Naivität siegen lassen, Glabrio wusste nicht, wie er ihr sonst beweisen konnte, dass er ihr nur helfen wollte.