Beiträge von Gaius Octavius Victor

    Ein strahlend blauer Himmel lag über der Curie und genauso windstill wie es draußen war, waren auch die heiligen Hallen des Senates in den letzten Wochen gewesen. Doch gerade diesen Umstand fand Victor wichtig, denn er wollte ein Thema anbringen, dass in turbulenten Zeiten nur Zeit gekostet hätte; sozusagen war es ein perfekter Lückenfüller. Drauf gekommen war er erst vor kurzem nach dem Besuch des jungen Flaviers.


    Mit einem Ruck stand Victor nun während einer besonders lauen Phase der Sitzung auf und ergriff das Wort.


    "Patres conscripti!


    Ich möchte den Vorschlag zur Diskussion stellen, den § 106 betreffs der Politischen Sabotage und Spionage zu entfernen. Für alle die sich jetzt nicht auf anhieb an diesen Paragraphen erinnern können, zitiere ich kurz."


    Zitat

    § 106 Politische Sabotage und Spionage
    (1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter 3 Monaten oder mit Geldstrafe von 800 bis 1.000 Sz. bestraft wird, wer im Auftrag oder für eine Factio mittels Gewalt, Drohung mit Gewalt, List oder Bestechung in eine andere Factio eindringt um sich in den Besitz interner Informationen dieser Factio zu bringen um dadurch einen politischen Vorteil für eine Factio zu erwirken oder der anderen Factio zu schaden.
    (2) Die auftraggebende oder billigend mitwissende Factio wird mit Geldstrafe von 2.000 bis 5.000 Sz. bestraft. In besonders schweren Fällen kann diese Factio verboten werden.
    (3) Unter Spionage fällt auch das Veröffentlichen und Weitergeben von factiointernen Diskussionen, Entscheidungen, Bündnissen und Plänen ohne die Zustimmung des jeweiligen Pater Factionis. Hier muss keine Fremdeinwirkung von Außen durch Geldangebote, Drohungen oder anderweitige Gründe gegeben sein.


    "Vor einiger Zeit mag dieser Paragraph seine Berechtigung gehabt haben, aber heutzutage, wo der politische Einfluss der Factiones gegen nicht vorhanden tendiert, ist er schlicht überflüssig. Sollte jetzt allerdings jemand die Zuchtpläne und Futterrezepte seines favorisierten Rennstalls für besonders schützenswert halten, so möchte ich vorschlagen dass die Factio diesen mit jedem nur erdenklichen eigenen finanziellen Aufwand bewahren kann. Aber auf einen gesonderten Rechtsschutz durch den Staat sollte sie verzichten müssen."

    Der Geist seines Gegenübers schien dem Senator plötzlich nicht mehr so ganz rein und klar wie frisches Bergquellwasser. Etwas überrascht über die heftige Reaktion des Flaviers musterte Victor besorgt den Becher Wein in seiner Hand und schnüffelte kurz daran. Auf die Schnelle war aber nichts zu bemerken, was nach zwei, drei Schlucken diesen leicht glasigen Blick und die plötzlich gedehnte Sprechweise bei Lucanus hätte erklären können. Vielleicht vertrug die Jugend von Heute einfach keinen Wein mehr, der nur zu 2/3 mit Wasser gemischt war.


    "Es war mir eine Freude, wenn ich ich dir helfen konnte und wenn du noch weitere Fragen hast, zögere nicht sie zu stellen."

    Misstrauisch musterte einer der Sklaven den dicken Orientalen. Auch wenn er nicht dafür ausgebildet worden war, so war selbst ihm klar, dass der Tylusier gut einige Waffen unter seinen weiten, östlichen Gewändern tragen konnte - Pomeranze, oder wie das dämliche lateinische Wort dafür auch immer lautete, hin oder her. Währenddessen versuchte Victor sich nicht zu langweilen.


    "Ich danke dir für dein Beileid und ja mir geht es gut. Die römische Luft"und das römische Essen, dachte Victor bei sich. "scheint dir durchaus auch zu bekommen, oder? Und wie man so hört war es früher noch schlimmer mit dem Verkehr..."

    Auf einen Wink des Octaviers traten seiner Sklaven zur Seite - noch ein Grund sie wieder loszuwerden, erschwerte dies doch jedes Gespräch. Wenn Victor nun von einem fettleibigen Orientalen ermordet werden würde, dann hätte er es wohl verdient gehabt. Zumindest meinte er sich aber an den Namen des Tylusiers erinnern zu können.


    "Salve, Ioshua ben David!"


    Noch wusste der Senator absolut nicht, was der Tylusier von ihm wollte - hoffentlich nicht wirklich ein Autogramm.

    "Selbstjustiz, Flavius Lucanus, ist das größte Übel für einen Staat. Wo kämen wir denn dahin, wenn ich meinen Nachbarn erschlagen dürfte, nur weil ich behaupte, dass er ein Dieb ist... jetzt mal Notwehr und Entdeckung bei frischer Tat ausgeschlossen.


    Solange ein Bürger nicht seine Rechte verloren hat - z.B. durch die besondere Schwere seine zurückliegenden Tat - ist er ein freier Römer. Daran gibt es nichts zu rütteln. In meinen Augen wiederum nur, wohlgemerkt."


    Der Senator nahm einen weiteren Schluck, man gewöhnte sich schliesslich an alles.

    Was würde denn der Vorschlag mit den meisten Stimmen am Ende gewinnen? Was zu naschen? Was zu spielen? Oder eine Überraschung? Da sich Victor aber weder für Tor Nummer Eins, Zwei oder Drei entscheiden konnte, da ihm irgendwie nicht klar war, wer nun was genau werden wollte, war dem Senator seine Entscheidung eigentlich klar: Enthaltung.

    Ein fülliger Mann in einer Sänfte? Victor konnte dem Gesicht keinen Namen zuordnen, nur dass der Andere wohl ein Ausländer war konnte er auf die Schnelle erkennen, denn so sonnengebräunt und orientalisch dekadent war und kleidete sich doch kein Römer. Aber der Mann war eine Straßenseite entfernt und wenn er ein Autogramm wollte, dann sollte er die letzten paar Schritte auch tun können, die ihn von seinem Provinznest hierhergeführt hatte. Zumindest blieb der Senator mal freundlicherweise stehen und wies einen Sklaven an endlich aus dem Blickfeld zu verschwinden. Beim nächsten Spaziergang würde einer von denen reichen, schliesslich war er ja jetzt nur noch ein Senator unter vielen.

    Victor nickt Crassus zu, als dieser ihm bescheid gab, dann machte er sich auf den Weg weg von den heiligen Hallen hin zur Casa Octavia. Es gab so einiges was nun vorbereitet werden musste, betreffs seiner Bestattung und so weiter. Eigentlich war ihm jeder Gedanke daran zuwider, aber was getan werden musste, musste getan werden.

    Irgendwoher rief eine Stimme seinen Namen, aber Victor konnte den Rufer nicht erkennen - weder akustisch noch visuell - vor allem da seine Sklaven zwar sicherteitstechnisch sehr wirksam um ihn herum standen, aber dadurch jeden Blick auf alles das kleiner war als 9 Fuß oder langsamer als eine Schnecke verstellten. Also blieb der Senator ertsmal stehen. Wenn es wichtig war, dann würde sich der Besitzer der Stimme schon selber herbemühen.

    Irgendwie war die ganze Diskussion ja schon witzlos. Allerdings zeigte sie deutlich, dass derzeit ganz schöne Spannungen im Senat herrschten.


    "Nun da weder Mangel an Kandidaten für die jeweiligen Posten noch prinzipielle Bedenken an der Eigenung dieser für einen bestimmten Posten bestehen, kann man doch einfach jedem Kandidaten diesen seinen Wunschposten zuweisen. Wenn jetzt nicht mehr klar ist was nun genau gewünscht war, dann mögen Annaeus Modestus und Octavius Marsus dies hier noch einmal sagen und die Sache hat sich."

    Irgendwie kam es in der letzten Zeit häufiger vor, dass Crassus auftauchte, wenn Victor neben einer Leiche in der Nähe der Curia stand. Bei den Worten des Caeciliers nickte Victor nur. Sicherlich hatte die Zukunft eigentlich noch vor Avitus gelegen, aber der hatte sich ja nun anders entschieden.


    "ich danke dir, aber mir wäre es lieb wenn er so schnell wie möglich hier wegkommt. Ich möchte nicht sehen, wie sich noch jemand über Avitus Leichnahm lustig macht, oder arrogant die Nase rümpft."

    Zitat

    Original von Cnaeus Flavius Lucanus
    An der Stelle komme ich ins Schleudern, Senator: wenn ein Sklave etwas rechtmäßig erwerben kann, und etwas rechtmäßig erworben hat, warm sollte er diese erworbene Sache dann zurückgeben müssen? In diesem Fall hat er nicht den Verkäufer geschädigt, sondern eine dritte Person: diejenige, der das Geld gehört hat. Oder? Kann überhaupt ein Sklave etwas rechtsgültig erwerben, etwas rechtsgültig besitzen?


    Kurz schüttelte Victor den Kopf. Da musste etwas richtiggestellt werden.


    "Nein, nein. Von rechtmäßig erwerben kann keine Rede sein. Wenn etwas mit gestohlenem Geld erworben wurde hat der Dieb trotzdem das gestohlene Geld zu ersetzen, nur hat er ja bis zu seiner Ergreifung durchaus die MÖGLICHKEIT das Geld auszugeben. Natürlich nicht rechtlich gesehen, aber in der Welt dort draußen spielt das Recht ja nicht immer eine Rolle.


    Was nun die Frage nach Besitztum angeht: Nun es ist nirgends schriftlich festgelegt, dass ein dominus seinen Sklaven den Besitz von eigentum erlauben muss. Wenn er allerdings den Sklaven nicht die Möglichkeit gibt sich irgendwann auch freizukaufen, ist das nicht gerade ein Zeichen guter Bildung und Charakters."



    Zitat

    Original von Cnaeus Flavius Lucanus
    Wäre es denn, fahre ich vorsichtig fort, ein Unterschied - oder könnte man begründeterweise einen Unterschied machen, je nach dem welchen Stand das Opfer hatte? Wenn ein Sklave in schlechte Gesellschaft gerät, unter Haderlumpen - und einen solche bestiehlt und vielleicht gar tötet? Ich meine - droht immer am Ende die Todesstrafe für einen Sklaven? Immer das saxum tarpeium?


    Irgendwie läßt eine solche Aussicht kaum Raum für Alternativen, egal, was er tut, am Ende immer die gleiche Szene: Fels - Schubbs - Knacks. Fad.


    Gibt es vielleicht irgendwelche Präzedenzfälle, irgendwelche Ereignisse, die in Deiner Amtszeit als praefectus urbi oder iudex stattfanden?


    Endlich kam der Sklave mit dem Wein und Victor nahm einen Schluck, nachdem ein Becher auch vor Lucanus abgestellt worden war.


    "Nein mit Präzedenzfällen kann ich nicht dienen. Als Praetor urbanus hatte ich nur mit Streitfällen zwischen Römern zu tun und als Praefectus Urbi hat mich die Überführung von Straftätern zu interessieren gehabt, nur bedingt ihre Verurteilung.


    Nun aber natürlich spielt der Stand des Opfers eine Rolle. Wenn er zum Beispiel nur einen anderen Sklaven erschlägt oder bestiehlt, kann sein und der geschädigte dominus sich über die Bestrafung bestimmt einigen. Aber einen Mord an einem freien Römer, kann man nicht anders vergelten... zumindst nicht, wenn der Sklave in krimineller Absicht gehandelt hat."


    Was zumindest Victors Meinung war, aber es liefen genug Römer umher, die allen Sklaven oder zumindest denen anderer Eigentümer mehr Rechte eingeräumt hätten.

    Da die Heiligen Hallen der Curia schon durch Blut besudelt worden waren, dass bei einem Mord, einem Mord an einer vergöttlichten Person, vergossen worden war, würden die Götter bestimmt eher verstimmt über den Mord an der obersten Vestalin sein, als über einen ehrenhaften Selbstmord.


    Trotzdem war Victor schockiert als er von Avitus Selbstmord hörte. Im ersten Moment wollte er in die Curie wieder zurücklaufen und die Nachricht mit eigenen Augen bestätigt wissen, doch dann durchzuckte ihn die Erkenntnis; der Octavier brauchte sich gar nicht umzudrehen. Er blieb einfach an der obersten Treppenstufe stehen. Schon früh genug musste er den letzten bekannten Sohn seines, zwar nicht allseits, aber doch geliebten Onkels Anton in seinem Blut liegen sehen, so elig hatte er es damit nicht.


    Die Enttäuschungen dieses Tages waren bei Victor wie weggeblasen durch die Trauer um seinen oft unbedachten, aber nichtsdestoweniger ehrenwerten Cousin.

    Mit einer Handbewegung winkte Victor einen vorübereilenden Sklaven herbei und trug ihm auf für etwas zu trinken zu sorgen. Dann wandte er sich wieder Lucanus und seinem Problem zu.


    "Nun, vor dem Gesetz ist es natürlich herzlich egal, für was oder wen sich irgendjemand hält. Einzig wichtig ist natürlich, was jemand ist."


    Oder zu sein schien, aber darum ging es jetzt gerade ja nicht.


    "Was den Raubmord angeht: Ich persönlich würde mich an die althergebrachten Gesetze halten und sagen dies wäre ein Fall für die Todesstrafe, weil der Täter ein Sklave ist. Es kann aber durchaus Richter geben die dabei keinen Unterschied zwischen Freien und Unfreien machen, dann muss man sich an den Codex iuridicalis halten. Ist der Tote ein Sklave dann muss der Schuldige oder gegebenenfalls sein Dominus den entsprechenden Gegenwert ersetzen."


    Die letzte Frage hingegen konnte Victor nicht so ganz ernst nehmen. Klar war wodrauf der junge Flavier wahrscheinlich hinauswollte, abert trotzdem musste der Senator lachen.


    "Nun erwerben kann jeder Dieb etwas mit seinem geraubten Geld, man kann es ja den Sesterzen selten ansehen, wem sie eigentlich gehören. Die Frage ist wohl eher ob er es im Falle seiner Ergreifung auch behalten darf, aber dem ist nicht so."