Balsam für die Seele waren die Worte von Epicharis, und was für die Seele gut war, das war auch vortrefflich für den Korpus, darum klangen die Schmerzen schon recht bald ab, das Gesicht von Marcus hatte sich schnell wieder entspannt und er mit einem freudigen Lächeln die Anrede wahrgenommen. Aus ihrem Mund klang das sogar glaubhaft, selbst wenn Marcus sich selber gar nicht so tapfer oder mutig vor kam, erst recht nicht lieb
, aber aus ihrem Munde klang es wie eine größere Adelung und Ehrung als in dem Moment, wo er für Circecium einen silbernen Reif erhalten hatte und die Betitelung Held von Circecium. Zudem erleichterte es Marcus, daß Epicharis ganz offensichtlich nicht seines kleinen Ausrutschers wegen beleidigt war, oder gar zornig. Im Gegenteil, sie machte ihm sogar ein Kompliment. Stattlich? Genauso wie es Marcus gewöhnt war, daß Männer den Frauen Komplimente machten und er in seinem Leben noch nicht ein solch eine Schmeichelei von einer römischen Frau gehört hatte, derart reagierte Marcus auch. Sein Gesicht nahm langsam, aber durchaus sichtbar eine verlegene Röte an, während seine Augen fröhlich, wenn auch scheu, glitzerten und er sich über die Worte freute. Marcus spürte durchaus, daß seine Wangen und Stirn etwas hitziger wurden und blinzelte bedripst. So daß ihm womöglich die Gunst der Stunde völlig entging. Nur ein leises: „Oh!“, drang von seinen Lippen als Antwort, denn mehr brachte er in jenem Augenblick nicht hervor, womöglich hätte er noch ein Stottern geschafft, aber er wußte nicht so recht, was er darauf erwidern sollte, mußte oder konnte. Während Epicharis schon fröhlich und munter weiter redete – Marcus war ihr in jenem Augenblick auch wirklich darüber dankbar! - entfärbte sich sein rotes Gesicht ganz langsam und nahm wieder einen normalen Hautton an, der Sonnengebräunte, den er in all der Zeit auf dem Feldzug erworben hatte und der die Lachfalten um seine Augen noch betonte, zudem auch die Grübchen an seiner Wange und die etwas tiefe Furche um seine Mundwinkel, die doch die Jahre mit sich gebracht hatten, die oft bewegt und selten langweilig waren.
Die Röte auf Epicharis Wangen hinwieder fand Marcus äußerst reizend und bezaubernd, es hatte etwas sehr frisches und unbefangenes, denn welche Frau konnte schon so etwas vortäuschen? Marcus lächelte und nickte zustimmend, selbst wenn er im Moment noch völlig in der Schwebe hing, wie denn seine nahe Zukunft aussehen würde, aber darüber würde er sich erst später Gedanken machen, sobald er sich etwas erholt hatte und von Pontius zu Pilatus laufen konnte. Aber nach Ägypten reisen würde auch Marcus gefallen, die wunderbare Stadt Alexandria besuchen, auf dem Nil entlang reisen, die eine oder andere Jagd, ein paar alte Freunde besuchen in Ägypten, das klang wirklich wunderbar und erinnerte ihn an die schönen Zeiten als er noch das tun konnte, wonach ihm gerade der Sinn stand, Marcus lächelte selig vor sich her. Unmengen von Geld ausgeben? Da das ja noch nicht sein Problem war, sondern das von Epicharis' Vater, konnte sich Marcus eines Schmunzelns nicht erwehren; wahrscheinlich bestand das im Einkaufen, Marktgänge, noch mehr Einkaufen, das Leben von Frauen schien doch recht unkompliziert zu sein, wobei Marcus durchaus durch seine Mutter wußte, daß dem eigentlich nicht so war. Marcus ließ seine Finger über ihre Wange hin weg gleiten, dort, wo ihr Lachen sich wie ein Sonnenstrahl ausbreitete, wie weich und zart doch ihre Haut war, wenn auch reichlich blaß – was fast alle Römerinnen für Marcus waren! - aber er würde sie noch oft genug an die frische Luft schleppen. Etwas konfus war Marcus dann doch all der Namen wegen, er runzelte die Stirn, was sich gleich wieder auflöste als er die leichte Berührung an seinem Nacken spürte, abermals blinzelte Marcus überrascht, war aber erneut recht angetan davon. Leider währte das jedoch nicht sehr lange, Marcus folgte jedoch der Hand ein Stück, in dem er etwas näher noch an Epicharis rutschte und einen Arm sanft um ihre Taille legte.
„Deandra? Sollte ich sie kennen?“
, fragte Marcus etwas verwirrt. Der Name sagte ihm leider gar nichts. Am Ende war das noch eine enge Verwandte von Epicharis und Marcus hatte sich wieder in die Nesseln gesetzt.
„Corvinus? Hm!“
Marcus grübelte.
„Aurelius Corvinus...!?“
Auch der Name bereitete Marcus Schwierigkeiten, aber Marcus hatte noch nie ein sonderlich gutes Namensgedächtnis gehabt, erst mit seinen Soldaten hatte sich das gebessert, denn schließlich wollte er seine Männer auch ordentlich mit Namen anreden könne, so wie sie es auch verdient hatten. Mehrere Gesichter ragten aus dem Dunst von Erinnerungen heraus, aber Marcus war sich nicht ganz sicher, ob auf dem Fest in Mantua der Tiberier oder der Aurelier waren oder gar Beide? Marcus war etwas ratlos, was sich auch an seiner Miene offenbarte. Darum konnte er auch all die damit zusammen hängenden Aussagen nicht ganz verstehen.
„Deandra war also mit dem Aurelier verlobt. Und das wurde gelöst! Warum?“
Marcus versuchte systematisch diesen gordischen Knoten zu entwirren, was zwangsläufig zum Scheitern verurteilt war, schließlich war die Natur eines solchen Knoten, daß er unentwirrbar blieb.
„Warum sitzt der Aurelier am längeren Hebel? Ist er in einem einflußreicheren Amte?“
Solch Klatsch und Tratsch war noch nie wirklich eine Sache von Marcus gewesen, aber es waren Dinge, die seine Verlobte beschäftigten und ihre letzten Monate wohl schwer gemacht hatten, so versuchte er wenigsten etwas das zu verstehen. Marcus betrachtete ihre harmonischen Gesichtszüge, die ausdrucksstarken Augen und die vollen, wunderbar weichen Lippen und hatte eigentlich nicht groß Lust über irgendwelche Aurelier nachzudenken. Marcus hob auch die andere Hand und strich sanft mit dem Daumen an ihrem Kinn entlang. Was war es eigentlich, was Marcus im Moment gefangen hielt? Natürlich war Epicharis wunderschön, aber eigentlich nicht der Typ von Marcus – der lieber die dunkelhäutigen Frauen bevorzugte – aber die Herzlichkeit und das lebendige Wesen von Epicharis erwärmten ihn gerade, machten ihn glücklich und ließen ihn endlich in Rom und der Heimat ankommen. Ganz versunken in all dem Tohuwabohu von Empfindungen – die doch so wahrlich untypisch für Marcus waren! - vergaß er auch alles um sie herum. Marcus Augen ruhten auf ihrem Gesicht, er beugte sich etwas näher an sie heran und flüsterte leise, mit leicht rauchiger Stimme:
„Wie wunderschön Du doch bist, Epicharis!“
Auch noch die letzte Distanz wollte Marcus überwinden, er beugte sich nach vorne, hielt sanft eine Hand an Epicharis' Wange, während die Andere abermals zu ihrer Taille wanderte und diese umschlang. Noch ehe ein Atemzug vergangen war in der Bewegung, legte Marcus seine Lippen auf ihren Mund. Marcus Lippen, die von dem Wetter und ein wenig Durst etwas spröde wirkten, erkosteten den wundervollen Erdbeermund der schönen jungen Frau, genüßlich ließ Marcus erst diese sachte Bewegung gewähren ehe er das Feld des unschuldigen Kußes verließ und sachte mit der Zunge ihre Lippen teilte, um in einen leidenschaftlicheren Kuß überzugehen.