Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Von den üblichen Arbeiten gestört blickte Appius von seinen tabulae auf und nickte knapp. Nachdem in all den letzten Wochen wenige gedachten, bei ihm anzuklopfen, war er doch milder gestimmt als bei den meisten anderen probati zuvor. Schon griff er nach einer Wachstafel und einen anderen Griffel und musterte den Mann vor sich. Noch ein Decimer?


    „Salve, Decimus. Der legio willst Du also beitreten. Hat das was mit dem legatus zu tun?“


    Mehr beiläufig fragte Appius Carteius Cirenthius, optio des Rekrutierungsbüros, dies und kratzte dabei schon den Namen von Sicca in die Wachsschicht. Erst dann hob er den Blick und fügte gleich an.


    “Wo stammst Du her, Decimus? Bist Du mit dem legatus näher verwandt? Hattest Du schon Krankheiten, Verwirrungen im Kopf oder bist Du gar immer noch krank? Sonst etwas, was wir vorher wissen sollten?“




    Appius starrte den Mann vor sich an und nickte schließlich knapp. Äußerlich wirkte er zwar immer noch so kühl wie eh und je, aber dennoch war er durchaus besänftigt, eine Entschuldigung konnte wahre Wunder- die sich jedoch nur marginal auswirkten- bei ihm bewirken. Stumm und mit weniger steifer Haltung notierte er sich die Angaben, der Griffel grub sich tief in die Wachsschicht ein. Er nickte und nickte nochmal. Ob der Mann gesund war, würde der Medicus sehen, ob er schon mal ein Verbrechen begangen hatte, würde die legio auch erfahren können. Doch er mußte all jene Fragen mehr der Form halber stellen. Erst nachdem alles notiert war, sah er wieder auf.


    "So! Welchen Beruf hast Du vorher ausgeübt? Was kannst Du so? Lesen und Schreiben? Kampffertigkeiten, wenn ja, welche und wo hast Du es gelernt? Reiten und Schwimmen? Griechisch oder Germanisch, gar Demotisch?"


    Ausdruckslos sah Appius Serenus an und wartete auf die Antworten.






    Sim-Off:

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    In der Tat musterte der Mann- eine hagere, mehr kleinere Gestalt mit ausgeprägten Ratsecken an der spärlichen Haarpracht- den Mann in seinem officium. Kühl und reserviert kniff der Mann, der nämlich kein einfacher Schreiber, sondern der optio des Rekrutierungsbüro war, die Lippen zusammen. Sein Griffel erzitterte marginal unter dem Zorn, der in seinem Inneren tobte, dennoch war dies die einzigen emotionalen Reaktionen, die sich Appius Carteius Cirenthius, optio der legio prima, leisten oder offenbaren würde. Nur seine kalte, schneidende Stimme- die jedoch oft kalt und schneidend war, er war nun mal ein knickriger, miesepetriger Kleingeist- zeigte noch ein wenig von seinem Unmut.


    Salve! So, bei den Iuniern lernt man wohl auch nicht, daß man zuerst an einer Tür klopft? Dann weiß ich ja schon, zu welcher Zenturie Du sehr gut passen würdest.“


    Mit verkniffener Miene zog Appius eine tabula hervor, die noch völlig jungfräulich war und nun darauf harrte mit den Angaben des probatus gefüllt zu werden. Und mit der kleinen, sehr sauberen Handschrift von Appius, notierter dieser zuerst den Namen des Mannes vor ihm.


    „Wo geboren? Wer sind Deine Eltern? Krankheiten, Geistesgestörheiten? Schon mal ein Verbrechen begangen oder angeklagt worden?“




    Cafo grinste schief und winkte ab, als er das Herr vernahm. Dabei entblößte er eine lückenhafte Zahnreihe, die Narben in seinen Gesicht verschmolzen mit den zahlreichen Falten und trotzdem wirkte Cafo um Jahre jünger und deutlich freundlicher als noch mit dem mehr grimmigen Gesichtausdruck von zuvor.


    „Du brauchst mich nicht derart anzureden, Iunius. Ich bin auch nur ein einfacher Soldat, wie Du später. Ich bin noch nicht mal ein Unteroffizier.“


    Er wandte sich um und rief mit heiserer Stimme zu den anderen Wachsoldaten:


    „Öffnet das Tor! Nero Iunius Serenus für das Rekrutierungsbüro!“


    Cafo sah zu Serenus und deutete auf die via, die sich hinter dem langsam öffnenden Tor abzeichneten.


    “Einfach dort entlang bis zur principia, dem Gebäude in der Mitte, laufen. Dort ist das Rekrutierungsbüro. Und keine Spaziergänge zwischen den Häusern. Viel Glück, Iunius.“


    Wie schon in den letzten Tagen war es immer noch dieselbe Wachmannschaft, die vor dem Tor, um Tor und den Türmen das Lager bewachten. Cafo, unermüdlicher Torsteher, dieses Mal jedoch alleine, starrte trübe vor sich hin, dachte über die Komplexität des Lebens nach der legio nach und was er dann tun sollte. Vielleicht sollte er doch den centurio darum bitten, seine Dienstzeit noch zu verlängern? So fünf Jahre als Anschluss wären wohl nicht schlecht. Grübelnd lehnte er sich auf sein Schild und bemerkte die Schritte erst recht spät, schnell richtete er sich auf, damit keiner seine Nachlässigkeit bemerkte und sah auf den Mann vor sich.


    „Salve, zum Rekrutierungsbüro? Wie ist denn Dein Name?“





    Doch zuerst ging es nur um das examen secundum, warum Marcus sich abermals in Rom und auch in dem officium der Militärakademie einfand. Dieses Mal den Raum zu finden war kein größeres Problem gewesen und dennoch zögerte Marcus abermals vor der Tür des officium. So viele Prüfungen innerhalb kürzester Zeit, das war eindeutig nichts für Marcus. Aber da mußte er, wie das letzte Mal, eindeutig durch. So hob er die Hand und klopfte kräftig, wobei der Umhang, der seine Rüstung verbarg- damit wollte er nicht unbedingt in der Stadt gesehen werden, es gehörte sich auch nicht- etwas zur Seite rutschte, und nach der üblichen Aufforderung trat er schließlich ein. War das nicht sogar derselbe scriba wie beim letzten Mal? Marcus war sich nicht ganz sicher, dennoch grüßte er ihn mit fast denselben Worten wie beim vorigen Besuch.


    „Salve, mein Name ist Marcus Flavius Aristides, centurio der zweiten centuria, erste cohors der legio prima. Ich habe vor einiger Zeit das erste Examen bestanden und wollte anfragen, ob es mir möglich wäre, auch das Zweite noch abzulegen.“

    Ein lautes Muhen durchbrach die morgendliche Stille. Zwei kräftige Männer zerrten an einem Strick einen bockigen und sehr gereizten Ochsen mit sich. Seine braunrote Mähne schüttelte sich immer wieder, als er sich gegen den Strick und das Ziehen der beiden Sklaven erwehren wollten. Wütend schimpfte einer der Sklaven leise vor sich hin und als der Bulle mit seinen Hufen nach ihm ausschlagen wollte, machte er nur im letzten Moment einen Satz zu Seite und fluchte aus tiefster Seele:


    „belua!!“
    - „He, pack mal wieder mit an! Sonst entwischt der uns noch!“


    Schließlich schafften es die beiden Männer gemeinsam den Stier bis zu der passenden centuria zu bringen. Einer der Männer band das Ungetier an einem Pfosten fest und der Andere trat derweil in die Mannschaftsunterkunft, ließ sich von einem Soldaten bis zur Unterkunft des centurio geleiten, der einen Augenblick später mit dem Mann im Schlepptau nach draußen trat. Marcus Flavius Aristides blieb vor dem Stier stehen und hob- in flavischer Manier- langsam seine Augenbraue, wölbte sie überrascht nach oben, während er ausgiebig den Stier musterte.


    „Das ist er?“


    Der Mann neben dem Tier nickte eifrig.


    „Jawohl, dominus. Eigenhändig von eurem Sohn und eurem Vetter ausgesucht, sozusagen zertifiziert von einem flavischen Priester. Der cursus publicus hat sich auch große Mühe gegeben, diesen hier heil abzuliefern und ich sage euch, das war keine einfache Aufgabe. Das Tier, wahrhaftig vom einem kriegerischen Geist erfüllt, hat sich den ganzen Weg heftig erwehrt.“


    Marcus nickte bei der ganzen Anpreisung und zuckte mit der Schulter. Wenn Gracchus dies so empfohlen hatte, sogar noch mit der Hilfe seines kleinen Sohnes ausgesucht, dann konnte der Stier- Marcus spähte kurz und revidierte seine Meinung- Ochse für das Opfer taugen. Der Sklave des CP reichte Marcus einen Brief und nachdem Marcus ihnen ein ordentliches Trinkgeld ausgehändigt hatte, machten sich die beiden Männer eilig von dannen. Marcus öffnete die Notiz und erkannte gleich die Schrift von seinem Vetter wieder, beginnend mit jener erhebenden Begrüßung, jener eloquenten Wortwahl, derer nur Gracchus in der Lage war: Heil Dir, Bewahrer des römischen Friedens und Vetter in der Ferne! Ein breites Lächeln erschien auf Marcus Gesicht als er die- doch schon leserlichere als die seinige- Handschrift seines Sohnes zwischendrin ausmachen konnte. Einige Soldaten strömten nach draußen und besahen sich verwundert das wartende Tier. Marcus wandte sich an zwei Soldaten.


    „Ruprius, Satrius, bringt den Ochsen in den Stall. Und kümmert euch darum, daß ihm die Haare gekürzt werden. Ich komme später noch mal vorbei, damit er hergerichtet wird.“


    Die beiden Soldaten nickten und traten mit einem gehörigen Respekt vor den Ochsen. Gerade wollte sich Marcus abwenden als er stutzte, verdattert drehte sich Marcus zu dem Ochsen um, der in jenem Augenblick den Kopf von ihm abwandte, aber Marcus hatte es eindeutig gesehen!


    „Hat der mir die Zunge rausgestreckt?“


    So formulierte Marcus unbedacht seinen Gedanken aus, einer der Soldaten bemühte sich ein Prusten zu unterdrücken. Kopfschüttelnd wandte sich Marcus um und ging in die Mannschaftsunterkunft zurück. Hinter ihm brandete das Lachen der beiden Soldaten auf, da der Ochse abermals Marcus die Zunge entgegen streckte, als dieser ihm den Rücken zugewandt hatte.


    [Blockierte Grafik: http://img252.imageshack.us/img252/8716/ochsefrmarsal3.jpg| Das willenlose Opfer oder ein dreister Ochse?


    „optio!“


    , rief Marcus etwas verwirrt von dem Ochsen in der Mannschaftsunterkunft. Suchend sah er sich nach Priscus in der Mannschaftsunterkunft um.

    Tosend war der Jubel um Marcus gebrandet, noch sehr viel lauter als die vielen Eidesrufe. Aber kein Wunder, welcher Soldat freute sich nicht über ein wenig - mal mehr oder mal weniger- zusätzlichen Lohnes? Und da die meisten Soldaten auch wußten, daß es Freigang geben würde, wo gleich das Geld verbraucht werden konnte, war die Begeisterung groß. Natürlich auch unter den Männern seiner centuria. An sich könnte man zwar Marcus wenig mit so einer Summe begeistern- so viel gab seine Mutter an einem Tag bereits aus- aber trotzdem freute er sich- leicht von solchen Stimmungen ansteckbar- darüber, mit seinen Männern zusammen, und fiel ebenso in die Rufe mit ein. Sein Lächeln auf dem Gesicht erstarb als der tribunus angekündigt wurde und eine Falte erschien zwischen Marcus Augenbrauen. Denn immer noch trug Marcus dem tribunus jene Beleidigung im tiefen Germania nach, die voll und zur Gänze seine Achillesferse getroffen hatte, die einzige Beleidigung, die man Marcus an den Kopf werfen konnte, die er in seinem ganzen Leben wohl nicht verzeihen würde. So starrte er grimmig auf die Tribüne und harrte der Worte, die nun der tribunus sprechen sollte.

    Sim-Off:

    So ist es.



    Prüfend musterte Marcus die probati und nickte schließlich. Ob das mit dem Schwimmen und dem Reiten so stimmte oder nicht, ob jene drei Männer die sich beim Letzteren gemeldet hatten, nicht übertrieben haben, würde sich in den nächsten Tagen noch erweisen. Aber Reittraining, wie Marcus das sah, konnte nie schaden, im Gegenteil.


    „Gut, das werden wir noch sehen. Nach einer Stunde Pause möchte ich, daß ihr euch wieder hier auf dem Platz einfindet und noch den Nachmittag weiter pila werfen übt. Ihr habt heute dafür keinen Wachdienst. So, und jetzt noch fünf Runden um den Platz. Dann führst Du, probatus Iulius, die Männer vom Platz und wieder hierher. Du beaufsichtigst auch ihre weiteren Übungen. Zur sechsten Stunde macht ihr Schluss und dann geht’s ab in die Thermen. Wir sehen uns dann morgen früh wieder hier. Und nun: Auf, auf, auf!“


    Marcus warf Sparsus noch einen mahnenden Blick zu, es lag in dessen Verantwortung, die Männer heute am Nachmittag zusammen zu halten. Natürlich würde Marcus noch den ein oder anderen Soldaten aus seiner centuria die Frischlinge beobachten lassen, während diese ihre Übungen machten, aber ansonsten würde er die jungen Männer alleine trainieren lassen. Noch ehe die Männer losliefen, wandte sich Marcus um und verließ den Platz, um sich seinen anderen Pflichten für den Tag zu widmen.

    Ein älterer Soldat, mit narbigem Gesicht, düsteren Ausdruck und einem steten Humpeln, kam zu dem officium und reichte die tabula an einen der scriba des tribunus. Mit einem andeutungsweisen Tippen an seiner Stirn drehte sich der Soldat um und verließ wieder die principia. Immerhin hatte ein Soldat der zweiten Zenturie die Nachricht geschrieben, so dass sie in einer leserlichen und orthographisch korrekten Weise verfasst war.


    An tribunus angusticlavius
    Tiberius Iulius Numerianus



    Salve tribunus,


    ich würde gerne innerhalb der nächsten zwei Wochen die centuria secunda der ersten cohors in ihren Reitkünsten auf Vordermann bringen. Da wir jedoch keinen ‚Fachmann’ dafür in der centuria besitzen, wollte ich bei Dir, tribunus, anfragen, ob Du uns für einige Tage einen deiner Männer für die Ausbildung und Auffrischung der Reitkünste ausleihen könntest. Des Weiteren würden wir im Rahmen eines kleineren Manöver auch gerne einige Übungen, was die Reiterabwehr angeht, durchführen. Ich denke, daß eine solche Übung sowohl für die Reiterei als auch die Infanterie sehr nützlich sein könnte. Sollte Dir gelegen sein, das persönlich erörtert zu bekommen, stehe ich Dir natürlich diesbezüglich zur Verfügung.


    Vale,
    centurio Marcus Flavius Aristides
    II. centuria, I. cohors

    „Aha, ein Decimus also. Nun gut, die via entlang und bis zur principia. Dort findest du das Rekrutierungsbüro. Und nicht das Anklopfen vergessen, der optio dort ist da recht empfindlich in dieser Hinsicht. Viel Glück, Decimus!“


    Schon bei den letzten Worten wandte sich der dicke miles Tius um und winkte zum Turm hoch.


    „Hey, lasst den mal rein. Appius Decimus Sicca, Anwärter für die legio. Und tragt ihn schön ein in das Wachbuch…“


    Schon schwang das Tor, wie von unsichtbaren Händen geöffnet auf und ließen den jungen Mann hinein, wie ein Maul des Ungetüms namens Legion schien das Tor den Sicca verschlucken zu wollen. Die beiden Soldaten rechts und links sackten, sobald sie sich unbeobachtet fühlten, wieder auf die Schilde hinab.


    „Ich würd sie fragen…sie kann doch gut kochen und springt mit Dir ins Bett, was willst Du mehr?“


    Cafo nickte langsam und starrte auf die entfernt liegende Stadt und den Fluß, der sich um Mantua herumschlängelte.


    „Womöglich.“


    Miles Palatius und miles Cafo, beides alt gediente Soldaten, standen stumm und unbewegt, nur ein wenig auf die Oberkante ihrer Schilde gestützt, vor dem Tor und starrten in Richtung Mantua und die sanft geschwungene Hügelkette. Cafo war es schließlich, der das lange Schweigen zuerst brach.


    „Noch zwei Jahre, dann muss ich mich entscheiden…“


    Palatius, der dicke miles an seiner Seite, der oft auch nur Tius genannt wurde, sah nicht zu seinem Kameraden, starrte nur weiterhin auf die saftig grünen Wiesen vor sich, wo überall kleine Frühlingsblumen sprossen. Nur eine Falte auf seiner Stirn zeugte davon, der der bärtige Soldat den hageren Mitkamerad seine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Nach einigen weiteren Minuten spuckte er in den Graben seitlich und zuckte mit der Schulter.


    „Nimm Dir doch ne Jüngere…!“


    Cafo schwieg ebenso, sie hatten auch den ganzen Tag Zeit, warum also das Gespräch von fünf Minuten in so kurzer Zeit führen? So meinte er schließlich, als die Gestalt von Sicca sich auf dem Weg abzeichnete.


    „Ach, das ist nicht mehr so einfach. Dafür braucht man Geld oder man muss wie Adonis im Alter noch aussehen…ich kann mit beidem nicht aufwarten.“


    Wie zur Bestätigung kratzte er sich an seinem narbigen und kantigen Kinn und richtete sich zur Gänze auf als der junge Mann auf die beiden älteren Herren. Cafo musterte den Decimer prüfend, sah dann Tius, dessen rundliches bärtiges Gesicht noch mehr nachdenklich wegen Cafos Dilemma wirkte.


    Salve, salve, da mußt Du ins Rekrutierungsbüro. Wie ist denn überhaupt Dein Name?“


    Schweigend verfolgte Marcus die Flugbahn der zahlreichen pila, ebenso die, die in seinen Augen schon recht gut flogen und die, die zahlreiche Umwege auf ihren Weg zum Boden schlugen. Doch noch war nicht aller Tage Abend und die Übungen würden noch zahlreiche Tage weiter gehen. Das Schweigen gefiel Marcus ganz und gar nicht, seine Augenbraue wanderte ein Deut nach oben.


    „Bis nächste Woche wisst ihr, was der Posten des primus pilus bedeutet, ebenso, was die tribuni hier zu tun haben, was der Unterschied zwischen einem tribunus laticlavius und einem angusticlavius ist. Außerdem, was die Aufgaben des praefectus castrorum sind! Pila sumite!“


    Mit verschränkten Armen wartete Marcus bis alle ihre Waffen wieder aufgesammelt hatten und sie wieder zu ihrer Linie zurückkamen, ehe wieder dieselben Befehle: Tollite pila, mittite, pila sumite kamen. Immer und immer wieder, den ganzen Morgen ging es dann so weiter, bis schließlich die Sonne im Zenit stand und sehr warm auf den campus herunter strahlte.


    In aciem venite! State! Wer von euch kann reiten und schwimmen?“

    Da Marcus mehr im stillen Kämmerlein, sprich alleine, den Eid geleistet hatte, war er doch nicht minder erstaunt, wie laut der Chor an Stimmen sich zu den feierlichen Worten, an Republik und insbesondere Kaiser gerichtet, sich über den campus erhoben. Auch Marcus tiefer Bariton vermischte sich in die vielen tausend Stimmen der Soldaten.


    iurant autem milites omnia se strenue facturos quae praeceperit imperator caesar augustus, numquam deserturos militiam nec mortem recusaturos pro romana republica!


    Dann verstummte Marcus wieder, dachte kurz über die Formulierung nach, daß er niemals den Dienst verlassen würde und begann über die Bedeutung dieser wenigen Worte tiefgründiger nachzudenken- ehe er sich innerlich zur Ordnung rief und die gar aufkeimenden philosophischen Gedankengänge noch vor dem ersten Sproß erstickte.

    Unbewegt ließ Marcus die Namen an sich vorbeirauschen, tat so als ob ihm jeder Name bekannt war und musterte jeden der Männer bei der Meldung. Bei zweien oder dreien war sich Marcus hunderprozentig sicher, jene Männer noch nie in seiner Dienstzeit in dieser Zenturie gesehen zu haben. Doch scheinbar musste er sich irren, konnte er es sich doch keineswegs vorstellen, warum sich jemand in eine Zentruie einschleußen wollte. Weiterhin ruhig und mit dem angebrachten Ernst, was diesen Teil der Militärangelegenheiten anging, wartete Marcus bis schließlich alle Namen der fast einhundertsechzig Mann verlesen wurden. Nur acht Mann unter Soll, was kein schlechter Schnitt darstellte. Marcus nickte zufrieden, ging noch mal an der Reihe von Männern auf und ab und blieb dann vor Priscus stehen.


    optio, alle, die nicht dazu beordert wurden ihre Ausrüstung noch mal zu überarbeiten, haben heute Stubenausgang. Die Männer haben sich zur media noctis wieder hier einzufinden.“


    Marcus nickte Priscus zu, drehte sich um und marschierte davon. Um den Rest ließ er Priscus Sorge tragen, was wegtreten und auch den Ausgang anging. Insgeheim war Marcus froh, daß sich die Männer doch derart bemüht hatten, gab es ihm doch selber die willkommene Abwechslung für einen Besuch in Mantua. Die Tür zu seinen Unterkünften schlugen hinter ihm zu, die Stubenkontrolle war beendet. Und der Geburtstag des Kaisers konnte nun kommen.

    Macht nichts, wäre Marcus versucht gewesen zu sagen. Aber da sich das als centurio nicht gehörte, es gar zu flapsig wirkte, unterließ Marcus jene daher gesprochenen Worte. Stattdessen nickte er langsam, sah Sparsus nur einen Moment ernst und streng, aber nicht gar zu unfreundlich an, ehe er einen Schritt zurück tätigte, weg vom Flugfeld der pila und wieder zu seinem alten Platz. Abermals stützte er sich auf seiner vitis ab und sah sich suchend nach jenem kleinen Hocker um, den er noch bei der letzten Ausbildung genutzt hatte. Doch er sah ihn nicht und zuckte somit nur andeutungsweise mit der Schulter, wandte dann jedoch wieder seine ganze Aufmerksamkeit den probati zu.


    Tollite pila!“


    Schon stieß sich Marcus erneut mit dem Zitronenholz vom Boden ab und fing an, an der Seite der probati entlang zu marschieren.


    „Die contubernia sind die kleinsten Einheiten einer centuria. Sie bestehen aus ungefähr acht Mann, in der Regel. Es kann auch mal mehr oder weniger sein, je nach Soll- und Iststärke der legio! Der optio ist der Ansprechpartner der Soldaten und der Stellvertreter des centurio. Der centurio kommandiert, wie der Name es schon sagt, alle contubernia seiner Zenturie. Unter den ganzen centuriones gibt es einen centurio, der der primus pilus ist. Weiß jemand, was es damit auf sich hat?“


    Immer noch ließ Marcus die probati in der Wurfstellung verharren, die Speere angehoben. Erst einige Herzschläge nach seiner Frage, gab er das erlösende Kommando.


    Mittite!“




    Sim-Off:

    Was mein centurio nicht sagt, aber ich: Macht nichts.

    Ala Numidia? Einige Herzschläge dachte Marcus über jene Truppe nach. Waren sie nicht auch eine hispanische Einheit gewesen, die zusammen mit der neunten legio nach Germania versetzt worden waren? Die ebenfalls in Spanien wieder für Recht und Ordnung zuvor gesorgt hatten? So etwas hatte Marcus noch im Hinterkopf, war sich jedoch nicht ganz sicher. Ausdrucksloser Miene und unbewegten Gesichtes- nun, vielleicht war doch ein freundlicherem Flackern in Marcus Augen zu erkennen- nickte Marcus marginal. Noch einmal sah Marcus Cunctator prüfend an, konnte jedoch nichts an seiner Paraderüstung finden. So zeugte Marcus Gesicht von Zufriedenheit. Doch er verkniff sich ein Lob oder einen Kommentar, wollte er doch nicht bei den anderen Soldaten den Eindruck erwecken, er würde Männer seines Standes einen Vorzug oder eine gesonderte Behandlung gewähren- mehr noch zum Wohle des Claudiers, der wohl mehr unter solch einer Flapsigkeit von Marcus hätte leiden müssen. So trat Marcus einen Schritt weiter, musterte die nächste Rüstung und die nächste und nächste, Mann für Mann wurde kontrolliert. Wegen Kinkerlitzchen an der Rüstung schickte Marcus sich nicht an, einen Tadel auszusprechen, wenngleich auch schon die kleine Schlampigkeiten ihm ins Auge fielen und mißfielen. Auch vor den probati blieb Marcus stehen, hatte hier eindeutig die meisten Beanstandungen und trat nun auch zu Sparsus, den er genauso kritisch musterte wie jeden anderen der Frischlinge. Seine Augenbrauen wölbten sich in die Höhe als er dessen tunica erblickte, ordentlich geflickt war sie, aber sie war geflickt und das einige Wochen nach Beginn der Grundausbildung.


    „Ist das Deine normale tunica, Iulius? Ich möchte, daß Du Deine beste tunica, eine ohne geflickte Stellen bei dem Appell zu Ehren des Kaisers anziehst, miles!“


    Dann trat Marcus weiter und in den Gang zwischen die Soldaten, winkte dem Soldaten zu, der das Pech gehabt hatte, vor einigen Tagen zu seinem Schreiberling auserkoren worden zu sein. Von diesem ließ er sich die Musterrolle reichen, mit allen Namen der Einheit. Ein scheinbar sinnloses Bemühen, fielen doch durchaus Fahnenflüchtige in den Stuben auf, aber es gehörte nun mal dazu und Marcus befand es als nützlich, um sich noch mal die Namen seiner Soldaten zu vergegenwärtigen. Nichts war peinlicher als im entscheidenden Moment den Namen nicht zu wissen, was Marcus leichthin passieren konnte. Mit einer Hand reichte Marcus die Rolle an Priscus weiter.


    optio, verlese die Namen und prüfe, ob alle anwesend sind!“

    Schweigend sah Marcus den jungen probatus an und dachte dabei über die Worte nach, während sein Gesicht mehr starr und undurchdringlich wirkte. Erst einige Herzschläge, über dreißig um genau zu sein, schien ihm der passende Gedanke zu der Überlegung des probatus zu kommen, denn ganz sicher, was der probatus damit meinte, war sich Marcus immer noch nicht so ganz. Aber vielleicht würde das bei der Klärung mehr helfen. Marcus richtete sich zur Gänze auf und hob das untere Ende von seiner vitis- der jedoch aus Zitrusholz und nicht dem knorrigen Weinstock geschnitzt war- vom sandigen Boden und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, während er Sparsus ernst musterte.


    „Kann es vielleicht sein, daß Du die contubernia mit den cohortes verwechselst? Meinst Du vielleicht die kleinen Stuben in einer centuria oder doch eine cohors, mit den jeweiligen centuriae?“

    Schnell hatte die Sonne Marcus durchaus zugesetzt, in Paraderüstung, mit Helm und schwerer Helmzier war es kein Vergnügen auf dem Platz dem Antreten einer ganzen legio auszuharren. So lief sein Gesicht schon verdächtig rot an, was nur von der campus- und Sonnenbräune seines Gesichtes gemildert wurde. Doch schweigend wartete Marcus, warf den Soldaten hinter sich immer wieder prüfende Blicke zu, doch er gedachte nicht, sich in die Arbeit des optio einzumischen, der doch alles im Griff hatte und dem Marcus vollends in dieser Hinsicht vertraute. Mit dem Funkeln der Erwartung und Neugier in den Augen, sah Marcus nur einen winzigen Augenblick dem Marsch des legatus entgegen, trat direkt neben der ersten Reihe seiner centuria, genau in die Lücke zwischen den einzelnen Blöcken der einzelnen Zenturien und war schon für die Befehle zum Ausrichten und Stillstehen bereit, warf noch mal den Soldaten einen prüfenden Blick zu, war- bis auf die üblichen Kleinigkeiten- doch recht zufrieden. Den Drang sich über die schwitzende Stirn zu wischen unterdrückend, wartete er ruhig und schweigend auf die Rede des legatus.