Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Selbst die kurze Strecke von der Sänfte bis hin zu dem Tor der villa Claudia erschöpfte Marcus sehr. Mit den Krücken humpelte er über den Kiesweg und stöhnte und ächzte, übersah dabei völlig, wie es überall blühte und sproß, wie der Frühling der Stadt einen lieblichen Hauch gab, welcher sonst ein seltener Anblick in dieser pulsierenden Metropole war, wo zahlreiche Völker zusammen kamen, als Sklaven, peregrini oder Menschen, die durch die Gnade des Senates oder Kaisers die Würde des Bürgerrechtes erhalten hatte. Aber natürlich machte sich Marcus heute wenig Gedanken darum. Sorgfältig eingekleidet, gewaschen und poliert hüpfte Marcus hinter seinem Sklaven her, der immerhin - selbst wenn dieser etwas sehr abwesend wirkte – noch daran dachte, auf ihn zu warten. Mit einem lauten Ächzen blieb Marcus stehen und verbarg sich noch hinter einer Statue, um den Sklaven nicht gleich seine Anwesenheit zu verraten, dem Sklaven, der die Tür öffnen und den Besuch melden würde. Denn Marcus hatte vor, seine Verlobte heute zu überraschen. Er hoffte natürlich, daß sie da war und nicht gerade auf den Märkten oder was sonst junge Frauen an solchen schönen Tagen taten.

    Der Eintopf würde gewiß erst den Anfang machen, denn langsam verspürte Marcus wie seine Lebenskräfte danach drängten, zurück zu kehren, aber dafür würde er erst mal eine ordentliche Portion von dem guten Schmaus brauchen. Mit jedem Atemzug erinnerte ihn jedoch sein Körper daran, daß die Lebenskräfte wohl noch länger auf sich warten laßen würden, denn immer wieder pochte der Schmerz durch sein Bein und bei jeder minimalen Bewegung wurde es schlimmer. Selbst mit den geschloßenen Augen drehte sich noch alles um ihn herum und er hatte immer noch das Gefühl, er würde auf dem Schiff sitzen, die Wellen würden ihn hoch und runter heben und das Meer um ihn herum rauschen. Marcus seufzte leise und öffnete langsam die Augen. Gequält verzog Marcus sein Gesicht, denn im Grunde hatte er nicht große Lust zu erzählen, wie das Ganze gekommen war, es war auch ganz schön deplorabel, wie sein Vetter betonen würde. So brummte Marcus erst noch unbestimmt und ließ die Frage unbeantwortet im Raum schweben, während er lieber den Erzählungen von Hannibal lauschte. Das mit der Nervosität sagte Marcus mittlerweile etwas, dank seines Schreibers, so nickte Marcus marginal und seufzte erneut, selbst wenn er immer noch froh war, daß die Schiffe direkt nach Italia gereist sind und nicht erst zum Caesar, wie es erst geheißen hatte. Aber so war die ganze pikante Situation, die sich noch ergeben könnte, ein wenig leichter zu bewältigen, denn immerhin hatte Marcus hier Familie und die Möglichkeit, sich dezent zurück zu ziehen, war in Italia leichter als irgendwo in der Provinzeinöde. Ein Lächeln erntete Hannibal mit der Erzählung von seinem Sohn. Größer war er also geworden? Marcus schloß die Augen, selbst als der Wein eingeschenkt wurde, und atmete tief ein. Er freute sich, endlich wieder nach Rom kommen zu können, endlich wieder seine Familie zu sehen und vielleicht einige Tage sich von allem, was mit Soldaten, Militär und Legion hatte, völlig zu entfernen. Einfach einige Tage ein einfacher Bürger sein, kein centurio und kein Soldat.


    „Das klingt gut, Hannibal...bei Mars und allen guten Göttern, ich kann kaum ausdrücken, wie froh ich bin, wieder in Italia zu sein!“
    Marcus öffnete die Augen und griff nach dem Becher mit Wein.
    „Das mit dem Bein...ach, das war eine unglückliche Angelegenheit. Wir sind in einem Dorf auf parthische Reiter getroffen und die haben uns angegriffen. Wir hatten damit nicht gerechnet und waren nur ein kleiner Trupp gewesen. Die Bauern des Dorfes hatten es auch übel auf uns abgesehen. Einer der Dorfbengel hat mich tatsächlich erwischt...und das hier am Bein war wohl eines der parthischen Pferde...nicht gerade ruhmvoll, hm?“


    Marcus verzog erneut das Gesicht, leidend und geknickt. Der Becher zitterte in seiner Hand, denn immer noch war Marcus von dem kurzen Marsch vom Schiff zu der Hafenspelunke ziemlich erschöpft. Doch der Wein tat ihm gut, selbst wenn es nur ein gepanschter und nicht gerade herausragender Wein war, aber genießbar! Aus einem nicht abwegigen Grund zögerte Marcus nach seiner Tochter zu fragen, ein Knoten bildete sich in seiner Bauchgegend und er verschob es – unbewußt! - auf später. Hoffentlich würde er aber bald die Gelegenheit haben, nach Rom zu reisen. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen als er darüber nachdachte, wie es wohl am Besten möglich war, vielleicht Urlaub? Eher unwahrscheinlich, selbst wenn sie es sich nach dem langen, sehr langen Feldzug wirklich auch verdient hatten, aber wahrscheinlich hätten sie so lange wie die Hellenen vor Troja liegen müßen, um eine Woche in Rom gewährt zu bekommen. Marcus hob die Hand und kratzte sich am Nacken.


    „Hast Du etwas von Epicharis gehört? Und woher wußtest Du eigentlich, daß wir heute hier landen?“

    Das Drängen all der Menschen wurde Marcus immer mehr zuviel, außerdem war es dadurch um so schwieriger, sich durch das Gewusel hindurch zu arbeiten – mit Krücken und dem furchtbar schmerzenden Bein, daß er am Liebsten wieder hochgelegt hätte. Am Liebsten hätte Marcus sich sogar wieder hingelegt und einige Stunden geschlafen, er fühlte sich immer noch matt und erschlagen, aber dann wiederum war er viel zu aufgeregt, die Neuigkeiten zu erfahren. Die Möwen kreischten über seinem Kopf, immer mal wieder eilten Meldeboten hin und her, die sich um die Organisation kümmerten, eine ganze Legion, zudem noch all die Matrosen – wie Marcus vermutete – unterzubringen. In dem Augenblick war Marcus froh, das alles erst mal seinem Stellvertreter zu überlaßen, der gewiß alles wunderbar auf die Reihe bekommen und die Soldaten unterbringen würde. Den Seitenblick bemerkte Marcus darum nicht, wahrscheinlich hätte er sich über den Ausdruck durchaus gewundert. Aber so schüttelte er nur den Kopf und sah einigen Frauen hinter her, die nach heimkehrenden Soldaten suchten. Eine junge Brünette fiel einem Heimkehrer um den Hals und schluchzte, was sogar Marcus rührte und zum Lächeln brachte.


    „Befehle erteilen? Nein...nein!“
    Marcus schüttelte den Kopf und riß die Augen von der Begrüßung jenes Soldaten los. Er deutete mit seinem Kinn auf das Bein.
    „Der medicus würde mir aber eine Standpauke halten, wenn ich schon anfangen würde zu arbeiten. Ich bin im Moment vom aktiven Dienst befreit, bis ich wieder laufen kann! Zumindest mit den Krücken! Womöglich in einer Woche geht es schon wieder!“


    Marcus verschwieg dabei, daß es sich wohl eher noch um Wochen handeln würde. Und daß der medicus – obwohl Marcus immerhin nicht gestorben war! - noch sehr pessimistisch war. Stöhnend humpelte Marcus bis zu der taberna. Seine Augen streiften das Schild, er grinste marginal und ging in den Schankraum hinein, in dem es deutlich nach Bier roch und nach Seeluft. Wahrscheinlich trieben sich auch hier die Soldaten der classis nach Dienstschluß herum. Ächzend ließ sich Marcus auf den Stuhl fallen und bedauerte es, daß hier keine cline war, wo er sich gemütlich hinlegen konnte, aber dafür hätte er wohl vom Hafen weg humpeln und in eine gehobene taberna einkehren müßen. Und das hätte er nicht mehr geschafft heute; so war er seinem Sklaven sehr dankbar für die Wahl des Lokals. Natürlich überließ es Marcus seinem Sklaven, sich um Bestellungen und ähnliches zu kümmern. Mit einer Krücke holte er sich einen Hocker heran und legte ganz langsam sein Bein hoch, das mit drei langen Stangen fixiert war und mit einem schier togalangem Verband bandagiert war. Erschöpft und mit kaltem Schweiß auf der Stirn lehnte sich Marcus gegen die Mauer hinter sich. Das Sonnenlicht fiel von einem Fenster auf seine Wangen. Die Fensterläden standen weit offen, so daß die Geräusche des Hafens in das Haus hinein drangen. Von Marcus' Sitz aus konnte er sogar beobachten, wie weitere Schiffe in den Hafen kamen und die Soldaten an Land strömten, es war ein wundervoller Anblick in Marcus Augen, so viele gute Männer, die endlich nach Hause kamen; immer noch bitter keimte es in Marcus, wenn er an all die Männer dachte, die sie in der Fremde bestatten mußten. Als er seinen Sklaven betrachtete, stach es ihm endlich in die Augen.


    „Du hast Dir Deinen Bart abrasiert, hm?“



    An anderer Stelle:
    Naevius, der sich beim medicus gemeldet hatte und von den Plänen von Aristides berichtet hatte – der medicus hatte zerstreut genickt und schien ganz überfordert zu sein, denn paßende Unterkünfte für die Verletzten zu finden hatte sich ihm noch nicht aufgetan. Schließlich konnte er die fiebrigen Männer nicht in die kalten und feuchten Räume stecken, schon die Seefahrt hatte vielen nicht gut getan, so daß die eine oder andere Seebestattung notwendig war – dann hatte sich Naevius aufgemacht zu Sparsus, dem Stellvertreter von Marcus, auf deßen Schultern nun die ganze Verantwortung für die Zenturie lag. Nach einer Weile hatte er sich bis zu ihm durchgekämpft. Brav und eifrig salutierte Naevius, denn im Grunde war Naevius nur im Rang eines einfachen miles.


    optio! Ich soll Dir von centurio Flavius Aristides ausrichten, daß er sich im Moment in die taberna zu den hüpfenden Nereiden zurück gezogen hat. Dort hinten am Hafen - sollte etwas anfallen. Ich denke, er wird sicherlich später in der Unterkunft der Soldaten vorbei kommen - sofern ihm das der medicus erlaubt.“

    Die Krücke polterte zur Seite und wäre beinahe in das dreckige Wasser gefallen, das immer wieder gegen die Kaimauer schlug und sich auf schäumte, grau, trüb und stinkend, und doch dabei den Salzhauch mittragend, das das Meer eine ganz eigenen Note gab. Doch Naevius fing die Krücke auf, ehe sie in den Fluten versank und verloren wäre, um eines Tages doch an irgendein Ufer geschwemmt zu werden oder einfach im Schlamm zu versinken. Währenddessen half ihm sein Sklave nicht dem möglichen Schicksal seiner Gehhilfe zu folgen. Mit einem „Uff!“ krallte sich Marcus an die Schulter seines Leibsklaven und hielt sich an ihm fest. Marcus holte tief Luft, da ihm ganz schön schwindelig wurde. Am Rande bemerkte er das Klopfen auf seinen Rücken und nickte matt. Eine Grimasse schnitt Marcus dann doch und spähte brummelnd zu Hannibal.


    „Pff!“
    , murmelte Marcus.
    „Du sprühst mal wieder vor Freundlichkeit, servus!“


    Marcus' Mundwinkel hoben sich jedoch. Das Gedränge wurde immer dichter, zudem wurden sie nun mehr oder minder dezent darauf aufmerksam gemacht, daß sie ihm Weg standen. Mit Hilfe von Naevius und Hannibal bewegte sich Marcus noch ein Stück weiter und zwischen die Menschen. Mit den Augen beobachtete Marcus, daß immer mehr an Schiffen landeten und die Soldaten an Land gingen. Viele Mienen waren freudestrahlend und leuchteten vor Glück, heil und insbesondere lebendig wieder nach Italia zu kommen. Der Krieg war vorbei, selbst wenn er nicht die ersehnte Beute, noch den erhofften Sieg gebracht hatte. Hauptsache, man hatte überlebt. Marcus wandte sich seinem Leibsklaven zu.


    „Kennst Du eine gute taberna in Hafennähe? Ich habe keine Lust, mich noch mal zwischen die Verletzten zu quetschen.“
    Marcus sah sich nach seinem Schreiber um.
    „Naevius..ach...Naevius, das ist Hannibal, mein Sklave. Hannibal, das ist Cnaeus Naevius Vafer, ein sehr tapferer und aufrechter Soldat meiner Einheit!“
    Bei der Vorstellung richtete sich Naevius auf, deutlich stolz so von seinem Vorgesetzten mit Worten bedacht zu werden. Gar schon hoheitsvoll nickte er Hannibal zu, während Marcus bereits weiter sprach.
    „Naevius, sei bitte so gut und sage dem medicus, wo ich sein werde. Dann kannst Du natürlich zu den anderen Soldaten zurück kehren. Falls irgendetwas ist, richte auch Sparsus aus, wo er mich finden kann.“


    Nach einem zackigen Salutieren wandte sich der Schreiber um und verschwand zwischen einer Schar von Schaulustigen, die sich die Landung der Prima nicht entgehen lassen wollte. Marcus ergriff die andere Krücke und klemmte sie sich unter den Arm, um sich Schritt für Schritt an dem Hafenkai entlang zu arbeiten und von all den Menschen weg zu bewegen, aber auch, um mal wieder etwas anständiges zwischen die Zähne zu bekommen. Sein Magen meldete sich auch prompt mit einem tiefen Knurren. Aber Marcus wußte auch schon nicht mehr, wann er das letzte Mal etwas anständiges gegessen hatte. Es schien Wochen her zu sein. Dabei musterte er ab und an seinen Sklaven von der Seite, immer wenn er eine Pause machen mußte, um Atem zu schöpfen. Irgendetwas war an ihm anders! Aber Marcus konnte nicht benennen, was es war.


    „Du mußt mir unbedingt erzählen, was in meiner Abwesenheit vorgefallen ist. Wie geht es allen? Was machen meine Kinder? Warst Du in Baiae in letzter Zeit...nein, ich will nichts kaufen...wie steht es so in Rom? Wo ist die taberna?“

    Erlerne, großes Glück gehörig zu ertragen!
    - Horaz, Carmina



    Italia, italischer Boden, italische Luft, die Sonne über Italia, die heimatliche Erde lockte, die Heimat! Schon den ganzen Morgen hatte Marcus an der Rehling gesessen, das höllisch schmerzende Bein ausgestreckt, aber die Augen fest auf den Streifen gerichtet, der immer klarer zu Tage trat und die Heimat bedeutete, die er schon so lange nicht mehr gesehen hatte, die ihm nur manchmal in den Träumen erschien und sich seltsam vermischte mit dem fremden und feindlichen Ländern um und in Parthia. Immer wieder spritzte das blaue Meer bis zu ihm hinauf, benetzte Wangen, Lippen und Haare mit dem köstliche Naß, das selbst hier schon nach Italia schmeckte, leckte doch das Wasser Tag für Tag an die Gestade der heimatlichen Erde, liebkoste die Braut Italia, um die Kunde von ihrem edlen Sein in die Welt zu tragen. Derart liebevoll und glücklich betrachtete Marcus den grünbraunen Landstreifen, der langsam vor seinen Augen auftauchte. Mit jedem kräftigen Blasen des Windes näherten sie sich dem Land. Wenn Marcus hätte gehen können, er wäre wie ein unruhiger Tiger auf dem Deck hin und her gestreunert, wäre immer wieder an den Bug gelaufen, um auf den Bugspriet zu steigen und näher schon an Italien zu sein. Quälend langsam schien es, daß sie sich der Stadt näherten, die sich auch aus der Ferne heraus schälte und sich als die schöne Lagunenstadt Ravenna entpuppte. Es ging Marcus entschieden zu langsam, obwohl er jetzt schon lange, lange und noch längere Zeit fern der Heimat gewesen war, so war ihm jede Minute zu kostbar, um sie noch auf diesem Schiff zu verschwenden, so sehr er auch das Meer und Schiffe liebte. Schritte ertönten und der Schreiber trat an seine Seite. In seinen Händen hielt er einen Korb, vorsichtig blieb er einen Schritt von der Bordwand entfernt stehen. Um nicht in das Wasser zu fallen! Marcus sog die Luft ein und meinte schon die Heimat zu riechen.


    „Ist es nicht schön, Italia. Ubi bene, ibi patria!“
    Einen verwunderten Seitenblick erntete Marcus mit dem Spruch. Dann ein Nicken von Naevius. Aus dem Korb fauchte es und lenkte tatsächlich den schwärmerischen Blick von Marcus auf den Gegenstand.
    „Was ist das?“
    „Na, der Löwe, centurio. Er wächst und wächst. Jetzt ist er nicht mehr das dürre kleine Ding, was ich noch vor einigen Tagen gekauft habe. Ich füttere ihn auch gut jeden Tag!“
    „Ein Löwe? Bei der Götter gnädigen Willen, wozu hast Du einen Löwen mitgenommen?“
    „Für Deinen Sohn!“
    Noch mehr verwundert starrte Marcus seinen Schreiber an und hob den Deckel an. In dem Korb saß tatsächlich ein kleines Löwenjunge. Weiterhin entgeistert sah Marcus zu seinem Schreiber.
    „Für meinen...Sohn?“
    „Jawohl, centurio. Wie Du es befohlen hast- in Antiochia!“
    „Ich...?“
    „Ja!“
    „Sicher?“
    „Ja!“
    „Oh!“
    „So hab ich Dich da auch erst angeschaut. Aber ich konnte doch nicht Deinem Willen widersprechen, centurio.“
    „Ähm...ja, ist schon gut...ein Löwe. Herrje!“


    Marcus ließ den Deckel wieder auf den Korb fallen, vielleicht, weil das schon Katzen große Tier mit seinen Krallen nach ihm greifen wollte und bedrohlich knurrte, selbst wenn es noch etwas drolliges an sich hatte- dieses helle, zischende Fauchen. Marcus konnte sich aber schon vorstellen, wie das erst in Monaten, gar in einem Jahr aussah. Er seufzte leise, aber laute Rufe der Matrosen lenkten ihn ab. Ruder wurden in das Wasser gestoßen und sie näherten sich der wunderbaren Stadt, die die Porta nach Italia für sie heute darstellen würden. Gebannt verfolgte Marcus das Treiben jener wirklich kundigen Männer – wie Marcus in der letzten Zeit, seitdem das Fieber ihn etwas mehr in Ruhe ließ und ihn nur noch die Schmerzen die Tage unerträglich machten, festgestellt hatte – und es dauerte dann wirklich nicht mehr lange, bis sie endlich landeten. Und schon brach ein Tohuwabohu an Land und rund um die Schiffe aus, die es schon bis zum Hafen geschafft hatten. Händler strömten an Land herbei - Menschen aus der Stadt, von anderen Städten oder dem Umland, die schon von der Kunde gehört hatten, daß die römische Flotte bald einlaufen würde. Boote kamen heran, um sich unten zu tummeln und die Soldaten schon mit Versprechungen, Waren oder anderen Verlustigungen zu locken, um ihnen als Erste das Geld und die angeblichen Schätze, die sie aus dem Orient mitbrachten, abzuknöpfen. Marcus grinste breit als er einen Kuppler unten mit seinen drei Frauen sah, die sich schon bereit machten, um die ersten Soldaten abzufangen. Mit einem schmerzhaften Stöhnen ließ sich Marcus aufhelfen und Krücken reichen. Bei jedem Humpeln zuckte Marcus heftig zusammen. Der medicus hatte ihm eigentlich die Krücken noch verboten, aber Marcus wollte Italien mit eigenen Füßen betreten. Doch noch dauerte es, bis die Planken auf den Steg geschoben wurde – Marcus' Schiff hatte glücklicherweise einen solchen Steg erwischt – und es währet noch länger, bis er schließlich an die Reihe kam, um über die Planke zu humpeln; den Schreiber im Schlepptau, der ihm bei jedem Schritt half und sich gleichzeitig an seinen Vorgesetzten klammerte, um nicht in das Wasser zu fallen, wo immer mal wider eine Möwe hinunter stürzte, um sich von den Abfällen oder den Fischresten, die die Fischer in das Meer geworfen hatten, zu bedienen.


    Schon mit dem ersten Humpeln auf dem italischen Boden wurde Marcus umschwärmt wie Honig von den Bienen – gleichwohl Marcus am Liebesten auf den Boden gefallen wäre und die Erde geküßt hätte, auf die er nun wieder schreiten durfte. Aber er wurde zu sehr bedrängt. Eine Schar von Römern, Händlern und sonstigem Gesindel – natürlich die üblichen Erleichterer von unnötigem Ballast, wie Geld und wertvolle Dinge, bis hin zu den kleinen bettelnden Kindern, die dreist sich bis an den Geldbeutel quetschten und mit flehender Stimme und mitleidserregendem Augenaufschlag sich eine Münze erschnorren wollten.


    „Na, Soldat, vielleicht erst mal ein Opfer für die Götter? Hier, Opferkekse für nur zwei Sesterzen!“
    „Hast Du von meinem Sohn gehört, Soldat? Er war auch auf dem Feldzug. Er heißt Lucius Varteius Prodestus! Kennst Du ihn? Dritte Kohorte, vierte Zenturie!“
    „N'Sesterz, Herr, nur'n Sesterz vom Schatz, deen De mit'jebracht hast?“
    „Du siehst mir aber wirklich einsam aus, Soldat. Die Frauen in Parthia waren bestimmt potthäßlich. Hier, meine Schwester...die hat noch Feuer unterm Hintern...Du weißt schon? Haha!“


    Wie Schmeißfliegen verscheuchte Naevius die Aufdringlichen, beziehungsweise, er versuchte es. Marcus warf der angeblichen Schwester nur einen müden Blick zu, an Frauen hatte Marcus momentan gewiß kein Interesse. Er spähte über all die Menschenköpfe und sog die Luft des Landes in sich ein...die ziemlich stank!! Nach Menschen, Abfall, Hafen und Möwen. Noch einige Schritte weiter humpelte Marcus als er meinte seinen Namen zu hören. Verblüfft sah er sich in der Menge um. Er blinzelte einige Male und spähte zu einem Mann, der sich - heftig durch die Menge drängend - ihm näherte, dann breitete sich ein breites Lächeln in seinem Gesicht aus. Seine treue Seele und der Mann, ohne den Marcus früher niemals etwas zustande gebracht hatte. Sein Sklave.


    „Erfreuliches mache nicht übermütig...“
    , begrüßte Marcus den Sklaven mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
    Salve, amicus!“
    Schon hob er einen Arm, zur freundschaftlichen Begrüßung und fing an zu straucheln.










    SimOff: Home sweet home! Hipphipphurra! :verbeug:

    Matt und blaß lehnte Marcus gegen die Bordwand jenes Schiffes, das die Verletzten über das blaue Mittelmeer schiffte, welches doch in jenen Wintermonaten seine ganz eigene Tücke aufweisen konnte. Hohlwangig war Marcus und mitgenommen von den letzten Tagen, die wie im Flug an ihm vorbei gestrichen waren, aber der Sensenmann, beziehungsweise weder Pluto, noch ein Helfershelfer von ihm waren aufgetaucht. Der Schatten des Todes hatte sich auf ihn gelegt und war nach einigen Tagen jedoch wieder verschwunden. Dennoch hüpfte Marcus nicht wie ein junger, fideler Gesunder über das Deck, sondern hatte sich mit Mühe und Not – und mit Hilfe von zwei Männern – nur in der Halbsenkrechten, dem Sitzen, erheben können. Schmerzen zuckte durch seinen Körper, aber endlich mehr als nur das Segeltuch, die Bretter um ihn herum und den blauen Himmel zu sehen, war eine Wohltat. Es war der erste Tag, an dem sich Marcus wieder einigermaßen anwesend fühlte. Und das erste Mal auch richtig ansprechbar war. Er hörte das Knarren des Decks, der Laut, wenn Wind über Segeltuch strich, das Ächzen und Stöhnen der Seile, die sich gegen die Winde stemmten und das Schiff durch die Wellen reiten ließen. Marcus lächelte und spähte erschöpft, als ob er Tage lang marschiert wäre ohne eine Nacht zu schlafen, über die See hinweg. Wellen tanzten, bildeten Schaumkronen, einige Seevögel, die von der nicht weit entfernten Küste kamen, schwebten in der Luft und begleiteten das Schiff wie gute Geister, die sie bei der Überfahrt überwachen wollte.


    Tapsige Schritte eilten heran und Naevius nahm auf einer Seilrolle neben ihm Platz. Marcus wandte nicht den Blick von der See ab und sog die frische Luft in sich ein. Erneut ließ ihn der Schmerz, der durch sein Bein raste, zusammen zucken. Er spürte zudem die Augen von seinem Schreiber auf sich ruhen, der nachdem das Schiff einige Male von den Wellen hoch und runter gehoben wurde, das Schweigen mit einem dezenten Räuspern brach. Marcus schwieg noch einige Herzschläge, dann löste er sich von dem beruhigenden Meer und sah Naevius an, der – ganz und gar eine Landratte! - recht käsig im Gesicht aussah. Ähnlich wie Marcus selber, nur aus einem ganz anderen Grund. Denn Marcus liebte das Meer und litt nicht unter etwaigen Übelkeiten deswegen. Jeden Tag als Junge war er in Baiae heraus gefahren. Mit seinem kleinen Boot, das er mit einer Hand segeln konnte. Wie er das geliebt hatte und froh war, wieder mal öden Unterrichtsstunden der alten Griechen zu entkommen, die seine Mutter für ihn einstellte.


    “Naevius...!“
    Marcus zögerte und verzog sein Gesicht zu einem mehr oder minder grimassenhaften Grinsen.
    “Danke!“
    Naevius sah ihn verwundert an.
    “Wofür, centurio?“


    Marcus deutete auf sein Bein. Naevius winkte jedoch verlegen ab, selbst wenn ihn der Dank durchaus erfreute. Aber selten war er so gebraucht worden, wie auf dem Feldzug und das hatte dem farblosen Naevius einiges an Selbstvertrauen gegeben. Manchmal glaubte der Schreiber sogar, das ihn die Soldaten anfingen zu respektieren, selbst wenn Naevius nicht gut mit dem Schwert umgehen konnte. Er zückte gleich darauf eine Schriftrolle und hob sie in die Höhe.


    “Ein Brief, centurio! Gerade noch in letzter Minute hat ihn ein Soldat aus der mansio aus Antiochia mitgebracht!“


    Das Gesicht von Marcus erhellte sich merklich. Mit einem freudigen Wink deutete er Naevius ihm den Brief vorzulesen. Was dieser auch gleich tat. Marcus lehnte sich gegen die Bordwand. Feine Wassertropfen spritzen hoch und legten sich auf seine Wange und seine dunklen Haare. Er verzog gleich das Gesicht, nicht wegen dem Salzwasser, sondern der ersten Sätze wegen. Resigniert seufzte Marcus, was konnte er denn schon dafür, daß er nicht mit einem Geniegeist gesegnet war wie sein Vetter Gracchus?


    “ Ist es so schlimm?“
    , fragte er seinen Schreiber. Der zögerte nicht lange und nickte bekräftigend. Marcus seufzte. Ließ jedoch Naevius weiter vorlesen. Die Erzählung über Ehe nahm Marcus erneut mit einem Seufzen hin, lächelte marginal als die Rede auf Aquilius zu sprechen kam.
    “Unrecht? Habe ich ihm unrecht getan? Hm...da muß ich mich mal wieder ungeschickt ausgedrückt haben. Siehst Du, das kommt davon, wenn ich selber meine Briefe schreibe!“
    Was mit einem Augenrollen von Naevius kommentiert wurde. Die nächsten Sätze irritierten Marcus jedoch maßlos. Er lauschte ihnen, ohne wirklich zu verstehen, was Gracchus damit meinte. Verwundert betrachtete er eine Möwe, die sich auf die Mastspitze setzte und den Wind durch ihre Federn streichen ließ.
    “Provinz? Warum sollten wir dorthin fliehen müßen...? Das verstehe ich nicht!“
    , gab er seinem Schreiber zu verstehen. Der ließ den Brief senken, auf den schon einige Meerspritzer ihre Spuren hinterlaßen hatte. Naevius betrachtete seinen Vorgesetzen lange Zeit lang und schien sich zu fragen, ob der Flavier sich nur dumm stellte oder tatsächlich so ahnungslos war. Doch der ratlose Blick des Flaviers änderte sich nicht. So räusperte sich Naevius schließlich etwas verlegen.
    “Ähm...centurio...Du weißt noch...als Deine Familie die Kaiserswürde trugen...da gab es so einen Kaiser...so...Du weißt schon?“
    Marcus schüttelte den Kopf. Naevius seufzte, beugte sich vor und fing an seinen Vorgesetzten mit leiser, aber eindringlicher Stimme auf gewiße Exilszwänge der Aelier aufmerksam zu machen. Mit jedem Wort wurde Marcus noch blaßer als er es ohnehin schon war.
    “Bona Dea!“
    , raunte Marcus und spähte zu der Bugspitze, die sich mit jedem Wellenkamm jenem Mann näherte, der der Kaiser von Rom sein würde...und ein ehemaliger Aelier war. Marcus schloß die Augen und die schlimmsten Befürchtungen kamen in ihm auf.
    “Vielleicht solltest Du auch ein paar Vorkehrungen treffen...für den Fall der Fälle...Du weißt schon, centurio?“
    “Fliehen? Mit diesem Bein? Ich würde wohl kaum weit kommen, Naevius!“
    Centurio, ich bin mir sicher, daß Dir der eine oder andere Mann Deiner Einheit helfen würde. Und ich hab in Achaia ein paar Freunde. Ich würde....ja, ich würde Dich natürlich auch dorthin begleiten!“
    Bar vor Erstaunen betrachtete Marcus seinen Schreiber. Eine derartige Loyalität hatte er nicht erwartet, selbst wenn er Naevius schon länger zu schätzen gelernt hatte, nicht nur, wenn es um seine Briefangelegenheiten ging. Marcus lächelte.
    “Danke, Naevius. Wollen wir mal hoffen, daß es nicht notwendig ist. Mögen die Götter uns Flavier vor einem solchen Zorn bewahren!“
    Matt ließ sich Marcus wieder herunter sinken, stöhnte leise bei dem Schmerz.
    “Naevius, wärst Du so freundlich und würdest einen der Ärzte um etwas gegen die Schmerzen fragen?“


    Was Naevius auch tat. Schon kurze Zeit später fiel Marcus in den Schlaf eines Kranken, der noch viel Zeit brauchen würde, um einigermaßen auf dem Damm zu sein. Die Tage zogen weiter an Marcus vorbei und langsam tauchte der Küstenabschnitt auf, der ihrem Ziel bedeutend näher lag. Und womöglich einem drohenden Verhängnis, dem Damoklesschwert, das über der gens der Flavier lag.

    Zwischen den Ästen eines Busches raschelte es. Dornig waren die Zweige und schmiegten sich an aufgeschichtete Steine, die den Wall jenes Dorfes bildete, der die Bewohner vor den wilden Tieren schützen sollten – insbesondere ihr Federvieh und sonstige nützliches Getier. Doch die größte Bedrohung polterte langsam davon – der Mensch. In Form von Soldaten, Söldnern oder den Schergen des Shahs war die Bedrohung in das Dorf gekommen. Unbeeindruckt von dem Wall. Zwei dunkelbraune Kulleraugen spähten ängstlich, aber auch gebannt zwischen den Zweigen hervor. Ein kleines Kind, vielleicht vier Lenze alt, spähte auf den davon ziehenden Troß. 'Wir spielen verstecken, wie gestern Abend. Ja? Los, lauf und versteck' Dich!' Das hatte sein Vater noch zu ihm gesagt. Schon seit einer Stunde wartete das Kind nun in den Ästen, daß sein Vater ihn suchen kam. Ängstlich drückte es sich mehr in das Gebüsch als die Schreie ertönten. Es wagte nicht heraus zu kommen. Doch als der Zug vorbei polterte, spähte das Kind zu den Soldaten und den Männern. Die Männer kannte es doch. Und auch seinen Vater erkannte das Kind darunter. An dem Daumen herum kauend verfolgte das Kind mit den Augen den davon ziehenden Tross. Kurzentschlossen krabelte es aus dem Gebüsch hervor und lief durch das hohe goldene Gras, das im Wind hin und her wogte. Die braunen Haare streckten sich kaum über die Gräser, mit den braunen Wollhosen und dem schafweißen Kittel fügte sich das Kind in die Landschaft. Eilig folgte es den Römern. Doch die Kinderbeine trugen es nicht schnell genug und irgendwann verschwanden die Wägen am Horizont, der sich in den sich langsam herunter neigenden Sonnenlauf ähnlich rot färbte, wie die Dächer des armseligen Dorfes.


    Von grimmig- haßerfüllt bis resigniert- hoffnungslos, so schwankten die Ausdrücke in den Gesichtern der Bauern, die nicht an jenem Tag gestorben oder vor den Römern geflohen waren. Manch einer ließ den Kopf hängen und schlürfte inmitten der römischen Soldaten den Weg entlang, der nur aus Steinen und trockenem Boden bestand, mal einen dornigen Busch an der Seite. An einer Gruppe von Tamarisken zogen sie vorbei. Ihr Weg wurde gesäumt von den goldenen Halmen, dazwischen erhoben sich zahllose Ginsterbüsche, die auch an den zerklüfteten Teilen dieses Landes wuchsen und sich beharrlich gegen den Wind stemmten. Stumm marschierte auch Salassus Sacto in dem vorderen Drittel der Soldaten. Seine Schuhwerk war schon vor langer Zeit notdürftig geflickt worden, seine guten Soldatenstiefel hatte man ihm bei der Gefangenschaft abgenommen und verhökert. Dennoch ging er stoisch weiter und kümmerte sich nicht -wie in all den letzten Wochen – um die Steine, die sich in seine Sohle bohrten. Einer der Soldaten reichte Scato seinen Schlauch mit der Essigmischung. Scato nickte ihm dankbar zu und nahm einen tiefen Schluck von dem vertrauten Getränk. Als sie einen Haufen von Steinen, die am Wegesrand aufgeschichtet lagen, passierten, gab er den Schlauch zurück. Wie aus weiter Ferne schien ihn Serapio zurück zu holen als dieser ihn unversehens und in dem stummen Marsch ansprach. Scato wandte seinen Blick dem jungen Soldaten zu.


    „Decimus Livianus?“
    , echote seine Stimme.
    „Hm!“


    Scato zog seine Augenbrauen zusammen und hob die Hand, um sich am störenden Bart zu kratzen. Das Erste, was er tun würde, wenn er wieder in zivlisierteren Gegenden war, würde sein, dieses Gestrüpp abzurasieren. Nachdenklich betrachtete er eine Steineiche, die an ihrem Wegesrand wuchs und ihren Schatten über den ganzen Weg warf. Natürlich hatte Scato von dem seltsamen Verschwinden des Legaten der Prima gehört. Viele der Soldaten hatten in jenen Tagen spekuliert, was paßiert war und wohin der Legat wohl verschleppt wurde...und ob überhaupt. Manche gehäßigen Stimmen waren in jenem Moment zu hören gewesen, aber Scato hatte an so einen Unsinn nicht geglaubt. Der Schatten legte sich auf sein Gesicht als sie unter dem Baum entlang kamen, in dem das ein oder andere Vogelstimmchen verstummte.


    „Ich habe von ein paar hochrangigen Gefangenen gehört. Aber ich dachte immer, hauptsächlich, es wären Männer der Decima. Aber es kann natürlich sein, daß auch der Legat dabei war. Manche von ihnen sind nach Dura Europos gekommen. Aber ich hörte auch davon, daß ein Tribun nach Assur gebracht wurde, vielleicht auch andere Gefangene. Aber das können genauso Gerüchte sein.“


    Scato zuckte mit der Schulter. Er sah Serapio etwas entschuldigend an. In jenen Tagen hatten sie alle Neuigkeiten, was die Legionen betraf, in sich aufgesaugt. Als sie im Gefängnis der Parther harrten, wartend, ob sie hingerichtet wurden oder versklavt. Immer in der Hoffnung, die Legionen würden eintreffen und die Stadt erobern. Umsonst hatten viele der Gefangenen gewartet und jeden Tag waren es weniger geworden. Bitter verzogen sich die Züge von Scato. Er blinzelte kurz und spähte in den Horizont, dort, wo die Sonne sich hinter den Horizont schieben würde. Dort, wo ihre Heimat lag. In weiter Ferne.


    „Ist er Dein Verwandter?“
    , fragte Scato ohne den Blick von der sich verfärbenden Sonnenscheibe zu nehmen. Tonlos in der Stimme. Wieder, als ob die Welt an ihm vorbei ziehen sollte und ihn nicht berührte.

    Der Wind bestrich die Zweige des dornigen Walls, die Flammen schlugen in dem Rauchhaus noch einige Zeit in der Höhe, ehe sie immer weniger an brennenden Zweigen fanden und zu einem Glimmen herunter brannten. Einige Funken tanzten in der Luft. Scato nickte marginal als er die Antwort von Serapio – wie aus weiter Ferne – vernahm. Er schien alles um sich herum nicht mehr wahr zu nehmen, versank tiefer in das Brüten und sah dabei durch den Soldaten hindurch, der sich – wichtigtuerisch – vor Serapio aufgebaut hatte und grimmig auf den Decimer hinab starrte. Einige der Soldaten sahen zu Vullius und Serapio hinüber. Vullius bestrich sich erneut den stoppeligen Bart und sah Serapio nachdenklich, sogar etwas spöttisch an. Ein kehliges Lachen drang aus seinem Mund.
    „Du? Du willst dafür sorgen, daß der centurio seine vites an meinem Rücken bricht?“
    Seine Schultern zuckten als das Lachen etwas lauter wurde.
    „Vor ein paar Monaten konntest Du noch nicht mal Deine Rüstung alleine zuschnallen und ein pilum von einem gladius kaum unterscheiden!“


    Vielleicht waren da doch ein paar Zweifel bei Lucius Vullius, trotz seines hämischen Lachers. Denn er sah sich über seine Schulter zu den anderen Soldaten um, fast so, als ob er ihren Beistand suchen wollte. Vielleicht wollte er auch sehen, ob sie lachten. Die meisten Männer verfolgten die kleine Konfrontation zwar, sahen jedoch weg als Vullius nach Unterstützung suchte. Sicherlich, sie würden es alle gespannt verfolgen, sollten die Beiden sich streiten, aber kaum einer der Soldaten würde vor treten und sich den Worten anschließen. Vullius grunzte leise und unzufrieden. Dabei wußte Vullius genau, daß er nur das aussprach, was viele der Soldaten auch dachten. Manchen sah man das sogar an, als sie grinsten während sich Vullius wieder dem tesserarius zu wandte. Grimmig fixierte Lucius Vullius sein Gegenüber. Stumm focht Vullius es aus, ob er es riskieren sollte oder nicht. Scato schien derweil wieder den Soldaten zu sehen und tangierte ihn auch mit einem ruhigen Blick. Vullius, der sein Gesicht nicht verlieren und sich nicht mit eingekniffenem Schwanz zurück ziehen wollte, überlegte noch etwas länger.


    „Mal sehen, was der centurio sagt, wenn er aufwacht!“
    , gab Vullius übellaunig von sich, betrachtete Serapio noch einen Atemzug lang finster und mit der unausgesprochenen Drohung, die Konfrontation an einem anderen Zeitpunkt fort zu führen. Dann drehte er sich herum und stapfte auf die anderen Männer zu. Mit einer Hand stieß er einer der Frauen grob zur Seite, die sie in die Mitte des Dorfplatzes geführt hatten und machte sich weiter daran, das Dorf auszuplündern. Etwas enttäuscht widmeten sich auch die anderen Männer dem weiteren Rekrutieren von Vorräten und dem Versklaven der Männer.

    Der trübe Blick des Soldaten der Decima schwand. Verwirrt blinzelte er zu Serapio als sich dieser bei ihm bedankte. Eher peinlich berührt winkte Scato ab, denn in seiner Seele brannte immer noch die schwärende Wunden, die er in der Schlacht vom Chaboras erhalten hatte und die wohl niemals mehr in seinem Leben ordentlich verheilen würden.
    „Nein, im Gegenteil, wären nicht Du und Deine Männer gekommen, dann würde ich immer noch das Feuerholz für diese Hurensöhne schleppen.“
    Die Nachricht um den Tod des Kaisers traf Scato deutlich und sichtbar. Er zuckte zusammen als ob er einen Hieb eingesteckt hätte. Stumm stierte er auf das parthische Land und schwieg einige Herzschläge lang, dann entfleuchte seinem Mund einige bittere Worte, doch nicht auf Latein gesprochen, es klang sehr viel nordischer, rauer und urtümlicher. Doch der Sinn der Worte war dennoch klar und deutlich. Er fluchte.
    „Chaboras, den Namen wird wohl keiner von uns je vergeßen, keiner...“
    Der Soldat sank in sich zusammen und schien die Welt um sich herum zu vergeßen, auch die Kuh, die nun anfing an seiner Tunika zu knabbern. Auch den Soldaten, der sich vor Serapio aufbaute, bemerkte Scato nicht mehr.


    Besagter Veteran, Lucius, verzog das Gesicht. Denn er war wahrlich nicht der Sorge wegen darauf erpicht, Frau- und Kindsvolk zu versklaven, sondern weil sie einfach mehr Geld einbrachten und die Frauen zudem etwas Vergnügen auf dem Weg. Und Skrupel beherrschten den Mann auch nicht, warum auch? Sie waren schließlich im Krieg und das normale Sitte, römischer Brauch und der Brauch vieler anderen Völker zudem. Lucius hob seine Hand und strich über die Bartstoppeln in seinem Gesicht.
    „Ich glaube, tesserarius, das wird den Männern gar nicht gefallen. Ganz und gar nicht!“
    Er ließ seine Hand sinken und steckte die Daumen in seinen cingulum militare, dabei stand er betont läßig vor Serapio und maß ihn mit einem stechenden und durchdringenden Blick. In seinem Rücken wurden tatsächlich auch ein paar Frauen nach draußen getrieben und ein paar der Männer fingen an, die Ware zu begutachten.
    „Wir haben schließlich schon sonst nicht plündern dürfen. Es reicht langsam mal, Decimus! In jeder Stadt wurden wir zurück gehalten! Das hier ist Krieg! Wir haben das Recht uns zu nehmen, was wir wollen. Sollen die verfluchten Partherhunde sich uns eben nicht in den Weg stellen!“
    Der Soldat verstummte, spuckte aber – wie zur Bekräftigung – auf den Boden.

    Es war wohl das Flagschiff der Flotille V der Rabenner - zumindest das, wo die Verletzten hingewiesen wurden von der classis- auf das einer eben jener Verletzten auf einer hölzernen Bahre getragen wurde und der den Namen Flavius Aristides trug. Die Salzluft drang bis an den fiebrigen Geist von Aristides und langsam, als zwei Soldaten ihn über einen Holzsteg hoch trugen und oben von zwei anderen Soldaten empfangen wurden, öffnete er die Augen. Blauer Himmel strahlte über ihm. Einige weiße Wolken glänzten am Himmel, um eilig davon zu stoben und den Schiffen die strahlende Sonne zu überlaßen. Möwen kreischte, die aufgeregten Rufe von einem Matrosen drang dem Flavier an die Ohren und doch bemerkte er sehr wenig von all dem. Fiebrig sah er um sich, bemerkte das Platschen der Wellen gegen die Bugwand des Schiffes, dann schloß er seine Augen wieder, um weg zu dämmern.


    „Vorsicht...hebt ihn höher...ja und jetzt hier rüber, wir haben ihn. Kommt die Krähe da auch mit?“


    Damit war der Schreiber gemeint, der hinter den beiden Soldaten auf die Planke gestakst war und besorgt in die schmutzige See hinab blickte. Die Soldaten nickten stumm, denn der Schreiber war wie ein treuer Hund, den man nicht von der Seite des Flaviers vertreiben konnte, es hatte wohl etwas mit einem Versprechen zu tun. Der Matrose auf dem Schiff zuckte mit den Achseln und ließ die Soldaten vorbei und erneut die Bahre ergreifen, die ihnen die beiden Männer eben noch abgenommen hatten.


    „Gleich da hin. Zu den anderen Verwundeten, die sind wohl von der achten Kohorte. Wir legen bald ab, also beeilt euch.“


    Das Schwanken und Schaukeln ließ Aristides erneut erwachen. Auch als die beiden Soldaten aus dem Lazarett ihn mit einem Ruck auf die Planken des Schiffes abstellten, neben einem alten Veteran, den es übel vor Wochen erwischt hatte und dem der Arm amputiert werden mußte. Stumpf starrte der andere Soldat vor sich her und bemerkte seinen Kumpan, der auf der Überfahrt sein Reisegefährte war, nicht. Naevius ließ noch einiges an Gepäck verstauen, hatte aber auch einige der Gegenstände, die im Besitz des Flaviers waren, bei der zweiten Zenturia untergebracht, für die nun Sparsus verantwortlich war. Mit einem Korb in seiner Hand nahm Naevius neben dem Flavier Platz.


    „Wie legen gleich ab, centurio! Alles in Ordnung bei Dir?“
    Es raunte und fauchte aus dem Korb. Die Frage ließ der Flavier unbeantwortet, seine Augen flatterten und er wandte das Gesicht seinem Schreiber zu.
    „Was...hast Du dort?“
    „Na, der Löwe, centurio!“


    Aristides lächelte matt, denn er glaubte, daß sein Schreiber einen Scherz mit ihm trieb. Er schloß die Augen und sank in das Fieber zurück. Von dem Opfer, was ihm sicherlich sehr viel Zuversicht gegeben hätte, bekam Marcus leider nicht sehr viel mit. Auch nicht von dem Anblick, der auch sein Herz zum höher schlagen gebracht hätte. Denn immer noch hegte Marcus eine tiefe Leidenschaft für Segelschiffe, er liebte das Meer und fühlte sich beschwingt, wenn der Bug eines Schiffes durch den Wellenkamm pflügte, sich in den Himmel empor hob um dann mit aller Macht das Wasser zu teilen. Im Moment kämpfte er immer noch mit dem Fieber und den Schmerzen, die selbst viel Opium, Mohnsamen und andere Kräuter nicht zu lindern wußten.

    [Blockierte Grafik: http://img264.imageshack.us/img264/282/scatori8.jpg] | Servius Salassus Scato


    Martialisch wirkten manche der Mienen der Soldaten, als sie die Befehle vom tesserarius erhielten. Wütend waren viele der Männer, nachdem sie derart tückisch von den Ackersmännern in einen Hinterhalt gelockt worden waren und zudem von fremden Soldaten angegriffen wurden. So manch einem der Soldaten dürstete es auch nach Rache für den Tod des Kaisers, etwas, was sie in Dura Europos nicht erhalten hatten und sich nun gedachten hier zu holen. Schon krachte es als zwei Soldaten im nächst besten Haus die Tür eintraten und in dem Inneren verschwanden. Ebenso schwärmten die anderen Männer aus, in dem Dorf, das so erbitterten Widerstand gegen die römischen Soldaten geleistet hatte.


    Salassus Scato sank auf einen der noch leeren Wagen im Schatten herunter und kratzte sich an dem störenden Bart, den er jedoch schon seit Wochen nicht rasieren konnte. Schließlich hatten die Söldner tunlichst darauf geachtet, daß er keine Waffe in die Hände bekam, um sie nachts auf ihren Lagern abzustechen und zu fliehen. Wovon Scato durchaus viele Male geträumt und es sich lebendig vorgestellt hatte. Er verzog das Gesicht bei der Frage und betrachtete zwei Soldaten, die einen Mann aus einer Kate heraus zerrten und auf den staubigen Boden warfen. Einer der Soldaten beugte sich über den Mann und hielt das gladius an seine Kehle. Scato wandte die Augen nicht von der Szenerie ab, während er antwortete:
    „Beim Chaboras, als wir in den Hinterhalt geraten sind. Da waren diese Bastarde auch dabei. Ein paar von uns wurden dort gefangen genommen...!“


    Bitter klang die Stimme von Scato, aber er hatte auch allen Grund dazu. Viele seiner Kameraden hatte er sterben sehen, gefangen zwischen einer Flammenmauer und dem Heer der Parther, abgeschnitten von Verstärkung. Die Augen von Scato trübten sich ein wenig als er an jenen Tag zurück dachte. Als die Bilder vor seine Augen traten. Das Blut um ihn herum, die Schreie und das verzweifelte Kämpfen, um das nackte Überleben. Glorie, Ruhm und Ehre waren in jenem Moment vergeßen gewesen und Scato hatte in seinem Leben noch nie eine derartige Angst verspürt. Starr war seine Miene nun, obgleich er sich für diesen Tag auch schämte. Immer wieder träumte er davon und glaubte, ein Feigling zu sein. Sicherlich, er war gefangen genommen worden, aber hätte er sich nicht frei kämpfen können? Hätte er nicht sterben sollen, wie viele seiner Männer? Und was danach kam, war auch nicht besser. Wie sie durch die Straßen von Dura Europos getrieben wurden, wie Beutestücke. Die Bevölkerung warf mit verfaulten Gemüse und Dung nach ihnen. Wie sie auf die Tribüne geführt wurden und viele von ihnen noch am selben Tag starben, manche jedoch als Sklaven weiter verkauft wurden. Jene, die nicht verletzt waren und bei denen es sich noch lohnte. Die wenig Widerstand geleistet hatten. Scato schloß einen Augenblick lang die Augen, gerade als der Soldat dem Bauersmann das Schwert in den Hals trieb. Der leblose Mann sackte auf den Boden herab, die Soldaten zogen weiter, um im Dorf zu plündern.


    „Es wurden einige Soldaten von der Decima gefangen genommen. Die Meisten sind tot!“


    Heiser klang die Stimme von Scato, brüchig. Er verstummte und sah in eine andere Richtung. Betrachtete den Wall aus Steinen und dornigen Gebüsch, wich dabei dem Blick von dem Decimer aus, denn er erwartete die Vorhaltungen in dessen Augen zu sehen, die sich Scato selber machte. Warum bist Du nicht tot? Warum lebst Du noch, im Gegensatz zu Deinen Kameraden? Scato biß sich auf seine ausgetrocknete Unterlippe. Ein Schrei ertönte aus einer der Keuschen, ein Poltern und Klirren. Das Weinen eines Kindes und erneut der Schrei...von einer Frau, gepaart mit dem Lachen von zwei Männern. Von einer anderen Ecke des Dorfes wurden ein paar der Dörfler in die Dorfmitte getrieben. Sie starrten mit Grauen auf den toten Körper, der dort regungslos lag. Ein junger Soldat führte mit einem glücklichen Strahlen ein Kuh hinter sich her und band sie an einen der Wägen fest. Die Kuh, deren Euter prall gefüllt waren, schien sich nicht sonderlich daran zu stören, jetzt in römische Besitzschaft übergegangen zu sein. Scato, der der Zunge der Kuh auswich, die ihn neugierig belecken wollte, wandte sich wieder Serapio zu.


    „Wie steht es mit dem Krieg? Wo sind die Truppen zur Zeit und haben sie die Stadt eingenommen?“


    Die Schreie aus der einen Kaluppe wurden nicht weniger. Einer der Soldaten, Lucius Vullius, ein Veteran aus Dacia und nun Soldat in der Prima, eilte auf Serapio zu. Die Stoppeln stachen dem Soldaten aus dem Gesicht, aber viele der Männer trugen ihr Kinn unrasiert, seitdem der Kaiser verstorben war. Lucius Vullius hatte eine Wunde an der Schläfe, aber er schien sich nicht sonderlich darum zu kümmern.


    Tesserarius, was sollen wir mit den Frauen und Kindern machen? Sollen wir sie nicht auch versklaven? Die Frauen und Kinder können doch eh hier nicht alleine - ohne Männer - überleben!“

    Ganz weit hinten und mehr am Rande standen zwei traurige Gestalten. Eigentlich war es nur eine Gestalt auf zwei Beinen und ein Kompagnon auf vier weichen Pfoten, die in den Armen von dem Zweibeiner ruhte. Blaß und hohlwangig stand Appius Carteius Cirenthius , optio des Rekrutierungsbüros, das es im Krieg nicht gab, weswegen er nun optio der Versorgungseinheit der ersten Kohorte war, inmitten der anderen Soldaten, die nicht kämpften, sondern dafür sorgten, daß die übrigen Soldaten kämpfen konnten. Immer wieder mußte Appius sein Taschentuch hoch heben und sich die Tränen der Trauer wegwischen, für die er sich nicht im Mindesten schämte. Schließlich war der Kaiser tot und wurde hier aufgebahrt, zudem hatte Appius jenen Mann abgöttisch verehrt.


    „Oh, Drusilla! Welch großer Mann scheidet von uns!“
    „Miau!“
    „Du hast vollkommen Recht, meine Drusilla!“


    Natürlich war damit nicht die Kaiserin Drusilla gemeint, sondern jene zierliche Katze, die die einzige Freundin von Appius war und ihm nun, in diesen schweren Zeiten, bei der Trauer um sein großes Idol half. Denn der Kaiser, der Imperator, dem er nun so nahe gedient hatte, war ein Gott in Appius Augen gewesen, das strahlende Licht für das Imperium, zu dessen Füßen sich der Senat wie kleine Schmarotzer tummelte. Ja, die Welt von Appius war sehr schwarz und sehr weiß, wenn es seine Ansichten betrafen. Er schnäuzte sich kräftig in das Taschentuch. Bewegt sah er nach vorne und konnte die Augen nicht von dem hohen Scheiterhaufen lösen, auf dem die göttliche, aber leider sterbliche, Gestalt des Kaisers ruhte. Immerhin würde der Kaiser nun zu seinen göttlichen Ahnen hinaufsteigen und selbst im Pantheon Einzug nehmen, daran zweifelte Appius nicht im Mindesten. Leider stand Appius nicht nahe genug, um auch die sterblichen Gesichtszüge auszumachen, aber es tat in seinem Schluchzen und in seinem leisen Wehklagen, was er immer wieder von sich gab, keinen Abbruch. Erst als die cornicen über die Männer hin weg klang, verstummte auch Appius, um bewegt, gerührt und völlig aufgelöst der weiteren Zeremonie zu folgen. Mit zitternden Händen hob Appius das voll geweinte Taschentuch und wartete bebend ab, ob das Opfer angenommen wurde, wenngleich Appius ob zweier der männlichen Opfertiere etwas verwundert war. Aber wer war er schon? Schließlich nur ein kleiner optio von der Versorgungseinheit und kein Priester. Selbst die Katze schien die Spannung zu merken und war für den Moment völlig still.



    Als ob Hyänen, Geier und Aasgetier sich um den Zenturio scharren würden, derart kam Naevius der medicus vor, der zwar erst mal von dannen gezogen war und nicht weiter auf jene Operation insistiert hatte, die der Flavier strickt abgelehnt hatte – selbst wenn er nicht klaren Geistes war. Dennoch schien der Grieche nur darauf zu warten, daß sich Naevius erhob und wieder die Seite seines Vorgesetzten verließ. Aber den Gefallen, so beschloß der Schreiber, würde er ihm gewiß nicht tun. Darum harrte Naevius weiter hier und erledigte die Schreibarbeit, die in einer centuria und besonders in jenen Tagen anfiel, an der Seite des Krankenbettes. Die Männer mußten aufgeschrieben - für den Transport - und Rechnungen abgezeichnet werden. Das mit dem Sold war immerhin nicht seine Aufgabe und darum war Naevius auch froh. Verlustlisten – endgültige – mußten fertig gestellt werden. Als er die Namen noch mal auflistete, all jene Männer, die in den letzten Monaten und während des Feldzuges gestorben waren, da wurde es Naevius ganz schwer ums Herz, denn manche der Männer kannte er schon sehr lange und manch einer war noch ein guter Kamerad für ihn gewesen. Zudem spähte er zu seinem centurio und war sich nicht ganz sicher, ob jener nicht auch bald auf so einer Liste stehen würde, als einer unter vielen, vielen Anderen, die zwar angeblich als Helden galten, die für das Imperium ihr Leben gelaßen hatten, aber schon nach Wochen vergeßen waren und wenn überhaupt in den Analen als anonyme Zahlen eingehen würden. In der Schlacht von Edessa sind so und so viele hundert Männer gestorben, sie haben ihr Leben für das Imperium gegeben. Naevius seufzte und schüttelte betrübt den Kopf.


    Sinnend betrachtete Naevius den Verletzten vor sich. Dumm war es für den centurio gelaufen. In so vielen Schlachten gut davon gekommen und dann von einem Bauernmann gefällt worden. Der Stich mit der Mistgabel war schon schlimm genug gewesen und hatte dem Flavier einige Zeit üble Schmerzen bereitet, er hatte viel Blut verloren, aber davon hätte er sich vielleicht wieder erholt, doch daß er unter die Hufen von einem Pferd gekommen war, nein, wohl mehreren in dem Getümmel mit jenen ominösen Söldnern, das war das Schlimmste, denn es hatte ihm das Bein übel gebrochen gehabt, für eine äußerst desolate Wunde gesorgt als der Bruch nach außen trat und die Kniescheibe zertrümmert. Da mußte nur ein schlechter Moment kommen, ein winziger Augenblick, der einen Mann das Leben kosten konnte. Selbst wenn dieser Jahre, Wochen und sein gesamtes Leben sich sonst gut geschlagen hatte. So war nun mal das Schicksal, grausam, launisch und wankelmütig! Naevius schüttelte erneut den Kopf und seufzte. Irgendetwas von einer Vergiftung hat der medicus gefaselt und das man das Gift eliminieren muß ehe es sich weiter und bis zum Herzen ausbreitet, dort, wo es einen Mann leicht hin töten kann, das ehemals kräftig schlagende Herz einfach zum Verstummen brachte. Naevius ergriff seine Feder und war erneut froh, nicht zu der kämpfenden Truppe zu gehören, sondern nur ein Schreiber zu sein.


    Gerade wollte er sich erneut den Verlustmeldungen widmen als er ein leises Stöhnen vernahm, zudem sein Name, der gesprochen wurde. Naevius blinzelte und sah, daß der Flavier, seit mehr als einem Tag, mal wieder etwas mehr die Welt der Lebenden erreicht hatte. Naevius beugte sich vor um das Flüstern zu verstehen.

    „Halt...Messer....weg...!“
    „Ja, centurio! Keine Sorge, centurio! Ich laße das schon nicht zu!“
    „Hast...Du...?“
    „Was?“
    Papyrus?“
    „Ähm...ja, centurio!“
    „Schreib...schreib...meinem Sohn....Brief!“
    „Einen Brief an euren Sohn!“
    „Verzeihen...Du weißt...?“


    Naevius nickte ergeben, er wußte es tatsächlich. Er war so etwas wie der Seelsorger von dem Flavier geworden, ein geheimer Eingeweihter über alles, was im Leben des Flaviers paßiert war, aber schließlich las er ihm alle Briefe vor und verfaßte sie auch für den Flavier. Selbst die an seine Mutter, was selbige bestimmt wußte, denn welche Mutter kannte nicht die Handschrift ihres Sohnes? Naevius ergriff Tinte und papyrus und fing an zu schreiben.

    „Wegen der Ratte auch?“
    „Ja...!“
    „Und überhaupt?“
    „Ja...n!“

    Naevius blinzelte und sah den Flavier länger an. War das ein Ja oder Nein? Naevius zuckte mit der Schulter und schrieb eilig. Er kannte genau die Wortwahl von dem Flavier, peppte es aber noch ein bißchen auf, schließlich sollte es nicht derart katastrophal werden, wie es ihm der Flavier sonst diktierte. Immer mal wieder schien sein Vorgesetzter etwas zu flüstern, doch Naevius beugte sich vor und konnte keinen Sinn darin erkennen. Schließlich war Naevius fertig. Prüfend sah er zum Flavier, doch, der hatte seine Augen noch offen, wenngleich er fiebrig an die Decke starrte.


    „Soll ich es vorlesen?“
    „Ja...!“
    Was Naevius tat. Der Flavier nickte schwach.
    „Ist gut...schick es ab. Du hast es...mein Testament?“
    „Aber centurio, nicht so pessimistisch. Du kommst schon auf den Damm! Aber ja, ich habe es.“
    „Dann...Du...“
    „Ja, ich kümmere mich darum. In fünfzig Jahren, wenn Du dann das zeitliche gesegnet hast, nachdem Deine Enkel Senatoren wurden.“
    Tatsächlich huschte kurz ein Lächeln über die Züge des Flaviers.
    „Geh...Brief...! Und besorge...“
    „Was soll ich besorgen?“
    „Löwen...für...“
    „Einen Löwen?“
    „Kleinen...Löwen...für...Sohn!“
    „Sicher, centurio?“



    Der Flavier nickte schwach. Etwas irritiert musterte Naevius den centurio, zuckte aber nur mit der Schulter. Er erhob sich und griff nach seiner Tasche mit den anderen Schreibsachen. Einen Augenblick lang zögerte er, denn er wollte ungerne den centurio alleine laßen. Naevius raffte sich und wandte sich dem medicus zu, wobei er sich bemühte eine derart grimmige Ausstrahlung zu offenbaren, wie er das bei manch einem Zenturio oder Soldaten gesehen hatte.
    „Wehe Du rührst ihn an, medicus! Wehe Du schneidest ihm das Bein ab! Dann sorge ich persönlich dafür, daß Du am Kreuz endest, verstanden?“
    Halbwegs eisig klang tatsächlich die Stimme von Naevius. Der Medicus nickte, in Naevius Augen eindeutig eingeschüchtert.
    „Natürlich nicht, Herr. Das haben wir schließlich auch vorher nicht getan!“
    „Gut! Aber wehe...Du verstehst schon!“
    Naevius wandte sich um und verließ, halbwegs beschwingt, das Zelt. Schließlich fühlte er sich ein bißchen wichtiger wieder, an diesem Tag. Eilig machte er sich auf in die Stadt, um das Gewünschte zu erledigen und den Brief abzugeben.






    [SIZE=7]Simoff: Kleine Anmerkung: Mir ist schon klar, dass Naevius am Ende mal in der falschen Farbe redet, aber irgendwie will das im Moment nicht richtig formatiert werden. Sch*** Code![/SIZE]

    [Blockierte Grafik: http://img264.imageshack.us/img264/282/scatori8.jpg] | Servius Salassus Scato


    Die Staubwolke, die die Söldnerreiter am Horizont hinter ließen, fiel sanft auf den Boden hinab. Einer der Männer, die zurück blieben, starrte ihnen grimmig hinter her und das war Scato, der schwer atmend und nur mit einem Dolch bewaffnet auf dem Dorfplatz stand. Eine Schramme zierte sein dreckiges Gesicht, das durch die Wochen mit Entbehrung und Bartwuchs gezeichnet wurde. Seine rote, zerschlißene und dreckige Tunika wehte im Wind. Grantig sah er denen hinter her, die ihm ein wochenlanges Martyrium verschafft hatten, doch es war nichts zu ändern, die Söldner waren davon galoppiert. Aber er, Salassus Scato, war immerhin frei. Was langsam in seine Seele tropfte und erhellte, ein unbedeutendes Lächeln zeigte sich auf seinen schroffen und ausgetrockneten Lippen, die an manchen Stellen blutig waren und noch etwas geschwollen, durch den letzten Schlag von Arik. Scato steckte sich den Dolch, den er von einem toten Soldaten genommen hatte, an seinen Gürtel und drehte sich zu den Trupp Männern um, um nach dem Soldaten Ausschau zu halten, der das Kommando inne hatte. Er brauchte nicht lange zu suchen, denn sein Blick fiel auf den Mann, der noch eben die Reihen angefeuert hatte. Mit einigen Schritten war Scato an den jungen Mann heran getreten.


    „Salve, ich bin Salassus Scato von der Decima. Bist Du der kommandierende Offizier?“


    Die Flammen loderten durch jede Öffnung vom Rauchhaus. Mit einem lauten Krachen brach des Gebälk des Daches endgültig ein und hätte wohl jeden, der nun dort noch drinnen gewesen wäre, erschlagen und verbrannt. Selbst die Lehmmauern knisterten und an manchen Stellen sprangen Klumpen der getrockneten Blöcke ab, um sich in alle Richtungen zu verteilen. Scato hob die Hand und duckte sich gerade noch rechtzeitig als so ein heißes Geschoß an ihm vorbei zischte. Ein anderer Soldat, aus der neunten Kohorte, eilte an die Seite von Serapio. Der Soldat, Futius war sein Name, war zwar ein älterer Soldat, doch noch nie in seiner Laufbahn hatte er das Bedürfnis verspürt mehr Verantwortung als unbedingt notwendig zu tragen. Darum tat er das, was ihm am Nächsten lag.


    Tesserarius, der centurio ist bewußtlos. Du bist jetzt der ranghöchste Soldat hier! Was sollen wir machen?“


    Einige Gesichter richteten sich auf Serapio und sahen ihn fragend an, denn er würde entscheiden müßen, ob sie in dem Dorf bleiben würden, sich zurück ziehen, die Räuber verfolgen oder was auch immer.

    Den Übergang von Parthia nach Syria hatte Marcus benommen und meist sogar bewußtlos erlebt. Zahllose Schlachten – gut, eine große Schlacht, einen Hinterhalt und einige Scharmützel – hatte er nun erlebt, hatte sicherlich auch schon schlimme Bleßuren und Verletzungen erlitten, die ihn für Tage mitgenommen hatten, aber so schlimm verletzt wie durch die Ereignisse in einem namenlosen Dorf irgendwo in der parthischen Einöde war Marcus noch nie gewesen. Seit jenem Vorfall im Dorf war Marcus in diesen seltsamen Zustand zwischen Leben und der dunklen, schwarzen Welt, die nur zu leicht ihre Krallen nach dem Leben von Männern und Frauen greifen konnte und sie in die Unterwelt reißen. So lag er auch heute im valetudinarium in einen fiebrigen Halbschlaf versunken, fern der Welt, seinen Pflichten, der Beisetzung des Kaisers oder all der hektischen Arbeit, die mit der Einschiffung der prima einher ging. Es war warm im Zelt, einige Fliegen surrten an der Decke und setzten sich, Kopf unter, an die Zeltdecke, um sich hernach, wenn keiner der capsarii sie mit einer Handbewegung verscheuchte, auf den fiebernden Mann herunter zu setzen und von der Wärme und dem Salz auf seiner Haut sich zu laben. Das valetudinarium war nicht mehr so voll, wie noch vor Monaten, als die großen Schlachten geschlagen wurden, dennoch war Marcus nicht der Einzige, der in diesem Zelt lag und mit seinen Verletzungen kämpfte.


    Ein capsarius trat seine Seite und nahm den naßen Lappen von Marcus' Stirn herunter, um ihn in kaltes Wasser zu tauchen, auszuwringen und wieder auf die fiebrig heiße Stirn des Flaviers zu legen, der von all dem nichts bemerkte. Die Schritte des Soldaten entfernten sich. Die Stunden rieselten davon und die Sonne zog am Firmament entlang. Immer wieder murmelte der Flavier leise etwas oder stöhnte auf, warf sich dabei auf dem Lager mal hin und her, um kurz danach wieder in eine tiefere Fiebrigkeit zu fallen, die ihn wie ein Toter zwischen all dem Linnen liegen ließ. Ab und an ließ sich mal einer der Soldaten von seiner Einheit blicken, wohl um den Kameraden davon zu berichten, wie es dem Zenturio mittlerweile ging, aber sie blieben nie sehr lange und eilten schnell wieder davon. Marcus hätte es ihnen aber auch nicht verübelt, schließlich hielt er es selber auch nie länger als nötig im Lazarett aus – auch wenn er Männer seiner Einheit in den letzten Monaten nach all den Gefechten hier besucht hatte und ihnen ein paar Worte der Aufmunterung geschenkt hatte, manchmal auch gewartet hatte, bis sie verstarben, weil die Verletzungen zu schwer waren und die Götter ein anderes Schicksal für sie erdacht hatten - aber dennoch mochte Marcus diese Zelte nicht, auch den Geruch nicht, der dort ständig zu schwellen schien, der Gestank nach Tod und schlecht verheilenden Wunden.


    Einer der Soldaten kam jedoch jeden Tag und blieb für einige Stunden an der Seite des Flaviers sitzen. Diese treue Seele war niemand anders als der Schreiber Naevius, der auch heute durch den Zelteingang gestolpert kam, er hatte immer eine etwas unbeholfene Art zu laufen, als ob er sich in seinem schlaksigen Körper nicht ganz wohl fühlte. Mit eingezogenen Kopf sah er sich im Zelt um und marschierte zu dem Schemel, den die capsarii und auch der Militärarzt dort bereits für ihn stehen ließen. Naevius nahm Platz und zog eine Schriftrolle hervor. Er musterte einige Herzschläge lang seinen Vorgesetzten, dann ließ er seine Augen über die Schriftrolle wandern.


    Ein Schatten fiel auf die Schrift von Naevius. Der Schreiber hob sein Kinn an und blinzelte überrascht als er den griechischen Arzt erblickte, der sich in den letzten Tagen um eben jene Verletzte dieses Zeltes und dieser Einheit gekümmert hatte. Ein typischer Vertreter seines Volkes, braunhaarig, gelockt und mit dichtem Bart, dazu stets die grüblerische Miene, die einem Hellenen doch so vortrefflich stand. In jenem Moment war sie jedoch nicht grüblerisch, sondern recht düster, sogar mit finsteren Anflügen.


    „Ich kann nicht länger warten.“
    Mit dem Kinn deutete er auf das Bein, was unter dem Linnen lag.
    „Es ist nur eine Frage der Zeit! Und je früher, desto besser stehen seine Chancen.“


    Naevius ließ seine Schriftrolle herunter sinken. Genau das war auch ein Grund, warum er hier saß. Denn schon vor zwei Tagen hatte jener medicus selbiges verlangt. Naevius, der dabei war, hatte jedoch von dem Flavier eindeutige Anweisungen bekommen. Selbst wenn sie im Fieber gesprochen waren, so waren sie für Naevius klar gewesen. Eher sterbe ich, als daß ich als Krüppel nach Hause zurück kehre. Das waren die Worte gewesen. Naevius schüttelte den Kopf.


    „Nein! Kümmere Dich um andere Patienten, Grieche!“
    Naevius sah den Mann entschloßen an. Er würde gewiß das nicht zulaßen, was der medicus wollte.

    Es war der Schreiber Naevius, der höchst persönlich vom Lager bis zur mansio kam, um den Brief des Zenturios weiter zu reichen. Mit gedrückter Miene legte er den Brief auf den Tisch des Postbeamten und zählte die zehn Sesterzen ab, die die Beförderung kostete. Mit einem Tippen an die Stirn verabschiedete sich Naevius, nachdem er abgewartet hatte, daß der Brief entgegen genommen wurde und in einem Sack verstaut.



    Ad
    Lucius Flavius Serenus
    Villa Flavia
    Urbs aeterna, Roma
    Italia




    Lucius, mein Sohn,


    ich bin froh, daß Du doch noch wieder heil auf italischen Boden gelandet bist. Aber daß Du, nach der Feier, sogar bis nach Ägypten gereist bist, hat mich nicht nur erstaunt, sondern in große Sorge versetzt, mein Junge. Reisen sind per se sehr gefährlich, für einen patrizischen Sproß noch um so mehr. Wenn Du mal einige Jahre älter bist, wird sich das jedoch gewiß ändern. Bis dahin halte Dich doch bitte an die Erwachsenen oder wenigstens an Hannibal.


    Mein Junge, es ist nun sehr viel Zeit vergangen, seit dem unschönen Streit auf der Verlobungsfeier. Ich bin Dir, wegen Deinem Streich mit der Ratte auch wirklich nicht mehr böse oder wütend über Dein Ausreißen, wo mehr die Sorge mit schwang als der Zorn. Ich hoffe auch, daß Du es mir nach siehst und verzeihst, daß ich nicht vorher und im Vorfeld mit Dir über das Ganze gesprochen habe. Lucius, Du bist schon alt genug, um zu verstehen, daß man im Leben nicht immer Entscheidungen trifft, die einem selber sehr genehm waren. Bis zu dem Zeitpunkt war die ganze Verlobung und Ehe mehr von Deiner Großmutter arrangiert, statt mein eigenes Begehren. Dennoch ist Claudia Epicharis eine sehr freundliche, kluge und umsichtige junge Frau, die Deinen Zorn wegen meines Fehlverhaltens nicht verdient hat. Lade Deinen, durchaus gerechten, Unmut lieber auf mich ab, der es doch eher verdient hat als die junge Frau.


    Wahrscheinlich, mein Sohn, hast Du schon längstens erfahren, was in Syria und Parthia passiert ist. Von unserem Vorstoß bis in das Land der Parther und bis zu einer Stadt am Euphrat, wo der Kaiser, unser Imperator, an einer Wunde verstorben ist und die Truppen ohne einen Feldherrn zurück ließ. Es sind schwere Zeiten, in denen wir alle Leben, mein Junge, Zeiten, die unser Leben verändern und viele Angelegenheiten als belanglos und unsinnig offenbaren. Auch darin, zu stolz zu sein, Dinge zu zu geben, die man selber im Leben falsch gemacht hat. Wie ich es in den letzten Jahren getan habe. Lucius, ich hoffe, Du kannst es mir auch eines Tages nach sehen, daß ich nicht immer für Dich da war und ein schlechter Vater war. Du und Deine Schwester, ihr bedeutet mir alles auf der Welt und ihr seid das größte Glück, was mir von den Göttern geschenkt wurde. Ich bin sehr stolz darauf, einen so klugen Sohn zu haben, der auch den Erwachsenen die Stirn bieten kann. Bewahre Dir diesen Mut auch für später auf, denn er wird aus Dir einen großen Mann machen, der sich in der Welt und womöglich auch als Senator, wofür ich nicht geschaffen bin, behaupten kann.


    Unsere Truppen haben sich aus Parthia zurück gezogen. Während ich Dir diese Zeilen schreibe, befinden wir uns bereits wieder in Antiochia, einer Stadt an der Küste des Mittelmeeres. Die Schiffe der Classis machen sich bereit, uns zu dem Sohn des Imperators einzuschiffen. Wir werden dem Caesar, der nun der neue Kaiser ist, unsere Treue beweisen und wohl dann nach Italia zurück kommen, um ihm seine Herrschaft zu sichern, wie es der Kaiser verfügt und gewünscht hat. Und diesem großen Mann, der uns durch zahlreiche Schlachten geführt hat, müßen wir diesen letzten Wunsch noch erfüllen. Dennoch ist die Zukunft ungewiß. Ich hoffe jedoch, daß die Götter ein einsehen mit uns haben und uns sicher nach Italia bringen.


    Mein Sohn, ich bete jeden Tag dafür, daß die Götter über Dich und Deine Schwester wachen. Daß sie Dir Glück, Kraft und Lebensmut gewähren. Paße gut auf Deine Schwester auf, mein Junge, achte Deine Verwandten und besonders Deinen Onkel Gracchus und halte Dich stets an das, was Deine Großmutter Dir sagt, denn sie ist die klügste Frau des Imperiums.
    Dein
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    SimOff: Überwiesen!

    [Blockierte Grafik: http://img409.imageshack.us/img409/473/arikzv1.jpg| Arik Khingyr


    Der Dünkel von Arik schwand innerhalb weniger Herzschläge jäh und abrupt als er sich im nächsten Moment auf den trockenen und staubigen Erdboden wieder fand. Wuchtig schlug er mit seinem Rücken auf dem Boden auf, ein Stein bohrte sich in sein Kreuz, doch den Schmerz spürte er nicht, es war der scharfe, schneidende Schmerz als sich ein gladius in sein Fleisch bohrte. Ungläubig weitete Arik seine Augen und sah in das Gesicht jenes Kindes, was ihn zu Fall gebracht hatte. Ganz nahe waren sich die Beiden, wie in einem Liebesreigen, welcher brutaler nicht sein konnte. Mischte sich ein wenig Angst in die Augen des kräftigen Söldners, der einen Hang zur Schwatzhaftigkeit hatte? Die Starre, die Arik für einen Herzschlag lang ergriff, schwand abrupt als der Schmerz durch seinen ganzen Körper zog und sich das gladius durch ihn hindurch und in das Erdreich gebohrt hatte. Der Säbel entglitt seiner nun geschwächten Hand und fiel polternd auf die Steine hinunter, blutbesudelt und schartig von all den Treffern auf Schilden, Metall und Knochen. Jetzt verstummte sogar Arik. Seine Augen bohrten sich in die des Decimers, dann schoß seine kräftige Linke nach oben und umschloß damit den Hals von Serapio. Seine Finger krallten sich in die Haut des Römers, während er gleichzeitig sein Bein anzog, Serapio einen wuchtigen Tritt zu verpaßen, um ihn von sich herunter zu befördern.


    Selbst verletzt, war der Griff und der Tritt des Söldners noch gewaltig genug, um sich erst mal - für wenige Herzschläge lang – aus der Bredouille zu bringen und Luft zu verschaffen. Es war ihm egal, ob er damit den Römer in Sicherheit schickte oder direkt in das Messer eines Feindes. Stöhnend umgriff Arik das gladius und riß es aus seinem Körper hinaus, warf es mit Schwung in eine andere Richtung und rollte sich gerade noch zur Seite, um den Hufen eines Pferdes auszuweichen. Dabei schluckte er auch eine gehörige Portion Staub und Dreck, der ebenfalls in die Wunde drang und gehörig brannte. Doch Arik, der kein Bedürfnis hatte, hier und heute zu sterben, kroch eilends an Soldatenstiefeln und Hufen vorbei, um sich erst mal in Sicherheit zu bringen und außer Reichweite von römischen Schwertern. Keuchend erreichte er eine freie Stelle und rappelte sich erst auf alle Viere auf und erhob sich, die Hand an die Stelle gepresst, wo mit jedem seiner Herzschläge Blut hervor quoll und sich mit dem Lederkollier und dem Stoff seines Schurzes unter der Rüstung mischte. Arik warf einen Blick über seine Schulter. Einen Augenblick lang meinte er das Gesicht dieses Römers zu sehen, der ihn kalt erwischt hatte. Ariks fluchte leise und sehr derb – seine ältere Schwester hätte ihn sicher dafür gescholten – und sah sich schnell die Situation an, die durchaus besser sein konnte. Die Zahl der Römer hatte sich durch das Öffnen der Tür schlagartig verdoppelt und sie in eine schlechtere Position gedrängt.


    Ein Pferd streifte ihn – reiterlos – und Arik ergriff schnell mit seiner noch kräftigen Hand die Zügel. Das Roß wollte sich gegen ihn sträuben, doch Arik schwang sich bereits schnell auf dessen Rücken. Mit den Augen suchte er nach seinem Bruder. Sie mußten nicht lange Blicke wechseln, um sich zu verstehen.
    „Rückzug!“
    , rief Arik bereits. Den Kameraden in der Scheune würden sie eventuell auch noch retten können, aber das Dorf würden sie gewiss nicht halten. Außerdem konnten die Bauern selber sehen, wie sie zurecht kamen. Arik scherte das Bauernpack nicht einen Deut. Arik teilte noch ordentlich Fußtritte aus, ließ das Pferd gegen einen aufdringlichen Römer angehen und nahm langsam, aber sicher die 'geordnete' Flucht auf. Erst dann riß er die Zügel herum, als auch seine Mitbrüder und andere Haudegen sich sortiert hatten, und preschte in die andere Richtung. Sollten die Römer sie verfolgen, würde sich Arik gewiß noch einmal dem Kampf stellen, denn als Schlachtvieh würde er sich nicht benutzen laßen. Wenn nicht, dann wäre Arik erst mal nur froh, noch mal die Haut gerettet zu haben. Über die Schmach einer Niederlage würde er an einem anderen Tag grübeln.

    Es sei denn das greift:


    Zitat

    (2) Stirbt der Imperator Caesar Augustus oder legt er sein Amt nachweisbar freiwillig nieder, so gilt primär sein Nachfolgerwunsch zur Thronfolge


    Man weiß immerhin nicht, was der ulpische Aelier noch alles bestimmen wird.

    Insbesondere, da er das unterschlagen hat


    Zitat

    § 19 Ernennung
    (2) Stirbt der Imperator Caesar Augustus oder legt er sein Amt nachweisbar freiwillig nieder, so gilt primär sein Nachfolgerwunsch zur Thronfolge, sollte er keinen solchen hinterlassen haben, so wird automatisch der ihm am nächsten verwandte männliche Spross der Gens Ulpia gekrönt.