Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Marcus konnte nachvollziehen, was Sparsus erzählte, denn in einer Nuance hatte er dasselbe Schicksal erlitten, Marcus war ebenfalls ohne Vater aufgewachsen, dennoch begrenzte sich das Verstehen einzig und alleine darauf; schließlich war er in einem Patrizierhaushalt groß gezogen worden, hatte eine Mutter – auf die er sich völlig fixiert hatte! - und Geldsorgen auch nie gehabt, seine Mutter hatte in dieser Hinsicht immer ein geniales Geschick bewiesen – im Gegensatz zu Marcus, der heute noch nicht mit Geld umgehen konnte! Nachdenklich musterte Marcus den Mann, der mit dem Krieg in der legio gewachsen war, der sich – wohl viel viele Männer, die frisch zur Legion gekommen waren! - sehr verändert hatte, zumindest schien das Marcus so, wenn er sich an den jungen Mann zurück erinnerte, den er noch über den campus gescheucht hatte, eine halbe Ewigkeit schien das her zu sein! Marcus grinste schief, denn im Grunde trieben wohl oftmals die ähnlichen Gründe solche Männer wie Sparsus und ihn selber, aber auch Serapio zur Legion und ihnen allen hatte es gut getan, selbst wenn der Krieg zermürbend und nachhaltig – gerade was das Töten anging! - war, egal wie oft sie Lob gehudelt oder mit Ehrungen bedacht worden waren, denn Silber war auch nur Metall und machte vieles nicht wett.


    „Hat Dein Vater vielleicht schon in der Zeit von dem Bürgerkrieg in der Prima gedient?“
    Daß Sparsus eine Weise war, mußte ja von irgendwo her kommen, womöglich war der väterliche Iulier ja im Kampf gefallen.
    „Und jetzt willst Du also flügge werden und Deine Zuhause verlaßen? Tztz...!“
    Doch die tadelnden Worte wurden deutlich gemildert durch die Andeutung eines Lächelns auf Aristides Lippen.
    „Du hast Dich auch wahrlich gut als Soldat gemacht, Iulius, ich war immer mit Deinen Leistungen sehr zufrieden und die Legion wurde um einen weiteren guten und tapferen Soldaten bereichert.“
    Marcus war kein Mann, der Lob vermied, ab und an tat er das auch im regulären Dienst, aber er war auch niemand, der sonst prahlerisch damit um sich war, als ob er damit die Soldaten bestechen wollte. Aber wenn ein Soldat die Truppe verließ, und dann auch noch ein guter und sympathischer – schon bei Priscus war das schon so gewesen! -, wurde Marcus immer ein wenig melancholisch. Und bei Sparsus war es ja noch sehr viel drastischer, schließlich verließ er - oder wollte es zumindest! - die Prima gänzlich. Marcus sah ein weiteres Mal auf den Brief.
    „Du meinst also, Serapio wäre schon so weit, den optiostab zu bekommen? Meinst Du, er kann sich bei den Mitsoldaten durchsetzen?“






    SimOff: :P
    Gern geschehen ;)

    Balsam für die Seele waren die Worte von Epicharis, und was für die Seele gut war, das war auch vortrefflich für den Korpus, darum klangen die Schmerzen schon recht bald ab, das Gesicht von Marcus hatte sich schnell wieder entspannt und er mit einem freudigen Lächeln die Anrede wahrgenommen. Aus ihrem Mund klang das sogar glaubhaft, selbst wenn Marcus sich selber gar nicht so tapfer oder mutig vor kam, erst recht nicht lieb :D , aber aus ihrem Munde klang es wie eine größere Adelung und Ehrung als in dem Moment, wo er für Circecium einen silbernen Reif erhalten hatte und die Betitelung Held von Circecium. Zudem erleichterte es Marcus, daß Epicharis ganz offensichtlich nicht seines kleinen Ausrutschers wegen beleidigt war, oder gar zornig. Im Gegenteil, sie machte ihm sogar ein Kompliment. Stattlich? Genauso wie es Marcus gewöhnt war, daß Männer den Frauen Komplimente machten und er in seinem Leben noch nicht ein solch eine Schmeichelei von einer römischen Frau gehört hatte, derart reagierte Marcus auch. Sein Gesicht nahm langsam, aber durchaus sichtbar eine verlegene Röte an, während seine Augen fröhlich, wenn auch scheu, glitzerten und er sich über die Worte freute. Marcus spürte durchaus, daß seine Wangen und Stirn etwas hitziger wurden und blinzelte bedripst. So daß ihm womöglich die Gunst der Stunde völlig entging. Nur ein leises: „Oh!“, drang von seinen Lippen als Antwort, denn mehr brachte er in jenem Augenblick nicht hervor, womöglich hätte er noch ein Stottern geschafft, aber er wußte nicht so recht, was er darauf erwidern sollte, mußte oder konnte. Während Epicharis schon fröhlich und munter weiter redete – Marcus war ihr in jenem Augenblick auch wirklich darüber dankbar! - entfärbte sich sein rotes Gesicht ganz langsam und nahm wieder einen normalen Hautton an, der Sonnengebräunte, den er in all der Zeit auf dem Feldzug erworben hatte und der die Lachfalten um seine Augen noch betonte, zudem auch die Grübchen an seiner Wange und die etwas tiefe Furche um seine Mundwinkel, die doch die Jahre mit sich gebracht hatten, die oft bewegt und selten langweilig waren.


    Die Röte auf Epicharis Wangen hinwieder fand Marcus äußerst reizend und bezaubernd, es hatte etwas sehr frisches und unbefangenes, denn welche Frau konnte schon so etwas vortäuschen? Marcus lächelte und nickte zustimmend, selbst wenn er im Moment noch völlig in der Schwebe hing, wie denn seine nahe Zukunft aussehen würde, aber darüber würde er sich erst später Gedanken machen, sobald er sich etwas erholt hatte und von Pontius zu Pilatus laufen konnte. Aber nach Ägypten reisen würde auch Marcus gefallen, die wunderbare Stadt Alexandria besuchen, auf dem Nil entlang reisen, die eine oder andere Jagd, ein paar alte Freunde besuchen in Ägypten, das klang wirklich wunderbar und erinnerte ihn an die schönen Zeiten als er noch das tun konnte, wonach ihm gerade der Sinn stand, Marcus lächelte selig vor sich her. Unmengen von Geld ausgeben? Da das ja noch nicht sein Problem war, sondern das von Epicharis' Vater, konnte sich Marcus eines Schmunzelns nicht erwehren; wahrscheinlich bestand das im Einkaufen, Marktgänge, noch mehr Einkaufen, das Leben von Frauen schien doch recht unkompliziert zu sein, wobei Marcus durchaus durch seine Mutter wußte, daß dem eigentlich nicht so war. Marcus ließ seine Finger über ihre Wange hin weg gleiten, dort, wo ihr Lachen sich wie ein Sonnenstrahl ausbreitete, wie weich und zart doch ihre Haut war, wenn auch reichlich blaß – was fast alle Römerinnen für Marcus waren! - aber er würde sie noch oft genug an die frische Luft schleppen. Etwas konfus war Marcus dann doch all der Namen wegen, er runzelte die Stirn, was sich gleich wieder auflöste als er die leichte Berührung an seinem Nacken spürte, abermals blinzelte Marcus überrascht, war aber erneut recht angetan davon. Leider währte das jedoch nicht sehr lange, Marcus folgte jedoch der Hand ein Stück, in dem er etwas näher noch an Epicharis rutschte und einen Arm sanft um ihre Taille legte.


    „Deandra? Sollte ich sie kennen?“
    , fragte Marcus etwas verwirrt. Der Name sagte ihm leider gar nichts. Am Ende war das noch eine enge Verwandte von Epicharis und Marcus hatte sich wieder in die Nesseln gesetzt.
    „Corvinus? Hm!“
    Marcus grübelte.
    „Aurelius Corvinus...!?“


    Auch der Name bereitete Marcus Schwierigkeiten, aber Marcus hatte noch nie ein sonderlich gutes Namensgedächtnis gehabt, erst mit seinen Soldaten hatte sich das gebessert, denn schließlich wollte er seine Männer auch ordentlich mit Namen anreden könne, so wie sie es auch verdient hatten. Mehrere Gesichter ragten aus dem Dunst von Erinnerungen heraus, aber Marcus war sich nicht ganz sicher, ob auf dem Fest in Mantua der Tiberier oder der Aurelier waren oder gar Beide? Marcus war etwas ratlos, was sich auch an seiner Miene offenbarte. Darum konnte er auch all die damit zusammen hängenden Aussagen nicht ganz verstehen.


    „Deandra war also mit dem Aurelier verlobt. Und das wurde gelöst! Warum?“
    Marcus versuchte systematisch diesen gordischen Knoten zu entwirren, was zwangsläufig zum Scheitern verurteilt war, schließlich war die Natur eines solchen Knoten, daß er unentwirrbar blieb.
    „Warum sitzt der Aurelier am längeren Hebel? Ist er in einem einflußreicheren Amte?“


    Solch Klatsch und Tratsch war noch nie wirklich eine Sache von Marcus gewesen, aber es waren Dinge, die seine Verlobte beschäftigten und ihre letzten Monate wohl schwer gemacht hatten, so versuchte er wenigsten etwas das zu verstehen. Marcus betrachtete ihre harmonischen Gesichtszüge, die ausdrucksstarken Augen und die vollen, wunderbar weichen Lippen und hatte eigentlich nicht groß Lust über irgendwelche Aurelier nachzudenken. Marcus hob auch die andere Hand und strich sanft mit dem Daumen an ihrem Kinn entlang. Was war es eigentlich, was Marcus im Moment gefangen hielt? Natürlich war Epicharis wunderschön, aber eigentlich nicht der Typ von Marcus – der lieber die dunkelhäutigen Frauen bevorzugte – aber die Herzlichkeit und das lebendige Wesen von Epicharis erwärmten ihn gerade, machten ihn glücklich und ließen ihn endlich in Rom und der Heimat ankommen. Ganz versunken in all dem Tohuwabohu von Empfindungen – die doch so wahrlich untypisch für Marcus waren! - vergaß er auch alles um sie herum. Marcus Augen ruhten auf ihrem Gesicht, er beugte sich etwas näher an sie heran und flüsterte leise, mit leicht rauchiger Stimme:


    „Wie wunderschön Du doch bist, Epicharis!“


    Auch noch die letzte Distanz wollte Marcus überwinden, er beugte sich nach vorne, hielt sanft eine Hand an Epicharis' Wange, während die Andere abermals zu ihrer Taille wanderte und diese umschlang. Noch ehe ein Atemzug vergangen war in der Bewegung, legte Marcus seine Lippen auf ihren Mund. Marcus Lippen, die von dem Wetter und ein wenig Durst etwas spröde wirkten, erkosteten den wundervollen Erdbeermund der schönen jungen Frau, genüßlich ließ Marcus erst diese sachte Bewegung gewähren ehe er das Feld des unschuldigen Kußes verließ und sachte mit der Zunge ihre Lippen teilte, um in einen leidenschaftlicheren Kuß überzugehen.

    Zitat

    Original von Lucius Artorius Avitus
    ...
    "Worum geht es?"


    Es war immer noch ein munteres Treiben, selbst wenn vielen - eigentlich allen Soldaten- die Freude ein wenig getrübt worden war, dadurch, daß sie keinen Ausgang gewährt bekommen hatten. Marcus war heilfroh auf der Liste der Verletzten zu stehen – natürlich nicht, verletzt zu sein! - um doch noch ein anständiges Quartier zu haben und nicht die lausige und unkomfortable Halle mit bewohnen zu müßen. Marcus spähte über das Meer, wo immer noch zahlreiche Schiffe vor Anker lagen. Das blaue Wasser schwappte immer wieder gegen den Kai und doch hatte Marcus das Gefühl, die Schiffe lagen zu dieser Stunde tiefer im Wasser, immer wieder hatte sich Marcus gefragt, warum das Meer sich zurück zog und warum es wieder an stieg, aber bis dato hatte ihm noch nie jemand eine vernünftige Erklärung dafür gegeben – nämlich eine, die er auch verstand! Als der Soldat ihn herein winkte, riß sich Marcus von dem Anblick des blauen Wassers, das sich an vielen Stellen zu kräuseln schien, los und humpelte in das Quartier des praefectus hinein.


    „Salve, praefectus. Oh, vielen Dank!“


    Dankbar war Marcus tatsächlich über den angebotenen Platz und nicht stehen zu müßen. Er humpelte bis zu dem Stuhl und ließ sich vorsichtig herunter sinken. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß ein schnelles Herunterplumpsen sehr schmerzhaft am Bein werden konnte. Marcus nahm die Krücken in eine Hand und – umständlich, wegen dem steifen Verband – Platz. Einen Moment schnaufte er durch ehe er gleich zur Sache, wie Avitus es natürlich auch angestoßen hatte – sicherlich hatte der Mann viel zu tun!


    „Einer meiner Soldaten möchte versetzt werden - Iulius Sparsus! Er möchte nach Germania zur legio Secunda. Ich würde ihm noch ein Empfehlungsschreiben mitgeben, aber ansonsten liegt eine Versetzung ja nicht in meinen Händen!“

    Verflixt und zugenäht, da hatte ihn Sparsus aber erwischt, denn der Iulier hatte natürlich damit vollkommen Recht, ein centurio konnte und durfte nicht heiraten, schließlich stand das so im Gesetz, eigentlich wollte Marcus nichts über Pläne – die noch nicht wirklich vorhanden waren! – oder Möglichkeiten – die sich auch noch nicht aufgetan hatten! – sich auslaßen - weil er sie einfach auch noch nicht kannte!-, aber er würde sonst mehr in Erklärungsnot gelangen. So lächelte Marcus verhalten, trank einen tiefen Schluck Wein und zuckte mit der Schulter. Seine Augen schweiften in der taberna umher, die immer voller wurde, es drängten sich nun auch andere Matrosen herein, Zivilisten, die vom langen Stehen, Winken oder Jubeln müde geworden waren und ihre trockenen Kehlen mit dem süßen Gesöff dieser Schenke erfrischen wollten. Auch Marcus folgte ihrem Beispiel, wünschte sich jedoch eine Handvoll von dem wunderbaren Kraut, was ihm ein medicus in Parthia noch verordnet hatte. Der Grieche, der ihn jetzt behandelte, schien eine andere Rezeptur zu haben – sehr zum Bedauern von Marcus. Er beugte sich etwas nach vorne und kratzt an seinem Oberschenkel, was natürlich nicht dieses ärgerliche und schmerzende Pochen vertrieb.


    „Naja, eigentlich dürfen sie das auch nicht. Ich auch nicht, aber...und das unter uns, Iulius...“
    Marcus sah ihn einen Herzschlag lang verschwörerisch, aber auch ernst dabei an.
    „...ich gedenke nicht, den Rest meines Lebens ein centurio zu bleiben. Das hatte ich auch nie vor! Und meine Hoffnung, womöglich der Prima in anderer Position zu dienen, hat sich längst als trügerisch erwiesen. Ich werde mich wohl auch umtun müßen, was für Möglichkeiten mir bleiben. Vielleicht ein Pöstchen in Rom, um meine Familie mal ab und an sehen zu können. Besonders meine Kinder! Mal sehen, mal sehen!“
    Zufrieden nickte Marcus und griff erneut nach dem Becher.
    „Gut, gut, ich wäre auch schwer enttäuscht gewesen!“
    , gab Marcus grinsend zu.


    Ab und an einen Schluck zu sich nehmend lauschte Marcus dem optio, in gewißer Weise konnte er Sparsus durchaus verstehen, wenn schon weg von der Prima, dann am Besten weit weg und in eine Einheit, die ebenso gut war und genauso tapfere Männer und gute Anführer aufwies, und das hatte die Secunda, nach dem, was er bis dato von ihnen gehört hatte – natürlich hätte Marcus Ägypten der Provinz Germania vorgezogen. Aber auch da verstand Marcus, daß Sparsus kein Bedürfnis hatte, erneut ein Wüstenland gegen das Andere einzutauschen, selbst wenn ein großer Teil von Ägypten - zumindest der ihm bekannte Teil - auch eine grüne Hölle war und sehr fruchtbar. Marcus brummte leise, schluckte den Wein in seinem Mund herum, den er eine Weile zwischen Zunge und Gaumen erschmeckt hatte. Die Frage von Sparsus überraschte Marcus dann doch, Marcus blinzelte einige Male. Um dem Imperium und römischen Volk zu dienen? Was für eine abgeschmackte Antwort und er würde sicherlich nicht mit Sparsus solche Phrasen austauschen, so blieb Marcus lieber bei der Wahrheit.


    „Um ehrlich zu sein...um noch etwas aus meinem Leben zu machen! Mit mir war vor der Legion nicht viel anzufangen, ich habe Tag für Tag faul meine Zeit tot geschlagen, Feste gefeiert, Orgien zelebriert, war auf Reisen, sprich, ich habe mich durch und durch gehen laßen. Wahrscheinlich wäre ich schon am Suff erstickt, hätte ich nicht eines Tages einen kräftigen Tritt in Richtung der Legionen bekommen...Germania eben. Dort war ich die erste Zeit als probatus stationiert bis ich optio wurde und bis Legat Decimus das Kommando über die Prima erhalten hat.“
    Marcus, der durchaus die Tendenz hatte, munter und ohne Zwang zu plaudern, fuhr auch gleich fort.
    „Im Grunde habe ich die erste Zeit in der Legion immer verflucht, aber heute bin ich doch froh, mich damals zur Legion gemeldet zu haben. Solche Männer wie wir, Du und ich, wir sind einfach eher Menschen, die gut als Soldaten dienen können. Ich wäre wahrlich ein lausiger Politiker! Und Du? Hast Du es bereut, Dich der Prima anzuschließen? Wegen dem Krieg?“
    Marcus fiel auf, daß man die Frage durchaus mißverstehen konnte.
    „Ich meine, wegen dem ganzen Töten, all den Umständen, nicht...ähm...Du weißt schon, was ich meine, oder?“





    SimOff: Ja, man kann etwas verschenken. Aber man schenkt das am nächsten Morgen, wenn das Brautpaar die Hochzeitsnacht geschafft hat – ohne Verluste und Kollateralschaden. Aber ich habe es auch schon öfters gesehen, daß die Geschenke schon am Hochzeitstag überreicht wurden. Oder auch gar keine gemacht wurden. Denn wichtiger ist der Gast, nicht das Geschenk. ;)

    Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer
    Das war nun schon der zweite von der Legio I und der Schreiber war inzwischen darauf vorbereitet, dass diese nicht persönlich kamen. "Gut, dein Herr landet auf der Anmeldeliste. Zum Examen Tertium gehört ein Kolloquium. Der Kommandeur wird sich deswegen rechtzeitig mit deinem Herrn in Verbindung setzen."


    Ob das jetzt gut oder schlecht war, das vermochte der junge Sklave – seien wir so gnädig und geben ihm auch endlich mal einen Namen – Apelles nicht einzuschätzen. Apelles war ein junger Mann von noch nicht mal zwanzig Lenze, dunkles Haar, nicht sehr auffällig, aber schnell auf den Füßen, weswegen er immer gerne durch die Stadt geschickt wurde. Was natürlich Apelles sehr gelegen kam denn so wurde er nicht zu den anderen Arbeiten im Haus heran gezogen. Apelles vernahm alles sehr aufmerksam, denn schließlich würde er später alles weiter geben müßen.


    „Ein Kolloquim!
    , bestätigte der Sklave. Er hoffte, daß das gute Neuigkeiten waren.
    „Ich werde das meinem Herrn ausrichten. Hab Dank!“
    Der Sklave neigte den Kopf.
    „Einen schönen Tag wünsche ich dann. Vale!“
    Der Sklave wandte sich um und verließ das officium, gleich nach Hause eilend, um die Botschaft zu überbringen.

    Einige Stunden nachdem Marcus mit Sparsus sich in der taberna zu den hüpfenden Nereiden unterhalten, nachdem Marcus sich beim medicus vorstellig gemacht hatte, der ihm die gute Neuigkeit verkündete, daß Marcus, wie einige andere Soldaten der Prima für die Zeit ihrer Verletzung nun wirklich vom Dienst frei gestellt wurden und sogar das Lager verlaßen durften, Marcus war sehr froh gewesen darüber, also, einige Zeit danach hatte sich dann Marcus mit Krücken aufgemacht, um sich zu dem praefectus der Legion durchzuschlagen, während sein Sklave sich darum kümmerte, daß sie noch heute Abend aus dem Lager heraus kamen und bis zu seinem Onkel nahe von Ravenna reisen konnte, um dort eine Nacht zu verbringen. Rhythmisch schlugen die Krücken auf den Stein als er sich der Unterkunft näherte, in dem der praefectus einquartiert worden war und das selbst zu dieser Stunde noch von Schreibern, Soldaten und sonstigen Leuten belagert zu sein schien. Schwer atmend durch den kurzen Weg, den er mit den Krücken hinter sich gebracht hatte, blieb Marcus stehen, um erst mal etwas Atem zu schöpfen. Schließlich brachte er auch noch die letzten drei Sprünge mit der Krücke hinter sich und wandte sich an einen der Soldaten, der vor dem Haus herum lungerte.


    Salve, miles! Melde dem praefectus, daß centurio Flavius Aristides ihn gerne sprechen würde. Sofern er die Zeit im Moment erübrigen kann!“

    Stühle wurden gerückt und Marcus sah auf als die beiden Anderen, Serapio und Hannibal, den Tisch und die taberna verließen, Marcus sah ihnen noch einen Moment hinter her, dann zuckte er mit der Schulter. Irgendwie hatte Marcus das Gefühl, daß die Decimer und die Iulier im ganzen Imperium, besonders den Legionen vertreten waren und sie aus dem Boden schoßen wie Pilze, aber scheinbar war dem doch nicht so, dabei hätte Sparsus es dadurch sicherlich leichter gehabt, oder auch nicht, je nachdem welche Verwandtschaft man an der Backe hatte. Marcus brummte unbestimmt und spähte noch mal auf den Brief, denn dann würde er nicht umhin kommen, noch einmal den praefectus aufzusuchen, ehe die Legion weiter zog, was auch immer das Ziel war und wann es auch weiter ging. Noch einmal drehte Marcus in seinem Kopf hin und her, wie er Sparsus doch noch überreden könnte, in Italia zu bleiben, aber Marcus Geist war immer noch träge von dem Fieber, den Schmerzen und all den Strapazen der letzten Wochen.


    „Ja, sicher ist sicher.“
    Ganz sicher darüber war sich Marcus gewiß nicht.
    „Aber ich hoffe doch, daß Du noch so lange in Italia weilst, daß Du noch lange genug in Italia bleibst, um zu meiner Hochzeit zu kommen!“
    Was natürlich erst ging, sollte Marcus befördert werden. Aber irgendwie zweifelte Marcus, daß das in der Prima geschehen würde. Schließlich war er schon einmal übergangen worden.
    „Und wehe Du schleichst Dich heimlich davon, wenn der praefectus Deine Versetzung erlaubt. Ohne eine Abschiedsfeier kommst Du mir nicht davon, Iulius. Nicht nach all der Zeit, die wir im Krieg durchgestanden und überlebt hatten!“
    Zwar sah Marcus, daß Sparsus noch seinen Becher nicht geleert hatte, dennoch schenkte Marcus ihm noch etwas Wein nach und füllte seinen eigenen halb vollen Becher wieder auf.
    „Die Secunda? Wird die nicht von dem Vinicier angeführt? Der war doch selber nie Soldat, wenn ich mich Recht erinnere, hm?“
    Was sicherlich auch von Vorteil sein konnte, womöglich hatte der Mann dann sehr viel mehr Weitsicht als so manch ein sturer Soldat, der es zum Kommandant gebracht hatte.
    „Wie bist Du denn aus die Secunda gekommen, Iulius?“

    Es war ein Bote von der villa Flavia, der an jenem frischen, jungen und sonnigen Morgen durch die Straßen von Rom eilte und bis zu der Militärakademie. Ein wenig Zeit war schon verstrichen, seitdem der Herr aus dem Krieg zurück gekommen und ein wenig die Genesung voran geschrittten war, so war der junge Sklave los geschickt worden, um die Tortur mit den Krücken zu vermeiden. Bis zu dem paßenden officium fragte sich der junge Mann durch, klopfte und betrat die gute Stube erst, nachdem er dazu aufgefordert wurde. Einen Augenblick dachte der Sklave darüber nach, ob hier ein militärischer Salut gefragt war, aber er war ja nun mal nur ein Sklave. So wandte er die üblichen Höflichkeitsfloskeln an.


    „Salve, mein Herr, Marcus Flavius Aristides, schickt mich. Er ist centurio bei der legio Prima, die wieder in Mantua stationiert ist. Er ist verletzt, sonst wäre er sicherlich persönlich gekommen. Aber er wollte dennoch anfragen laßen, ob es möglich wäre das dritte Examen zu absolvieren!“

    Der Hunger, den Marcus anfangs noch verspürt hatte, war schon nach drei Bißen wieder verflogen, lustlos, noch länger in dem Eintopf herum zu stochern, schob er den Teller beiseite. Sparsus schien es sich wirklich gut überlegt zu haben und schien keinem noch so vernünftigen Argument gegenüber offen zu sein, bedauernd seufzte Marcus. Aber im Grunde konnte Marcus seinen Stellvertreter sehr gut verstehen, womöglich aus anderen Gründen, schon während des Krieges war auch Marcus nachdenklich geworden. Marcus nickte, betrachtete Sparsus mit grüblerischer Miene und nippten an dem Wein, der womöglich eine Nuance zu süß für Marcus war. Wider Willen mußte Marcus grinsen bei dem kleinen Hin- und Her von Serapio und Sparsus, was für ein Gespann die Beiden! Verstehend nickte Marcus schließlich.


    „Ganz ist es mir nicht klar geworden, Iulius, aber das muß es auch nicht unbedingt. Ich sehe schon, daß Du Deine Gründe dafür hast und ich kenne Dich als einen besonnenen und überlegten Mann, somit habe ich auch keinen Grund, Deinem Anliegen nicht zu entsprechen. Nicht ganz, ich habe hundert Gründe, angefangen damit, daß ich einen sehr guten Offizier verliere, der schon bald seine vitis hätte halten können, zudem einen guten Soldaten, der ein hervorragender Kamerad für die Soldaten meiner Einheit auch ist. Zudem glaube ich immer noch, daß Dir Germania mit Sicherheit nicht gefallen wird. Ich würde Dir eher Ägypten ans Herz legen, es gibt kaum eine schönere Provinz im Imperium!“


    Verwirrt sah Marcus zu Serapio als dieser seine Frage stellte, irgendetwas fand Marcus immer komischer in der Situation; war es der Ausdruck auf dem Gesicht seines Sklaven, der Marcus nicht ganz gefiel? Marcus vermochte es nicht genau zu benennen, doch er musterte Beide mit einem scheelen Blick. Was solls! So dachte Marcus und nickte auf die Frage von Serapio. Wieso auch nicht, vielleicht verriet ihm Sparsus dann, was der wirkliche Grund war oder er konnte es dem optio doch noch entlocken, oder gar noch umstimmen.


    „Ist gut, Decimus!“
    , murmelte Marcus und beachtete dann die Beiden nicht mehr länger.
    „Ich werde mich dann an den praefectus Artorius wenden, damit es reibungslos über die Bühne geht. Hast Du bereits Verwandte bei der Secunda, die dort dienen? Ein Empfehlungsschreiben wäre sicherlich auch nicht verkehrt, aber ich glaube auch kaum, daß sie einen guten Soldaten abweisen werden!“

    Es pochte nicht nur an seinem Bein, sondern juckte auch ganz gehörig unter all den Lagen von Verband, Marcus beugte sich vor, um den Versuch zu unternehmen, sein Knie zu kratzen, aber der scharfe Schmerz belehrte ihn eines Besseren, so unterließ er es und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei sah er unverwandt seinen optio an, ein wirkliche Begründung gab dieser nicht, so daß ihn Marcus viele Herzschläge lang stumm und nachdenklich betrachtete und dabei zu ergründen schien, was Sparsus wohl dazu bewegte; denn aus der Legion wollte er nicht austreten, schließlich ließ er sich zu einer anderen Einheit versetzen, die Secunda – zugegeben, eine exzellente Legion und man hörte immer sehr viel Gutes von den Männern dort! Gleichwohl Sparsus abgelehnt hatte, etwas mit zu eßen, ließ Marcus einen Becher bringen und füllte ihn selber mit Wein, um diesen dann an Sparsus weiter zu reichen. Marcus bedauerte den Entschluß von seinem Stellvertreter sehr, denn er fand Sparsus nicht nur einen sehr guten Soldaten, sondern Marcus mochte den Mann dazu.


    „Natürlich glaube ich Dir das, Iulius! Ganz gewiß!“
    Aber Marcus würde dennoch einen Versuch wagen, um Sparsus in Italien zu halten.
    „Aber bist Du Dir der vollen Konsequenzen bewußt, solltest Du wirklich nach Germania gehen?“
    Marcus beugte sich etwas nach vorne und sah Sparsus verschwörerisch und bedeutungsvoll an.
    „Kaltes und naßes Wetter, elende Barbaren und Germanen – was natürlich ein und dasselbe ist! - und dazu grobschlächtige und langweilige Weiber haben sie dort. Ödnis und Langeweile werden Dich dort erwarten! Ich weiß, wovon ich spreche, Iulius, ich war einige Zeit lang bei der Neunten stationiert gewesen, noch unter Legat Decimus! Ich war sehr froh, als ich nach Italia versetzt wurde! Germania ist eine schreckliche Provinz!“
    Marcus nickte, sich selbst bestätigend und sah Sparsus eindringlich an, welcher normale Mann wollte schon freiwillig in dieser Provinz leben und in der Legion dienen, egal wie gut die Legion auch war?

    Naevius bekam ganz große Augen als ihm Sparsus den optiostab reichte, andächtig ergriff der Schreiber das Insignium der Macht, mit dem er zwar nicht wirklich Soldaten bestrafen durfte, aber der Befehl von Sparsus war klar gewesen. Naevius lächelte glücklich und salutierte noch zackiger und noch eifriger als zuvor. Ein:
    „Jawohl,optio!“
    , brachte Naevius noch hervor, dann hielt er einfach das neue Spielzeug in seinen Händen. Wie gut sich der Stab doch anfühlte, so glatt, so mächtig. Als Sparsus die Worte an die Zenturie richtete, schien Naevius auch ganze zwei Zoll zu wachsen und hielt den Stab fest in seiner rechten Hand, dabei die Augen auf die Männer, wovon manche mit Erheiterung den Schreiber betrachteten, der – wenn die Soldaten gutmütig waren – als Kauz bezeichnet wurde. Aber Naevius war schon immer ein eifriger Mann gewesen, selbst wenn er die eine oder andere Marotte hatte. Und am Liebsten tummelte sich Naevius unter den Männern und versuchte so einer wie sie zu sein, selbst wenn er kein Kämpfer war. Doch nun blieb er stehen und spähte auf die unsichtbare Linie, die Sparsus um das Quartier gezogen hatte, angespannt wie ein Wachhund observierte er die Soldaten.


    „Tius, Cafo, das sind elf Schritte. Zurück, zurück. Brav!“


    Naevius strahlte glücklich, die Männer hörten tatsächlich auf ihn. Erstaunt musterte er den optiostab in seiner Hand, was so ein kleines Ding doch ausmachte!


    Und nun in der taberna:
    Der kleine Löwe schien wohl ganz und gar nicht Gefallen daran zu finden, gleich getätschelt zu werden, denn als sich der – womöglich einfach auch nur lockende – Finger näherte, krallte sich der kleine Löwe an dem Korb fest und versuchte mit seinen kleinen Zähnen nach dem Finger zu schnappen, dabei grollte er höchst putzig und dünn, so daß Marcus leise vor sich hin gluckste und mit seinem Kinn auf den Löwen deutete.
    „Drusilla? Du meinst doch nicht etwa die Katze von der Schreckschraube aus dem Rekrutierungsbüro?“
    Marcus schnaubte verächtlich, er hatte einige Wochen unter diesem Knilch leiden müßen, als Marcus noch für das Rekrutierungsbüro eingeteilt worden war, ehe der Legat ein Einsehen mit ihm und wieder auf den campus gestellt hatte.
    „An dem wird Drusilla schnell ihre Freude verlieren, spätestens, wenn er ausgewachsen ist und versucht, sie zu freßen.“
    Mit dem Brief fuchtelte Marcus über dem Löwenjungen, der auch gleich danach zu schnappen versuchte.
    „Das ist ein Löwe für meinen Sohn!“


    Ein Funke Mißtrauen machte sich doch bei Marcus breit, denn langsam wurden auch ihm die Blicke, die die Beiden da austauschten, etwas sehr suspekt. Zudem fand er es nicht ergötzlich, wenn Hannibal griechische Worte von sich gab und ihn damit vorführte, er konnte ja schlecht zugeben, nichts davon verstanden zu haben. Marcus brummte unwillig, aber schon war Sparsus heran. Marcus nickte und legte den Brief, den ihm Sparsus geschickt hatte, auf den Tisch. Mit der anderen Hand deutete Marcus auf einen freien Stuhl.


    Optio, salve. Das habe ich. Nimm' doch bitte Platz!“
    , begann Marcus und winkte die Frau heran, die sie schon bedient hatte.
    „Hast Du Hunger, optio?“
    Die junge Frau an der Theke schien alle Zeit der Welt zu haben, denn erst langsam machte sie sich auf, zu ihrem Tisch zu kommen.
    „Du möchtest also nach Germania versetzt werden? Hast Du Dir das gut überlegt, optio?“

    Bedauernd betrachtete Marcus diesen großen, allzu großen Spalt, der immer noch zwischen ihnen lag, so wollte Marcus nach Epicharis schlanken Taille greifen und sie etwas näher an sich heran ziehen. Schon berührte seine Hand ihren Rücken als jedoch Epicharis seine Wade betastete. Selbst wenn sie es vorsichtig tat, so war Marcus einfach noch zu empfindlich an seinem Bein; scharf sog Marcus den Atem durch seine Nase ein, der Schmerz zuckte heftig durch seinen ganzen Körper bis zu seinen Schläfen hinauf. Marcus unterdrückte nur mit Mühe einen Schmerzenslaut – er wollte Epicharis schließlich nicht beunruhigen! -, konnte ein leises Stöhnen jedoch nicht ganz verhindern, egal, wie fest er seine Zähne aufeinander biß, so stark, daß sich seine Wangenknochen deutlich im Gesicht wenn es nur zwei Herzschläge lang war.
    „Ja..!“
    , ächzte Marcus. Aber der Schmerz wurde etwas schwächer, Marcus nickte, denn es war wirklich zu dumm gewesen. Daß er freilich schon vorher verletzt wurde und nicht schadlos den ganzen Krieg bis zu diesem bitteren Ende überstanden hatte, das verschwieg Marcus noch, schließlich waren seine Worte in den Briefen an Epicharis immer ein Zeugnis davon, wie ungefährlich der Krieg angeblich gewesen ist. Marcus legte seine Hand auf ihren Rücken, angenehm kitzelte eine der weichen Haarsträhnen an seinem Kinn, als Epicharis ihren Kopf an seine Schulter legte. Marcus wandte den Kopf zu ihr und betrachtete sie sinnierend und nachdenklich.


    „So schlimm ist es nicht, außerdem hatte ich noch Glück, selbst wenn es nicht gerade angenehm ist, verletzt zu sein. Aber einen Vorteil hat es mir doch eingebracht!“
    Marcus lächelte still vor sich hin und ließ seine Hand an Epicharis hoch wandern, seine Fingerkuppen ertasteten dabei deutlich ihren schlanken Rücken.
    „Ich habe Re..Rekon...Urlaub, bis ich wieder einigermaßen laufen kann. Viele der Offiziere mußten erst nach Mantua zurück kehren, ich konnte mit Hannibal gleich von Ravenna aus aufbrechen!“


    Wie froh Marcus gewesen war, als er die Nachricht von dem medicus vernommen hatte. Er hatte ihn in eine Liste mit den Verletzten eingetragen und somit hatte - laut des Befehls des Legaten - Marcus erstmal Zeit, sich hier in Rom zu erholen. Marcus hob seinen Kopf etwas an, um nach den Sklaven zu spähen, der von Epicharis ausgesandt worden war. Ein kühler Tropfen würde ihm jetzt gewiß gut tun, nach all dem Hüpfen und dem Marsch von der Sänfte bis zum atrium. Die Briefe? Ah ja, die Briefe! Ein wenig hatte Marcus doch an seinem schlechten Gewißen zu knabbern, schließlich hatte er die Briefe zwar schon selber produziert, aber eben nur mündlich und Naevius hatte sie sorgfältig überarbeitet und von den langen, verworrenen Sätzen etwas befreit, die manchmal doch sehr sinnfrei waren. Aber immerhin waren die Briefe dennoch mit dem gefüllt, was Marcus seiner Verlobten auch berichten wollte. Seine Finger verirrten sich zu ihrem seidigen Haar, zart strich er über ihren Nacken, bis er ihren Haaransatz erspürte, über den er seine Finger spielen ließ. Weich zeichnete die Sonne die Konturen von Epicharis, versunken betrachtete Marcus diese und nickte langsam. Auf welche der Fragen oder Bemerkungen das jetzt die Antwort war, wurde erst mal nicht deutlich. Wie ganz selbstverständlich hob Marcus die andere Hand und strich mit seinem Zeigefinger an ihrer Kinnlinie entlang.


    „Die acta? Hm!“
    Leise hatte Marcus das gemurmelt, während er mit seinem Finger die Linie erkundete, die an einem kleinen Ohrläppchen endete.
    „Saftladen, diese acta!“
    , gab Marcus ganz selbstvergeßen von sich ehe ihm siedendheiß einfiel, daß Epicharis ja für diesen Saftladen arbeitete. Herrje! Erneut ein Fettnäpfchen gefunden. Schnell versuchte Marcus seinen Faux Pas ungelenk wieder glatt zu bügeln.
    „Öhm...ähm, naja, ich mag Säfte!“
    Himmel, Marcus, dämlicher geht es nicht, hm?
    „Und die Schuld lag ja eindeutig bei den Schreibern bei uns. Mich einfach auf die Verlustliste setzen, tztz!“
    Verzeihung erheischend sah Marcus seine Verlobte an. Was half am Besten bei einer brenzligen Situation mit einer Frau? Ihr etwas schenken - dazu aber erst später mehr! - oder schnell das Thema wechseln.
    „Ähm, ja, er ist tot. Ganz definitiv tot!“
    Marcus seufzte leise und nickte schließlich.
    „Er ist vor Dura Europos gestorben, am Abend, heißt es. Wir haben ihn viele Tage durch die Steinwüste getragen und dann verbrannt. Ich denke, der Legat wird die Urne mit der Asche bald nach Rom bringen. Dann wird es hier wohl noch ein großes Staatsbegräbnis geben!“
    Marcus hoffte, wenigstens dort anwesend sein zu können, bei der Verbrennung hatte er nicht teilnehmen können, da er zu jener Zeit bereits fieberte wegen der frischen Verletzungen.
    „Parthia? Och, steiniges Land, fremdländische Menschen, hinterhältige Bauern, verlogene Stadtbewohner, guter Wein! Die Menschen leben dort auch in Steinhäusern, wie hier in Rom.“


    Für Marcus hätte wohl eine derartig knappe Rede ausgereicht, aber ein Blick auf seine Verlobung, sein Erinnerung an ihre lebhafte Neugier und ihr Wissensdurst brachten ihm die Klarheit, daß sich eine derartig erkenntnishungrige Frau nicht mit den wenigen Worten abspeisen ließ. Marcus lächelte schief und kramte in seinem Kopf nach einigermaßen paßenden Worten.


    „Die Parther sind schon ein ganz eigenes Volk. Sie sind nicht mit den Germanen oder den anderen primitiven Völkern zu vergleichen. Sie bauen prachtvolle Städte und sind wohl auch sehr geschickte Taktiker. Sie waren wirklich ein zäher und energischer Feind, es war nicht nur einmal, daß wir von ihnen in eine Falle gelockt wurden. Wenn es wohl einen Feind auf der Welt gibt, die es mit uns aufnehmen kann, dann sind das die Parther. Und ihr Land...ja, das Land ist wirklich wie die Parther selber. An manchen Stellen rauh und karg, abweisend und feindselig, dann wiederum von einer unvergleichlichen Schönheit. Und die Sonnenaufgänge sind wunderschön dort! Aber ihre Sprache ist grauenhaft, wobei manch einer der Parther auch Griechisch spricht.“


    Etwas, was Marcus nie geholfen hatte, denn in den letzten Jahren waren seine mageren Griechischkenntnisse noch lausiger geworden. Marcus verstummte und ließ seinen Finger nun über Epicharis Ohr hinweg gleiten, betrachtete dieses kleine und zierliche Gebilde.
    „Aber erzähle von Dir, Epicharis, meine Schöne! Wie geht es Dir? Hast Du Dich mit Deinem Vater versöhnen können?“

    Ein Frühlingswirbelwind kam auf Marcus zu und schon spürte er Epicharis, die ihn mit Händen und Armen berührte und mit einer Wucht in Beschlag nahm, das ihm die Krücke aus der Hand fiel. Polternd landete sie auf dem steinernen Boden und Marcus verlor das Gleichgewicht, nur mit Mühe und Not und der Hilfe einer Säule konnte sich Marcus aufrecht halten, mit einer Hand stützte er sich an der Säule ab und stemmte sich auf die noch verbliebene Krücke. Obgleich ein heftiger Schmerz durch sein Bein ging, wie tausend Nadelstiche bis zu seiner Hüfte hochzog und in einem Echo an seinem Torso widerhallte, stöhnte Marcus nur einen Herzschlag lang auf, was in einem tiefen und freudigen Lachen unterging bei der stürmischen und freudigen Begrüßung durch seine Verlobte. Marcus ließ auch noch die andere Krücke fallen und hielt sich nur mit einer Hand an der Säule, die Andere legte er sanft auf den Rücken von Epicharis. Unter seinen Fingern spürte er den leichten Stoff ihres Kleides, aber ebenso ihre zierliche und schlanke Gestalt. Sanft strich er über ihren Rücken, wie zart sie doch war, wie ein Windhauch, eine schmale und grazile Blume. Dem mußte man gewiß noch abhelfen, aber Marcus war sich sicher, daß sie schon noch einige Pfunde zu legen würde, spätestens nach der Hochzeit. Marcus senkte seinen Kopf und sog ihren Duft in sich ein, ja, er war immer noch so wundervoll wie bei ihrer letzten Begegnung, sogar noch ambrosischer als zu der Abendstunde in Mantua. Weiches, seidiges Haar glitt an Marcus Nase entlang, sanft legte er seine Lippen auf ihren Scheitel und küßte sie dort sachte. Durch seine toga hindurch verspürte Marcus nichts von den Tränen, erst als Epicharis wieder ihr Gesicht von seiner Brust anhob, sah er das helle Glitzern in ihren Augen, den feuchten Glanz auf ihren Wangen und den dunklen Rand um ihre Augen, der wohl von dem Kohlezeug stammte, den sich Frauen doch so gerne um ihre schönen Augen drappierten.


    „Meine wunderschöne Epicharis!“


    Wie gut das doch klang! Marcus hob seine Hand und fuhr mit dem Daumen sachte über ihre feuchte Wange, selbst wenn seine Hände immer etwas kratzig waren, der Schwielen und der Hornhaut wegen, die er mit den Übungen und dem Kampf als Soldat erworben hatte und die wohl Zeit seines Lebens nicht mehr weg gehen würden. Ein hilfreicher Sklave war schon heran getreten und hielt die Krücken bereit, die sich Marcus nun doch wieder unter den einen Arm klemmte, etwas strauchelte bei der Bewegung, dann ließ er notgedrungen seine Hand sinken, die eben noch Epicharis berührt hatte und er stützte sich auf die andere Krücke. Nie wieder fort? Marcus betrachtete die femininen und schönen Züge seiner Verlobten und hätte wohl am Liebsten leise geseufzt. Konnte er so etwas mit Bestimmtheit sagen? Nun, wo die Zeiten unsicher waren und sie alle nicht wußten, was der Kaiser eventuell gegen die Flavier tun würde? Marcus lächelte schwach und humpelte auf die Sitzecke zu, auf die Epicharis deutete. Mit einem Ächzen und nun doch einem schmerzhaften Stöhnen ließ er sich auf den Sitz herunter sinken, dabei verwundert von Epicharis zu Hannibal schauend, weil er die Bedeutung der Umarmung nicht ganz verstanden hatte. Ein Funken von Mißtrauen keimte in Marcus, ein Glimmen, das nur von Eifersucht kommen konnte. Marcus griff unter sein Bein und platzierte es auf einen der anderen Stühle, denn das Pochen und der Schmerz war bei dem Marsch schlimmer geworden. Die toga verrutschte dabei natürlich, auch an seiner Schulter zeigte sie nicht mehr die Linienführung, die eine toga heutzutage aufweisen mußte. Er drapierte die Krücken neben sich, an eine Wand gelehnt und lächelte wieder frohgemut und glücklich, jetzt, wo er saß und sein Bein hoch gelegt hatte, wurde der konstante Schmerz etwas weniger schlimm.


    „Der Krieg ist vorbei!“
    , bestätigte Marcus.
    „Und ja, die Prima wird in Italia bleiben!“


    Hoffentlich! Man konnte schließlich nie wißen, was der nächste Kaiser vor hatte. Dennoch...schon seit Parthia reifte in Marcus gänzlich andere Überlegungen, er wollte selber entscheiden können über sein Leben, weder von der Mutter, noch von einem Befehlshaber wollte er mehr abhängig sein. Marcus Augen wanderten zu seinem verletzten Bein, das noch größtenteils von der toga verdeckt wurde, aber ein wenig des dicken Verbandes lugte doch an seiner Wade heraus. Stolz auf die Ursache jener Verletzung war Marcus gewiß nicht, er erwog einen Augenblick lang eine fantastisches Lügenmär zu erzählen. In der Schlacht von...Edessa oder Chaboras? Alles zu unglaubwürdig! Doch ein Dorf in der Einöde von Parthia! Dreihundert Parther haben uns in dem Dorf angegriffen, standhaft wehrten wir uns. Drei ganze Tage und drei ganze Nächte kämpften wir gegen sie, wehrten eine Kampfeswelle nach der Anderen ab, mit schweren Opfern errungen wir schließlich den Sieg. Das klang zumindest heroischer als: Ein Bauernlümmel hat mich mit der Mistgabel erstochen! Marcus seufzte und blieb bei fast der ganzen Wahrheit, schmachvolle Dinge ließ er lieber dann doch unerwähnt.


    „Wir haben in einem Dorf Getreide und Vieh für die Legion rekrutiert, das war schon nach Dura Europos, wir waren eigentlich nur ein kleiner Trupp, dummerweise hatten sich in dem Dorf ein paar parthische Reiter versteckt und die Bauern haben uns mit ihnen zusammen angegriffen. Da ist das dann irgendwie leider paßiert! Nur kurze Zeit bevor wir in Antiochia eingeschifft wurden.“


    Der düstere Schatten, der sich auf Marcus Gesicht abzeichnete, schwand sofort als er seine Verlobte betrachtete. Er streckte ein Hand aus, um die Ihrige zu er greifen und sie zu sich zu ziehen.

    Wie ein Vogel glitt Marcus' Geist in die Gefilde der Träume, immer tiefer segelten er in das dunkle Schwarz, was sich um ihn legte, wie ein warmer und schützender Mantel. Licht tauchte auf und Marcus sah sich in der schönen villa in Baiae stehen, auf der Terrasse, die zum Meer ging und die See zeigte, die immer wieder gegen die hohen Klippen brandete. Ein goldener Streitwagen zog über den Himmel. „Hej! Hej! Hej! Wuff! Wuff!“ , ertönte die donnernde Stimme des Wagenlenkers. Marcus beschirmte die Augen und spähte zu der Silhouette, um zu sehen, wer den Wagen mit den beiden Gänsen, die vorne angespannt waren, zog. Eine Gestalt mit einer Hundschnauze schwenkte die Peitsche, Marcus nickte zufrieden und sah auf die Himmelsscheibe, die hinter dem Wagen folgte, an einem langen Seil angebunden. Der Hund bellte zu Marcus hinab, Marcus winkte hinauf. Eine dunkelhäutige Schönheit schritt in tänzerischem Schritt heran, warf ihre Arme um seinen Hals und legte ihre Lippen auf seine Wange, dann fing sie an an seinem Gesicht herum zu lecken. Irritiert, wollte Marcus sie wegschieben, aber beharrlich leckte sie weiter. Er brummte leise und...


    ....öffnete seine Augen. Das dunkle Nixengesicht verwandelte sich in ein zottigen und breitgesichtigen Kampfhund, die Zunge schlabberte über sein Gesicht entlang, zwei schwere Pfoten lagen auf seinen Schultern und das Gewicht des Hundes schien Marcus schier zu erdrücken. Marcus brauchte zwei Atemzüge – die der Hund mit drei Mal Schlecken nutzte – ehe er erkannte, was da ihn gerade mit großer Freude angefallen hatte. Nero, der gute alte Nero, den gab es also immer noch! Marcus hob die Hand und tätschelte dem Hund den Kopf, dabei schob er den Hund jedoch – mit einem gutmütigen Grinsen auf dem Gesicht – etwas von sich weg, denn so sehr es ihn auch freute, daß der Hund ihn selbst nach der langen Zeit wieder erkannte, so befand er das Abschlecken nicht gerade als angenehm.


    „Ist gut, Nero, ist gut!“
    , murmelte Marcus und sah sich nach seinem Besitzer um. Prompt entdeckten Marcus' müden Augen seinen Sohn. Das Grinsen breitete sich zu einem glücklichen Lächeln aus. Er betrachtete seinen Sohn einen Herzschlag lang andächtig. Tatsache und Donnerwetter! Er war wirklich in die Höhe geschoßen und gut sah der Junge aus, ein bißchen dünn vielleicht, aber da würde er noch rein wachsen.
    „Lucius, mein Junge!“
    Marcus schob den Hund nun endgültig zur Seite und beugte sich vor, gerade als sein Sohn nach den Sklaven rief.
    „Komm her, mein Junge, und laß' Dich von Deinem alten Vater drücken!“


    Ohne einen Protest hinnehmen zu wollen – sofern er folgte! - zog Marcus Serenus sanft, aber bestimmt an sich heran und schloß ihn in seine Arme. Wie gut es doch war, wieder zu Hause zu sein; wie gut es war, nicht mehr im Krieg zu sein und nun endlich die Zeit für seinen Sohn und die Familie zu haben, wie es sich Marcus schon seit langem gewünscht hatte. Die Zeiten, wo er seinen Sohn alleine hatte laßen müßen, waren nun vorbei. Marcus drückte seinen Sohn fest an sich und ließ ihn erst einige Herzschläge später wieder los, wobei er es nicht unterlaßen konnte, die Hand zu heben und durch die dunkle Haarmähne seines Sohnes zu wuscheln. Stolz und voller Freude an seinen Sohn betrachtete er Serenus.


    „Komm, mein Sohn, und setze Dich!“
    Marcus klopfte auf die Bank und den freien Platz neben sich. Dabei winkte er Hannibal heran, der den besagten Korb mit sich führte, der schon eine weite Reise gemacht hatte. Eine leuchtend rote Schleife – ganz die Farbe der Russata – zierte den Korb. Von Innen war ein Grummeln und Fauchen zu vernehmen. Marcus nahm den Korb von seinem Sklaven und reichte ihn an Serenus weiter.
    „Der hier ist für Dich, Lucius!“
    Eigentlich war es eine Schnapsidee gewesen, aber Marcus wollte a. die Gunst seines Sohnes zurück kaufen und b. das freudige Gesicht seine Sohnes sehen, wenn dieser den Löwenjungen erblicken würde. Der wenige Wochen alt war, kaum größer als eine ausgewachsene Katze noch war und einen karottenfarbenen Mähnenkamm auf dem Kopf trug, das erste Zeichen einer prächtigen Mähne, sobald der Löwe ausgewachsen und so groß wie ein Kalb war. Noch war jedoch der Korb verdeckt und der Löwe tummelte sich lautstark in dem Behältnis.

    Weder Faustus noch Hannibal schenkte Marcus mehr seine Aufmerksamkeit, denn er las den Brief, jetzt deutlich leiser, noch einmal durch, um sich zu vergewißern, daß dort auch das stand, was er gerade gelesen hatte. Denn Marcus war es nicht das erste Mal paßiert, daß er ganze Sätze beim Lesen übersehen hatte oder einfach nur Worte. Nein, nein, bei Mars und Iuppiter, Sparsus wollte tatsächlich versetzt werden. Marcus seufzte schwer und resigniert, er hatte in Sparsus einen sehr guten optio gefunden und es schmerzte ihn, einen solchen guten Mann zu verlieren. Gerade wollte er den Kopf anheben, um Serapio einen Auftrag zu erteilen als sich unsichere Schritte näherten, Naevius, der mit dem Korb in den Armen heran getreten kam und jenen Korb auf einen Stuhl stellte, es fauchte und grummelte daraus hervor.


    „Du kannst gleich stehen bleiben, Naevius! Ich habe einen kleinen Auftrag für Dich!“
    „Jawohl, centurio! Was für Einen?“
    „Laufe bitte noch mal zurück zu optio Iulius und sage ihm, daß ich ihn stante pede...heißt das so?...hier in der taberna erwarte!“



    Etwas enttäuscht, denn Naevius hatte einen weniger langweiligen Auftrag erwartet, nickte der Schreiber, er ließ den Korb mit dem kleinen Löwen zurück und eilte hinaus. Der Korbdeckel ruckelte hin und her, dann fiel er wie ein schweres Blatt herunter und rollte unter den Tisch. Heraus blickte ein goldgelber Kopf, der einer Katze nicht unähnlich war, nur gleich als die gefährlichere Variante erkannt werden konnte, aber erst, wenn das Tier ausgewachsen war. Groß und dunkel waren die Augen des Löwenjungen, der vielleicht drei Wochen alt war und nicht größer als die Katze des Griesgramoptio des Rekrutierungsbüros, auf dem Kopf trug der Löwe einen karottenroten kleinen Mähnenkamm, die Barthaare des Tieres erzitterten und der Löwe fauchte und grollte – was mehr urig, als bedrohlich klang. Seine Pfoten krallte der Löwe in den Rand des Korbes und spähte in die Runde von Männern, bereit sich jedem Feind entgegen zu stellen oder eine neue Umgebung zu erkunden.


    An anderer Stelle, Teil II:
    Erneut trabte Naevius bis zu Sparsus, es hatte dieses Mal etwas länger gedauert, bis er den optio gefunden hatte; ein zweites Mal salutierte Naevius brav und gewißenhaft vor seinem anderen Vorgesetzten. Naevius hoffte, daß das der letzte Botengang für heute war und er vielleicht doch noch in der taberna ebenfalls einen Happen Essen konnte, dieser Eintopf, den der Zenturio dort gelöffelt hatte, war ihm wohlgefällig in die Nase gestiegen.


    Optio, der Zenturio hat mich geschickt. Er will dich umgehend in der taberna sprechen, in der er momentan die Kräfte sammelt! Die hüpfenden Nereiden!“

    Die Krücken drückten unter seinen Armen, das Bein schmerzte höllisch und Marcus hätte sich am Liebsten irgendwo hin gesetzt, während sie warteten, aber die nächste Sitzgelegenheit stand direkt in einem sonnendurchfluteten Teil des atrium und Marcus wollte doch die Überraschung nicht verderben, darum hielt er sich in dieser unbequemen Position und harrte weiter hin der Ankunft von Epicharis. Jeglicher Schmerz und Nervosität, die sich unerklärlicherweise bei ihm breit gemacht hatte, verflog jäh als Epicharis tatsächlich in den Raum trat. Es war seltsam gewesen, auf dem Feldzug hatte er Anfangs hauptsächlich ihr Gesicht lebhaft vor Augen gehabt, doch mit den Monaten vermischte es sich immer mehr mit den Erinnerungen an ihre Stimme, an ihren Duft, den lieblich zarten Oder, den sie auf dem Wehrturm in Mantua ausgestrahlt hatte, und ihrem fröhlichen Wesen, während die realen Züge ihres schönen Gesichtes in den Hintergrund traten, gar schon an Substanz verloren. Und erneut bestätigte es sich. Wie eine leichte Feder kam sie in den Raum geschwebt. Einem munteren Frühlingsbach glitt ihre Gestalt, so zerbrechlich, so zierlich, Marcus blinzelte verblüfft als er seine Verlobte im warmen Sonnenlicht stehend betrachtete. Und mit Epicharis kam alles, was sich Marcus in all den letzten Monaten, in der langen Zeit des Feldzuges erwünscht hatte, die Verkörperung der Heimat, des Friedens und dem Ende des Krieges. Obwohl er gestern schon in der villa seiner Familie angekommen war und sogar schon eine Nacht in einem weichen und komfortablen Bett geschlafen hatte, begriff Marcus erst jetzt: Er war nun wirklich zu Hause und der Krieg war vorbei. Marcus schloß über diese Erkenntnis einige Herzschläge lang – die nicht lange währten, denn er war sehr aufgeregt! - die Augen.


    Erst als er Hannibals Stimme vernahm, öffnete Marcus wieder die Augen. Soso, er würde besser von sich selber berichten können? Unrecht hatte Hannibal damit gewiß nicht; Marcus stemmte sich in die Krücken und hob sein – nicht unbeträchtliches! - Gewicht eine Nuance in die Höhe, um sich nach vorne zu schieben. Ein Schritt, Klock, noch ein Hüpfen und schon beleuchtete das Sonnenlicht, das durch die Öffnung des Daches in das atrium fiel, seine Gestalt. Hell leuchtete seine strahlend weiße toga, sogar seine Haare wirkten nicht mehr schwarz, sondern bekamen den tiefbraunen Ton, den sie eigentlich sogar hatten, aber das Sonnenlicht zeigte auch die Schatten unter seinen Augen und die fahle Farbe seines Gesichtes, immer noch getrübt durch seine Verletzung. Dennoch funkelten Marcus Augen vergnügt, der Schmerz war schließlich in dem Augenblick vergeßen, und Marcus machte noch einen Schritt auf Epicharis zu. Jeglich einstudierte Worte waren verflogen in dem Augenblick; Marcus konnte nicht umhin, Epicharis einige weitere Herzschläge lang zu betrachten, ihren strahlenden Teint, ihre wunderschönen Augen, die vollen, sanft geschwungenen Lippen und ihr dunkel, glänzendes Haupt. Wie schön sie doch war! Welches Licht sie mit ihrem Wesen ausstrahlte! Marcus war ganz verblüfft, das erneut zu bemerken, erstaunt, so etwas an der Frau entdecken zu dürfen, die er – eigentlich unfreiwillig! - heiraten sollte.


    „Epicharis!“
    Zelebrierend nannte er ihren Namen, der so herrlich melodisch klang.
    „Ich bringe Dir tatsächlich Kunde von Deinem Verlobten!“
    Ein schelmisches, spitzbübisches Lächeln zeigte sich bei Marcus.
    „Er sagt Dir, daß der Krieg vorbei und er nach Hause zurück gekehrt ist!“

    Klock! Klock! Die Krücken warfen ein lautes Echo in das atrium der villa Claudia, mit jedem Schritt, den Marcus tat, wobei man es eher ein Schritthüpfen nennen konnte. Denn immer wieder mußte sich Marcus auf die Krücken stützen, sich mit Kraft gegen die Erde stemmen und wurde dann mit den Krücken erneut einen Schritt nach vorne geschoben, auf dem gesunden Bein aufkommend. Obwohl Marcus durchaus in den Armen trainiert war, war das auf Dauer doch ganz schön anstrengend, außerdem tat sein Bein immer noch höllisch bei jeder Bewegung weh; der medicus hatte ihm auch prophezeiht, daß es noch Wochen dauern würde, womöglich sogar nie, daß der Schmerz verschwand. Ärgerlich verzog Marcus das Gesicht als er das laute Pochen auf den Steinboden vernahm, immer mal wieder hielt er an, um Luft zu holen und Atem zu schöpfen. Als sein Sklave in das lichtdurchflutete atrium trat, blieb Marcus stehen; neben einer Säule verharrte er, getaucht in den Schatten, den der Stein warf. Das Licht umstrahlte seinen Sklaven, der immer noch seltsam Gedanken verloren wirkte. Marcus schüttelte seufzend den Kopf und sah erwartungsfroh in die Gänge, die vom atrium wegführten. Marcus war – und das erstaunte ihn sehr! - sehr aufgeregt, sein Herz schien laut zu klopfen, seine Hände fühlten sich ein wenig klamm an, außerdem begann er schon in Gedanken zu überlegen, was er denn als Begrüßung sagen könnte. Liebste Epicharis! Die Götter sind herabgestiegen um...! Zu schwülstig, befand Marcus. Überraschung!! Wie banal, befand Marcus gleich darauf.


    Die Krücke drückte unter seinem Arm, so lehnte er sich etwas gegen den Stein an der Mauer und hob den Arm, um sich mit der Hand über die Stirn zu wischen. Wasser plätscherte leise in das Becken und es war schon recht warm an jenem Tag, aber Marcus hatte sich dennoch – dem Anlaß wegen!- heute auch in eine blütenweiße toga gequält. Schon die Tunika verbarg die Wunde an seinem Torso, aber die gewickelte toga versteckte auch sehr gut sein verletztes Bein. Dennoch und gerade deswegen litt Marcus unter all den Bergen von Stoff, die sein Sklave heute Mittag um ihn herum drapiert hatte, quer, hoch und seitlich gewickelt, ganz wie es die Kunst erforderte. Aber Marcus war das Tragen von Togen nicht mehr gewöhnt, selbst die schwere Rüstung schien noch angenehmer zu sein als dieses unpraktische Gewand. Ob sie überrascht sein wird? Ob sie sich freut? Wie es ihr wohl geht? All die Gedanken schoßen Marcus durch den Kopf, während er - genauso wortkarg - auf Epicharis wartete und mit jedem Herzschlag nervöser und zappliger wurde.

    Lang warf die Sonne die Schatten auf den Boden, die der villa, die der Bäume, der Menschen, denn schon strebte die Himmelsscheibe dem Horizont entgegen, um hinter der Erdenscheibe – oder Kugel, je nach philosophischer Auffaßung! - zu versinken. In jenen Abendstunden näherten sich zwei Männer, mit denen wohl kaum jemand so schnell in der villa rechnen würde, sofern jemand in der villa an jenem Abend überhaupt anwesend war, dem Anwesen. Auf einem Wagen hatten sich die beiden Männer – Hannibal und Marcus – dem Stadttor genähert, denn Marcus gehörte – der Verletzung wegen – zu den Männern, die von ihrem Legat, dankenswerterweise, für die Zeit, bis sie etwas erholter waren von den Wunden, Urlaub bekommen hatten. So hatte sein Sklave, die treue Seele Hannibal, ihm einen Wagen besorgt. Nach einem Tag Aufenthalt bei seinem Onkel in Ravenna war Marcus schließlich aufgebrochen. Schon als er die Hügel der Stadt ausgemacht hatte, pochte sein Herz kräftig, sein Gesicht war - trotz der Schmerzen! - von tiefer Freude gekennzeichnet. Leider hatten sie den Wagen an der Mauer zurück laßen und nun in einem langen und sehr anstrengenden Marsch durch die Stadt irren müßen. Aber auch das hatte ein Ende und das Ziel, die villa Flavia, war nun endlich in Sicht. Marcus – durchaus erschöpft und müde von dem Humpeln mit den Krücken – lachte leise auf als er die Mauern aufragen sah, die er doch wenig bewohnt hatte, aber die dennoch in seinem Herzen sein Heim war. Schneller holte Marcus aus und brachte auch noch den letzten Weg hinter sich. Die Formalien an der Tür waren schnell erledigt, denn der ianitor erkannte Marcus nach einigen Blicken, mit denen er Marcus mißtrauisch beäugte, durchaus. So humpelte Marcus bereits in das atrium. Rosig wurden die Seerosen in dem Wasserbecken beleuchtet, von der roten Abendsonne. Marcus ließ sich auf eine Steinbank herunter sinken und stöhnte leise. Eine Krücke fiel ihm aus der Hand und polternd auf den Steinboden. Mit einer Hand – nämlich der, die nun frei war – winkte Marcus einer der Sklaven heran, die gerade durch das atrium eilten.


    „Sieh doch bitte nach, ob Gracchus im Haus ist. Oder sonst ein Flavier...und ganz besonders meinen Sohn!“


    Dann ließ Marcus sich erschöpft gegen eine Säule herunter sinken und lehnte sich mit dem Rücken gegen den kühlen Stein. Immer noch war er hohlwangig, blaß und sah kränklich aus. Zudem war sein Bein stark bandagiert und mit Stöcken fixiert. Unter seiner Tunika trug er auch noch einen dicken Verband, der jedoch von dem roten Stoff überdeckt wurde. Seine Rüstung trug er nicht, ebenso keine Waffen und nur eine einfache paenula. Erschöpft und ohne auf die Umgebung zu achten, harrte Marcus der Dinge, die kommen würden. Mehr, ob noch Mitglieder seiner Familie im Hause weilten. Langsam begann sein Geist davon zu schweben und Marcus schlief, an der Säule gelehnt, innerhalb weniger Herzschläge bereits ein.

    Gebannt verfolgte Marcus jedes Wort von Hannibal, denn natürlich wollte er die Kunde von seiner Verlobten vernehmen. Das Essen nahm er nicht wirklich wahr, selbst wenn er mechanisch nach dem Löffel griff und ihn sich – voll natürlich! - in den Mund stopfte und das Essen herunter schlang. Erst als er Serapios auf sie zutrat, sah Marcus auf. Ein schiefes Grinsen schob sich auf seine Gesichtszüge bei den Worten von dem tesserarius. Senkrechte war noch etwas übertrieben, Marcus konnte sich ja nicht alleine aufrecht halten, aber immerhin schwebte er nicht mehr am Rande der Flüße, die in die Unterwelt führten. Marcus kratzte sich am Nacken und grübelte einige Atemzüge lang, denn er meinte sich an etwas wie Blumen zu erinnern, die ihm seine centuria gebracht hatte. Zumindest hatte Naevius das erwähnt, denn an die Blumen entsann sich Marcus nicht, aber es war auch kein Wunder, schließlich hatte er jene Tage nicht wirklich bewußt miterlebt. Zufrieden nickte Marcus und aß ungeniert weiter. Ja, der Sparsus, auf den konnte man sich verlaßen, Marcus hatte an keinem einzigen Tag bereut, daß Sparsus den optioposten erhalten hatte, im Gegenteil, denn der Iulier war noch mehr über sich hinaus gewachsen und hatte sich vorbildlich verhalten. Marcus beugte sich vor und ergriff die Schriftrolle, die ihm Serapio reichte, verwundert blinzelte Marcus. Sparsus hatte Hannibal geschickt?


    „Bitte?“
    , meinte Marcus auch prompt.
    „Sparsus hat was...?“


    Doch die Blicke, die das ausgetauscht wurden, vermochten selbst den sonst begriffsstutzigen Marcus aufzuklären; scheinbar kannten die Beiden sich. Vage pochte die Erinnerung von einem Brief an Serapio von seinem Sklaven in Marcus Gedächtnis, aber Marcus hatte den Brief niemals an Serapio weiter gereicht; Marcus entsann sich zumindest nicht mehr daran, schließlich hatte er jene Nacht im voll trunkenen Zustand in das Reich der Träume verschoben.


    „Ihr kennt euch?“
    , frage Marcus, immer noch verwundert, aber auch mit einem Quäntchen Mißtrauen. Langsam begann Marcus die Schriftrolle aufzurollen, die ihm Sparsus geschickt hatte. Er beäugte noch mal die Beiden und begann zu lesen, wobei er jedes Wort, das Sparsus geschrieben hatte, langsam und leise, manchmal stockend, vorlas – für sich selber nämlich.
    „Vvv...er...Versss...etzung....legio...Sec.. Secunda...verflixt und zugenäht!“
    Marcus ließ die Rolle sinken und sah verwirrt zu Hannibal.
    „Ähm, ja, natürlich darf er.“
    , murmelte Marcus etwas konfus, wobei er die Frage von Hannibal beantwortete, ob sich Serapio zu ihnen setzen durfte. Marcus sah zu Serapio.
    „Hat Dir das Sparsus gegeben? Ganz sicher?“