Man brauchte schon einen geschichtlichen Schlaghammer, um Marcus die Zusammenhänge deutlich zu machen, die Epicharis ansprach, aber der dezente Hinweis brachte ihm leider nicht die erwünschte Erleuchtung; ratlos musterte er Epicharis und fragte sich, welchen Brand sie wohl gemeint hatte, der – den Göttern sei Dank – immerhin vor auch seiner Geburt lag, die Vierzig hatte er noch nicht erreicht, selbst wenn das nicht mehr lange dauern sollte, was er freilich noch mit großem Erfolg verdrängte. Marcus runzelte einen Augenblick lang die Stirn, aber das war auch sein einziges Zugeständnis seiner Ratlosigkeit; nach einigen Herzschlägen gab er das Grübeln darüber auf, was Epicharis gemeint haben könnte und nickte. Er würde Gracchus fragen und der würde ihn sicherlich erklären, was Epicharis gemeint hatte. Als die Sänfte mit einem Ruck herunter gelaßen wurde, zog ein stechender Schmerz durch Marcus' Bein, selbst wenn er noch nicht lange heute unterwegs war, fühlte er sich dennoch schon ein wenig erschlagen, aber das Fieber, mit dem er um Tod oder Leben gerungen hatte, lag noch nicht viele Tage zurück und hatte ihn deutlich geschwächt, aber er hatte fest vor, es sich heute nicht anmerken zu laßen, nicht an dem ersten Tag im Rom und in Gesellschaft seiner jungen Verlobten. Ein schiefes Lächeln quittierte Epicharis bei ihrer erstaunten Frage und er zuckte mit der Schulter. Den Schah hatte Marcus nie zu Gesicht bekommen.
„Och...!“
, meinte Marcus mit einem nostalgischen Unterton. Welcher Mann würde sich nicht gerne der Vorstellung ergeben, sich so rege betätigen zu können – nur daß Marcus die Vorstellung schrecklich fand, sie alle als Ehefrauen zu haben.
„Wahrscheinlich gar nicht!“
, fügte Marcus dann an, man mußte nun mal der Realität ins Gesicht schauen, Marcus hätte wohl schon bei einem Zehntel seine Nöte. Es verblüffte immer noch Marcus, wenn er so spontane Zuneigungsbekundungen von Epicharis erhielt, aber er erfreute sich daran, denn es offerierte ihm, daß er wohl nicht ganz zu oft in Fettnäpfchen getreten war.
Das Tuch der Sänfte wurde aufgeschlagen und Marcus wartete geduldig, daß Epicharis die Sänfte verließ, ehe er vorsichtig sein Bein heraus schwang und mit den Händen etwas nach half, damit das empfindliche Knie nicht gegen einen der Pfosten stieß. Zwei Sklaven griffen ihm unter die Achseln und halfen Marcus auf die Beine, reichten ihm auch gleich die Krücken an und so vermochte Marcus nach der umständlichen Prozedur wieder festen Halt auf römischen Boden zu finden. Er sog die Luft tief in sich ein und betrachtete die Baumwipfel, die grünen Bepflanzungen und den Eingang; auch sah er kurz zu den Sklaven hinüber, sein Leibsklave und die beiden jungen Frauen, die in Epicharis' Gefolge waren. Ein mildes Lächeln glitt über seine Züge; zwei junge, hübsche und angenehme Sklavinnen schienen sie zu sein. Marcus war froh, daß Epicharis so angenehmen Umgang zu haben schien, so etwas tat einer jungen Frau doch sicherlich gut. Erneut schweiften seine Augen über das Stück Grün, den Garten jenes sonderlichen Beraters des Augustus, dem man so allerhand Dinge nachsagte.
„Nett!“
, meinte Marcus.
„Ähm, schön, meine ich!“
Wirklich einen Sinn für gärtnerische Schönheit hatte Marcus nicht, als junger Mann war er mal von seiner Mutter dazu genötigt worden, sich mit den traditionellen Werten eines Römers zu beschäftigen, sprich, er sollte mal selber einige Pflanzen hegen und behüten, wie es schon Augustus mit Leidenschaft getan hatte. Leider waren alle Pflanzen eingegangen und als braune, traurige Reste geendet. So hatte sogar seine Mutter schnell davon abgesehen, Marcus damit noch länger zu belästigen. Den grünen Daumen seines Bruders hatte Marcus gewiß nicht. Marcus ging einige Schritte, humpelnd freilich und sich auf die Krücken abstützend. So betrat er mit Epicharis an der Seite den Garten und sie wurden gleich eingehüllt in das muntere Zwitschern vieler Vögel, das Summen der Bienen, die die Frühlingssonne heraus gelockt hatte. Gepflegte Wege mit weißen Kieselsteinen schlängelten sich zwischen blühenden Blumen, frisch gesproßenen Sträuchern und hohen Platanen entlang, ein Brunnen plätscherte in ihrer Nähe. Am Wegesrand standen hin und wieder Marmorstatuen.
Marcus warf seiner Verlobten einen Seitenblick zu. Was meinte sie denn damit? Er sah sie nachdenklich an und blieb einen Moment stehen, denn um Laufen zu können, brauchte er seine volle Konzentration; noch war er nicht sonderlich geschickt mit den Krücken. Er leckte sich über die Lippen und runzelte kurz die Stirn.
„Ähm...“
, murmelte er. Sie meinte sicher, was er denn jetzt vor hatte: Politik oder Legion? Militär oder Zivilleben? Marcus zuckte mit der Schulter.
„Ich weiß es nicht so genau!“
, gab Marcus schließlich zu. Daß er nach Rom wollte, das war ihm klar, wie er das bewerkstelligen konnte, noch nicht so genau. Marcus ging einige Schritte weiter, humpelnd. Zwischen den Bäumen sah er mal das helle Aufleuchten einer anderen toga, deren Träger durch den Garten spazieren ging in Gesellschaft und mit einigen Sklaven, die ihm ebenfalls folgten. An solch einem Tag suchten auch andere Römer danach, die erfrischenden Gärten zu besuchen.
„Es erwarten natürlich alle, daß ich bald in die Politik gehe!“
, fügte Marcus an und blieb wieder stehen. Er sah grübelnd von einem Pinienbaum zu Epicharis und sie ratlos an.
„Ich denke, ich tauge nicht dafür!“
, gab er zu, etwas, was ihn erstaunte, denn das würde er sonst höchstens bei seinem Vetter Gracchus tun.
„Oder meinst Du etwas anderes?“
, fragte Marcus vorsichtshalber nach.