Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Ein Raunen erklang durch die Höhle, wurde von den Wänden aufgefangen und wieder zurück in die Höhle geworfen. Immer wieder mischten sich die Klänge der Flöte, das dumpfe Schlagen der Trommel mit dem Namen des Sonnengottes, der von den Soldaten der verschiedenen Einheiten und Kohorten angebetet und verehrt wurde, wie in jener Nacht, die die Längste des Jahres darstellte und den Anbeginn eines neuen Zyklus, in dem die Sonne immer mehr an Macht gewinnen würde und die Tage erhellen, auch in der Heimat selbiger Männer, die teils aus Italia kamen, manche aus Gallien, Britannia oder Germania. Doch vereinte sie alle der Glaube an den orientalischen Sonnengott. Mit Wohlgefallen verfolgten die Männer den Rauch, der aus dem Blute und dem Opfer aufstieg, um in der Dunkelheit der Höhle zu verschwinden, ihre Gebete und ihr Ansinnen zu dem Gott tragend, wie sie hofften. Der Cornelier neigte andeutungsweise den Kopf als sich Avitus wieder ihm zu wandte. Seine Miene offenbarte durchaus, das er sehr zufrieden war mit dem, was er gesehen und von Avitus gehört hatte. Auch murmelten einige der Männer in der Nähe beifällig. Der Cornelier wandte sich den anderen Mithrasanhängern zu.


    „Brüder, der Segen Mithras wird uns für ein weiteres Jahr ereilen. Mögen wir uns Seiner weiterhin als würdig erweisen. Mögen wir aufrecht und ehrenhaft durch das Leben gehen und nicht vom Pfad abweichen, den wir durch die Lehren des Sonnengottes erhalten haben. Treue und Mut, Ehre und Ehrlichkeit!“
    Zwei Soldaten hoben den Widder hoch und trugen diesen in eine Ecke der Höhle, die von den roten Kohlepfannen nicht erhellt wurde. Eine Fackel nach der Anderen wurde angezündet. Die düsteren Klänge der Trommeln verstummten und die Flöte spielte heller und klarer als zuvor.
    „Brüder, möge das Mahl beginnen, auf das der Gott zu uns herunter steigt und uns das Licht in die Seele trägt. Ein neues Jahr hat begonnen!“


    Und so geschah es dann auch. Speisen wurden herein getragen, von Sklaven, aber auch den Soldaten, und ebenso kräftiger Wein, der in tönernen Bechern den Mithrasanhängern kredenzt wurde. Zwei Gestalten traten an den Altar und legten sich auf zwei große Felle, die wie Löwen- oder Tigerfelle aussahen. Der Eine trug eine Maske mit einem großen Sonnenemblem, der andere – ähnlich wie der Cornelier – die Maske eines Jünglings und jene phrygische Mütze. Beide Gestalten taten so, als ob sie an dem Mahl teil hatten, wenngleich sie das Essen nur andeuteten. Jedoch wurden Beide besonders bevorzugt bedient und die besten Bissen wurden jenen Gestalten dar geboten.


    „Greift zu, Brüder! Lasst uns feiern!“


    Die Wenigsten der Soldaten ließen sich lange bitten, auch Aristides nicht, der die ganze Opferung aufmerksam und interessiert verfolgt hatte, und immer wieder zu den beiden Gestalten nun blickte, etwas ratlos, was das zu bedeuten hatte. Selbst wenn Marcus durchaus eine Ahnung verspürte, ähnliche Riten gab es schließlich auch im cultus deorum. Der Cornelier nahm auf einem Schaffell Platz, wo sich auch Avitus und Aristides am Anfang der Zeremonie hingelegt hatten. Einen Becher in der Hand und ein Stück Fleisch, das der Cornelier zu seinem Mund führte, nickte er Marcus zu und deutete noch einmal seine Anerkennung für Avitus wohl gesetzte Worte an.


    „Gut gesprochen, Artorius!“

    [Blockierte Grafik: http://img409.imageshack.us/img409/473/arikzv1.jpg| Arik Khingyr


    Von weit her kam der Wind, der über das Land strich und auch über das Dorf, der mit Leichtigkeit die Rauchschwaden, die von dem brennenden Haus aufstiegen, zerfetzte und Sand aufwirbelte, ebenso kleine Steinchen. Er schien sich nicht darum zu kümmern, was die Männer zu seinen Füßen trieben. Warum auch? Er hatte auf seinem Weg von weit in der Ferne sehr viel gesehen und unbekümmert mit seinem Hauch gestreift. Das tat er auch bei jenen Männern, die sich unerbittlich schlugen und Hiebe austeilten, die um ihre Leben kämpften oder darum den Sieg zu erringen. Doch viel lieber spielte der Wind in den trockenen Grashalmen am Rande des Dorfes und ließ die kämpfenden Männer ungestört. Arik schöpfte einen Moment Atem als der Wind kühlend über seine Stirn strich, doch gleich darauf führte er weiter seinen Säbel zu vernichtenden Hieben. Ärgerlich wich er einen Schritt nach dem Anderen zurück und fluchte leise vor sich her. Daß sich die Römer als so hartnäckig erwiesen hatte er nicht gedacht, beim letzten Mal hatten sie eindeutig ein leichteres Spiel gehabt. Ein Pfeil sauste über Arik hinweg und zack, schon versenkte sich dieser in dem Hals eines Römers. Der Mann starb noch ehe er den Boden berührte und das Blut den parthischen Boden besudeln konnte. Dennoch mußte Arik erneut einen pes zurück setzen.


    Daß die Bauern nicht lange Widerstand leisten würden, hatte Arik sich schon gedacht, dennoch grummelte er als er aus den Augenwinkeln bemerkte, wie immer mehr von den Ackersmännern das Weite suchten. Jetzt hieß es die Römer einzustampfen oder sie zur Flucht zu bewegen. Das Verlangen zu Töten war übermächtig in Arik und schon stellte er sich dem nächsten Gegner, der in der Reihe von römischen Gesichtern sich im stellte. Verächtlich verzog Arik seinen Mund als er den Jüngling vor ihm erblickte. Na, mit dem würde er ein leichtes Spiel haben.
    „Ihr Römer wähnt euch als Herrn der Welt? Ich zeig Dir schon, Römer, wer heute hier der Herr sein wird!“
    Sein Säbel schnellte nach vorne, in kurzen und heftigen Attacken drang Arik auf sein Gegenüber ein, verringerte mit einem nach vorne setzen seines Fußes die Distanz zwischen ihnen, wich dabei einem Hieb von dem römischen Nachbarsmann desjenigen aus, gegen den er gerade focht.
    „Ihr wolltet einfach zu viel, Römer. Aber hier werdet ihr auf Granit stoßen!“
    Arik stieß mit seinem Schild von unten nach oben und versetzte gleichzeitig mit dem hinteren Drittel seines Säbels einen heftigen Hieb. Direkt in das Gesicht des Römers. Leider erwischte er ihn nicht mit dem Säbel, dafür mit seiner Faust und der Parierstange.
    „Und dann schickt ihr auch noch Kinder in den Krieg. Zu schade, zu schade. Ich hätte mehr von den Römern erwartet!“
    Daß sein Gegenüber ihn wohl schwer verstehen konnte, sagen wir mal eher gar nicht, war Arik völlig gleichgültig. Er redete einfach gerne während des Kampfes, was immer eine Schwäche von Arik war, denn in dem Augenblick als er dem jungen Mann einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzt hatte und die Worte sprach, ließ er sein Schild sinken und offenbarte damit eine Lücke in seiner Verteidigung.

    DER WEG ZURÜCK


    Erst drei Stadien entfernt drehte sich Marcus um, nachdem auch die Prima das Lager verlaßen hatten und sich die Soldaten der Reiterei um das Abbrennen jenes Feldlagers kümmerten. Die Flammen schlugen hoch in den Himmel, der sich über ihnen blau verfärbt hatte und an dessen östlichen Rand die ersten gold-orangenen Flammenzungen von Sol – oder Mithras! - hinauf schlängelten. Blutrot vor dem Sonnenaufgang, die Stadt lag noch im Schatten und wirkte umso unheilvoller durch die verzehrenden Flammen. Einige Herzschläge lang genoß Marcus das Bild, was sich vor ihm ausbreitete und schwieg andächtig. Mit diesem Brand ging der Stoß in die Eingeweide und das Land der Parther zu Ende. Der Feldzug war vorbei, selbst wenn sie noch einige Zeit unterwegs sein würden, ehe sie wieder in friedvollere Gegenden kamen. Ein schaler Geschmack lag auf Marcus Zunge. Grimmig starrte er auf die Stadt und hielt dabei den Griff seines gladius fest umschlungen. Die Männer rauschten an ihm vorbei, Schemen gleichend, die zu einer endlosen Masse von Gesichtern verschwammen. Erst als seine Einheit schon einige passi an ihm vorbei waren, riß sich Marcus von dem Anblick los und folgte den Männern, weg von der Stadt und zurück...in Richtung Heimat.



    ...UND EIN LETZTES GELEIT


    Es war einer jener heißen Tage in dieser Jahreszeit als es an ihnen war, die Bahre des Kaisers auf ihren Schultern zu tragen. Als die Prima - die doch so viel darauf gehalten hatte, die Legion des Kaisers zu sein, und die ihm in dem Bürgerkrieg vor vielen Jahren treu zur Seite gestanden hatte, loyal zu der kaiserlichen Familie - die Bürde des Geleits auf sich nahm und der Corpus des Kaisers, geschmückt und prachtvoll ausgestattet, auf der massiven und schweren Bahre von Zenturie zu centuria gereicht wurde. Und so auch zu der Zweiten. Jeder der Soldaten sollte an diesem Tag den Kaiser mit seinen Händen und Schultern tragen, ihn durch das feindselige Land in die Heimat bringen, wo er ehrenvoll bestattet werden konnte. Darum sollten sich die Soldaten nach einer gewissen Zeit ablösen laßen, immer einer nach dem Anderen, damit der Zug nicht ins Stocken geriet. Sowohl Sparsus, aber auch er würden jedoch die ganze Zeit lang die Bahre mittragen. Marcus vorne und Sparsus weiter hinten, so zumindest hatte Marcus es noch am Morgen befohlen, als sie erfuhren, daß die Ehre heute auf die Prima fallen würde.


    Schritt für Schritt trugen sie den toten Imperator auf ihren Schultern. Die Rüstungen blitzten im Sonnenlicht, gemeßen waren ihre Schritte, die Gesichter betrübt und gedrückt – Marcus hing auch seinen düsteren Gedanken nach. Jener Mann war ihm noch vor wenigen Jahren so vital vorgekommen und im Feldzug war er stets besonnen gewesen, hatte sie von einer Schlacht zur Anderen geführt, die Soldaten hatten seiner Führungskraft vertraut; Marcus hatte geglaubt, der Kaiser wäre unsterblich, unverletzbar, ein Fels in der Brandung. Und nun trugen sie ihn durch das Land, was er erobern wollte. Von einem Pfeil durchbohrt und getötet. Marcus Gesicht offenbarte die bitteren Gefühle, die er hegte. Schritt für Schritt marschierte er weiter, dem Kaiser die Ehre erweisend, die er sich in seinem Leben als großer Mann, als herausragender Kaiser verdient hatte. Schritt für Schritt lief Marcus und dachte darüber nach, was den Kaiser so heraus ragend gemacht hatte. War er einer, der nach vorne stürmte und mit großen Worten beeindrucken wollte? Gewiß nicht. Die Würde, die jener Mann ausgestrahlt hatte, die hatte Marcus tief in seine Seele beeindruckt – womöglich lag es auch daran, daß Marcus immer eine Vaterfigur in seinem Leben gefehlt hatte. Schritt für Schritt marschierte Marcus weiter, die Bahre tragend...

    Marcus war es gleichzeitig warm, hitzig, fiebrig, aber auch kalt und frostig, als sie in der Dunkelheit in der Gaße standen und der kühle Nachtwind an ihnen vor bei strich, wie ein listiger Dieb, der sich in die Zelte stahl, die Soldaten frieren ließ und eilends wieder aus dem Lager verschwand, ohne daß man ihm habhaft werden konnte. Verwirrt sah Marcus in das Gesicht des Decimers und versuchte den Sinn hinter den Worten zu erlauschen, die manchmal Sinn machten, an anderer Stelle wiederum Marcus nur sehr verwirrten.
    'Siehst Du? Ich habe es doch gleich gesagt!'
    'Humbug, der Junge hat es nur nicht gesehen, weil er nicht auserwählt ist!'
    Beide Stimmen begannen, sich heftig zu streiten. Marcus hob die Hand und hielt ein Ohr zu, doch es half nicht. Resigniert seufzte er und nickte nachgiebig.


    „Ja, das...“
    Was wollte Marcus gerade noch sagen? Er blinzelte in die Dunkelheit und dachte angestrengt nach. Das war gar nicht so einfach bei dem Tohuwabohu an Stimmen um ihn herum.
    „...Lazarett...genau! Geh schon mal vor, Decimus! Ich sehe nur mal noch nach...!“
    Wonach? Marcus, der sich gerade auf dem Absatz umdrehen wollte, blieb stehen. Ihm war ganz schummrig zumute.
    „Ich glaube...“
    , begann Marcus und ging dann doch in Richtung des valetudinarium.
    „...die Hellenen können bestimmt so etwas bauen. Die sind ganz gewitzt...ganz sicher. Warst Du schon am Museion? Dort wirst Du so etwas bestimmt auch sehen. Jawohl!“


    Zielstrebig und ohne eine Antwort abzuwarten, schlug Marcus sich in eine andere Lagergaße. Wenn er Tage später an jenen Abend zurück dachte und alles, was in dem Zelt vonstatten gegangen ist, so legte sich ein dämpfender Schleier über all jene horae, auch, was sonst noch in dieser Nacht paßiert war. Und vielleicht war das auch besser so und man vergaß ganz schnell überhaupt jenen Abend, insbesondere, daß sie in das Zelt zitiert wurden.

    Rums! Heftig schlug Marcus gegen die Tür, sinnlos, unersprießlich, die Tür erzitterte zwar und Marcus hatte das Gefühl, er hätte es beinahe geschafft und die Tür würde unter der Wucht seines Körpergewichtes aufbrechen, doch vergebens. Mit jedem Atemzug drang der stickige Rauch in seine Lungen. Ah, ein Eisen! Marcus nickte zufrieden als Serapio dieses in der Dunkelheit und all dem stickigen Rauch fand. Die Tränen schoßen Marcus ins Gesicht und mit jedem Atemzug wurde die Luft schwerer, machte ihn benommener und schwächte ihn. Er griff mit an das Eisen, um die Tür auf zu stemmen. Immer mal wieder glitt er an dem Metall ab, sein Griff war auch nicht mehr kräftig genug. Brennende Zweige fielen herunter, an einer Stelle brach das Dach bereits ein und Funken stoben auf, brannten sich in Marcus Nacken, der heftig einatmete, einen Schwall von Rauch ein sog und einen Hustenanfall bekam. Gerade in dem Moment rutschte er ab und taumelte zur Seite. Ein anderer Soldat hastete an seinen Platz, um weiter die Tür zu bearbeiten, während es vor seinen Augen zu tanzen und zu gleißen begann. Von draußen waren laute Rufe zu vernehmen, doch sie drangen nicht bis an seinen Ohren heran. Erst als er ein lautes Schaben hörte und die Tür mit einem Mal auf schwang, schien die Wirklichkeit, die sich unendlich zu dehnen schien, an ihn heran zu kommen. Der erste Soldat stürzte bereits aus dem nun lichterloh brennenden Haus, andere folgten ihm. Marcus sah sich um und bückte sich, um einen der Soldaten, der bereits gestürzt auf dem Boden lag, am Arm hinter sich her zu ziehen. Mühsam schleppte sich er – mit dem Soldaten – nach draußen und brach vor der Hütte schier zusammen. Keuchend und hustend stützte sich Marcus mit allen Vieren auf den Boden ab. Sein Gesicht war geschwärzt, seine Augenbrauen versenkt und sein Hals und seine Lungen schienen - ebenso wie das Rauchhaus - zu brennen.


    Um ihn herum tobte es und vor ihm kämpften die römischen Soldaten. Marcus hob seinen Kopf an und sah die Misere. Reiter, die gegen die Römer kämpften, sich gegen die zwei übrig gebliebenen Reiter der Prima schlugen und ein paar Bauern mit ihrer Geräteschaft, die nun als Waffen dienten. Unter großer Kraftanstrengung erhob sich Marcus und zog sein gladius aus der Schwertscheide hervor, um sich ebenfalls in den Kampf zu stürzen. Mit seinem Schwert stieß er in das weiche Fleisch eines der Pferde – Ariks Roß – das Pferd brach zusammen und der Reiter konnte sich gerade noch gewandt vom Rücken schwingen, ehe er unter dem Gewicht des Pferdes begraben wurde. Marcus schlug mit seiner Waffe zu. Ein Brüllen neben ihm, ein Kamerad wurde getroffen. Nur wenige Herzschläge konnten vergangen sein und doch hatte Marcus das Gefühl die Zeit schien sich in die Endlosigkeit zu dehnen, gefüllt mit Stichen, Hieben und Schreien. Marcus spürte einen Hieb in seinem Gesicht, schmeckte das Blut auf seiner Zunge, jener unverwechselbare metallische Geschmack. Er taumelte einen Augenblick, aber ließ sich nicht lange davon aufhalten. Zustechen, parieren, zustechen, die Attacke anführen, den Gegner nicht zur Ruhe kommen lassen, auf die Deckung achten, zustechen. All das, was er seinen probati stets eingebläut hatte. Marcus rammte die Waffe einem der fremden Kämpfer in die Brust, tief, bis zu seiner Parierstange bohrte sich er sich mit seinem Schwert durch den anderen Körper, als ob er durch weiche Butter glitt.


    Gerade wollte er das Schwert heraus reißen als er einen brennenden Schmerz spürte. Erstaunt sah er an sich herunter und drei grobe Spitzen an seiner Seite heraus ragen, von einer Heugabel. Er blickte auf und in das triumphierende Gesicht eines Jünglings, kaum zwanzig Lenze alt, der die Mistgabel zurück riß. Marcus wankte, spürte das warme Naß seines Lebensodems an seinem Torso herunter tropfen, dann fiel er. Mitten in die feindlichen Linien hinein, eine Lücke in den römischen Reihen reißend. Die Gegner waren über ihn, er spürte noch einen heftigen Schlag, ein Pferd, was über ihn kam und Hufen, die über ihn traten, ein weiterer gewaltiger Schmerz, dann wurde es zappenduster um ihn herum.

    [Blockierte Grafik: http://img264.imageshack.us/img264/282/scatori8.jpg] | Servius Salassus Scato


    Die Sonne blendete Scato einige Atemzüge lang, er blinzelte und taumelte an einer der Koten vorbei, ein Hund kläffte und er hörte das Klappern von Hufen. Mit der Hand an der Lehmmauer der Kaluppe gestützt orientierte sich Scato. Der Kampfeslärm kam von der Mitte des Dorfes, er sah auch Rauch von dort aufsteigen. Gerade wollte er sich in eine andere Richtung abwenden, um vor den Söldnern zu fliehen, aber auch - wie er meinte – wohl den parthischen Truppen, die das nur sein konnten. Drei Schritte konnte er machen als jemand, der immer wieder seinen Kopf nach hinten wandte, gegen ihn rannte und zu Boden fiel. Mit Tränensäcken umrandete Augen starrten zu Scato hoch, der Bauersmann rappelte sich hastig auf und wich einige Schritte zurück, wobei er etwas in seiner Sprache murmelte und eilends zwischen anderen Hütten verschwand. Scato stierte ihm verwirrt hinter her und wollte weiter gehen als seine Füße auf etwas Hartes traten, das sich in seine dünnen Sohlen hinein bohrte. Scato sah nach unten und erblickte einen Schlüssel. Verwundert hob er ihn hoch als ein Wiehern hinter ihm ertönte. Scato drehte sich um und sah ein Pferd vorbei laufen, in Richtung des Flusses. Einen verletzten Reiter, der immer mehr an dem Pferd herunter rutschte. Der ehemalige Gefangene stutzte, dann öffnete sich sein Mund und er entließ ein Dankesruf an die Götter. Römer! Römische Soldaten. Scato war nicht töricht genug anzunehmen, sie wären wegen ihm hier, aber die Götter hatten es dennoch gut mit ihm gemeint. Scato nahm nun seinerseits die Beine in die Hand und rannte - so schnell es seine verbleibenden Kräfte erlaubten – auf die Dorfmitte zu. Und was er dort sah, vermochte nicht seinen Optimismus zu schüren. Römische Legionäre, die mit den Söldnern kämpften und zudem noch von Bauersleuten angegangen wurden. Außerdem ein Haus, was bereits in Brand stand. Aus dem Dach loderten große Flammenzungen hervor, eine Feuersbrut, die ihren schwarzen Rauch in den Himmel spuckte. Einer der römischen Soldaten rüttelte an der Tür zu dem Haus und versuchte wohl sie zu öffnen. Wie auch von Innen heftige Schläge zu hören waren und Rufe. Scato stutzte und sah auf den Schlüssel in seiner Hand.


    [Blockierte Grafik: http://img409.imageshack.us/img409/473/arikzv1.jpg| Arik Khingyr


    Das Blut des Römers tropfte noch an seinem Schwert entlang, der Rausch des Kampfes pochte in den Ohren von Arik, dessen Blut völlig in Wallung geraten war. Die Hufen klapperten laut als er seinem Bruder und Mitbrüdern in den Kampf gefolgt war. Die armseligen Häuser der Bauern zogen an ihm vorbei und schon hatte er die Römer ausgemacht. Ein lautes Grölen auf den Lippen und immer wieder ein „Hej! Hej!“ ausrufend, mit dem er sein Pferd antrieb, preschte Arik mitten in die Soldaten hinein, die sich erstaunlich schnell organisiert und bereits eine Schildreihe formiert hatten, ein Speer verfehlte Arik nur knapp, zischte an seinem Ohr vorbei. Neben ihm brach einer der Pferde eines anderen Haudegen zusammen. Schon waren zwei dieser römischen Soldaten über seinem Mitbruder und stachen auf ihn ein. Wütend knurrte Arik und ließ seinen Säbel todbringend auf einen der Fußsoldaten herunter sausen. Ein Hieb, noch ein weiterer, drei, vier, fünf, er stach und stach, stieß durch Rüstungen, an Schilden vorbei und traf erneut auf Fleisch. Dabei bemerkte Arik nicht, daß sein Gefangener an den Reihen vorbei lief. Auch den Ruf, mit dem sich der Soldat gegenüber den Mitrömern zu erkennen gab, vernahm Arik nicht, der leise murmelnd – er konnte im Kampf nicht still sein – sich weiter schlug. So nahm er auch nicht Notiz davon, daß Scato den Schlüssel in das Schloß steckte und herum drehte.

    [Blockierte Grafik: http://img264.imageshack.us/img264/282/scatori8.jpg] | Servius Salassus Scato



    Die spröden Handfesseln brannten auf seine Handgelenken, schabten über bereits wunde Stellen an der geschundenen Haut entlang, dennoch drückte Scato sie fester an die Holzkante des Tierverschlages. Dort hatte ihn einer der Söldner hinein gestoßen, hastig, da sie sich für einen Kampf bereit gemacht hatten. Das Holz war an vielen Stellen brüchig und rau, und die letzte Hoffnung für Scato doch noch zu entkommen. Immer wieder ließ er das Seil schnell über die unebene Kante hinweg gleiten. Hoch und runter, runter und hinauf! Von weiter hinten im Stall hörte er das Stöhnen des Verletzten, eine Ziege meckerte und zerrte ebenfalls an einem Strick, die Insekten summten um ihn herum und eine Spinne kroch über das Stroh, glitt mit ihren acht Beinen an dem Holz entlang und verharrte einige Zoll von Scato entfernt. Faser für Faser brach das Seil auf, draußen ertönte Lärm eines Kampfes. Rufe, Schreie, das Klirren von Waffen, es war altbekannt in den Ohren von Salassus. Schließlich war es so weit, das Seil hing nur noch an einer einzigen Faser zusammen, mit aller Kraft zog Scato daran und riß es entzwei, hastig knotete er das Seil an seinen Füßen auf und erhob sich. Es schwindelte einige Herzschläge um ihn herum, er warf einen Blick zu dem Verletzten, der jedoch in ganz anderen Sphären wandelte und von den irdischen Leiden kaum noch etwas wahrnahm. Schon lief Scato zu dem offen stehenden Scheunenausgang und stürzte nach draußen, um diesem Söldnerpack zu entfliehen.



    [Blockierte Grafik: http://img525.imageshack.us/img525/3039/valenushq6.jpg| Gnaeus Velius Valenus


    Einem dieser Wirbelwinde gleichend stürzte die Reiterschar aus der Scheune. Ähnlich wie die Wolken, die in der Wüste wie aus dem Nichts auftauchten, obwohl eben noch der Himmel klar und blau war, doch schon im nächsten Augenblick waren Mensch und Tier in dem dichten Sandgestöber eingehüllt, der sie nicht mehr entkommen laßen wollte. Hastig riß Valenus sein Schwert heraus, das deutlich länger als das der Fußsoldaten war, und konnte es im letzten Moment hoch wirbeln als einer der Unbekannten ihn angriff. Sein Pferd machte einen Satz zur Seite, doch mit dem Schenkeldruck lenkte Valenus sein Roß zurück, stieß mit seinem runden Schild zu, lenkte mit seinem Schwert einen weiteren Hieb ab und fluchte leise, nicht eher die Gefahr erkannt zu haben, die nun über sie herein brandete, unaufhaltsam und eindeutig gefährlicher als das Bauernpack. Stumm und verbissen kämpfte Valenus, gleichwohl sein Gegner immer wieder kräftige Laute von sich gab, in einer fremden Sprache, aber Valenus war es gleich gültig, er sparte sich seine Kraft. Dennoch offenbarte Valenus eine Lücke in seiner Verteidigung, der fremde Reiter sah sie und nutzte sie. Das Metall drang zwischen Valenus Rüstung hindurch und in sein Fleisch. Der Römer keuchte heftig und verlor in dem Augenblick seine Waffe, die ihm aus der kraftlosen Hand glitt. Ein Schlag an seiner Schulter und Valenus rutschte halb den Sattel hinunter. Er hörte das Galoppieren und sah noch, wie der Söldner davon stob und seinen Kameraden in die Stecherei folgte. Mit Mühe hielt sich Valenus am Sattel fest und flüsterte leise den Namen seines Pferdes, das einige Herzschläge lang unruhig auf und ab tänzelte und dann in Richtung des Flußes trabte.

    DER WEG ZURÜCK



    Frisch wehte der Nachtwind durch das Lager, klar war die Nacht und damit umso kälter. Die Augen verengt stand Marcus inmitten all der Zelte der zweiten Zenturie, um sich herum die arbeitenden Soldaten, die Zelte abbauten, das Tuch zusammen schlugen und von Dreck befreiten, die die gemeinschaftliche Ausrüstung auf die Tiere packten und ihr Marschgepäck unterbrachten, so daß sie es gut über die Schulter tragen konnten, selbst einen ganzen Tag lang und unter widrigsten Bedingungen. Marcus spähte jedoch zu den Sternen hinauf, die schwach am Himmel blinkten und flirten. Es fröstelte ihm nicht, aber er trug den Rüstschutz und einen dicken Umhang, während er ab und an im Zeltlager entlang lief und Anweisungen gab, wo bestimmte Dinge hin sollten, auf welche Wägen, welche Geräteschaft kam. Nur wenig Zeit blieb Marcus, um mal auch zu der Stadt zu spähen, die düster und dunkel sich in den Nachthimmel erhob, einige Fackeln brannten auf den Mauern, aber Gestalten der Parther konnte Marcus nicht ausmachen. Ob sie sich freuten? Jubelten sie und würden sie morgen feiern, die Römer in die Flucht geschlagen zu haben? Sicherlich würde ihr General das so verkaufen! Marcus seufzte und riß seinen Blick von der entfernten Stadt ab.


    Auch Marcus erreichte ein Melder, in der Ferne hörte er einen cornicen. Mit einem Nicken schickte Marcus den Melder davon und ließ die Soldaten weiter arbeiten, während schon die ersten Soldaten abzogen, die erste Legion das Lager verließ. Einige der Männer aus seiner Einheit standen immer noch auf dem vallum, beobachteten die Stadt und würden sie warnen, sollten die Parther auf den Gedanken kommen, jetzt noch einen Ausfall zu wagen, jetzt, wo sie abzogen und ihnen somit das Feld überließen. Schließlich war es so weit, seine Einheit hatte zusammen gepackt und die Männer waren Abmarsch bereit. Marcus zog einen der Soldaten zur Seite und schickte ihn – mit Meldung für den praefectus – zur principia. Das signum wurde in die Mitte der Reihen aufgenommen, der cornicen blies in sein Horn. Marcus spähte in den Himmel, der sich schon marginal heller verfärbt und einen königsblauen Ton angenommen hatte.

    Ein Raunen ging durch die Reihen hinter Marcus, viele Soldaten tauschten Blicke aus, manch einer murrte leise, denn das bedeutete schließlich, daß sie keine Rache an den Parthern üben würden - kein Gegenschlag und kein Niederbrennen ihrer Stadt. Auch Marcus zog einige Herzschläge lang seine Augenbrauen zusammen, so daß sich eine steile Falte zwischen ihnen bildete, eine tiefe Grube in seiner Haut, die von seiner eigenen Unzufriedenheit sprach, schließlich tobte auch in Marcus der Orkan des Zornes. Aber zwischen all dem Wüten tauchte ein kleiner Funke auf, denn es schwante ihm, daß sie nun nach Hause zurück kehren würden. Einen schalen Beigeschmack würde der Rückzug haben, es erschien Marcus weder glorreich, noch heldenhaft, aber es ging nach Hause. Zurück zu seiner Familie, zurück nach Rom und weg von diesem Krieg. Dennoch brodelte es noch unter der Oberfläche der Männer, selbst wenn Marcus mit Blicken und einigen mahnenden Worten sie zur Ruhe brachte. Als das getan war, sah Marcus nach vorne und wartete, ob der Tiberier die Legion nun entließ oder noch etwas zu sagen hatte.

    Wolken zogen sich über das dunkle Firmament und verschluckten alle Sterne und den Mond, der immer nur einige Herzschläge lang durch das Gewölk hervor blitzte. Doch selbst der Schein des Mondes konnte nicht Marcus Gedanken klären. Es erschauerte immer wieder, wenn er an das zurück dachte, was er eben noch in dem Zelt gesehen hatte. Doch es war nicht zu leugnen, selbst als mit jedem Schritt das praetorium immer weiter in die Ferne zu rücken schien und der Gnom schon lange nicht mehr zu sehen war. Mitten in der Lagergaße blieb Marcus stehen und wandte sich zu Serapio um, als dieser seine letzten Worte offensichtlich nicht verstand. Er blinzelte einige Male und wirkte ganz blaß im Lichte Lunas.


    „Du hast es doch auch gesehen, Decimus, hm?“
    Wie konnte es auch anders sein?
    „Er ist ein Anthropoid...“
    Flackernd waren die Augen von Marcus. Fiebrig wirkte er, doch von den Schmerzen seiner Verletzungen spürte Marcus wenig, dank seiner Kräuter.
    „Der Legat! Er ist ein...Anthropoid!“
    , wiederholte Marcus eindringlich. Ein anderes Wort kannte er für so ein Ding nicht.
    „Ein hellenisches Konstriktutum oder so!“
    Marcus hob die Hand und fuhr sich über seinen Nacken, etwas konfus. Er schüttelte den Kopf.
    „Ich glaube...“
    , begann Marcus unheilvoll und starrte die Lagerstraße zurück. Dorthin, wo sie gerade das Zelt verlaßen hatten.
    „...die Prima wird unterwandert. Von gefühllosen und unmenschlichen....Dingern!“


    Wem war das Ganze nützlich? Warum taten die Hellenen das? Oder waren es doch mehr die Hebräer? Etwa am Ende die Parther? Erst das Verschwinden von Livianus, dann diese Maschine, die nun ihr Heer anführte. Marcus war ratlos und fühlte sich heillos überfordert. Mit erschütterter Miene und völlig ernsthaft – nein, es breitete sich kein spöttisches Lächeln in seinem Gesicht aus! - sah Marcus zu Serapio. Plop! Plop! Dadadadadamdadadadadam!
    'Der Gnom wird es ihm vielleicht nicht gezeigt haben!'
    'Wenn er es nicht gesehen hat, dann war es auch nicht echt!'
    'Nicht echt? Du hast es mit eigenen Augen gesehen! Pah, von wegen nicht echt!'


    Dem konnte Marcus nicht widersprechen, stumm nickte er. Er hatte es mit eigenen Augen gesehen, Metallteil für Metallteil, seltsame Räder nach spleenigen Konstrukten. Gebannt sah Marcus den einzigen Zeugen dieser Szenerie an. Schließlich mußten sie doch etwas tun, den Kaiser warnen, die Götter anrufen. Was auch immer!

    Würzig drang der Duft von geräuchertem Fleisch in Marcus' Nase, verlockend baumelte der Schinken direkt vor seiner Nase, beleuchtet von dem schmalen Streifen Sonne, die durch die offenen Tür hinein fiel. Ein genüßliches Lächeln breitete sich auf Marcus Gesicht aus. Hm!, dachte er sich und seine Hand zuckte zu seinem pugio, den er gleich darauf heraus zog. Es war doch schließlich seine Pflicht, den Schinken zu kosten. Am Ende war er noch vergiftet und seine Soldaten würde es übel ergehen, man kannte doch die Tücke der Parther. Schon hob Marcus den Dolch, schnitt ein Stück von dem Fleisch ab und steckte ihn sich in den Mund. Oh, war der herrlich, ein Götterschmaus erschien das Fleisch auf Marcus' Zunge zu zergehen, nach all den Wochen der Entbehrung, die sie nun durchmachen mußten, so tief im Feindesland und fern von freundlichen Nachschublinien. Nein, mit einem Bißen war noch lange nicht geklärt, ob der Schinken wirklich vergiftet war oder nicht. Gänzlich selbstlos schnitt sich Marcus darum noch etwas von dem Schinken ab und ließ das Stück in seinem Mund verschwinden. Salzig und fleischig zerging auch dieses in seinem Mund, das Fleisch ließ ein markantes Gewürz erschmecken, was zum ersten Mal Marcus' Gaumen berührte und er somit schwer erkennen konnte. Noch ganz versunken in dem weltlichen Genuß merkte er nicht, wie sich die Tür immer mehr dem Haus näherte und plötzlich zuschlug.


    Auf ein Mal war es zappenduster um sie herum, Marcus verschluckte sich an dem Stück Fleisch und fing an heftig zu husten, während er das Poltern hörte als sich die Männer gegen die – wie sich nun heraus stellte – solide Tür warfen. Marcus wirbelte herum, ein Knistern ertönte in seiner Nähe und der Rauch kitzelte seine Nase. Von draußen vernahm er die Rufe der anderen Soldaten und ein kräftiges: „Eine Reihe bilden! Schilde hoch!“ Irritiert zog er seine Augenbrauen zusammen, denn das Hufgeklapper konnte schwer von den Bauern kommen. Schon knisterte es im Gebälk des Rauchhauses und dichte Rauchschwaden zogen in das dunkle Innere. Flammen züngelten über das Reetdach, um munter von Ast zu Ast zu springen, in dem Reigen, das die Römer in seinem Gedärm zu ersticken und zu verbrennen. Marcus Konfusion verflog schon nach wenigen Herzschlägen, auch als der Rauch beißend in seine Lungen eindrang und in ihm kratzte. Schnell trat er zu der Tür und schob einen der Soldaten zur Seite und meinte zu Serapio – den er im Moment nur als Schemen ausmachte.


    „Auf Drei - gemeinsam gegen die Tür werfen. Eins, zwei...“
    Marcus ging einen Schritt zurück - um etwas Anlauf zu haben - und rief:
    „Drei!“
    Dann donnerte er gegen die Tür, die ihm stand hielt.
    „Noch einmal! Eins, zwei, drei!“
    Erneut schlug Marcus mit der Schulter dagegen. Metall schabte über Holz, die Tür erzitterte.
    „Noch mal! Eins...zwei...“
    Das Feuer fraß sich rasend schnell durch das Dach und füllte das Haus bereits mit den brennenden Schwaden.

    [Blockierte Grafik: http://img409.imageshack.us/img409/473/arikzv1.jpg| Arik Khingyr


    Die Schenkel fest an das Roß gepresst, die Zügel eisern in der Hand und bereit nach draußen zu reiten. Arik spürte die Muskeln seines Roßes unter sich arbeiten, hörte das leise Stampfen der Hufen auf dem erdigen Grund. Die Begierde nach draußen und in eine Stecherei zu reiten übertrug sich auf sein Pferd. Die Sonne drang durch die schiefen Bretter in die Scheune, malte lange gelbe Flecken auf dem Boden und spiegelte sich auf der blank gezogenen Waffe wieder, die Arik in der breiten Faust hielt. Einer ihrer Mitbrüder von der Schlägerschar spähte durch eine Lücke hindurch, um das Feld, auf dem sie sich schlagen wollten, zu observieren. Dicke Schmeißfliegen summten in der Luft, angelockt von dem Dung der Tiere, dem Schweiß der Männer und dem Gestank, den der Verletzte ausdünstete. Die Fliegen dröhnten mit ihren grün schillernden Flügeln und setzten sich auf die Rundungen der Pferde, die mit ihren Schweifen nach den kleinen Plagegeistern schlugen, die Insekten berührten immer wieder die Männer, die, angespannt und aufmerksam, sie nur träge mit der Hand zur Seite fegten. Ohne ein Blick auf das Getier zu werfen, hob Arik seine Hand und fing einer dieser dicken Brummer in seiner hohlen Hand. Es summte und brummte in seiner Faust. Arik verspürte eine marginales Kitzeln an der Innenseite der Hand, die von den vielen Waffengängen und der Arbeit Schwielen und viel Hornhaut trug. Langsam drückte Arik die Faust fester zusammen. Das Surren in seiner Pranke hörte auf, er öffnete seine Faust und ließ das tote Insekt auf den Boden herunter fallen.


    Ein Wiehern ertönte von Draußen. Sein Roß hob seinen Kopf und trompetete zurück, Arik seufzte und rollte mit den Augen, sah dabei entschuldigend zu seinem Bruder, aber so sehr Arik das Kämpfen liebte, so sehr war sein Pferd hinter Stuten her- und somit gegen etwaige Rivalen. Kein Vertun, kein Zaudern, Arik hob die Hand, Skorab, der Held der griechischen Galeeren und ein gewiefter Messerstecher, stieß die Scheunentore auf. Schon galoppierte Arik voran und hinaus in die strahlende Sonne, den langen Säbel nach oben gereckt und ein tiefes und freudiges Lachen auf den Lippen, das sich aus dem tiefen Inneren seines Selbst über die Kehle nach außen gebahnt hatte. Wild und mit großer Freude preschte Arik voran und direkt auf den römischen Reiter zu, der sein Pferd zu ihnen herum gerißen hatte und sein Schwert zog, um sich gegen Arik zu verteidigen. Da war doch etwas wie ein Plan gewesen? Sein Bruder, so schlau wie immer, hatte es gut ausgetüftelt, aber in dem Moment wo Arik mit seinem Säbel auf dem Römer herunter schlug, war die Taktik vergeßen. Auch die anderen der Schar stürzten sich in den Kampf, gegen die überraschten Römer, die sich vor dem Räucherhaus umdrehten.

    Dunkelrot spritzte das Blut hervor, aus dem Schnitt des Artoriers, eine Fontäne ergoß sich über Hände, über Gewänder und den Boden, aber auch in die Schale floß es, glitt über kühles Metall, um sich in der tiefsten Kuhle des Silberbleigemisches zu sammeln und eine rote Lache zu bilden. Unaufhörlich schien es aus dem Hals des Tieres zu sprudeln. Kein Blöcken und kein Laut kam von dem Tier, es stand einige Herzschläge ganz ruhig, dann brach es mit einem Mal zusammen, als die Beine einfach weg zu sacken schienen. Die Schale war mit reichlich Blut gefüllt. Doch noch mehr von dem roten Lebenodem floß noch über den steinernen Boden der Höhle, vermengte sich mit Steinstaub und Erdkrumen und bildete eine Lacke, die sich in einem langen Oval bis zum Rande des Altars hinzog und an dessen Sockelrand zu einer scharfen Gerade formte, gezwungen durch die Form des Holzes. Der Soldat, der eben noch den Widder an den Hörnern gehalten hatte, zog einen geschwungenen Dolch und beugte sich über den Widder. Mit einem schnellen Schnitt trennte er ihm die Hoden ab und legte sie in die Schale, die Avitus für das Auffangen des Blutes genutzt hatte.


    „Allmächtiger Mithras, soli invicto, rupe nato, Ordnung der Welt, Träger des unsterblichen Lichtes und Beschützer der Menschheit, wir bringen Dir das Blut dieses Tieres dar, seine Kraft, auf daß es Dir zur weiteren Unsterblichkeit gereichen wird. Wir sind Deine Söhne! Wir danken Dir für Deine Gnade!“


    Langsam sanken die Arme des Corneliers wieder herunter, als ob sich schwarze Flügel vor dem Lichte von goldenen Fackeln herunter neigten. Das Licht umrahmte ihn mit einem goldenen Schimmer. Mit einer Hand deutete Cornelius auf die Kohlepfanne, die neben dem Altar stand und einen düsteren roten Schein in die Höhle warf und die gemalten Gesichtszüge auf der Maske des Cornelius mit ein dunkelroten Glast belegte. Auch die nächsten Worte offenbarten, was der Cornelier mit der Gestik an Avitus meinte.


    „Mögen die Gaben in der Hitze des Feuers aufgehen und der Rauch zu Dir steigen, oh Mithras!“

    Livid in der Farbe strahlte der Mond vom Himmel, klar umrissen in Formen und Rundungen, blass und kalt beleuchtete der Schein die hunderte Zelte, die sich dicht an dicht reihten. Lange kantige Schatten vermischten sich mit der Lichtlosigkeit, die der dunkle Hauch der Nacht mit sich brachte. Das schrille Lachen des kleinen, dicklichen Wesen hallte in Marcus Ohren nach, der nächtliche Wind, kühl und klar, trocknete die wenigen Schweißtropfen, die auf seine Stirn getreten waren. Zwischen seinen Lippen drang der schnelle Atem und seine Augen wandten sich noch ein Mal dem Zelt des praetorium zu. Ein Anthropoid! Marcus konnte es immer noch nicht faßen. Aber ganz offensichtlich hatten sich die ominösen Stimmen, die ihn immer mal wieder besuchten, seitdem er das Kraut des Medicus zu sich nahm, eine bereits vorgefasste Meinung von dem, was gerade in dem Zelt geschehen war. Von all den Enthüllungen, die ihm der dicke Gnom gemacht hatte als er Metallplatte für Metallplatte von dem Anthropoidenlegaten abgeschraubt hatte und das metallene Gewicht, das an Stelle des Herzens in dem Anthropoiden sich bewegte, offenbarte.


    'Siehst Du! Das erklärt alles! Alles!'
    'Hör nicht darauf, Marcus! Das ist der Lug eines Daimon!'
    'Die Hellenen! Sie wollen die Römer unterwandern! Und hier machen sie ihren Anfang! Darum ist Livianus verschwunden! So soll die Zukunft der Prima aussehen!'


    Schwere Schritte ertönten, das Klacken von benagelten Sohlen über steinigen Grund: 'Hoh!, Hoh!, Hoh!' erklang in ihrer Nähe. Ein Trupp von Soldaten kam um die Ecke gebogen, in die Richtung des intervallum strebten die Männer. Grau waren ihre Uniformen in der Nacht. Ihre Gesichter erschienen monoton und konturenlos. Ihre Mienen waren triste, ihre Bewegungen gleichförmig. Im gleichen Schritt marschierten sie an ihm vorbei. Gleich, gleichförmig, angepaßt, Marcus starrte ihnen hinter her und blinzelte noch einige Male. Immer verzerrter schien ihm die Wirklichkeit, umrahmt von dem Hauch des Surrealismus, den er nicht einzuschätzen vermochte.


    'Da, siehst Du es! Der Anfang ist getan. Bei Serapio will er es fortsetzen!'


    Marcus nickte stumm und sah sich weiter im Lager um. Rums! Rums! Rums! Ein Soldat schleppte Fäßer, die er mit einem lauten Rums auf einen Wagen lud. Immer wieder und wieder, stoisch, emotionslos, in der gleichen unsinnigen Bewegung. Dadadadamdadadadamdadadam! Mechanisch polterte es durch das Lager, einem eisernen Herzen nicht ungleich und es kam aus der Mitte des Legionslagers. Dadadadadamdadadadadam! Klack! Klack! Klack! Schablonenhaft eilten Männer vorbei. Sie liefen die Lagergaße hoch und runter, trugen Kisten und Werkzeuge. Ein gedrungener Mann schlug unaufhörlich mit einer Axt auf einen Holzklotz ein und warf immer wieder einen ängstlichen Blick zu der Mitte des Lagers. Schweiß stand auf der Stirn des Mannes, doch er hämmerte und klopfte und schlug. Die Erschöpfung ließ ihn wanken.


    'So sieht die Zukunft der Prima aus. Des ganzen Imperiums, wenn die Anthropoidenmeister gewinnen werden!'


    Erschüttert starrte Marcus auf die Szenerie und wandte marginal den Kopf zu Serapio.


    „Mach Dir nichts daraus, miles!“
    Etwas fahl klangen die Worte in Marcus Ohren.
    „Du hast nichts Falsches getan, Junge.“
    Zumindest befand das Marcus. Erst jetzt konnte er die Augen von dem Mann lösen, der wankte und zu Boden brach.
    „Gehen wir!“


    Räder wirbelten durch die Luft, metallische Konstruktionen, die Marcus in dem Leib des Anthrophoiden gesehen hatte. Dadadadamdadadadam! Immer lauter wurde das Pochen an seinen Ohren.
    „Ein Anthropoid!“
    , irritiert blinzelte Marcus und sah über seine Schulter zurück.

    Die folgenden Beiträge sind inspiriert von dem Meisterwerk: Metropolis.



    Ein langjähriger Disput ist unter den Geistes- und Literaturwissenschaftlern ausgebrochen, bezüglich der Handlung dieses Stückes 'Edessa- das praetorium der Prima'. Leider sind einige Rollen in den Wirren des alexandrinischen Museionbrandes verloren gegangen, manche der Schriften konnten auch nicht von den persischen Schriftgelehrten zu Beginn des Mittelalters kopiert werden und viele verirrten sich niemals in die Bibliotheken der großen Stadt Byzanz. Darum laßen sich einige der Passagen nur noch erahnen. Manche Vermutungen gehen in Richtung folgender Handlung, die mit schwarzen Tafeln dem aufmerksamen Leser präsentiert werden sollen. Danach steigen wir wieder in die Handlung ein. Die Autoren jenes Stückes können jedoch nicht für Authentizität gewähren, etwaige Drohbriefe und Beschwerden werden wir von der Sekretärin zwar angenommen, aber nicht an die scribae weiter gereicht, die ihre ganze Kapazität für unsere Produktionen brauchen.





    Und nun weiter in der Handlung!

    [Blockierte Grafik: http://img525.imageshack.us/img525/3039/valenushq6.jpg| Gnaeus Velius Valenus


    Staub wirbelte auf als die Hufen über den Pfad entlang preschten. Die Sonne glänzte warm auf dem rotbraunen Fell von Velius Valenus' Reittier, der mit seinen zwei Mitsoldaten, drei Reiter der Prima, die Gegend auskundschaftete. Mit einer Hand an den ledernen Zügeln lenkte Velius, der die beiden anderen Reiter kommandierte, sein Pferd durch das Knie hohe goldene Gras und auf den Fluß zu. Sein Roß schnaubte und schüttelte die Mähne hin und her, denn heute hatte Valenus die Mähne nicht geflochten, das tat er nur, wenn er sein Roß für Paraden oder Appelle her richtete. Sein alter Freund – Tempestas – begleitete ihn schon seit sieben Jahren, eine halbe Ewigkeit schien das für Reiter und Roß zu sein. Prüfend sah Valenus zu den Dorf zurück, aber die Männer der Fußtruppen schienen alles unter Kontrolle zu haben. Einen Augenblick lang sah er zu, wie einige der Soldaten in einem Lehmhaus verschwanden, dann drehte sich Valenus wieder um und lenkte sein Pferd weiter und an den Rand des Flußes. Matschig war das Ufer, braunes Schilf wuchs hier, vom Winter gezeichnet und die Köpfe in den breiten Fluß hängen laßend.


    Sogleich zerrte sein Pferd an den Zügeln, um seinen Kopf in das kühle Nass zu strecken. Valenus ließ sein Pferd gewähren und im Fluße saufen, schließlich hatten sie wohl kaum hier mit Schwierigkeiten zu rechnen. Ein Dorf wie so viele Andere auf dem Weg, die er nun schon in all den letzten Monaten gesehen hatte. Er betrachtete die karge Baumlandschaft um sich herum, die Felder, die noch brach lagen und darauf warteten bestellt zu werden, und schweifte mit seinen Gedanken bereits in die Heimat und weg von hier. Seine Schwester würde bestimmt immer noch die kleine Wäscherei in Rom führen. Ob sein Neffe es endlich zu etwas gebracht hatte? Valenus seufzte, denn die zwei Söhne seiner kleinen Schwester waren beide ein Taugenichts und seine Schwester nur mit ihnen gestraft. So in Gedanken versunken sah er längere Zeit auf sie, ohne sie wirklich zu bemerken. Erst langsam dämmerte ihm, was er da erblickte.


    „Bei Mars! Bona Dea!!“


    Valenus spähte ein zweites Mal in den Matsch. Es konnte kein Zweifel bestehen. Hufspuren, viele Hufen zeichneten sich in dem feuchten braunen Grund ab. Mit einer herrischen Gestik lenkte er sein Pferd von dem Wasser weg und ließ ihn einige Schritte die Hufspuren verfolgen, die einen Bogen machten und dann den Hang hinauf stiegen. Er folgte dem mit seinen Augen und sah direkt zu dem Dorf. Valenus – ein erfahrener Soldat – brauchte nicht lange, um sich im Klaren zu sein, daß wohl kaum die Bauern eine Schar von Reittieren hatten; und daß die Pferde geritten wurden, das erkannte Valenus schon einige Herzschläge zuvor. Schließlich war er ein eques.


    „Sabula! Tarius!“


    Valenus drückte seine Fersen in die Seite des Pferdes und ließ sein Roß schnell den Hang hinauf hechten. Direkt auf eine große Scheune zu. Das Pferd spitzte seine Ohren, weitete seine Nüstern und gab ein vernehmliches Wiehern von sich. Ehe Valenus ein ärgerliches Murmeln verlauten ließ, vernahm er eine Antwort - aus dem Stall. Valenus runzelte die Stirn und zügelte sein Pferd. Es war, als ob er zwischen den nicht ganz abschließenden Brettern des Stalls Bewegungen ausmachen konnte. Mit einer Hand winkte er Sabula heran, einen blutjungen Reiter, der noch grün hinter den Ohren war, aber ein Naturtalent auf dem Rücken eines Pferdes.


    „Reite zum centurio! In dem Stall scheint sich Besuch zu tummeln!“


    Sabula nickte und wollte sein Pferd in die Richtung der Fußsoldaten treiben.

    Scharf zeichneten sich die Schatten der Männer im Lichte des Tages auf dem braunen und trockenen Boden dieses Landstrichs ab. Lang gezogen waren die Formen der Silhouetten. Der dunkle Zwilling von Aristides berührte die Füße des Bauers vor ihm. Die knechtische Haltung, der subalterne Ausdruck auf dem Gesicht – so es Marcus interpretierte – mißfiel Marcus. Mit einem abschätzigen Blick bedachte Marcus den Bauern, während Serapio das Wort ergriff. Guter Junge, denn mit dem Griechischen wäre Marcus in arge Not geraten. Selbst wenn Marcus nur teils verstand, was Serapio zu dem Bauern sagte, zeigte er eine gewichtige Miene und nickte, um Serapios Worte zu unterstreichen, was auch immer jener gesagt hatte. Das Zögern und die Unbehaglichkeit bemerkte Marcus durchaus an dem alten Bauern, den Wind und Wetter im Laufe der Jahre sehr gezeichnet hatten. Marcus Augen verschmälerten sich, aber einige Herzschläge lang würde er ihnen Zeit geben. Aber letztendlich mußten sich die Bauern ihnen fügen. Was sollten sie sonst schon tun? Mit Stöcken und Steinen gegen einen Trupp kampferfahrener Römer vor gehen. Der Gedanke amüsierte ihn, sein Mundwinkel zuckte einen Herzschlag lang.


    Ein schwarzer krabbelnder Fleck lenkte Marcus Augen von der hageren Gestalt des Bauern ab. Er verfolgte einen schwarzen, glänzenden Käfer, der halb so groß wie sein Handteller war und in der Sonne matt glänzte. Mit seinen filigranen Beinen trippelte er auf ein Haus zu und verschwand unter einem flachen weißen Stein, der am Rande lag. Über rauhen und unverputzten Lehm wanderte Marcus mit seinem Blick hinauf. Ein großes Stück Leder war in einem Mauerloch, was als Fenster diente, eingespannt. Ein Zipfel schob sich zur Seite und ein Junge, von vielleicht fünf Jahren, zeigte seinen wuscheligen Kopf und spähte mit großen, runden Augen zu Marcus. Der Junge hob seine Hand und winkte ihm zu. Halb den Kopf zu Aristides gewandt, rief der Junge etwas in das Haus. Noch ehe er auf den Jungen reagieren konnte, erschien schon ein weiterer dunkelhaariger Schopf am Fenster. Einige Herzschläge lang erheischte Marcus den Blick auf eine Frau, die ihre schwarzen Flechten nach hinten gebunden trug, und von der Sonne gebräunt war. Noch einen Atemzug lang sah sie zu ihm herüber. Marcus grinste verhalten und zwinkerte ihr zu. Sie erwiderte das nur mit einem kalten und verächtlichen Ausdruck auf ihrem apfelförmigen Gesicht und zog den Jungen zurück in das Haus.


    Das Leder seines Gürtels ächzte leise, als Marcus fester um den Knauf seines gladius griff. Mit einem flüchtigen Lächeln auf den Lippen dachte er über darüber nach, ob es sich nicht doch noch lohnen würde, den einen oder anderen Sklaven von hier mitzunehmen. Natürlich dachte er an die Bauern als zukünftige Sklaven. Ah, endlich hatte sich der Bauer wohl entschieden. Ohne zu zögern – schließlich hatte er nur einfältiges Bauernpack vor sich – folgte Marcus dem Winken des Dorfältesten. Prüfend musterte er das Lehmhaus, worin wohl die Vorräte des Dorfes gelagert wurden. Er beobachtete die knorrigen Hände, die den Schlüssel in das Schloss steckten und dann öffnete sich die Holztür. Schauerlich knarrte das Holz und gab ein lautes Quietschen von sich. Würziger Duft stieg ihm in die Nase und Licht fiel in das Haus hinein. Stangen waren dort angebracht. Eine Kuhle in der Mitte zeigte Aschereste, die auf getürmt waren, und – Marcus lief bereits das Wasser im Munde zusammen – an einer der Stangen hingen große Fleischstücke, die wohl in dem Haus geräuchert wurden. Das sah doch mal gut aus und versprach gute Kost für die Soldaten zu werden. Womöglich konnte er sogar für sich – eventuell auch seine Männer – den ein oder anderen Schinken abzweigen. Gute gelaunt hob Marcus die Hand, deutete dabei den Soldaten an seiner Seite ihm in das Haus zu folgen.


    „Bei Mars! Hervorragend. Das sieht doch vortrefflich aus. Dann heißt es mal einsammeln, Männer!“


    Ohne zu zögern trat er in das Haus hinein. Seine Füße traten durch Asche. Dunkle Flocken wurden aufgewirbelt; mit einer Hand strich er über einen der Schinken und ging zum Ende der Stangenreihe. Dort hing ein besonders großes Stück an einem eisernen Hacken. Marcus hob die Hände, um das Fleischstück herunter zu nehmen.

    Erneut war es soweit. Der Laufbursche jenes wohl bekannten Händlers brachte einen weiteren Brief vorbei, der es durch die Front bis zur mansio des CP geschafft hatte und hier, von dem Jungen, als Versand nach Rom in Auftrag gegeben wurde. Mit einem zahnlückigen Grinsen auf dem Gesicht bezahlte der Junge, legte den Brief ab und eilte davon.


    Ad Caius Flavius Aquilius
    Villa Flavia
    Urbs aeterna – Roma
    Italia



    Caius, Du alter Weiberheld, te saluto,


    aha! Also hast Du, stat die acta zu verklahgen, ob der fahlschen Nachrichten, das diese Zeitung verbreitet, lieber sehlber zur Fehder gegriffen. Du siehst, ich bihn gut informirt, selbst wenn ich selten einen Blik in die Zeitung werfe. Mein Schreiber, der sich überdis gerade weigert, meine brife zu verfasen, da er an der Hand verletzt ist, hählt mich immer auf dem Laufenden. Welche der Artikel stammen denn von Dir, Caius? Oder setzt Du einfahch nur Deinen Namen unter dieses Impraesum und gut ist? Ich meine, so würde ich es wol tun, aber Dir lag es ja schon immer mehr, Dich gewandt mit Wort und Schrift auseinander zu setzen. Aber ich habe schon gehört, daß Du dabei bist, Dir einen Nahmen in Roma zu machen, wahrscheinlich gehört das auch dazu, hm?


    Ich muß sagen, Caius, ich war ganz schön überascht als ich las, daß Du Dich für die Wahl aufgestellt hast und nun als Makistrat tätig bist. Da ich von vielen Seiten auf dem Laufenden gehalten werde, was auch Diech angeht, so wundere ich mich von Tag zu Tag mehr. Und ja, Caius, gelacht habe ich als ich davon hörte. Aber wer hat das damals nicht auch, als ich mich entlich doch gebäugt habe, dem Willen meiner Mutter, und in die Legion eingetrehten bin. Und selbst wenn ich die Tage als Sohldat manchmal verfluche und mit Grauen an meine Gruntausbildung zurückdenke, so bin ich heute davon überzeugt, damals in Germahnia doch den richtigen Schritt gegangen zu sein. Und ich bin mir sicher, Dir wird das auch so gehen. Du bist ein Mann der hohen Worte und der eleganten Schrift, da paßt die Politik wie das Militär zu mir, als einer, der lieber Dinge anpackt, als sie zu besprechen.


    Hab Dank, daß Du mich so vorträfflich auf den neusten Stand, was Rom und Flavier angeht, gesetzt hast. Zuerst will ich noch etwas zu Deinem Diläma erwidern. Du mußt Dich zwischen zwei Frauen entscheiden? Aber warum denn, Caius? Nimm' Dir die Eine als Frau und die Andere als Geliebte. Die Frau, die Dir am Wenigsten Ärger machen wird als Ehegattin und die Frau, die am Rassigsten ist, dann als Geliebte. So einfach ist das, Caius. Aber wenn beide reizend sind, dann mußt Du wengistens nicht befürchten, Grauen und Qualen in Deiner zukünftigen Ehe zu erleiden. Wie kohmt es eigentlich, daß Du heiraten willst? Liegt das auch daran, das der alte Caius dahin schwindet und der neue, aufstrebende Caius eine Frau an seiner Seite braucht, für Feste und öffentliche Auftritte oder möchtest Du aus Herzensgründen hairaten? Was die doppelte Hochzeit angeht: Meinetwegen. Aber Du weist ja, letztendlich haben nicht wir das zu entscheiden, sondern unsere zukünftige Ehefrauen und ich bezweifel, dass sich eine junge Frau den Tag von einer anderen ebenso schönen Frau verderben lassen will. Schließlich wollen sie besonders dann die Königin des Festes sein. Wenn Du verstehst, was ich meine.


    Du wirst Dich vielleicht wundern und womöglich genauso grinsen, aber ich habe mich nicht nur abgefuhnden zu hairaten, sondern ich fange an, mich ehrlich darauf zu freuen. Epicharis hat sich als großer Goldschaz erwiesen, ihre Worte in Brief gefast, haben mich immer wieder aufgemuntert und mir einen Einblick in das Lehben der Haimat gegeben, weswegen ich ihr auch sehr dankbar bin. Ich habe sie inszwischen in mein Herz geschlosen und freue mich sehr darauf, sie bald auch in meine Arme zu schliesen. Du siehst, Caius, solche Dinge könen sich auch noch zum guten wenden, selbst bei einem solchen Skäptiker wie mir.


    Daß Gracchus und Antonia nicht sehr glüklich sind, liegt wohl offensichtlich auf der Hand, warum das so ist. Ich hofe ja immer noch, das Gracchus eines Tages die Schönheit der Frauen erkennen wird und dann kann alles noch ganz anders werden. Aber sag, er ist rex sacrorum gewohrden? Ich dachte, er wäre Pontifaex? Oder ist das etwa dasselbe? Du verwirrst mich, Vetter, schließlich weist Du doch, das ich mich mehr schlecht als recht in solchen Sachen auskenne. Aber ich bin auch froh, das er zum Senator ernannt wurde. Er hat es sich wirklich mehr als verdient. Ich kenne niemanden, der derartig fleisig ist wie unser guter Vetter Manius. Fleissig, brillant, würdevoll, ein untadeliges Leben führt er, in mancher Hinsicht könnten wir uns wohl eine Scheibe von ihm abschneiden. Ich wünschte mir oft, ich hätte nur einen Funken von seiner Klugheit. Aber ein wenig von seiner Trübsal sollte er ablegen und seinen Selbstvorwürfen. Aber ich denke, das mit den düsteren Schatten, das kommt einfach davon, Caius, das Du, und auch Manius, zuviel nachdenkt. Lebt lieber, ohne immer alles zu hinterfragen und auf filosophische Wahrheiten zu durchsuchen. Nein, nein, diese ständigen Grübeleien, das ist nichts für einen Mann.


    Was Furianus angeht, Caius, so glaube ich nicht, das er nur wichtiger Mann spielt, sondern in der Tad wichtig ist. Schließlich leitet er eine ganze Provinz und kümert sich um das Wohl vieler Menschen. Ich halte viel von meinem Neffen, schließlich ist er auch der Bruder von Milo, der Zwillingsbruder wohlgemerkt, und ich habe ihn als einen ernsthaften, ehrlichen und grosmütigen jungen Mann kennen gelernt. Sprich also bitte nicht so über einen, der zu unserer Familie gehört. Wo kommen wir hin, wenn wir Flavier nicht zusammen halten?


    Was das Zeichen der Götter angeht, Caius, so will ich Dir sagen, daß ich - glaube ich - nicht nur unter dem Schutze von Mars zu stehen. Ich schreibe Dir das hier im Vertrauen und möchte Dich bitten, niemanden davon zu erzählen. Auch Manius nicht. Ich habe hier einige Soldaten kennen gelernt, die einem Gott dieser Landen huldigen. Er heißt Mithras und ist ein Sonnengott. Ich war sogahr bei einem ihrer Feste vor einigen Wochen dabei und ich mus sagen, daß ich diesen Kult sehr interesant finde. Womöglich gewährt mir der Sonnengott auch ein wenig an Glück während des Feldzuges.


    Nun, Caius, will ich es Dir nicht lange vorenthalten. Wir werden gar nicht mehr lange in Parthia bleiben. Womöglich stehe ich schon in einigen Monaten wieder vor der porta der villa Flavia. Aber ich bitte Dich, Caius, behalte das auch für Dich. Denn ich möchte doch alle in Rom überraschen damit. Zudem hat das Ganze einen schlimmen Hintergrund. Wahrscheinlich sind Dir schon die tragischen Nachrichten ans Ohr gedrungen, das unser Feldherr und großer Imperator von den Göttern in die Unterwelt geleitet wurde.


    Was das Kämpfen und Schlagen angeht, die Schlachten und Scharmützel, so werde ich Dir gewis bei einem Wein in Rom alles zu berichten wissen. Aber bis dahin verbleibe ich mit meinen besten vetterlichen Grüsen aus Parthia und halt Dich wacker, Vetter. Viel Erfolg bei Deinen Amtssachen.
    Dein Vetter
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