Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Die Stufen vom mons palatinus hinunter bis zum forum romanum waren recht schnell getätigt, wenn auch mit jedem Schritt die schwere toga Marcus' Beine behinderten; er würde nicht unfroh sein, die Sänfte zu erreichen und dort das Gewand von seiner Schulter reißen zu können, um wieder ordentlich durchzuatmen. Schwarzgekleidete Soldaten marschierten an ihm vorbei, der eine oder andere Sklave, der sich in den emsigen Aktivitäten der Palastangestellten erging, und auch so manch ein Bittsteller, der womöglich umsonst den ganzen Tag im Palast verbringen würde; schweigend lief Marcus, in sich gekehrt, um all das zu überdenken, was eben noch bei Aelius Quarto gesagt und getan wurde, denn immer noch war da ein seltsam befremdliches Gefühl, er hätte etwas verpaßt; aber so lange sich noch an dem Ort mit den tausend Ohren war, schwieg sich Marcus darüber aus. Erst als sie die Sänfte erreichten, Marcus hinein geklettert war – dabei die Pfunde spürend, die er in all den letzten Jahren deutlich zugespeckt hatte – und sich endlich die toga herunter zog – bzw. damit anfing – zeigte sich die Verwirrung im ganzen Ausmaß auf seinem Gesicht.
    „Sag' mal, Manius, der consul, irgendwie hat er mich verwirrt, was hat er mit Kandidatenliste gemeint und Wahlen?“
    Irritiert musterte er Gracchus, der sicherlich eine einfache und einleuchtende Erklärung hatte.
    „Und habe ich alles richtig gesagt?“
    Wobei auch immer; Marcus spürte, wie die Sänfte mit einem milden Ruck hoch gehoben wurde und sie anfing, sich sanft zu schaukeln, um sich durch das Gedränge des Forums durchzudrängen.

    Natürlich kam Marcus ein wenig zu spät zu dem Treffen der Salier – ob es daran lag, daß ihn die Nachricht sehr spät erreicht hatte oder er einfach getrödelt hatte? Wer wußte das schon! Hinwieder war er noch guter Laune, gerade weil das Treffen ein wenig von der Langeweile des Tages genommen hatte – Marcus fragte sich, womit er früher seine Zeit gefüllt hatte als er noch nicht beim Militär war? Im Nachhinein wußte er es nicht mehr, nur, daß die Jahre wie im Flug verronnen waren, so schnell, daß bald sein Vierzigster bevor stand. In eine ockerbraune Tunika gekleidet, einen dunkelbraunen Überwurf darüber, ließ er sich die Tore zu den Räumlichkeiten öffnen – von einem Sklaven – und marschierte dorthin, wo sich auch die Anderen versammelt hatten. Mit einem freundlichen „Salvete!“ nickte er in jede Richtung von den Versammelten und ließ sich auf einen Platz hernieder, um gleich einen Sklaven nach einen Becher verdünnten Wein zu schicken.

    Irgendwo in dem nächtlichen Dunkel des Gartens krächzte eine Krähe, laut und kräftig, ehe sie mit schweren Flügelschlägen sich in den Himmel davon machte; dennoch war ihre rauhe Stimme bis in den Gang zu hören; dem Gang in dem Marcus sich herunter gebeugt hatte, um Asny aus dem Loch zu helfen, das Licht der Öllampe flackerte bei jedem Windzug, der aus den vielen Öffnungen kamen, die nur mit Fensterläden verschlossen waren, die Schatten tanzten über die Mauern und schlichen sich um Marcus' Füße herum, erschwerten auch seine Sicht in das Loch, immer mal wieder sah er das bleiche Gesicht von Asny auftauchen, konnte aber ihre ganze Gestalt nicht ausmachen; darum wurde er von ihrem Schlag mehr überrascht als es ihm wirklich weh tat, verdutzt zog er seine Hand zurück und hob ungläubig die Augenbrauen – mehr eine instinktive Reaktion als ein Wink mit dem Zaunpfahl, es war zu schattig für solche Subtilitäten. Selbst jetzt, nachdem sie schon ausgepeitscht worden war, nachdem sie Stunde um Stunde in dem Loch verharren mußte, selbst zu dem Zeitpunkt schien ihr Stolz und ihre für eine Sklavin schier wahnwitzige Arroganz ungebrochen zu sein, was ihre ersten Worte deutlich machten – für Marcus zumindest. Somit ließ er es, Asny weiter helfen zu wollen und trat einen Schritt zur Seite; es war ihm zudem, als ob er das Tor zur Unterwelt geöffnet hätte, als er die Tür zu dem Loch aufgestoßen hatte, denn es schien ein Geist zu sein, der sich in das Licht quälte, der Geist der Sklavin Asny, noch bleicher als ihr Naturell und mit Spuren von dem vergangenen Tag waren ihr deutlich anzusehen, auch, daß sie Schmerzen zu erdulden hatte – wobei sich Marcus einen Herzschlag lang fragte, ob Geister überhaupt noch Schmerzen ertragen mußten.


    Doch die Pein in dem Gesicht der Spukgestalt wandelte sich auf einer sehr subtile Art, so daß er nicht mehr ganz sicher sein konnte, ob er den Schmerz vorher überhaupt gesehen hatte, bevor sich die Verachtung zeigte. Was? Wie vom Donner gerührt starrte er die Sklavin an, sie schien wirklich ihres Lebens überdrüßig zu sein; dabei weilte sie – wie er von einem verschreckten Sklaven erfahren hatte – schon einige Wochen, wenn nicht sogar Monate hier in der villa; ja, hatte sie denn nicht erfahren, wie die Flavier waren? Oder war der Ruf der Flavier schon nicht mehr der, der er einst gewesen ist, wenn die Sklaven schon alleine bei der Nennung des Namen ihrer Herrn zu zittern begannen? Nun ja, es rumorte wieder in Marcus und der Zorn kämpfte mit den Seidenfeßeln, um entkommen zu können und die Herrschaft zu gewinnen. Sie ist nur ein Mädchen, dachte Marcus und versuchte sich verbißen daran zu erinnern, nur ein Mädchen; um den Impuls herunter zu würgen, ihr einen Schlag zu versetzen, denn er mochte diese gewalttätige Seite an ihm gar nicht in diesem Augenblick. Nur ein Mädchen...nur ein Mädchen; mit einem harten Ausdruck im Gesicht und um den Mund wandte sich Marcus von ihr ab und atmete tief durch, dabei die Dunkelheit im Gang betrachtend, die sich an den Stellen ausbreitete, in denen die Öllampen den Kampf mit der Nacht verloren hatten. Verflixt und zugenäht, herrje, warum machte ihm das Weib es nur so ungemein schwer? Gerade wollte er sich wieder zur ihr herum drehen und ihr eine scharfe Erwiderung geben – scharf in sofern, dass sie kalt und zornig wäre, aber nicht unbedingt schlagfertig, das war leider auch nicht gerade Marcus' Stärke, ebensowenig wie er sich in Bonmots erging, selbst wenn er es hin und wieder versuchte!


    Aber noch ehe er sich eine mögliche Antwort überlegen konnte, sie von seinem Geist zu den Zentren schicken, in denen die Worte für die Zunge transkribiert werden konnten und dann an seine Muskulatur geschickt wurden, noch ehe all diese unsäglich langen Prozesse – im Vergleich zu einem flavischen Gracchus oder flavischen Aquilius! - ihr Ende fanden, sprach Asny schon weiter. Und im selben Augenblick und nach dem Realisieren der Worte, änderte sich schlagartig etwas. Es war wie ein Sturm, der hinweg gefegt war und plötzlich zeigte sich die Sonne am Himmel, der Sturm schien schon fast vergeßen zu sein; denn nicht mehr Zorn beherrschte Marcus, sondern Belustigung, über jene vermeßenen und doch absurden Worte. Die Wut verschwand im selben Augenblick von seiner Miene und es bahnte sich hinauf, ohne daß Marcus etwas im Gringsten daran ändern konnte: Das Lachen. Es rollte über seine Zunge und brach aus ihm heraus, tief und kollernd; warum wollten bloß immer alle Frauen, die Marcus kannte, an ihm etwas ändern? Schon seine Mutter war nie mit ihm zufrieden gewesen, ganz zu schweigen von seiner ersten Frau, seine Tochter hatte auch immer wieder verzweifelte Versuche gemacht, ihn zu einem anderen Verhalten zu animieren, ebenso sah er das schon bei Epicharis kommen; nur Gracchus und Aquilius hatten ihn so genommen, wie er nun mal war; und scheinbar wollte sich die Sklavin in diese here Frauengesellschaft mit einreihen, was Marcus durchaus erheiterte; sein Gesicht hatte wieder eine gesündere Röte angenommen als er sich zu Asny umwandte und noch leise gluckste.
    „So ist das also! Warum hast Du das nicht früher gesagt, Asny?“
    , erwiderte er mit deutlich hörbarem Spott in seiner Stimme. Er taxierte sie einen Herzschlag lang, selbst wenn sie verbißen auf ihn wirkte, konnte er ihr Gehabe nicht mehr ernst nehmen, außerdem wirkte sie in dem Moment als ob sie jederzeit bewußtlos werden könnte; Marcus schüttelte leise seufzend den Kopf, trat einen Schritt auf sie zu und hob sie – natürlich ohne zu fragen! - einfach hoch, den ersten Impuls, sie einfach über seine Schulter zu werfen, hatte er im Angesicht ihrer Verletzung schnell wieder verworfen, darum trug er sie jetzt recht manierlich vorne auf den Armen, vorsichtig darauf achtend, nicht die Wunden zu berühren, die die Peitsche am Tag hinterlaßen hatte. Selbst wenn sie ihn schlagen würde, sich winden oder ihn kratzen, vielleicht sogar beißen; einen kleinen Vorteil hatte Marcus ihr gegenüber durchaus, er war ihr physisch einfach überlegen, selbst wenn sein Bein nicht mehr die Leistung von früher erbrachte, so war er durchaus noch aus seiner Zeit des Militärs und natürlich des Krieges fit genug für eine junge Frau wie Asny. Schweigend stapfte er durch die Gänge und zu einer Sklavenunterkunft, die er als nächstes fand, da er sich in diesem Teil der villa naturgemäß nicht sonderlich gut auskannte.


    Mit einigen herrischen Worten und dem Befehl eine Schüßel und Waßer zu bringen, scheuchte er ein Sklavenpaar hinaus, die wohl recht innig miteinander beschäftigt gewesen waren, ansonsten war die Unterkunft erst mal leer; Marcus suchte einen sauberen Schlafplatz, der recht verlaßen aussah, heraus und legte Asny auf das Bett ab, er selber zog sich einen jener unbequemen Schemel heran, die die Sklaven hier wohl zu nutzen schienen. Während er auf den Sklaven wartete, den er zum Holen der Gegenstände weg geschickt hatte, starrte er Asny prüfend an.
    „Warum machst Du das, Asny?“
    , fragte er schließlich.
    „Möchtest Du Deinem Leben eine recht kurze Spanne verleihen oder warum handelst Du so lebensmüde, hm?“
    Es war bestimmt nicht die Intention von Marcus, jetzt ein tiefgehendes, analytisches Gespräch mit Asny zu führen, das interessierte ihn eigentlich alles gar nicht, er wollte schlicht wißen, womit er es bei dieser Sklavin zu tun hatte und wie er weiter mit ihr verfahren sollte; denn ihre Antwort würde auch prägend für ihren weiteren Lebensweg sein – selbst wenn Marcus Nachsicht walten laßen würde, da die junge Frau recht geschwächt war!

    Herrlich unkompliziert machte es der Aelier, aber Marcus hatte es nicht anders erwartet – schließlich hatte er ihn auch als recht unkonventionell in Erinnerung, welcher Senator erduldete sonst solche Strapazen, um an einem Feldzug im fernen Parthia teilzunehmen; ein fröhlich-freundliches Lächeln entlockte er mit seiner Art bei Marcus, selbst wenn er mit der Kandidatenliste Marcus erneut etwas irritierte. Na, die Liste für die Standeserhebung, dachte sich Marcus, selbst wenn etwas in seinem Nacken zu pochen begann, so ein seltsames Gefühl, was man sechsten Sinn oder die vage Ahnung von Scharfsinn nennen könnte. Marcus nickte jedoch dankbar, er würde Gracchus danach befragen, was ihm bei dieser Unterhaltung entgangen war, denn ihm war etwas entgangen, da war sich Marcus sicher.
    „Dann hab Dank, consul, das erleichtert mich natürlich ungemein!“
    ...für meinen Sohn, dachte er sich freudig, na, Serenus würde bestimmt damit zufrieden sein und vielleicht würde ihn dann auch Epicharis in nächster Zeit weniger mit ihren Plänen für ihn – Marcus – gängeln. Das mit dem Grundbesitz war Marcus nicht völlig klar, aber er besaß Land und auch nicht unbedingt wenig - selbst wenn es deutlich reichere Männer gab, aber eben auch Ärmere - und Geld hatte er auch, weswegen er zuversichtlich nickte.
    „Natürlich kann ich das Land und Geld vorweisen, consul!“
    Wieviel auch immer, aber das mußte ihm Gracchus später noch sagen. Ob Gracchus noch etwas ansprechen wollte? Marcus war da nicht ganz sicher, darum obließ er es erst mal seinem Vetter oder eben dem consul, das weitere Gespräch zu lenken – nicht, daß Marcus schüchtern wäre, im Gegenteil, aber ihm war ja die Hälfte der Zusammenhänge immer noch recht schleierhaft.

    Der Sklave war nun mal Marcus' Sklave und wie ein Herr für seinen Hund verantwortlich war, so war es Marcus nun mal für die Taten seines Besitzes, der Cassim nun mal war, und das sogar durch Marcus' eigene Handlung. Er zuckte seufzend und resigniert mit der Schulter, was Sklaven anging, hatte er in den letzten Monaten wirklich kein Glück gehabt, oder sogar schon seit Jahren? Aber er fand es sehr nobel von Celerina, daß sie es ihm nicht nachtrug, obwohl sie es doch könnte, da er die Gefahr in die villa eingeschleppt hatte.
    „Ah so! Ja, das ist natürlich sehr sinnig, wenn Du Deinen Sklaven auch zu Deinem Schutz haben möchtest. Und natürlich steht es Dir frei, über Cassim zu verfügen, damit er Deinen Sklaven darin unterrichten kann, sofern Cassim dazu taugt; aber meinst Du nicht, Celerina, daß es vielleicht auch nützlich wäre, wenn Du Dir bereits einen ausgebildeten und fähigen Leibwächter zulegst? Ich meine, Du bist jung, schön und zudem aus wohlhabendem Hause, das ist immer gefährlich für eine Römerin!“
    Dabei dachte Marcus an die kürzlich zurück liegende Entführung von Minervina; und das nicht aus purer Selbstlosigkeit, es hatte die Familie mehr als zwanzigtausend Sesterzen gekostet, daß die junge Frau sich Hals über Kopf nach Hispania begeben hatte, wegen dummer Mädchenflausen im Kopf und diesem elenden Caelier, diesem geldgierigen Parvenue! Doch noch ehe Marcus weitere Gedanken daran verschwenden konnte, klopfte es schon und der Parther trat hinein; sofort trat wieder der grollende Ausdruck auf Marcus' Gesicht als er Cassim sah.
    „Ah, da bist Du ja! Komm' näher, Cassim!“
    , forderte er diesen auf.
    „Ich hörte, Du wärest meiner Nichte Celerina vor kurzem begegnet und hättest Dich nicht nur unverschämt, sondern sogar anmaßend und drohend ihr gegenüber verhalten. Dafür hast Du Dich bei ihr zu entschuldigen!“
    Was natürlich noch nicht alleine als Sühne bleiben würde, es würde noch mehr folgen, wenn Marcus wußte, wie er den Sklaven am Besten bestrafen sollte! Auffordernd nickte Marcus Cassim zu, es sofort zu tun, das mit dem entschuldigen.

    Ein wenig irritiert war Marcus dann doch von den leisen Worten seiner Frau, aber mehr wegen seiner Frau; er sah sie an und versuchte an ihrem Gesicht abzulesen, was ihr am heutigen Tage über die Leber gelaufen war, augenscheinlich eine recht unangenehme Laus; sie strahlte gar nicht ihre sonstige heitere Glückseligkeit aus, dieses leichte Schweben, was ihr Wesen zu sein schien, vielleicht lag es auch an der Verstimmung mit ihrer Sklavin; vielleicht sollte Marcus ihr eine andere Sklavin besorgen, damit sie den Streit mit Fiona vergeßen konnte?!
    „Ähm...ah so ist das!“
    , murmelte Marcus zurück und spähte nach vorne.
    „Ich glaube, sie sind noch nicht fertig, hm?“
    , fügte er genauso leise an und spähte nach vorne, während das Brautpaar Schwur und Ringe austauschten, was mitunter ein Höhepunkt darzustellen schien, aber Marcus war durch das Geflüstere mit seiner Frau auch einige Momente abgelenkt gewesen; nichtsdestotrotz entschlüpfte ihm sogleich ein enthusiastisches:
    „Feliciter!“
    An das Brautpaar gerichtet natürlich; schon schien der Erste das Brautpaar zu beglückwünschen, so daß Marcus nickend zu Epicharis sah.
    „Ja, jetzt könnten wir wohl, sollen wir gleich oder erst mal abwarten, bis die Familie ihnen gratuliert hat?“

    Auch sich selber goß Marcus noch einmal ein, aber mit verdünntem Wein, stark verdünnt, es war schließlich noch am Morgen, und gleichwohl ihn keine Pflichten an diesem Tage erwarten würde, wollte er doch nicht bald als Trunkenbold und Kupfernase gelten, zudem machte es den Wein wirklich vulgär und gewöhnlich, Marcus nahm wieder Platz und lauschte dem, was Celerina sich als Entschuldigung erbat; Hannibal und ein Kriegsgefangener? Nein, da stimmte eindeutig etwas nicht; die Falte zwischen seinen Augenbrauen vertiefte sich in dem Moment der Irritation und er sah Celerina verwirrt an, bis sich langsam der graue Nebel der Verwiunderung zu lichten begann: Ach herrje, es war eindeutig nicht Hannibal gemeint und es fiel ihm wie Paulus in Damaskus die Schuppen von den Augen: Cassim; diese kleine parthischen Natter war gemeint, boah, im selben Augenblick als sich das Rätsel löste und das Mißverständnis sich klärte, schoß immenser Zorn in Marcus hinauf; hatte er nicht dem Parther eingebläut, daß er die flavische Familie, seine Verwandten, immer respektvoll zu behandeln hatte? Doch, da war sich Marcus ganz sicher und der Sklave schien sich keinen Deut darum zu scheren, langsam verfärbte sich Marcus' Gesicht tiefrot, angefangen von seinen Ohren bis zu seinen Wangen ausbreitend.
    „Cassim? Der Parther? So ist das...das wird der Kerl aber bereuen.“
    Marcus stand auf und stapfte zur Tür, um sie aufzureißen und in den Gang zu starren, bis ein Sklave schon im nächsten Herzschlag vorbei trottete.
    „Hol' Cassim! Sofort!“
    , peitschte ihm Marcus mit Worten entgegen, der Sklave guckte erschrocken, machte sich jedoch hastig auf den Weg, um den parthischen Sklaven zu suchen, hoffend für seine eigene Haut, ob er ihn auch wirklich fand. Marcus trat derweil wieder zurück und ließ sich auf den Stuhl zurück plumpsen.
    „Das tut mir wirklich Leid, Celerina, ich dachte, Du würdest von einem anderen Sklaven sprechen; ja, Cassim gehört mir auch! Anscheinend hat er immer noch nicht gelernt, wo sein Platz nun ist, er scheint sich für etwas besseres zu halten. Und ihn möchtest Du als Trainingspartner für Deinen Sklaven? Von mir aus, ist das kein Problem, aber...naja, der Parther ist nicht immer ganz berechenbar...“

    Die Schwärze verschlang den Körper der Sklavin und Marcus folgte ihrem Weg in das Loch noch mit seinen Augen, die von einem düsteren und grimmigen Ausdruck erfüllt waren, einem Zorn, der selten in ihm aufstieg und darum wohl umso unbändiger und zügelloser war, eben weil er ihn in diesem Ausmaß nicht gewohnt war und sich selten einem solchen hingab, als Kind freilich öfters, insbesondere wenn ein Freier bei seiner Mutter aufgetaucht war, die er alle gnadenlos und mit all den Winkelzügen verfolgt hatte, die ihm und Hannibal damals eingefallen sind; heute hatte der Zorn eine andere Qualität, nun, wo er mehr zu sagen hatte und die Sklavenschaft des Haushaltes jedem seiner Befehle zu gehorchen hatten, wobei es eigentlich insofern gut war, daß sich Marcus' Temperament mit den Jahren abgekühlt hatte, den bald vierzig Jahren. Nur heute nicht, dort, wo jede Blöße freigelegt war und gnadenlos darin herum gestochert wurde; grimmig war darum immer noch der Ausdruck als die Sklaven mit einem lauten Krachen die kleine Tür zu dem dunkeln Raum zufallen ließen und den Riegel davor schoben. Ein wenig Licht würde durch die Ritzen der Tür, die natürlich nicht ganz eben sein konnte, aber auch durch den oberen und unteren Rand in den Raum fallen, schmale und dünne gelbe Lichtquellen, die davon zeugen würden, daß es noch eine Welt jenseits der absoluten Dunkelheit gab; Marcus drehte sich abrupt auf seinem Absatz um und stapfte wütend schnaubend davon, weg von diesem schmucklosen Gang, hinfort von der aufmüpfigen und ihm geistig deutlich überlegenen Sklavin und all den düsteren Gedanken, die ihn seit ihren treffenden Worten plagten; leider wollten jene Gedanken wohl auch nicht zurück bleiben, sie verfolgten Marcus auf jeden Schritt, den er sich von Asny entfernte und setzten sich kauernd in seinen Nacken.


    Die Minuten zogen sich wie zähes Harz, schwere Wassertropfen wären es, die im Stundenglas herunter rannen; Marcus hatte sich in seine Räumlichkeiten begeben und sich erstmal einen Krug mit Wein organisiert und sich unverdünnten Wein eingegoßen; schweigend und brütend trank er einen Becher nach dem Anderen, verschloß vorsorglich die Tür zu seinem Zimmer ab und setzte sich in einen der Stühle, die dort am Fenster standen. Und nun saß er in dem Stuhl, während Wachstropfen der Zeit sich streckten, dehnten und vergingen; schweigend, grübelnd, finster und immer mehr von dem Wein in sich einflößend, die Sonne wanderte mit ihren Strahlen im Raum immer weiter, das goldene Licht glänzte noch auf dem Marmor, liebkoste den hölzernen Tisch, auf dem der bemalte Tonkrug mit dem rot schillernden Wein stand, und obließ es den Schatten, die Herrschaft über den Raum einzunehmen. Selbst im Dämmerlicht des Abends saß Marcus immer noch in diesem Stuhl und hatte sich seit Stunden nicht mehr gerührt, die Augen halb geschloßen, halb vom Wein benebelt, dann von den Gedanken gefangen, die ihn derart grübeln ließen, entgegen dem, daß es eigentlich wider seiner Natur war, ganz langsam zuckte sein Kinn auf die Brust, zwei Mal schnellte der Kopf wieder hoch, doch dann blieb er auf der Tunika ruhen, der Mund öffnete sich ein wenig und die Augen begannen unter den Lidern nach einigen Herzschlägen hin und her zu zucken.


    Mit einem Keuchen schlug Marcus abrupt die Augen auf; es war schon dunkel in seinem Raum geworden und kein Licht brannte in seinem Zimmer; schwer atmend und sich einige kleine Schweißtropfen von der Stirn wischend sah er sich um und hinaus aus dem noch weit offen stehendem Fenster: Nur wenige Sterne waren am Himmel zu sehen und der Mond war noch nicht in Sicht seines Zimmers, damit konnte es auch noch nicht allzu spät sein. Immer noch spürte er die Auswirkungen des Weines und einem ekelhaften Geschmack auf seiner etwas pelzigen Zunge, stöhnend erhob er sich und trat zu einer Öllampe; nicht gerade geschickt suchte er nach dem Zündzeug und es dauerte einige Minuten, bis endlich die Flamme aus der Lampe leckte, gelb breitete sich der Schein aus und fiel auch auf einen kleinen silbernen Spiegel, der an der Wand hing; er war kaum größer als seine Handfläche, dennoch spiegelte er sein Gesicht wieder, etwas verzerrt und wellig, wie das Silber nun mal reflektierte, doch Marcus sah den immer noch grimmigen Ausdruck und die dunklen Augenränder, die blaßen Wangen, dagegen die errötete Nase – vom Wein – und stutzte; schnell wandte er sich von dem Anblick ab und begann im Raum auf und ab zu gehen; der Traum, den er eben hatte und der Anblick hatte ihn doch ins Grübeln gebracht.
    „Sie ist nur ein Mädchen...“
    , murmelte er; weibliche Sklaven und überhaupt Frauen vermochten doch deutlich die Nachsicht bei Marcus zu schüren – prinzipiell; manche Frauen konnten ihm sogar hervor ragend auf der Nase herum tanzen, immer wieder marschierte er das Zimmer hoch und runter, dann drehte er sich um und verließ den Raum wieder.


    Einige Minuten und längere Augenblicke später - mitsamt eines Umweges über die Sklaventrakte – marschierte Marcus den Gang hinauf, der zu dem kleinen Loch führte, in dem er die Sklavin Asny zurück gelaßen hatte; die Gänge waren schwach von Öllampen erleuchtet, dennoch krochen überall die Schatten entlang und die Nacht hatte mehr von dem Gang eingenommen als das Licht verdrängen konnte; Marcus beugte sich etwas herunter und schob laut knirschend den Riegel zur Seite; er griff nach einer Lampe und leuchtete in die Dunkelheit, dabei die junge Frau mit nicht mehr wirklich wütender Miene musternd; er reichte ihr sogar eine Hand, um ihr heraus zu helfen.
    „Komm!“
    , sprach er dazu, erzog sie hinaus und stützte sie.
    „Kannst Du laufen, Asny?“

    Vollkommen arglos war Marcus seinem Vetter gefolgt, hatte sich seinetwegen zuliebe auch in Schale geworfen, denn in den Palast kam man ja wirkllich nicht jeden Tag und wer wußte schon, wem man da alles über den Weg lief. Gespannt, um was es denn gehen würde – Marcus mutmaßte etwas für Serenus, da dieser doch bald in den Priesterstand treten wollte, womöglich wollte Gracchus seine guten Beziehungen zum Palast, die er doch ohne Zweifel haben mußte, ausnutzen und natürlich war da seine – die des Vaters – Anwesenheit notwendig. Aber warum Gracchus so eine Geheimniskrämerei machte, war ihm nicht ganz klar, aber womöglich hatte er den Grund schon genannt, Marcus hatte es nicht mitbekommen. Schweigend und sich neugierig umschaund bei all der Pracht folgte Marcus bis zu dem Palastteil, den die Aelier bewohnten; wobei er ein leises Pfeifen unterdrücken mußte, als er die schönen Bauten sah, die Aelier wußten zu leben, wahrlich; die Begrüßung von Quarto erwiderte Marcus mit einem ehrlich-freundlichen Lächeln, dieser war doch schließlich ein guter Freund seines Bruders – davon war Marcus immer noch felsenfest überzeugt seit Parthia – und somit doch der Familie wohl gesonnen, wie sollte es auch anders sein?
    Salve, consul Aelius!“
    , grüßte Marcus darum zurück und runzelte bei den Worten seines Vetters die Stirn. Was sagte Gracchus? Die Konstruktion seines Satzbaus stellte Marcus vor ein unlösbares Rätsel, ah, anscheinend wollte Gracchus wohl etwas wegen den Wahlen ansprechen, aber der Rest war etwas zu unentwirrbar für ihn. Außer das mit dem ordo, aber natürlich, den würde Serenus brauchen, wenn er seinen Weg im CD machen, vielleicht einst sogar pontifex werden wollte und daß Serenus das Zeug dafür hatte, war für Marcus vollkommen deutlich; ein stolzes Lächeln über seinen Sohn – den klugen Jungen – zeigte sich einen Moment auf den Lippen von Marcus, der – er hielt sich nur für peripher wichtig bei diesem Treffen und dachte, er müße nur Präsenz zeigen – einige Fresken musterte und völlig überrascht war, auch angesprochen zu werden. Ähm, was hatte Quarto gesagt? Irgendwas mit dem ordo? Ach, wann dieser ihm zugesagt wurde? Aber das mit dem Amt, was Quarto vorher erwähnt hatte, war für Marcus etwas verwirrend, er warf seinem Vetter einen schnellen ratlosen Blick zu, das würde dieser ihm danach noch erklären müßen und dachte nach, was ihm sein Bruder mitgeteilt hatte – es war schon eine Weile her. Marcus nickte vorsichtig, wenn er sich auch nicht ganz sicher war, worauf hin er jetzt nickte, aber es war erst mal besser, Gracchus zu bestätigen, dieser wußte ja schon was richtig war – oder?
    „Das war im conventus Februarius DCCCLVII A.U.C. unter Kaiser Ulpius Iulianus, consul!“
    , erwiderte Marcus als es ihm doch einfiel, denn das war nicht lange bevor sie nach Parthia aufgebrochen waren, etwas, was vieles in seinem Leben durcheinander gebracht hatte.
    „Kurz bevor die Parthienfeldzüge begonnen haben, consul!“

    Dumpf drangen die Laute von Lyra und Flöten durch die Zimmertür, von dem munteren Treiben, das noch in der villa Flavia statt fand, um die Gäste zu unterhalten, weiter zu verköstigen und ihnen Amüsement zu bringen. Doch all das Feiern war nun weit weit weg von Marcus, es hätte genauso gut in einer anderen villa, einem anderen Land oder Planeten statt finden können, denn er merkte davon gar nichts mehr. Seine Augen registrierten als Reizung die vielen Blumen, die das Zimmer schmückten, sah auch das Mosaik und die Amulette und ließ all die optischen Reize in sein Geist sickern, davon wurde jedoch wenig aufgenommen, wie ein Federkleid, das die Wasserperlen wieder abtropfen ließ. Bei jeder Bewegung zuckten die Flammen einer Öllampe in seiner Nähe. Er fand es zudem ungeheuer warm in dem Raum, oder war ihm einfach nur hitzig zu mute? Denn er hatte durchaus den einen oder anderen Tropfen am Tage zu sich genommen und reichlich von den deliziösen Speisen gemampft.


    Einige Schritte und sie standen mitten im Raum, ein Lichtreflex spiegelte sich auf dem Gesicht seiner frisch angetrauten Ehefrau wieder, gleichsam kämpften Schatten und Licht um die Oberhoheit auf den Zügen der ehemaligen Claudia, zeichneten ihre Züge weich oder gaben ihr eine ausdrucksstarke Kontur, sie war wirklich schön, die junge Epicharis und so, wie sie verlegen vor ihm stand, wirkte sie auch ungeheuer jung und Marcus kam sich mit einem Schlag bedeutend älter als sie vor, was er auch war, er könnte sogar ihr Vater sein, ein Gedanke, den er schnell zu verdrängen suchte, hatte er doch sowieso schon Probleme gewiße Säfte zu schüren, Epicharis war schön, Epicharis wärmte sein Herz und schürte innige Zuneigung in ihm, aber sie war im Grunde auch nicht die Art von Frauen, auf die Marcus stand. Zu hellhäutig, zu schlank, gerade dunkelhäutige, sehr runde Frauen hatten es Marcus angetan. Marcus leckte sich kurz über die trockenen Lippen und wünschte sich noch einen Schluck Wein herbei als schon claudisch, nun flavische Lippen die seinen streiften. Was wiederum erneut Marcus' Herz wärmte, wenn auch nichts sonstiges bei ihm regen ließ.


    Es hatte wirklich etwas von einem Mädchen an sich, einer jungen Frau, die nicht sehr viel Erfahrung hatte. Marcus, der sanft seine Hände um die von Epicharis geschlossen hielt, obwohl er das Gefühl hatte, mit seinen großen Pranken, die von der Militärzeit noch zu schroff waren, würde er sie jederzeit zerbrechen können, die zierlich-kleine Epicharis, zögerte einen Augenblick und dachte grüblerisch nach. Hatte sie überhaupt Erfahrung? Marcus gehörte nämlich nicht zu jener Sorte von Mann, der ein Jungfrauenschwerenöter war, im Gegenteil, Frauen mit Lebens- bzw. Liebeserfahrung waren ihm doch deutlich lieber. Marcus entließ eine der Hände und strich Epicharis sanft über die Wange, über ihre zarte Haut und beugte sich vor. Seine Lippen streiften erst ihre Wange, er sog ihren wunderbaren Duft ein und legte dann seine Lippen auf die Ihrigen. Sanft und lange küsste er sie, nicht nur keusch, sondern immer intensiver und besitzergreifender. Nach Epicharis' Erfahrung würde Marcus jetzt gewiss nicht fragen, er wollte sie nicht noch nervöser machen als sie es gerade offensichtlich schon war. Seine Lippen lösten sich mehr widerwillig von den Ihren und er wanderte mit seinen Lippen an ihrem Hals entlang, wie er doch ihren wunderschönen Hals mochte, wobei eine Hand etwas von ihrem Gewand an der Schulter herunter streifte und dann beide Hände nach dem kompliziert verschlungenen Gürtel suchten, um ihn langsam zu öffnen. Es war ja nicht das erste Mal, dennoch war der Gürtel schrecklich kompliziert verknotet, einem gordischen Knoten nicht unähnlich. Wie schon viele Generationen vor ihm und auch viele nach ihm, kämpfte Marcus mit der ersten Hürde einer intimen Begegnung, die Kleidung der Frau.

    Aurelia Prisca? Das weckte Erinnerungen, Glocken läuteten in seinem Kopf, wenn auch nicht Hochzeitsglocken – oder gerade die nicht – sondern andere kleinere Schellen; denn war das nicht die Frau, um die sein Vetter – der Rom verlassen hatte – gefreit hatte? Schön war sie gewiß, wenn auch nicht Marcus Typus, und mit Sicherheit hatte sie einen Haufen anderer Bewerber, die sich nur so um sie rißen. Er musterte sie einige Herzschläge, wurde dann jedoch von der Zeremonie und dem Opfer abgelenkt, was ihn auch am Essen gehindert hatte, gleichwohl noch ein begehrlicher Blick zu den Köstlichkeiten wanderte. Marcus wartete und lächelte auch frohgemut als er das litatio des Eingeweidelesers hörte, dann war ja alles gut und die Zukunft der Braut sicher; daran bestand kein Zweifel für Marcus.


    Suchend guckte sich Marcus um, um zu sehen, was seine Ehefrau meinte. Doch er konnte nicht ganz einordnen, wer jetzt von den Frauen die pronuba war und sowieso, er kannte sie alle nicht, weswegen er mit der Schulter zuckte und leise erwiderte:
    „Das wird schon seine Gründe haben...wer ist es denn?“
    Marcus verstummte jedoch sofort, er wollte nicht störend auffallen, schließlich war dies doch einer der wichtigesten Tage im Leben eines Brautpaars – für die Braut, sofern sie nur einmal heiraten würde, mit Sicherheit sogar der Wichtigste.

    Strafen für Sklaven sich zu erdenken war von je her keine beliebte Beschäftigung bei Marcus gewesen, in jungen Jahren hatte ihm Milo dabei geholfen, der doch mehr nach seinem Vater geschlagen war als er selber wohl immer geglaubt hatte, aber Flavius Felix' Blut floß oder war jedenfalls in Milos Adern gefloßen, seinem armen kleinen Ziehbruder, ob es ihm im Elysium wohl gut ging, es war mal an der Zeit, ein Opfer für ihn zu machen. Gedanken verloren runzelte Marcus die Stirn als ihm all die Gedanken durch den Kopf schoßen, es klopfte dezent an der Tür und der Sklave streckte den Kopf herein; Marcus nahm ihm das Gefäß mit dem Saft ein und füllte den Becher für Celerina auf, der schon zur Hälfte mit Wasser voll war.
    „DAS wird er sicherlich, Celerina, und bei den Göttern, das sollte er auch sein. Kann ich seine Mißetat bei Dir vielleicht wieder gut machen, meine Liebe?“
    , fragte Marcus besorgt, die Empfindungen von weiblichen Wesen waren doch manchmal...naja, zart eben, wie frisch blühende Blumen, zumindest glaubte Marcus das.
    „Ähm...einen anderen Namen?“
    Verdutzt guckte Marcus aus der Wäsche, auch bei den folgenden Worten von Celerina minderte sich das nicht und langsam beschlich Marcus das Gefühl, hier lag ein Mißverständnis vor.
    „Nein, Hannibal trägt seinen Namen seit seiner Geburt, er stammt auf der flavischen Sklavenlinie! Auch sein Vater und dessen Vater hießen schon Hannibal! Welchen Namen hat Dir der Sklave denn genannt?“

    Psycho...was? Verdutzt und völlig ratslos war der Blick, den Epicharis auf ihre Antwort hin ernten konnte; doch das war sicherlich etwas ganz schlaues, was Marcus eben nicht kannte; darum ließ er das Thema lieber und legte das Buch schnell zurück, das war bestimmt Lektüre für seine Gattin und auch andere Familienmitglieder, die den genialen Zug der Flavier geerbt hatten und das Geschenk würde mit Sicherheit in die Bibliothek eingereiht werden, der beste Ort für ein solches Objekt. Marcus betrachtete alles, was dort zu Tage getreten war und fand die Geschenke mehr als großzügig, richtig gehend pompös; verwundert war nun auch der Ausdruck als er die Geber vernahm: Der Präfekt von Ägypten und seine Frau? Das mußte wohl auf Epicharis zurück zu führen sein, aber es war auch kein Wunder, ihr sonniges Wesen vermochte jeden für sie einzunehmen; und als Claudia verfügte sie bestimmt über mannigfaltige Verbindungen. Marcus drehte gedankenverloren den Ring zwischen seinen Fingern und streifte ihn auch unbedarft über; hm, war da ein Schauder, der über seinen Rücken ging? Ach nein, nur ein frischer Wind, der gerade aufkam.


    Huch, hach herrje, das war ja noch besser als bei den Saturnalien, all die Geschenke die auf eine Hochzeit folgten, dachte sich Marcus als seine Anverwandte, die junge Celerina, heran kam. Und mit einem großen und verpackten Geschenk, interessiert betrachtete Marcus es...und bewegte sich da nicht etwas? Verdutzt blinzelte er und nickte Celerina freundlich und warm lächelnd zu.
    „Salve Celerina, aber das wäre doch nicht nötig gewesen...“
    Wobei sich Marcus natürlich sehr freute, trotz dieser Floskel; als dann das Tuch entfernt wurde und der Affe hervor kam, blinzelte Marcus erneut einige Male. Ein richtiger Affe, wie es sie in Ägypten gab...gab es sie doch oder war das woanders gewesen? Na, egal, es brachte Erinnerungen an das geliebte Afrika und ein breites Lächeln auf sein Gesicht.
    „Hat es einen Namen? Das Tier?“
    , fragte Marcus und spähte zwischen die Gitterstäbe. Erstaunt verfolgte er dann die Vorführung des possierlichen Tieres, hach, herrlich. Aber die Frage von Celerina an Epicharis ließ ihn stutzen. Was sollte sie versuchen? Sich auch zu drehen wie der Affe? Hm, nein, das konnte es wohl nicht sein.

    Was denn immer alle mit seinen Eiern hatten, Marcus fand, daß sie doch der gelungenste Teil von der Vorspeise waren, doch ein Blick auf die – etwas zu dunklen Würstchen – zeigte ihm schon, daß der Rest eben doch sehr ungelungen war, nun ja, der gute Wille zählte, meinte er doch und nickte auf Celerinas Frage hin, nachdem er seinen Sohnemann wieder aus der Umarmung und sonstige väterlichen Gesten entließ. Er deutete auf Bridhe und auf Gracchus:
    „Ja, das haben wir alles zu Dritt erschaffen.“
    , verkündete er nicht ohne einen gewißen Stolz, jetzt, nachdem die Panik abgeflaut war und die Essen langsam in Gang kam, war das morgendliche Entsetzen doch deutlich besser geworden. Aber der Wortwechsel von Cassander und Serenus entging Marcus dann doch nicht, dem er mit halben Ohr gelauscht hatte: Furianus war erkrankt; besorgt runzelte Marcus seine Stirn, denn er hielt doch sehr viel von seinem Neffen, war er doch schließlich auch sein einziger Neffe und der Sohn seines einzigen Bruders, somit von der Familie am Nächsten stehend – und da Marcus sich nicht für alt hielt, hielt er freilich seinen Neffen doch noch für sehr jung, welche Tragödie, wenn er ebenfalls wie Milo jung sterben würde. Marcus voriger Frohgemut schwand schlagartig, zumal es ihn an den Tod seines Ziehbruders und Neffens erinnerte und seine Mundwinkel herunter drückte, wie von einem schweren Stein gezogen. Betrübt guckte Marcus zu dem Sklaven, der jetzt das Wort auch an ihn richtete.
    „Aber das macht doch nichts; es ist doch tausend Mal wichtiger, daß Furianus wieder gesund wird und mit Kraft strotzend wieder nach Rom zurück kehren kann, alles andere ist dann nur noch secundarius...secundand...ähm..nein....also unwichtig dagegen.“
    , erklärte Marcus mit vollen und ehrlichem Ernst, ein Opfer für Furianus wäre vielleicht ganz gut, er würde später damit noch mit Gracchus einige Worte wechseln.


    Erstaunt guckte er wiederum seinen Sohnemann an; der war schon zwei Tage in der villa? Ja, warum sagte ihm keiner das, aber in den letzten beiden Tagen war es auch wirklich drunter und drüber gegangen wegen der Saturnalien, die Marcus zu organisieren hatte und zum großen Teil daran gescheitert war. Und sacerdos wollte sein Junge werden; hach ja, er hatte auch die Begabung dafür, wohlwollend und sehr stolz auf seinen Sohn lächelte Marcus und nickte.
    „Dann wirst Du sicherlich sehr viel von Gracchus lernen können, mein Junge!“
    Irgendetwas kitzelte in seiner Nase, es roch verbrannt, irritiert sah sich Marcus im Raum um, ob vielleicht doch noch eine Öllampe herunter gefallen war und nun etwas in Brand gesetzt hatte, aber nein, das war nicht der Fall. Außerdem roch es nach...verbrannter Ente, genau, Marcus riß die Augen auf und murmelte ein: „Entschuldigt mich bitte kurz!“ und eilte prompt und eilig nach draußen, Richtung Küche.

    Na, dann wurde es vielleicht doch noch etwas mit dem Saturnaliengeschenk und dem Pfau; Marcus fand die Vorstellung auch einfach nur herrlich, seinem Cousin Lucullus einen Pfau namens Lucullus zu schenken, sofern es überhaupt dazu kam. Er nickte dankbar auf die Worte von Modestus hin, denn dieses Jahr würde er sich wohl leider selber um die Geschenke kümmern müßen, das er überhaupt daran dachte, lag daran, daß die Organisation an ihm hängen blieb, was die Feierlichkeiten anging.
    „Ich danke Dir, Annaeus! Und wünsche Dir auch alles Gute für die Zukunft! Vale!“
    , verabschiedete sich Marcus und trat hinaus in den lästigen Nieselregen, wo seine Sklaven unter einem Überdach warteten. Immer noch schweren Herzens des Abschiedes vom Militär wegen marschierte Marcus gen flavisches Heim.

    Marcus konnte Modestus wirklich verstehen, der Vogel war auch einfach zu possierlich und er hätte ihn sicherlich auch nicht wieder her gegeben; schließlich war ein Haustier, das einen noch amüsierte, ein viel größerer Gewinn als eines, das nur hübsch anzusehen war, deswegen konnte er viele Frauen auch nicht verstehen, die sich kleine Hunde oder Katzen hielten. Hunde mußten zur Hatz taugen und den einzigen Nutzen bei Katzen sah er in der Mäusejagd und vielleicht, um noch die Ägypter zufrieden zu stellen mit ihrer Katzengöttin, was in Rom ja wirklich nicht notwendig war.
    „Ja, das wäre schon sehr hilfreich, vielleicht finde ich ja noch so einen formidablen Vogel auf den Tiermärkten.“
    Das wäre fabelhaft und Marcus war Modestus dennoch dankbar, daß er ihn auf eine Idee für die Saturnalien gebracht hatte, Geschenke für dieses Fest waren einfach so schwer zu finden und Marcus hatte seine liebe Not damit, wenn er sich schon damit beschäftigen mußte – wie dieses Jahr leider. Marcus erhob sich und folgte dem Hausherrn mit einem marginalen Grinsen auf den Lippen, Ehemänner teilten doch in mancher Hinsicht ihr Leid und konnten es gut nach voll ziehen. An der Tür angekommen, meinte Marcus mit einem jovialen Ausdruck auf dem Gesicht:
    „Nun, dann bedanke ich mich für Deine Gastfreundschaft und wünsche Dir viel Erfolg für die Zukunft, Annaeus!“

    Scheinbar war das Gespann, dem die erste Bedienung zuteil wurde – Chimerion, samt Herrin – zufrieden, oder vielleicht glaubte Marcus das auch, denn er hatte wieder die Hände an der Eier- und Würstchenplatte und schob seinen nicht gerade Fliegengewichtkörper weiter durch den Raum. Das Eintreffen von Gracchus' Gemahlin fiel Marcus freilich auch auf, er grüßte mit einem lächelnden, wenn auch etwas fahrigem Io Saturnalia zurück, ehe er weiter im Programm voran schritt. Irgendwie war das Servieren eine komplizierte Kunst, denn die Gäste standen oder lagen auf ihren Klinen einfach im Weg, immer wieder mußte er sich um den Tisch schlängeln, an einer Kline vorbei und wäre fast gegen den Halter der Öllampen gerannt, sein Ellbogen stieß dagegen und Marcus hatte seine arge Not, nicht zum einen die Platte mit den Eiern zu verlieren- diese neigte sich schon gefährlich zur Schräge und ein paar der Eier rutschten auch schon zum Rand – und zum anderen wollte er nicht den Halter umwerfen, die Öllampen über den Raum schleudern und einige Klinen in Brand setzen, das wäre wirklich sonst ein grandioser Einstieg in seine Saturnalien-Servier-Karriere – nicht, daß er sich da auch große Chancen einräumte, was Karrieren anging, war Marcus von je her eher eine Niete! Einige Eier mußten als Kollateralschaden leider doch dran glauben, sie rutschten herunter und landeten vor Marcus' Füßen. Wiederum konnte er das Malheur noch minimieren, indem er wenigstens mit der Schulter den Ständer aufhielt; grummelnd starrte er auf die Eier und beschloß, sie einfach liegen zu laßen, gerade in dem Augenblick vernahm er Gracchus' Stimme und vernahm einen Namen eindringlich und herausstechend: Serenus. Verdutzt sah sich Marcus – der den ganzen Tag in der Küche gewerkt hatte und von der Ankunft seines Sohnes noch gar nicht erfahren hatte – um und entdeckte tatsächlich seinen Jungen auf den zweiten Blick; und wie groß Serenus geworden war. Marcus setzte die Platte auf den Tisch und trat zu dem Jungen.
    „Serenus, mein Sohn, mein Stolz, Du bist ja wieder zurück gekommen.“
    Warum wußte Marcus das immer als Letzter? Egal. Marcus zog den Jungen hoch, egal ob er wollte oder nicht, darauf hatten noch nie Eltern Rücksicht genommen und würden das wohl auch Jahrhunderte später noch nicht tun, er drückte Serenus fest an sich und wuschelte ihm ein Mal durch die stets etwas zu langen Haare.
    „Mein Junge, meine Güte, willst Du in den Himmel sprießen? Seit wann bist Du in Rom?“
    Schon vergaß Marcus für den Moment seine Pflichten als Diener des Abends.

    Gespannt beäugte Marcus den großen Sack, den der Mann der Post mitgebracht hatte; aus Ägypten? Wie herrlich, hatte er doch ein Faible für jene römische Provinz, in der er vor vielen, vielen Jahren einige sehr glückliche und spannende Monate verbracht hatte, eine Weltspanne schien zwischen der Zeit von damals und heute zu liegen, und auch er war damals ein anderer Mensch gewesen – mal von den Grundzügen abgesehen in seiner Persönlichkeit, die sich immer noch nicht geändert hatten. Und erst da begann er darüber zu sinnen, wer aus Alexandria ihnen etwas schicken würde, sein alter Freund womöglich? Doch selbst wenn jener durchaus große Reichtümer hatte, so war er doch ähnlich wie Marcus darin veranlagt, solche Feierlichkeiten zu vergeßen. Die tabula wechselte den Besitzer, aber selbst wenn sie an Marcus gegangen wäre, so wäre sie kaum eine Erhellung gewesen, es hätte zu lange gedauert, bis er alles entziffert hätte und wahrscheinlich hätte er die Prozedur auf später und einen ungestörten Moment verschoben – seine Leseschwäche war ihm sogar vor der Familie zu peinlich.


    Mit wachsender Spannung verfolgte er darum lieber die Gaben, die sich vor seinen Augen mehrten und obließ es Epicharis, sich mit der tabula herum zu schlagen. Potz(bzw.Post-)blitz, das waren aber schöne Dinge, die feinen Glasarbeiten, das ominöse Packet...na, das Buch...hm, da war Marcus nicht begeistert von – schon allein die Vorstellung von Literatur ließ ihn gähnen, aber bestimmt hatte Epicharis ihre helle Freude daran. Er hob dennoch den Band hoch und erwartete irgend so eine homerische Schrift oder einen bedeutenden Philosophen XYos aus Griechenland.
    „Waruuum Mä...Määnner niiicht zu-zu-hören und Frauen immer einkauufen...hm...ist das Philosophie?“
    , murmelte Marcus leise und drehte das Buch herum, gleich so als ob er erwartete, daß die Antwort einfach daraus hinaus purzeln würde, tat sie natürlich nicht, so daß er das Buch wieder sinken ließ. Und noch mehr Packete kamen dazu.
    „Danke! Eine gute Reise Dir noch!“
    , erwiderte Marcus ehe der Postmann entschwand, neugierig spähte er dann zu Epicharis.
    „Von wem ist das eigentlich? Steht was im Brief?“

    Wenn es ein Sklave oder sonst jemand wirklich mit Marcus verscherzen wollte, dann tat er es am Besten damit, daß er seine Familie bedrohte; und ganz besonders was die Weiblichkeit der Flavier anging, war er richtig gehend empfindlich; Mißbilligung über das, was sich der Sklave damit – wider beßeren Wißens! - geleistet hatte, zeigte sich in dem Runzeln und den Falten auf seiner Stirn. Er nickte zustimmend bei Celerinas Worten, wie wahr, in genau dem Augenblick sprach sie ihm aus der Seele, denn langsam wurde er des Theaters der Sklaven überdrüßig, von Rutger über Cassim, bis hin zu Asny und Hannibal, in letzter Zeit schien er nur gestraft zu sein.
    „Du hast vollkommen Recht, Celerina. Und was es mich in letzter Zeit gelehrt hat, ist, daß man den Sklaven nichts durch gehen laßen und härter mit ihnen ins Felde gehen sollte!“
    , sprach er und zweifelte schon selber im gleichen Augenblick an der Durchführbarkeit, denn meist stand ihm seine eigene Gutmütigkeit – die er so nicht titulieren würde! - aber auch seine Faulheit und seine Liebe zur Harmonie dem im Wege. Er mochte Streit, Konflikte und langen Hader nicht, auch bei der eigenen Sklavenschaft nicht, leider war das Leben nicht immer bestrebt, ihm in dieser Hinsicht entgegen zu kommen. Marcus trat zur Tür, da ihr Wunsch doch für ihn alleine nicht erfüllbar war – er hortete immer einen Krug Wein bei sich, aber niemals Saft! - und trug einem Sklaven auf, schnell jenen Saft zu besorgen. Immerhin konnte er schon das Wasser, was ihm ein Sklave heute morgen frisch gebracht hatte, in den Becher eingießen, um ihn etwas später dann mit Saft zu versetzen.
    „Gut, ich werde ihn zu Dir schicken.“
    Immer noch im Irrglauben gefangen. Daß Celerina einen vertrauenswürdigen Leibwächter hatte, beruhigte Marcus natürlich ungemein, was für Gefahren es doch überall in Rom gab, zumindestens für eine wohlhabende, junge und schöne Patrizierin, Diebstähle, Überfälle, Entführungen, so was war doch in Rom an der Tagesordnung, als ehemaliger CUler war sich Marcus dessen allzu bewußt und er war mit zu vielen Details gesegnet, um noch viel auf die Sicherheit der Stadt zu geben, auch wenn die CU ständig und stets darum kämpfte, den Abschaum zu vertreiben. Erneut konnte Marcus nur Beipflichten.
    „Ja...“
    , seufzte er.
    „...da hast Du auch wieder Recht, Sklaven sind einfach eine wichtige Stüzte, aber wenn es doch nur etwas einfacher wäre mit ihnen...“
    , murmelte er und guckte dann Celerina erstaunt an.
    „Hannibal? Ähm...ja...wie...? Belogen?“
    Also die Verwirrung konnte Marcus in dem Knäuel jetzt nicht entwirren, weswegen er Celerina ratlos musterte.