Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Zwei ältere Männer, die noch ihre goldenen Ringe an den Fingern trugen und sonst, wie alle Anderen mit Badetuch und Sandalen ausgestattet waren, kamen schwatzend an ihnen vorbei. Überhaupt war es recht betriebsam wieder an diesem Tag in den Thermen, aber sie waren nun mal auch in Rom und nicht dem Provinzkaff namens Mantua, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagten. Auf die Krücke gelehnt lauschte Marcus dem Vorschlag von Meridius und nickte zustimmend, eine Massage klang sogar noch deutlich besser. Denn ins Wasser würde Marcus später nicht dürfen, seiner Wunde wegen, aber die Massage konnte er ohne Bedenken an sich durchführen laßen, der medicus empfahl sie sogar täglich. Zudem fühlte er sich jeden Tag noch von den Strapazen der letzten Wochen geknechtet.
    „Eine hervorragende Idee, Senator! Dann laßen wir uns mal ordentlich durch walzen!“


    Den Weg zu den Massageräumlichkeiten kannte Marcus noch, selbst wenn es lange her war, daß er hier ein Bad genommen hatte. Das war vor seiner Zeit in Parthia gewesen. Marcus humpelte mit Krücken und verletztem Bein – das ihm später noch einige Schwierigkeiten einbrocken sollte, so daß er seinen Dienst aufgeben sollte – durch die prachtvollen Hallen der Thermen und in einen der Räume hinein. Etwas schwerfällig durch die Verletzung ließ er sich auf einer der Tische helfen, auf denen man sich der Knetkunst der Sklaven oder Sklavinnen stellen sollte. Es dauerte auch nicht lange, da hörte Marcus schon die Schritte von Solchigen. Er hob seinen Kopf an und sah zu der Sklavin, die neben ihn trat. Sie war bestimmt so groß wie er selber aber doppelt so breit – und Marcus war gewiß kein dürres Gestänge! Marcus blinzelte erstaunt und spürte schon die sehr kräftigen Hände der Sklavin an seinem Rücken, die beherzt zu griff und sich an die Knoten in der Muskulatur machte.
    „Das wird eine schwierige Angelegenheit werden, Senator. Du wirst aber wahrscheinlich inka..inko...oh...aua...also nicht unter Deinem Namen reisen, oder?“
    Sonst hätten sie wohl bald einen weiteren Senator als Geisel.

    „Wunderbar!“
    , erwiderte Marcus und sah auf als der Sklave schon zurück eilte.
    „Herr, das Bad ist bereit!“
    , kündigte der Sklave an. Marcus sah zu Sparsus und nickte ihm zu.
    „Dann wird Dich der Sklave zum Bad führen und anschließend auf Dein Zimmer. Wenn Du bereit bist – laß' Dir ruhig Zeit-, können wir gerne zusammen sssen. Ich stelle mich derweil wieder der Tortur mit der toga! Die Zeit rennt schließlich davon und Du weißt ja wie Frauen sind, wenn etwas an so einem Tag nicht perfekt ist, muß ich mein ganzes Leben lang darunter leiden!“
    Marcus grinste breit und erhob sich. Der Sklave verbeugte sich tief und ging voraus in einen der Gänge, um Sparsus das flavische Bad zu zeigen, in dessen Becken warmes Wasser sprudelte und das mit bunten Fresken und farbigen Mosaikböden bedeckt waren, Duftöle luden zum Entspannen ein und der Sklave brachte nicht nur Wein, sondern halft natürlich auch bei allem, was Sparsus wünschte und brauchte. Auch das Gästezimmer – mit Blick auf den flavischen Rosengarten und den Fischteich – war schon her gerichtet. Ein breites Bett lud ein, eine tönerne Schüssel für die morgendliche Gesichtswäsche, und allerlei kleinere Komfortdinge, die man sich so in so einem patrizischen Gästezimmer eben vorstellte und auch fand.

    Was für ein Pech! Er war doch von dem Claudier erkannt worden. Zerknirscht und verlegen, selbst bei dem Lachen von Tucca, sah er zu Epicharis' Verwandten. Marcus' Mundwinkel hoben sich ein klein wenig, selbst wenn er immer noch keinen freudvollen Ausdruck hin bekam, färbte sich sein Gesicht wieder ganz normal. Daß der Claudier das nicht zu sehen vermochte, daran dachte er eigentlich gar nicht, aber jeder andere hätte aus Marcus' Gesicht lesen können wie auf ausgebreiteten Schriftrollen.
    „Ah ja, das Theater, ja...das kann sein...ähm...“
    Marcus wußte es ganz genau, aber er war immer noch zu verlegen, um ein klares Wort faßen zu können. Marcus überlegte hin und her, was er denn sagen konnte, doch etwas paßendes fiel ihm nicht ein, so meinte er lahm:
    „Mhm, wirklich unglücklich verlaufen ist das im Theater...äh ja...“
    Am Liebsten wäre Marcus immer noch im Boden versunken und sah sich suchend nach etwas um, womit er sich entschuldigen konnte. Dankbar sah Marcus zu seiner Verlobten, die mit ihrer ungestümen Art durchaus die Aufmerksamkeit auf sich zog und auch von ihm selber weg. Insbesondere, indem sie auf den frischen flavisch-claudischen Nachwuchs zu sprechen kam. Marcus flüchtete sich in Schweigen und dem Nippen an seinem Weinbecher, während er die Menschen um sich herum über den Rand hinweg ansah. Lucilla? Meinte Epicharis etwa...? Nein, unmöglich.


    Der kurze Friede war ihm jedoch nicht lange vergönnt, verdutzt sah er zu Epicharis. Eine Rede? Wieso eine Rede halten und warum?
    „Ähm, nein...“
    Marcus schüttelte andeutungsweise den Kopf, an eine Rede hatte er nicht gedacht und weder sein Sklave Hannibal – wo der auch immer wieder war!- noch sonst jemand hatte ihn daran erinnert oder überhaupt auf die Idee gebracht, selber war Marcus jedenfalls nicht auf den Gedanken gekommen. Himmel, noch nicht einmal verheiratet und Epicharis schmiß ihn bereits ins erste kalte Wasser. Marcus seufzte leise auf und Unbehagen stieg in ihm hoch. Er haßte es, Reden zu halten, schlicht, weil er meistens nicht wußte, was er sagen sollte. Insbesondere in einer solchen Gesellschaft, die Eloquenz und Bildung als eine höchste Tugend hielt, etwas, was er nicht im Geringsten besaß – vielleicht mal von einer rhetorisch gut geschulten Stimme abgesehen. Mit einem gequälten Blick reichte er den Becher an einen Sklaven weiter und räusperte sich leise – wobei Antonia noch einen leidenden und vorwurfsvollen Blick erntete, als sie Epicharis auch noch damit unterstützte, daß er wohl jetzt etwas anzufangen hatte.


    „Werte Gäste!“
    Marcus' Stimme erhob sich ein wenig, damit auch die Anderen ihn hörten. Einfach wie bei Soldaten, Du hast doch schon oft genug dort Reden gehalten, Marcus, dachte er . Aber er konnte wohl kaum im Kasernenton mit den Gästen hier sprechen.
    „Werte Gäste, es freut mich sehr, euch alle heute hier in dem Garten begrüßen zu dürfen an dem Tag von Epicharis und meiner Hochzeit.“
    So, reichte das? Ein Blick in Epicharis' Gesicht zeigte Marcus jedoch, daß sie wohl eine etwas längere kurze Rede erwartete. Herrje!
    „Da dies einer der wichtigsten Tage in unserem Leben ist, macht es uns besonders glücklich, diesen mit der Familie und guten Freunden feiern zu dürfen. Und da die Götter uns bisher auch mit der Sonne gesegnet haben, wollen wir auch mit dem Opfer an sie beginnen.“
    So, das reichte jetzt aber. Marcus wandte sich an Antonia.
    „Dann übergebe ich Dir vorerst meine Verlobte, Antonia!“
    Marcus lächelte Epicharis noch einmal an, ehe er ihre Hand zurück gab und Celerina, Gracchus, aber auch Tucca – der das freilich nicht sehen konnte - kurz zunickte, um in die Richtung der Terrasse zu laufen, an der das Opfer zelebriert und ihre Ehe beschloßen werden sollte.

    Blätter wehten über die Mauer der castra und blieben naß und klebend an den Häusern haften, düstergrau hingen die Wolken nicht nur über Marcus' Kopf, sondern auch in seinem Gemüt, das in jenen Tagen, wo seine Dienstzeit langsam, aber sicher zu Ende gehen würde, nicht sehr freudvoll war. Den centuriostab unter den Arm geklemmt, in voller Rüstung, samt gladius an der Seite und seinem Schreiber im Schlepptau marschierte Marcus in Richtung des campus, um sich die neuen probati mal genauer anzuschaun. Seine Soldatenstiefel stapften über den schlammigen Weg auf den campus und direkt auf die Männer zu. Einige andere Soldaten trotzdem ebenso dem schlechten Wetter und trainierten konzentriert auf dem Übungsplatz. An der Seite von Serapio blieb Marcus stehen und nickte ihm knapp zu.
    „Salve, optio! Sind das die Männer?“

    Marcus staunte nicht schlecht als er die Antwort von Cassim vernahm, Donnerwetter, der Mann ließ wirklich nichts anbrennen; gut, anscheinend war er auch zur Ehe teilweise genötigt worden, die er lieber nicht einging, aber er hatte sich wohl auch noch einige Ehefrauen dazu erwählt. In diesem entspannten und durchaus zwanglosen Moment kümmerte sich Marcus nicht darum, daß Cassim sein Sklave war und er eigentlich sonst nicht wirklich etwas von dem Leben als freier Mann von diesem wißen wollte - das machte alles nur sehr viel komplizierter. Doch heute an jenem Abend...an dem war alles ein klein wenig anders. Jetzt, wo der Abend schon ein klein wenig älter geworden war, strömten auch bereits mehr Gäste in die Lokalität, Marcus beobachtete einen Herzschlag lang eine Gruppe von Männern, die lachend und scherzend einige Tische weiter von ihnen Platz nahmen. Ein Sohn...zwei Mädchen...zwei Söhne und noch eine Tochter? Doch schon erntete Cassim erneut einen verdutzten Blick, das war ein ordentlicher Stall an Kindern; ja, Kinder hatte Marcus auch immer gern gehabt und das war etwas, was der größte Vorteil einer Ehe war, er würde hoffentlich wieder bald ein paar Eigene haben. Ein wenig versonnen lächelte Marcus, ehe ein Stich von einem schlechten Gewißen durch Marcus ging und das Lächeln von seinen Lippen vertrieb, aber Marcus wollte lieber nicht daran denken, daß er womöglich mit daran Schuld war, daß jene Kinder nun vaterlos und vielleicht auf der Straße aufwachsen mußten - wer wußte schon, wer sich um den großen Familienhaufen von Cassim kümmern würde.


    Seine Augenbrauen zogen sich ein klein wenig zusammen und er winkte einen der Sklaven heran, die hier sie bedienten.
    "Bring' uns etwas zum Rauchen...und ach, wenn die Flötenspielerin fertig ist, dann bitte sie doch, mal bei uns vorbei zu schaun!"
    Eine Münze wanderte zu dem Sklaven, der daraufhin noch etwas eifriger wirkte. Marcus wandte sich daraufhin wieder dem Essen und nach einigen Bißen auch wieder Cassim zu.
    „Viele Frauen sind ein Zeichen des Wohlstandes? Haha, ja, das kann ich mir denken, Frauen geben das Geld auch gerne mit vollen Händen aus, egal ob man es hat oder nicht!“
    So war es zumindest bei seiner ersten Ehefrau gewesen und alle andere Frauen, die er in seinem Leben kennen gelernt hatte, verspürten selbigen Drang – mal von seiner Mutter abgesehen, aber die war außerhalb jeden Maßstabes. Einen Augenblick lang drang der Impuls in Marcus hoch, noch etwas mehr zu den Frauen zu fragen, den er jedoch gleich wieder herunter kämpfte. Nein, besser nicht, am Ende fing er an, sich zu sehr auch noch dafür verantwortlich zu fühlen.


    „Freuen? Hm!“
    Marcus störte sich nicht an der Frage, er dachte nur einen Augenblick länger nach, denn sie war nicht einfach zu beantworten und ganz besonders nicht mit dem in seinem Hinterstüblein hockendem kleinen Nervenbündel, der sich immer wieder über den nächsten Tag beschwerte.
    „Mein Verlobte ist eine bildschöne, reizende und fröhliche junge Frau! Ich könnte es also schlimmer haben…aber…“
    Marcus zögerte einen Herzschlag lang und trank einen Schluck Wein.
    „…am Liebsten würde ich nicht heiraten, ganz gewiß nicht! Ich glaub, bei euch Parthern ist das alles viel einfacher mit den Frauen, aber unsere Römerinnen, die sind eigen!“
    Marcus grinste breit, halb gequält, aber auch, weil er dann doch in seinem Herzen ein wenig froh darum war, daß die Frauen waren wie sie waren, wie seine Mutter zum Beispiel.
    „Deswegen reicht mir auch eine Römerin als Ehefrau, mehrere…ich sag’ Dir, ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden.“
    Das würde wirklich die Hölle auf Erden werden.
    „Aber sind Deine Frauen nicht eifersüchtig aufeinander? Gibt es keinen Zank und Hader?“

    Den Wein an seiner Kehle hinab rinnend, den Geschmack von einer Olive auf der Zunge und die Klänge der Flötenspielerin streiften für den Moment die Anspannung von Marcus, die er schon seit einigen Tagen verspürte und die ihm wie ein Ungetier im Nacken saß. Schwerelos schwebten die Klänge der Flöte an sein Ohr, fremdartig und doch vertraut, für einen Augenblick wähnte er sich – mit geschloßenen Augen – wieder in Syrien, wie damals, als er seine große Reise unternommen hatte, ein Reise, die seinem Vergnügen und seiner Abenteuerlust gedient hatte – Abenteuer, die nicht mit Mord und Todschlag endeten, wo der Nervenkitzel in der Jagd lag oder dem Erforschen des Nachtlebens einer fremden Stadt. Marcus lehnte sich etwas in die alten und abgewetzten Kissen zurück und genoß das Gefühl, immer noch die Augen geschloßen. So konnte der Abend gut anfangen und würde hoffentlich genauso angenehm weiter gehen. Erst die Antwort von Cassim riß ihn aus dieser seligen Wolke, Marcus blinzelte und öffnete dabei verblüfft die Augen. Nicht nur einmal verheiratet? Ist noch verheiratet?
    „Wie? Was meinst Du mit: nicht nur einmal?“
    Vielleicht im Kindbett gestorben wie bei seiner ersten Frau?
    „Wie oft denn?“


    Langsam begann es jedoch bei Marcus zu dämmern, war da nicht was bei den Parthern gewesen, und nicht nur bei deren Kaiser, also dem Shah? Ja, doch...doch.
    „Aber doch nicht zu selben Zeit, hm?
    Himmel, herrje! Das wäre für Marcus zu viel des Guten, eine Ehefrau war ihm schon zuviel, die Vorstellung an mehrere Ehefrauen gleichzeitig, die sich rivalisierten oder - noch schlimmer! - am Ende gegen ihn verbündeteten, ließ ihm einen kalten Schauder über den Rücken jagen. Marcus sah einem Sklaven entgegen, der noch ein paar mehr an Speisen auftrug – das, was Marcus auch vorher bestellt hatte. Marcus griff sofort nach einem Stück von dem Fleisch und ließ es sich munden ehe seine Augen wieder auf die Flötenspielerin wanderte, die ganz versonnen auf ihrem Instrument zu spielen schien.
    „Mußtest Du oder wolltest Du mehrmals heiraten?“

    Ernst, schweigend und den centuriostab unter den linken Arm geklemmt, lauschte Marcus, was die beiden probati zu sagen hatten, ab und an nickte er, was jedoch mehr unbestimmt war und ließ dabei das Tun von Lupus nicht aus den Augen – wobei ihm ein kleiner Schauder über den Rücken lief, als dieser so ungeniert nach dem toten Körper faßte. Nein, von seinen Soldaten würde er sowas nicht verlangen, nicht ehe der Priester da war und dafür gesorgt hatte, daß ihnen keine bösen Geister den Rest ihres Lebens lang folgen würden – einen Rest, der freilich sehr kurz sein konnte, denn die Geister vemochten einen schon so sehr plagen und in einen unnatürlichen Tod treiben konnten. Wie dem auch sei, Marcus bemühte sich, weiterhin den Toten zu mustern und die Spuren zu erfaßen, die sie hatten – es waren leidig wenige, wie es ihm schien!
    „Hm, der Purpurstreifen! Eine gute Beobachtung, Redivivus, jedoch heißt das nicht, daß er auch ein Senator ist. Er könnte auch nur dem ordo senatorius angehören. Doch dem ist natürlich nach zu gehen.“
    Hoffentlich war das kein Senator, das würde sonst noch mehr Ärger geben und sie unter größeren Druck setzen, den Mörder zu faßen.
    „Aber, Artorius, es ist auch nicht ganz richtig, daß man einen Senator unbedingt am Schuhwerk erkennen kann. Nicht jeder Senator trägt solche Schuhe, manch ein seltsamer Kauz von denen trägt sogar keine!“
    Na gut, Marcus kannte keinen, aber er hatte mal von so einem Sonderling gehört, er wußte den Namen jedoch nicht mehr, gleichwohl dieser durchaus berühmt war - auf den guten Cato, auf den kam Marcus in Gedanken nicht. Geschichte war noch nie sein Wißensgebiet gewesen.
    „Das mit dem Gefolge hinwieder ist ein guter Gedanke, Artorius, doch, das stimmt! Das ist in der Tat seltsam, selbst wenn er kein Senator ist, scheint er doch ein Mann von höherem Stande zu sein und ist ein wenig fehl am Platze hier!“
    Ob die Leibwache geflohen war? Bestochen? Vielleicht war das ein abgekartetes Spiel gewesen? Marcus betrachtete den Faltenwurf der blutigen toga und dachte nach, ja, das was der Redivivier sagte, das klang ihm plausibel, auch wenn Marcus keine Ahnung hatte, wie man so fiel, wenn man vom Dolch getroffen wurde; er fing schon an darüber nachzudenken, wie das denn im Krieg war, runzelte angestrengt dabei die Stirn und grübelte, während er langsam nickte.


    „Hmh...!“
    , murmelte er als sich Lupus in die Angelegenheit einschaltete. Auch das, was Lupus sagte, das klang genauso schlau und Marcus nickte erneut. Doch, beides klang recht logisch; Marcus selber hätte keine Ahnung gehabt, wie die Tat vonstatten gegangen war oder es vermuten können – genau deswegen hatte er auch den probatus gefragt!
    „Dann gehst Du eher von einem Täter aus, Sergius? Sind die beiden Stiche gleich groß und stammen von demselben Tatwer...Tatwaffe...also vom selben Dolch? War das überhaupt ein Dolch? Kannst Du vielleicht auch sehen, ob es ein Mann oder Frau war? Ich meine damit, kräftig oder nicht?“
    Marcus hatte mal gehört, daß es Leute gab, die sowas an einer Wunde erkennen konnte – oder war das nur in einer Geschichte gewesen, die ihm mal sein Sklave vorgelesen hatte als Marcus von der Kriegsverletzung noch nieder gestreckt im Bett ruhen mußte?


    Marcus nickte den beiden probati zu, daß einer von den Beiden – der halt flinker war! – nach dem Ring griff.
    „Was meint ihr? Könnt ihr das Wappen einer Familie zuordnen?“
    Marcus spähte bereits und ihm kam es durchaus bekannt vor.
    „Ihn durchsuchen werden wir noch, aber nachdem der Priester an ihm dran war!“

    Ein wenig unwirklich, ein wenig in die Ferne gerückt, so kam ihm jener Tag vor, an dem er ein zweites Mal in seinem Leben heiraten sollte, die Sonne blinzelte fröhlich, die Gäste schienen genau dasselbe Gemüt heute zu besitzen, die Nervosität wuchs in Marcus und bestrich seinen Nacken immer mal wieder mit einer heißkalten Welle. Und doch war er in dem Augenblick einfach froh, heilfroh, daß Epicharis ihm sein stümperhaftes und nicht wirklich poetisches Gestammel nicht übel nahm. Im Gegenteil, die Worte, die sie ihm erwiderte, ließen ihn etwas verblüfft blinzeln, einen Herzschlag lang, bis ihm wieder in den Sinn kam, daß sie ihn einfach noch nicht gut genug kannte und wahrscheinlich sich jemand ganz anderen hinter ihm vorstellte, er lächelte einen weiteren Herzschlag lang betreten und etwas verlegen – einem Parther sich zu stellen war doch deutlich einfacher als dieser Hochzeitstag! - und wollte schon etwas erwidern, kam jedoch nicht mehr dazu, denn schon strömten Tropfen für Tropfen die Gäste heran, angefangen mit Celerina. Marcus wandte sich der jungen Flavierin zu und lächelte freundlich, ja, auch sie hatte eindeutig das flavische Selbstbewußtsein der Frauen geerbt, mit der sie Epicharis ansprach. Marcus lächelte einen Moment noch etwas breiter und obließ es den beiden Frauen, sich miteinander zu unterhalten. Er derweil paßte einen Sklaven ab und ließ sich einen Weinbecher reichen, um selber noch einen Schluck zu nehmen – im letzten Moment noch daran denkend, keinen Tropfen auf die weiße toga zu verschütten, auf das schrecklich unpraktische Kleidungsstück, was zudem noch sehr unbequem war.


    Gerade als er sich wieder zu Epicharis und Celerina umdrehte, sah er schon die schöne Ehefrau von seinem Vetter auf sie zutreten, mitsamt eines ihm unbekannten Mannes....obwohl, nein, ganz so unbekannt kam er ihm nicht vor. Irgendwo hatte er das Gesicht schon einmal gesehen. Nur wo? Wann? Und zu welcher Gelegenheit? Marcus war ratlos, sah jedoch den Beidem mit einem freundlich-gutmütigem Gesichtsausdruck entgegen. Dankbar war Marcus dann seiner Schwägerin, die ihm den Mann vorstellte. Aha, ein Verwandter also von den beiden Claudiae, was ja nicht verwundern sollte an diesem Tag. Marcus sah von Antonia zu Tucca, dann zu Epicharis, die die verwandtschaftlichen Beziehungen noch weiter erläutern konnte. Großcousin von ihrem Vater? So alt sah der aber nicht aus, aber das schien wieder so eine typisch verworrene, claudische Verwandtschaftsbeziehung zu sein. „Salve, Claudius, es freut mich, Dich kennen zu lernen.“ Irgendetwas an Tucca irritierte Marcus doch. Warum sah er nicht direkt ihm in die Augen? Oder ins Gesicht? Es war als ob er an ihm vorbei sah und unbestimmt einen Strauch hinter ihm musterte. Marcus unterdrückte dem Impuls, selber über seine Schulter zu schauen. „Und ich danke Dir für Deine Wünsche, aber ich bin ja jetzt schon von den Göttern gesegnet mit so einer wunderschönen Ehefrau, somit...“ Jetzt! Es fiel Marcus siedenheiß wieder ein, im Theater, an den Spielen von seinem Vetter Gracchus, da war er doch diesem Blinden begegnet – sagen wir bessern, aneinander geraten! Marcus unterbrach sich mitten im Satz und vergaß auch vollends, was er hatte sagen wollen. Herrje! Damals war er also mit einem Verwandten von Epicharis in den Streit geraten, was für ein Pech auch...zudem war Marcus immer noch ein wenig verlegen wegen damals. Man sah ihm auch sofort sein schuldbewußtes Gesicht an, zudem nahm seine Haut einen etwas röteren Ton der Verlegenheit an. Seine Augen suchten derweil nach einem Fluchtpunkt oder nach Hilfe in dieser Situation, wieder fixierte er Tucca...Moment! Der war doch blind! Vielleicht würde er ihn gar nicht wieder erkennen, Marcus schickte schnell ein Stoßgebet zu den Göttern, daß dem so war.

    Ungehaglich schien es der jungen Frau zu sein, daß sie jetzt mitkommen sollte mit den Soldaten und zurück zu dem Toten, wer wußte es schon, vielleicht warteten die Mörder noch in der Nähe und sahen sie zusammen mit den Männern, dann würden sie doch gleich denken, daß Lusca etwas gesehen hatte und eine unliebsame Zeugin beseitigen wollen. Die junge Frau – mit einem Mal bereute sie ihren Einsatz für diesen Wildfremden - warf ihrer älteren Freundin am Ende der Straße einen ängstlichen Blick zu; die zuckte mit der Schulter und wandte sich ab, um zwischen den Menschen zu verschwinden.
    „Äh, ja...“
    , murmelte die junge Frau und folgte schließlich, was sollte sie auch sonst anderes tun.
    „Lusca, Herr! Nein, eigentlich haben wir...ähm...ich nur den Toten gefunden, aber sonst war niemand da...kann ich nicht gehen? Ich habe wirklich nichts gesehen, versprochen, das Schwöre ich bei Jupiter!“


    ~


    Flott wie immer, die Männer vom valetudinarium, ob Not am Mann war auf dem campus – wo sich ein Soldat dann übel verletzt hatte – oder eben in der Stadt: es war gut zu wißen, daß man sich auf diese Männer auf verlaßen konnte. Marcus nickte Lupus freundlich zu als dieser zu dem Tatort stieß.
    Salve, princeps prior! Ja, in der Tat, der Mann ist leider ziemlich tot, aber ich dachte, Du könntest ihn Dir mal anschauen, da Du in dieser Hinsicht mit Sicherheit mehr Sachverstand hast als wir.“
    , sprach Marcus während sich Lupus schon an die Arbeit machte und das ohne große Scheu vor dem Körper; Marcus selber war noch nicht näher als fünf Schritte an den Toten heran getreten und es grauste ihn, den Mann berühren zu müßen, nein, nein, das würde Marcus gewiß nicht tun. Selbst wenn er unzählige Tote im Krieg gesehen hatte, mit den anderen Soldaten teilweise auch die Körper vom Schlachtfeld gebracht hatte – selbst wenn es nur wenige Male war, nicht so wie bei seinen Soldaten, die es leider sehr oft hatten tun müßen, aber die sich genauso abergläubisch sträubten und schon nach Schutzamuletten griffen – das damals war Krieg und hier war es doch deutlich anders.
    „Ähm...Du solltest vielleicht auf die Reinigung warten, durch die Priester, princeps prior?“
    Grübelnd sah Marcus auf den knienden Lupus runter und zuckte mit der Schulter.
    „Das kann gut sein, der Tote liegt wohl schon länger hier und das Viertel ist arm, der Mann wiederum sieht wohlhabend aus, er wurde mit Sicherheit schon geplündert. Aber wir haben ihn noch nicht bewegt!“


    Derweil schien schon der Rediviver zu einer Beobachtung gekommen zu sein; Marcus wandte seinen Kopf ihm zu, um dem jungen Mann bei seinen Schlußfolgerungen zu lauschen. Offensichtlich ein Senator? Marcus ließ seine Augen über die Kleidung des Mannes wandern und auch über dessen Hand, hm, die war ohne Ring, wahrscheinlich schon gestohlen, aber sie schien etwas fest zu klammern. Nicht schlecht, dachte er sich, als er die Erläuterungen von dem probatus vernahm. Ein Mann, der zumindest mitdenken konnte.
    „Gut, gut, probatus, aber wie kommst Du auf Senator? Und warum, daß er zuerst von hinten erstochen wurde und dann von vorne?“
    Daß die Mörder wohl keine Hektik verspürt hatten, das war auch für Marcus plausibel, aber in so einer Gegend scherte sich selten jemand um das Wohl seiner Mitmenschen.

    Ein dunkles und amüsiertes Lächeln entschlüpfte Marcus auf die Erwiderung von Sparsus, seine Schultern zuckten marginal ; ach ja, bei seiner letzten Ehefrau und der Mutter seiner Kinder hatte er sich das oft gewünscht – sie in den Keller in Baiae zu sperren und wenigstens ein paar Stunden zu Hause seine Ruhe zu haben, aber da er das nicht konnte, hatte er sich eben immer in die Stadt verdrückt und war selten in der villa seiner Mutter zu der Zeit gewesen.
    „Den guten Rat werde ich mir merken, Sparsus!“
    Sich selber füllte Marcus ebenfalls einen Becher und trank einen tiefen Schluck, die Sache mit dem Dienst lastete ihn in diesen Tagen auch schon schwer auf dem Herzen. Erst da hatte er gemerkt, daß ihm der Dienst als Soldat doch viel bedeutet hatte, Marcus verzog das Gesicht zu einer leidenden Grimasse und zuckte mit der Schulter.
    „Es geht leider nicht anders, der medicus der CU will mich sonst dienstunfähig schreiben, sprich, entweder gebe ich den Dienst auf oder er erledigt das für mich. Aber den Gang zu unserem Präfektus habe ich noch nicht getan...dabei bleiben mir nicht mehr wenige Tage...naja...Politiker? Hm!“
    Erneut hörte man ein kurzes, etwas abgehacktes Lachen.
    Cultus Deorum, herrje, da hast Du Recht, das ist nichts für mich. Selbst wenn meine Familie das doch ganz anders sieht. Na, mal schaun, wird sich hoffentlich danach zeigen!“
    Ganz so optimitisch war Marcus nicht und das klang durchaus in seiner Stimme mit, doch ein schiefes Grinsen zeigte sich sofort wieder auf seinem Gesicht.
    „Aber natürlich haben wir eigene Thermen, Sparsus, das ist die villa Flavia!“
    Marcus lachte erneut und winkte einen anderen Sklaven herbei, der gerade seines Weges kam.
    „Sorge dafür, dass ein Zimmer für meinen Gast gerichtet, ebenso, daß sein Pferd versorgt wird, seine Sachen auf das Zimmer getragen werden und das Bad aufgefüllt wird, dann das Essen für den Abend!“
    Der Sklave nickte artig und tat was ihm befohlen wurde.
    „Die Hochzeit ist übermorgen, also bist Du gerade rechtzeitig eingetroffen! Ich würde vorschlagen, daß Du Dein Bad nehmen kannst, Dich schon einrichten und danach können wir gemeinsam die cena einnehmen, was meinst Du dazu?“
    Die man natürlich schon am frühen Nachmittag beginnen konnte.

    Abwartend lehnte sich Marcus zurück und sah den optio an; welchen Grund dieser hatte, zu ihm zu kommen, dem jungen Mann schien es wichtig zu sein, gleichsam Marcus nicht die geringste Vorstellung hatte, was es denn sein konnte. Aber Marcus wartete einfach ab und schwieg, während der Decimer mit sich zu ringen schien. Sklaven abkaufen...Hannibal...Sklaven...Hannibal gegen Land? Verdutzt blinzelte Marcus einige Male, sicherlich, es war nicht das erste Mal, daß ihm jemand Hannibal abkaufen wollte, in Baiae war es sogar früher öfters vorgekommen, ein gebildeter und treuer Sklave aus der flavischen Sklavenlinie war nun mal sehr viel wert, aber daß der Decimer auf den Gedanken kam und die Absicht hatte, das ließ Marcus doch aus allen Wolken fallen.
    „Ähm, was?“
    , gab Marcus von sich und sah irritiert auf das ausgebreitete Dokument, das er zwar mit seinen Augen streifte, jedoch nicht wirklich auf das Geschriebene achtete, es war ihm eh zu klein verfaßt und er hätte sich abmühen müßen, es jetzt zu entziffern.
    „Du willst mir Hannibal abkaufen?“
    , wiederholte Marcus nochmal, obwohl er es doch deutlich verstanden hatte. Marcus holte tief Luft und sah den Decimer einige Herzschläge lang stumm an. Ratlosen Blickes griff er nach einer Amphore mit Wein und goß sich ein, um einen großen und tiefen Schluck davon zu nehmen. Er wollte den jungen Mann nicht gleich vor den Kopf stoßen, indem er brüsk sein Anliegen abwies.


    „Nun, Decimus, vielleicht ist es Dir gar nicht bekannt, aber Hannibal stammt aus einer flavischen Sklavenlinie, schon mehrere Generationen dienten seine Vorfahren uns Flaviern als Sklaven und enge Vertraute. Diese Sklaven sind nicht verkäuflich, wir haben noch nie einen Sklaven aus dieser Linie her gegeben und ich gedenke das auch nicht zu ändern.“
    Marcus besah sich die Schriftrollen, die von ihrem Wert nicht zu verachten waren.
    „Das ist ein stolzer Preis, den Du mir für Hannibal anbieten willst, das will ich nicht bestreiten, aber selbst wenn ich ihn verkaufen würde, wäre das nur ein Bruchteil von dem, was der Sklave wert ist. Ich glaube kaum, daß Du Dir den Sklaven wirklich leisten könntest! Aber wie gesagt, diese Sklavenlinie ist unverkäuflich, es gibt nur zwei Wege, wie sie unseren Besitz verlaßen. Indem sie freigelaßen werden oder sterben!“
    Eine Freilaßung war jedoch so gut wie unmöglich, hatte es bisher noch nicht gegeben, obwohl Marcus das Versprechen an seinen Sklaven gegeben hatte und auch gedachte, irgendwann jenes Versprechen auch einzuhalten.
    „Aber warum willst Du ihn eigentlich kaufen, Decimus?“
    Nachdenklich musterte er den Decimer und wußte keinen Reim auf die Angelegenheit, sie kannten sich, das wußte er schon, aber woher und wie und warum, das vermochte Marcus nicht zu sagen.
    „Hannibal hat Dir das doch nicht etwa eingeredet, hm?“
    Marcus winkte eine Sklaven heran und flüsterte ihm einige leise Worte zu, der Sklave nickte und verschwand aus dem atrium.

    Gutmütig und erfreut lächelte Marcus bei den Worten von dem jungen Soldaten, nervös schien der junge Mann zu sein, das fiel auch Marcus, der selber an diesem Tag nicht ganz frei von jener Empfindung war, auf. Es verwunderte Marcus nicht, er selber fühlte sich auf den patrizischen Veranstaltungen nicht sonderlich wohl, gleichsam er sie doch von Kindesbeinen an gewöhnt war und wohin ihn seine Mutter mehrmals im Monat geschleppt hatte, selbst als er schon längst Erwachsen war.
    „Ich danke Dir, Soldat, es freut mich ebenso, Kameraden von der Prima hier auf der Hochzeit zu wißen, dann wird sie hoffentlich nicht ganz so steif und langweilig werden.“
    Marcus grinste kurz und sah erneut zu seiner Braut, die einem leuchtenden und schwebenden Freudenfeuer glich und nahe bei Gracchus stand, sehr nahe sogar. Einen Herzschlag blinzelte Marcus und musterte die Beiden, doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte und über die Vertrautheit, die zwischen den Beiden zu herrschen schien, vertrieb er jenen Gedanken wieder.
    „Wenn ihr mich bitte kurz entschuldigen würdet?“
    , sprach er an die Soldaten und Kameraden gerichtet und obließ es den Sklaven, sich um das Wohl dieser Gäste zu kümmern.


    Mit Herzklopfen und immer noch dem – seit Tagen vorherrschenden – Bammel im Magen ging Marcus auf Epicharis zu. Die toga hing schwer an ihm und schien seine Schultern herunter drücken zu wollen, mit jedem Schritt rauschte der schwere Stoff um seine Beine herum. Dann war er einige Schritte vor Epicharis, er nickte Gracchus dankbar zu, daß er bereits sich der schönen Claudierin angenommen hatte. Das Leuchten von Epicharis schönem Gesicht strahlte noch viel heller als der Schleier und Marcus konnte sich nicht dagegen wehren – wollte es auch nicht – er wurde von ihrem strahlenden Lächeln angesteckt. Gerade wollte Marcus den Mund aufmachen, um ihre Schönheit zu preisen, sie zu begrüßen, doch die Worte, die er sich in den wenigen Schritten bis zu Epicharis ausgedacht hatte, schienen wie Sand zwischen seinen Finger zu zerrinnen, als ob salziges Meerwasser die Körner hinfort spülten. Sein Gedanken waren verflogen, sein Kopf für einen Augenblick lang leer, so klappte sein Mund stumm wie bei einem Fisch wieder zu. Oh Venus, was sage ich nur? Epicharis hat einen beßeren Ehemann verdient! Ich werde sie bestimmt nur enttäuschen! Solche und ähnliche Gedanken schoßen wie die Flut in den leeren Kopf von Marcus und er atmete tief ein, mit einem Mal noch viel nervöser, aber aus einem ganz anderen Grund. Oh, wie sehr wünschte sich Marcus, so klug wie sein Vetter zu sein, dem niemals die Worte zu fehlen schienen, selbst in seinem jetzigen Zustand nicht. Sanft – als ob Epicharis ein filigraner Schmetterling wäre – ergriff Marcus ihre Hand.


    Mea stella!“
    , sprach er leise und etwas rauh.
    „Dein Leuchten und das Strahlen Deiner Schönheit...rauben mir die Worte!“
    ...was wahrhaftig nicht gelogen war. Marcus pausierte und suchte nach den paßenden Worten und wünschte sich erneut jemandem, der ihm auf die Sprünge half, oh, warum hatte er nicht Hannibal darauf angesetzt, ein paar poetische Worte zu entwerfen, wozu hatte er den Sklaven sonst? Selbst die Reime – die er sich immerhin merken konnte – halfen ihm heute nicht.
    „Ich verspreche Dir, mea stella, daß ich alles daran setze, daß Du in Zukunft glücklich sein wirst, mein Morgenstern!“
    Herrje! Hatte er das gerade versprochen? Marcus wurde es mit einem Mal heiß und kalt, Himmel, das würde er vielleicht und ziemlich wahrscheinlich gar nicht einhalten können, schließlich würde sie noch heraus finden, was für ein lasterlicher Mensch er doch im Grund war, etwas, was er kaum abstellen konnte, ohne sich vollkommen verändern zu müßen.

    Und nun verschwand die Sonne hinter den Hügeln von Rom, ein letztes Mal leuchtete sie purpur und strahlend auf, färbte den Himmel mit einem dunkelroten Streifen ehe die Nacht nach dem Licht gierte und nur von den klaren und glänzenden Sternen unterbrochen wurde. Die Schatten eroberten sich die Gaßen, die Dunkelheit legte sich wie ein dunkler und dicker Mantel über die Stadt. Und die subura war ganz gewiß kein Viertel, in dem das Licht in der Nacht Einzug hielt, nein, hier brannten wenige Lichter aus den Häusern, deren Fensterläden oft verschloßen waren, keine Sklavenzüge mit Fackeln durchquerten die Straße, die einen wichtigen Senator oder Ritter zu einer cena hin und zurück geleiteten. Doch Marcus' Ziel lag nicht mehr weit, er durchquerte nur noch die Gaße und strebte auf ein Haus zu, an deßem Eingang zwei Öllampen in einer Nische flackerten. Die Fensterläden waren vernagelt, die Haustür aus dickem Holz und die ockerfarbene bis schmutzig graue Fassade – in der Nacht so erscheinend – verriet nichts von dem Inneren des Hauses. Doch Marcus hob die Hand und klopfte drei Mal.
    „Ein ungemütliches Viertel und sehr gefährlich, aber es gibt hier bestimmte Häuser, die sonst kein Viertel von Rom aufweist!“
    , erklärte Marcus, während er wartete, und grinste mit Vorfreude auf das, was sie im Inneren erwartete.


    Schon öffnete sich ein kleines Fenster in der Tür und ein dunkelhäutiges Gesicht mit zwei daraus hervor leuchtenden Augäpfeln starrte ihnen entgegen.
    „Ja?“
    Marcus kramte in seiner Tasche und holte ein paar Münzen hervor, die er durch die Öffnung in der Tür reichte.
    „Man sagt, daß man sich hier gut vergnügen kann, für ein paar bare Münzen!“
    Eine dunkle Pranke griff nach den Münzen und dann wurde nicht nur Marcus, sondern auch Cassim scharf gemustert.
    „Sagt man das? Vielleicht ist dem so! Waffen bleiben draußen! Wer ärger macht, der fliegt hochkantig, verstanden?“
    Marcus nickte knapp und wartete, während der Dunkelhäutige die Tür aufschloß und ihnen den Weg frei machte. Marcus reichte den Dolch in die ausgestreckte Hand des Mannes und trat auf Treppen, die hinab führten.


    Einen großen Kellerraum betrat Marcus, der von viereckigen Säulen getragen wurde, in den Nischen standen Öllampen, die den Raum diffus erleuchteten; alte Klinen, einstmal wohl aus edlen Häusern doch mittlerweile von der Zeit mitgenommen und wohl billig aufgekauft, standen in dem Raum, rote und grüne, blaue und ehemals goldene Stoffe wetteiferten miteinander und verloren doch alle, waren sie durch die Zeit doch mittlerweile verblaßt und nur noch ein Schatten von ihrer früheren Leuchtkraft. Fadenscheinige Stoffe, die so manch ein Loch aufwiesen, schirmten manche der Klinen ab, so daß man die Gäste dahinter schemenhaft nur noch sah. Marcus ging – wie immer hinkend und dadurch etwas langsamer - an einigen vorbei und zu einer hinteren Ecke, wo eine Öllampe in Form einer Venusgestalt Licht spendete. Gut gelaunt ließ sich Marcus auf der Kline herunter sinken, die bedrohlich unter seinem Gewicht ächzte -auch das Holz war nun mal schon der Zeit verfallen – und ließ seinen Blick herum schweifen und zu einer Flötenspielerin, die auf einem Kissen in der Mitte des Raumes war und ihre Flöte aus einem Holzkästchen auspackte. Mit einer Gestik deutete er auch Cassim, daß er auf der anderen Kline Platz nehmen konnte und sollte und sah sich suchend nach jemanden um, um etwas Speise und Trank zu bestellen – was er auch tat und das nicht zu knapp. Lachen, Stimmengewirr und auch andere, weniger keusche Laute drangen durch das Gewölbe und mischten sich schließlich mit den hellen und syrisch angehauchten Tönen der Flötenspielerin. Marcus ließ seine Augen auf der Frau ruhen, die schwarze Haare hatte, ein rundes Gesicht und mehr von üppiger Gestalt war. Als der Wein den Beiden gebracht wurde, griff Marcus danach und nahm einen tiefen Schluck.
    „Sag' mal, Cassim, warst Du eigentlich schon mal verheiratet?“
    , fragte er den Parther ohne den Blick von der Frau abzuwenden.

    Breit grinsend schüttelte Marcus den Kopf, ja, der Sparsus, der hatte sich kaum verändert, auch mit jener Angewohnheit, die einstmal sicher bei Militär paßend war, aber nun nicht mehr.
    „Komm, Iulius, hör' auf mich dominus zu nennen. Ich bin nicht mehr Dein centurio!“
    Vierzehn Tage war zwar etwas knausrig dafür, daß Sparsus darin auch zwei lange und nicht immer ungefährliche Reisen zu tätigen hatte, aber besser als gar nichts; außerdem freute sich Marcus sehr, daß sein ehemaliger optio es zu der Hochzeit dadurch schaffen konnte.
    „Vier Tage? Besser das als gar nichts. Du bleibst natürlich in der villa Flavia als mein Gast, hm?“


    Mit einer Hand winkte Marcus einen Sklaven heran und verzog das Gesicht bei den letzten Fragen, halb gequält, halb grinsend wieder. Denn Sparsus traf damit genau einen empfindlichen Nerv, freilich hatte sich Epicharis als sonnig und liebreizend heraus gestellt, schön war sie ohnehin, aber Marcus spürte schon seit Tagen so ein flaues Gefühl im Magen, gepaart mit dem Verlangen, sich ein Pferd zu nehmen, ein paar Sesterzen und einfach zu verschwinden, weit weg in den Süden, irgendwo hin nach Ägypten, um all dem Ganzen zu entfliehen; sprich, Marcus hatte einen ordentlichen Bammel vor der Hochzeit.
    „Hm!“
    , grummelte er.
    „Gut überlegt hab' ich es mir bestimmt nicht!“
    , erwiderte er kopfschüttelnd.
    „Aber was soll' man schon machen, die Pflicht ruft! Und mein Bein...“
    Das Grinsen verschwand und Marcus nahm auf einen der Stühle Platz.
    „Könnte besser sein, ich werde deswegen auch den Dienst aufgeben müßen bei den CU....Hast Du Hunger, optio?“
    Marcus nickte dem Sklaven zu, der wohl verstand und davon eilte, um entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Marcus selber griff nach einer silbernen Karaffe und goß etwas von einem verdünnten Wein in einen Becher, den er Sparsus weiter reichte.
    „Ich laß' Dir natürlich auch noch ein Zimmer richten. Möchtest Du vielleicht ein Bad nehmen oder kann man Dir sonst noch etwas Gutes tun?“

    Grün und schwarz glänzte die Sonne auf den dicken und behäbigen Leibern der Fliegen, die sich bereits an jenem Ort und Fleck versammelt hatten. Eine gierige Schar von diesen kleinen Brummern ließ sich bereits auf dem Körper hernieder, um etwas von dem Lebensodem in sich aufzusaugen, einem Odem, der schon seine Wärme vom Körper verloren hatte, seit jenem Augenblick als das Herz des Octaviers aufgehört hatte zu schlagen. An den Rändern war das Blut bereits geronnen und zu einer zähen Masse auf den Pflastersteinen erstarrt, nur in der Mitte der sich in der Gaße entlang schlängelnden Blutpfütze war es noch rot, feucht und zeugte mal davon, daß es einst in einem lebendigen Körper gefloßen ist. Klackend näherten sich Marcus' Schritte dem Ort und einige pedes davor blieb er stehen als sein Blick auf den toten Körper fiel. Irgendwo am Ende der Gaße trollte sich ein Hund, der aus der Nebengaße schnüffelnd und neugierig hervor gespäht hatte.
    Coonsistite!“
    , gab Marcus von sich und sah auf den Toten hinab, deßen Gesicht wie eine starre Maske des Schreckens in den Himmel starrte. Marcus schluckte andeutungsweise und sah auf die immer noch aufgerißenen Augen. Langsam ließ Marcus sein Schild senken und lehnte den Unterarm darauf, dabei den Leichnam betrachtend, nachdenklich und mit einem Hauch von...Ratlosigkeit. Denn Marcus hatte zwar schon einige Einsätze gehabt, aber es war der erste Tote bei den CU...was nun? Seine Augen verengt suchte er die Gaße ab, ob vielleicht das Mordgesindel noch in der Gegend lauerte, was nicht sehr wahrscheinlich war, aber wer wußte das schon.


    „Hm, der sieht wirklich tot aus, mausetot!“
    , gab einer der Soldaten in der Mitte in einem gedämpften Tonfall von sich, gleichwohl die Soldaten drum herum das gut verstehen konnten. Der bullige und am Körper überall tätowierte Ex-Soldat der Prima und nun Soldat der CU – Pulex auch genannt – ließ ebenfalls das Schild senken, obwohl es noch keinen entsprechenden Befehl gegeben hatte. Unbehaglich musterte der Soldat den toten Körper, nicht, weil Pulex nicht schon genug Tote in seinem Leben gesehen hatte, doch dies war etwas anderes und da war er nun recht abergläubisch, wie wohl viele andere Römer auch.
    „Wir müssen den Kerl doch nicht anfassen, oder?“
    , fragte Pulex seinen Nachbarmann, der zufälligerweise gerade Macro war.
    „Man weiß doch, daß man dann verflucht ist und einem alles abfault, wenn man nicht die Reinigung vornimmt vorher.“


    Sich das Kinn reibend musterte Marcus derweil immer noch den toten Körper und bemerkte dabei, daß er sich durchaus mal wieder rasieren konnte, die dunklen Stoppel waren schon an seinen Fingerspitzen hart und unangenehm zu fühlen gewesen. Marcus deutete einem Soldaten heran zu treten.
    „Lauf' zur castra und hole jemanden vom valetudinarium, die sollen sich den Körper mal anschauen!“
    Der Soldat nickte und eilte schon davon, so daß eine Lücke entstand in der ersten Reihe. Marcus sah auf und fixierte einen Augenblick lang Macro und dessen Nebenmann Pulex, von dem er die Worte durchaus mitbekommen hatte. Dann sah er zu den beiden Rekruten, die er heute – weil er ihnen ein bißchen Erfahrung schon am Anfang ihrer Ausbildung zukommen laßen wollte – mitgenommen hatte. Nicht schonen sollte er den Einen; das war heute bestimmt kein Tag, der es den Beiden leicht machen würde.
    Probatus Redivivus, probatus Artorius, vortreten!“
    Marcus deutete auf eine Stelle neben sich und dem toten Körper.
    „Kommt her und sagt mir, was ihr hier seht! Schaut zuerst, überlegt und antwortet mir dann!“
    Mit einem dezenten Nicken winkte er auch Macro heran und beugte sich etwas näher zu ihm.
    Miles Caecilius, behalte doch bitte die Seitengaßen im Blick, ob noch Gesindel hier sich herum treibt, ansonsten sieh' Dich doch bitte nach brauchbaren Spuren um oder sonst etwas, was Dir auffällt.“

    [SIZE=6]Der Reihenfolge der ersten Begrüßung nach...oder so...[/SIZE]


    Bei all seinen Gästen, bei denen er allesamt Freude über ihr Erscheinen verspürte, fühlte sich Marcus weniger in ein steifes Korsett von Anstand und Etikette, steife formelle Reden und seltsam verschlungene Denkarten gepreßt, wenn er mit seinen Mitsoldaten sprach, die weit mehr von seinem Leben in den letzten Jahren geteilt hatten als alle andere Gäste in dem Garten, jeder seiner Verwandten eingeschloßen. Ehrlich und offen, direkt und unkompliziert, so mochte Marcus es, darum war sein Gesicht in jenem Augenblick gelöst, sein Lächeln einfach gutmütig und freundlich.
    „Es freut mich sehr, daß Du kommen konntest, Iulius. Und ich hege keinen Zweifel daran, daß Du und Imperiosus schon dafür Sorge tragen werdet, daß die Prima eine so gute Legion bleibt, wie sie in den letzten Jahren stets war.“
    Trotz der Umstände, die Marcus als nicht günstig für die Legion betrachtete, aber das war ein Thema, über das er sich an diesem Tag gewiß keine Sorgen machen würde. Marcus winkte einen Sklaven heran, der den Soldaten Erfrischungen brachte, gekühlten Wein für einen schon bereits recht warmen Tag.


    Ebenso freundschaftlich wie auch Imperiosus begrüßte Marcus seinen früheren Kameraden der Prima, den er erst richtig kennen lernen durfte, als dieser auch centurio geworden war, aber von Gleich zu Gleich ließ es sich nun mal leider manchmal leichter reden. Gefährliche Mission? Marcus mußte einen Augenblick darüber nachdenken und sah Imperiosus verwirrt an, welche der vielen meinte der Artorier? Die Schlachten bestimmt nicht, dann wohl eher die Einnahme der Stadt, durch deren Kanäle sie gekrochen sind, um die Tore von Innen zu öffnen. Ja, eine Nacht, die ihm durchaus auch in Erinnerung geblieben ist, wegen so vielen Dingen.
    „Ich bin erfreut, daß Du die Zeit einrichten konntest, centurio...“
    , erwiderte Marcus nach dem Gruß.


    „Und natürlich fühle ich mich ebenso geehrt über das Kommen Deiner wunderschönen Gattin.“
    Der er natürlich auch seine Aufmerksamkeit schenkte und das mit großer Freude, schließlich war es eine schöne Frau, die Imperiosus zu dem Fest begleitet hatte. Es war viel, was ihm an Casca auf den ersten Blick gefiel, angefangen von ihren angenehmen Gesichtszügen, den braunen, anziehenden Augen und den dunklen Haaren, aber auch die intelligente Ruhe, die sie ausstrahlte, vermochte Marcus als anziehend zu empfinden. Eine Frau in der vollen Blüte ihrer Schönheit und kein albernes, gackernde Junghühnchen mehr. Womöglich befand Marcus sie auch vom ersten Blick als sehr anziehend, da sie viel von dem ausstrahlte, was auch seine Mutter – insbesondere in ihren jungen Jahren - besaß und keine Frau der Welt war schöner und interessanter als natürlich seine eigene Mutter. Das Interesse und Wohlgefallen an der Erscheinung von Casca spiegelte sich einige Herzschläge lang deutlich in Marcus' Augen und seinem vielleicht zu freundlichen Lächeln wieder, ehe er einige Male blinzelte und versuchte, ein weniger interessierten Blick zu offerieren, selbst wenn eine Frau wie Casca es ihm nicht einfach machte – auch am heutigen Tag nicht.
    „Ich danke Dir, werte Valeria. Ja, dieser Garten ist auch der Ort, an dem ich um die Hand meiner Verlobte gefragt habe, vor dem Krieg in Parthia, darum haben wir den Garten für die Hochzeit gewählt, als eine Erinnerung an jenen schönen Tag.“
    Zumindest war der Tag in der Erinnerung schöner als vielleicht Marcus es am selbigen empfunden hatte, denn damals war er nicht sonderlich amused darüber gewesen, noch mal den Bund der Ehe einzugehen. Gerade wollte Marcus doch noch den Mund aufmachen, um vielleicht noch einige blumige, und vollkommen ernst gemeinte, Worte über die Anmut von Casca von sich zu geben, als er am Rande die Stimme von Avitus vernahm.


    Blinzelnd wandte sich Marcus dem näher kommenden zweiten artorischen Ehepaar zu und ein breites Grinsen trat auf Marcus zu, der in den Worten von Avitus nur eine launige Bemerkung sah und – weil Marcus eh immer vom Besten ausging – nichts Ernstes dahinter, oder gar Schlechtes, vermuten konnte, nein, das war völlig ausgeschloßen!
    „Salve, tribunus Artorius!“
    , grüßte Marcus den wohl einzigen Prätorianer bei der Garde, den er aufrichtig respektierte und ehrlich bewunderte, für dessen Leistung als Soldat und als Römer, ob er ihn anfangen sollte zu fürchten, darüber war sich Marcus selbst jetzt noch nicht ganz schlüßig, aber auch das würde wohl erst die Zeit erweisen. Die Frau an der Seite von Avitus warf doch Rätsel bei Marcus auf, war jener Mann verheiratet? Aber Marcus hatte nie sonderlich viel über das Privatleben von Avitus gewußt, hatte schon manchmal geglaubt, jener Mann lebte ausschließlich für den Dienst an das Imperium.
    Salve, werte Dame!“
    , grüßte Marcus auch die Gattin freundlich.
    „Es freut mich sehr, daß ihr meine Hochzeit mit eurer Anwesenheit beehrt.“
    Avitus würde die Frau sicherlich noch vorstellen, zumindest hoffte der neugierige Teil von Marcus darauf.


    Das Flüstern eines Sklaven lenkte ihn jedoch in dem Augenblick ab und Marcus sah in die Richtung, in der nicht nur der Sklave dezent deutete, sondern auch so manch ein Blick der Hochzeitsgesellschaft ging. Ein leuchtend roter Brautschleier stach zwischen all dem Grün hervor, wie eine besonders prächtige Blüte des Gartens. Der Wind spielte mit dem Stoff und verhüllte mal die fein geschnittenen Gesichtszüge seiner Braut, um sie gleich wieder zu offenbaren durch den zarten und durchsichtigen Stoff. Marcus blinzelte einige Momente und ein warmes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er seine schöne, filigrane Braut sah, aber auch gleichzeitig fing das unruhig herum wandernde Tier in ihm an wieder zu rumoren, denn wie Avitus es mit seinen Worten gemeint hatte, so empfand ein Teil von Marcus durchaus den heutigen Tag. Marcus richtete sich unter seiner toga etwas auf und holte Luft, um den ersten Schritt auf die Braut zu zu wagen, gleichsam ihm Gracchus schon – wie in vielen Dingen im Leben – bereits einen Schritt voraus war.

    Karminrot bestrahlte die junge Abendsonne die wenigen Wolken am Himmel, perlmutt verfärbte sich der am Tag so strahlend blaue Himmel; und die Häuser, Menschen und Tiere auf dem Platz warfen lange Schatten. Selbst Marcus' Schatten sah in der herauf brechenden Abenddämmerung weniger stattlich aus – oder füllig, wie auch immer – sondern er schien einem dünnen Riesen zu gleichen, ähnlich wie bei all den anderen Menschen. Der, der jedoch diesen Schatten warf, bedachte das lebendige Abbild von Cassims Schattenriss mit einem nachdenklichen Blick. Ob er damit etwas sagen will?, dachte sich Marcus. Vielleicht ein Bedauern über die Kriegsverletzung, die ihm einer von Cassims Landesmänner beigebracht hatte. Oder war kein Hintergedanke dabei gewesen?, grübelte Marcus weiter. Ganz schlüßig wurde sich Marcus nicht, nur, daß er bislang den Eindruck von Cassim gewonnen hatte, daß der Parther ein Mann war, der sich über viele Dinge gründlich Gedanken machte. Marcus nickte langsam.
    „So ein Opfer kann gewiß nicht verkehrt sein, aber ein anderes Mal. Ein Opfer am Tag reicht mir!“Tatsächlich trat so etwas wie ein zögerliches Lächeln auf Marcus' Lippen, einige Herzschläge lang.


    Dunkle Schemen von den akrobatischen Schwalben jagten über die Dächer der Stadt hinweg. Marcus ließ seine Augen über den sich immer intensiver verfärbenden Himmel wandern.
    „Nun, ein wenig göttlichen Beistand habe ich hoffentlich jetzt, nun laß' uns zum vergnüglicheren Teil übergehen!“


    Er deutete mit seinem Kinn in die Richtung der Tiberbrücke und begann schon darauf zu zu schlendern, Nervosität – des folgenden Tages wegen – aber auch die Vorfreude – einen hoffentlich angenehmen Abend zu haben – mischte sich mit dem Hauch von Melancholie – denn womöglich würde es in nächster Zeit nicht einfach werden, solchen Lastern wie heute nachzugehen.
    „Hast Du schon Hunger?“
    , fragte Marcus mit einem Seitenblick auf Cassim. Warum auch immer – wahrscheinlich weil Marcus doch gute Hintergedanken bei dem Opfer an Aeskulap wähnte- Marcus hatte nicht vor, Cassim heute hinter sich stehen zu laßen, während er sich vergnügte, zumal es doch eindeutig weniger vergnüglich war, wenn ein finsterer Blick auf den eigenen Nacken gerichtet war. Zielstrebig lenkte Marcus seine Schritte auf der anderen Tiberseite in Richtung der wohl verruchtesten Viertels der Hauptstadt, die sündige Gegend, die die meisten tabernae, cauponae und stabula, samt lupanare aufwies. Genau auf die subura hielt Marcus zu. Die Straßen wurden verwinkelter, die Häuser noch dichter gebaut und die Straßen schmutziger, als sie es ohnehin an vielen Stellen Roms waren. Aber auch die Dichte der Menschen schien noch mal etwas zu zu nehmen, samt der tiefen Schattenschluchten, die sich zwischen den sich dicht aneinander drängenden Häusern dahin zogen. Das war ein Ort, wo man am Besten Augen am Hinterkopf hatte.
    „Warst Du schon einmal in der subura, Cassim?“

    „Still halten!“
    , murrte der alte Mann, der zu Füßen von Marcus stand und mit einer Nadel durch weißen Stoff stach.
    „Au, verdammt und zugenäht noch mal, meine Haut muß nicht mit an den Stoff, Mann!“
    Der ältere Sklave, deßen Haare wie eine weiße Wolke um sein Haupt zu schweben schien, sah mürrisch zu Marcus hinauf und verkniff sich einen giftigen Kommentar, einer von vielen, die er schon an dem Tag mit Marcus ausgetauscht hatte, seitdem er damit beschäftigt war, die toga, die Neue für die Hochzeit, fertig zu stellen. Sodenn klopfte es an der Tür und ein dunkler Schopf streckte sich durch die Türlücke.
    „Herr, ein Besucher ist für Dich eingetroffen, ein gewißer Iulius Sparsus aus Germania. Er wartet im atrium!“
    - „He...“
    , protestierte der Sklave zu den Füßen von Marcus, doch zu spät, Marcus hatte überrascht aufgeschaut als er die Worte vernahm und sofort das kleine Holzpodest verlaßen, auf dem er nun schon eine hora mehr oder weniger ruhig stand. Die Nadel wurde dem alten Mann entrissen und Marcus eilte schnellen Schrittes, mit halb umsäumter toga, den Gang entlang auf das atrium zu.


    „Sapperlot und Donnerwetter!“
    , gab Marcus von sich, als er Sparsus sah.
    „Und ich dachte schon, der Sklave wollte mir ein Streich spielen, aber Tatsache, optio Iulius Sparsus von der Secunda! Potzblitz, welch eine Freude!“
    Marcus' Grinsen war so breit wie die mürrische Miene des Sklaven, der hinter her eilte, finster war.
    „Herr, eure toga...“
    , brummte der Sklave im Rücken von Marcus, der sich nur schnell herum drehte und die toga von seinem Körper zog und den Haufen weißen Stoffes an den Sklaven weiter gab. Der wiederum wandte sich leise fluchend um und schnitt hinter Marcus' Rücken noch eine giftige Miene und zeigte zudem eine unflätige Geste, war dann jedoch im Gang verschwunden.


    „Sei mir gegrüßt, Sparsus!“
    Marcus streckte die Hand aus, um Sparsus Unterarm freundschaftlich zu umgreifen.
    „Schön, daß Du es nach Rom geschafft hast. Wie geht es Dir? War die Reise gut? Wie lange wirst Du denn in Rom bleiben dürfen?“

    Einen Augenblick des Durchschnaufens verblieb ihm noch, einige Herzschläge, in dem der Wortwechsel mit seiner Verwandtschaft wenigstens einen Funken von Ruhe in ihm entfachte, selbst wenn jenes Feuer der Gelassenheit nicht in ihm hoch brennen wollte, nein, dafür waren die Windböen, die dieses Ereignis überzogen, viel zu stark und die Wolken einer ungewißen Zukunft zu mächtig in seinem Inneren. Ein gutmütiges Lächeln zog über Marcus' Gesichtszüge auf die Erwiderung der frisch gebackenen Mutter und schönen Claudiern, Antonia.
    „Nein, die schönste Blume bist Du, Antonia, Epicharis wird mein Licht an diesem Tag sein.“
    , erwiderte er, keineswegs geniert bei den schmeichelnden und vielleicht zu dick aufgetragenen Worte, denn wenn man Marcus auch manchmal Frauen gegenüber eine etwas zu blumige Sprache unterstellen konnte, so waren sie doch niemals unehrlich oder von Hinterlist geprägt, dafür dachte Marcus einfach zu gradlinig- meistens jedenfalls. Etwas schwächer wurde das Lächeln als er Gracchus vernahm, und sich dabei gehörig anstrengen mußte, um seinen so klugen Vetter zu verstehen; welch Tragödie, ausgerechnet Gracchus, dem Genie der Familie, dem Eloquentesten von ihnen allen, dem Mann, der mit Worten wohl den zornigsten Gott noch besänftigen konnte, ausgerechnet ihn traf es, mit einem derartigen Fluch belastet zu sein. Ein warmer Ausdruck – mit Mitgefühl gepaart – trat in Marcus' dunkelbraune Augen – wie immer, wenn er in letzter Zeit Gracchus sah, was er selber natürlich nicht wirklich bemerkte.


    „Dein Sohn wird bestimmt ein ganz ehrenvoller und mutiger Römer werden, bei solchen Eltern, bei so einer schönen und klugen Mutter und einem...“


    Weiter kam Marcus nicht in seiner Lobeshymne für das junge Elternpaar, denn dann kam schon der Verwandte heran, den er in letzter Zeit so gut wie gar nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, zudem hatt er auch nicht wirklich damit gerechnet, daß Aquilius kam, schließlich wußte Marcus allzu gut um dessen Abneigung vor Hochzeiten – was Marcus nicht verstand, er liebte jede Art von Festivität, insbesondere dem leckeren Essen wegen. Ein schiefes Grinsen schlich sich nun in Marcus' Gesicht.
    „Ah, Caius, aus welchen Grüften bis denn Du heraus gekrochen, Vetter. Schön, daß Du kommen konntest!“
    Marcus musterte ihn und fand, daß Aquilius selber so aussah als ob er gleich heiraten müßte, doch sich weiter auch darüber Gedanken zu machen, da kam Marcus nicht dazu, einer nach dem Anderen folgte in den Wogen der einströmenden Gäste, die wie die Flut in den Garten kamen, nachdem lange Zeit Ebbe hier geherrscht hatte.
    „Flavia Celerina, die schöne Celerina, salve!“
    Marcus lächelte sie freundlich, warm und so an, wie ein älterer Verwandter das bei einer Jüngeren tat, selbst wenn er Celerina noch nicht ganz in sein Flavierweltbild einordnen konnte.
    „Du beehrst sicherlich viele Männerherzen heute mit Deiner Anwesenheit und mich erfreust du ebenso...ähm...also“
    Himmel! Marcus hatte es gar nicht so gemeint.
    „..als Verwandter natürlich...“
    , fügte er darum schnell und etwas verlegen an. Über sich selber den Kopf schüttelnd, denn heute schien er wieder auf den Mund gefallen zu sein, wandte er sich schon dem nächsten Ankommenden zu und nickte ihm freundlich entgegen.


    Salve, Aurelius!“
    Wo hatte er ihn noch mal getroffen? Irgendwas mit der Akademie, aber Marcus' Gedächtnis war wie ein Sieb.
    „Hab' Dank, Aurelius!“
    , erwiderte Marcus, ja, die Götter hatten wohl wenigestens damit ein Einsehen, hoffentlich auch mit dem Opfer und der restlichen Zeremonie. Marcus verfolgte kurz die Worte zwischen seinen Verwandten und den Aureliern, anscheinend waren sie alle schon bekannt – kleines Rom eben – und somit war der neue Gast auch versorgt – ob Epicharis ihn eingeladen hatte? Ob sie ihn näher kannte? Eine Falte des eifersüchtigen Mißtrauens erschien zwischen seinen Augenbrauen, aber schon wurde er von einem herrlichen Anblick abgelenkt. Leuchtende Militärgürtel vermengt mit dem Geräusch der Metallplättchen, die gegeneinander schlugen. Der kurzzeitige düstere Ausdruck wich einem Grinsen und Marcus meinte nur kurz: „Wenn ihr mich entschuldigt...!“ und eilte dann auf die Soldaten zu.


    Unter seinen Füßen knirschte es und die toga umwehte seine Beine, die Soldaten gehörten heute mit zu den Gästen, auf die sich Marcus am Meisten freute, denn sie waren mehr gestrickt, wie er es eben war – Männer der Tat und nicht der großen Worte! Selbst wenn unter ihnen lauter schlaue Offiziere waren, die ihm – Marcus – ihn mancher Hinsicht durchaus überlegen waren, so fühlte er sich bei ihnen selten in seiner mangelnden Bildung entblößt.
    Salve, Licinus!“
    Kameradschaftlich streckte er die Hand aus, um den Unterarm von Licinus zu ergreifen.
    „Ach, wie es mich freut, daß Du es einrichten konntest, nach Rom zu kommen. Großartig! Wie geht es Dir? Was macht der Dienst in der Legion? Geht es der Prima gut?“
    Erst da sah Marcus auch Tacitus, den er zwar nicht kannte, aber – da Tacitus ein Kamerad und Mitsoldat war – ebenso freundlich begrüßte.
    Salve, Soldat! Ich bin Flavius Aristides, derjenige, der heute hier heiraten wird!“
    , fügte er mit einem Augenzwinkern an.


    Marcus sah auf als er noch ein bekanntes Gesicht ausmachte, Imperiosus, an der Seite einer äußerst schönen Frau vom eher dunkleren Typus, die Art, die Marcus mehr gefiel. Das ist bestimmt seine Frau, dachte sich Marcus, und beglückwünschte Imperiosus schon still für seinen guten Geschmack. Oder war es vielleicht umgekehrt? Hatte die Dame den Fisch namens Imperiosus geangelt?
    Centurio Artorius, wie schön, daß auch Du kommen konntest. Dann sind wir ja schon fast komplett von der alten Truppe.“
    Freundlich sah Marcus zu der Dame an Imperiosus' Seite.
    Salve, werte Dame, schön, daß ihr meine Hochzeitsfeier mit eurer reizenden Anwesenheit und Schönheit beehrt.“



    [SIZE=7]/edit: Wer noch mehr Rechtschreibfehler, Sinnfehler und sonstige Faux pas findet, darf sich daran erfreuen und behalten. ^^[/SIZE]