Als der Sklave noch hinten an seiner toga herumzupfte, dachte Marcus einen Moment an die Hochzeit von seinem Vetter Gracchus zurück, entsann sich jedoch nicht viele von den anderen Claudiern kennen gelernt zu haben, mal von der Braut selber abgesehen. Als es ihm schließlich zuviel mit dem Sklaven wurde, der ein Perfektionist zu sein schien, trat er einfach einen Schritt nach vorne, die marmornen Steine unter seinen Füßen knirschten leise, unauffällig tauschte er mit Hannibal einen Blick aus, konnte jedoch nicht aus dessen Mimik erkennen, ob er schon ein schlimmes Desaster während des Essens begangen hatte, was ihn für die nächsten Schritte vorwarnen könnte. Marcus wartete bis auch Epicharis aufgestanden war und hergerichtet, fragte sich in dem Moment, warum bloß Kleidung so unpraktisch sein musste, wenn sie vornehm war. Mit einem durchaus kordialen Lächeln auf den Lippen nickte Marcus andeutungsweise.
„Ich denke, das lässt sich einrichten, Epicharis!“
Mit einer Hand deutete er auf den Weg und schritt langsam los, ließ die Klinen und die Speisen, die nun von den Sklaven ausgetauscht wurden, während sie sich schon entfernten, zurück. Die sanften Klänge der Musik folgten ihnen noch viele Schritte lang, selbst als sie schon außer Sichtweite waren. Auch ohne zu zögern überquerte Marcus die geschwungene Brücke über die Krokodile, sah nur kurz hinab und ging dann, durchaus Respekt vor diesen Tieren in sich verspürend weiter. Aus den Augenwinkeln bewunderte Marcus die Art, wie sich Epicharis hielt. Der gerade Rücken, der schwebende Gang, die stolze Art ihren Kopf zu halten, das edel geschwungene Profil von ihr. Das mit dem Gang konnten nur Frauen, und insbesondere Patrizierinnen. Wobei er auch schon Frauen aus seinem Stand erlebt hatte, die wie ein nasser Sack umher liefen. So nahm Marcus solche Kleinigkeiten nicht als selbstverständlich hin.
„In Ägypten habe ich einmal beobachtet, wie ein Mann, der von einem Boot in den Nil gefallen war, von einem Krokodil aufgefressen wurde. Ich habe schon fast mehr Ehrfurcht vor einem Krokodil als vor einem Löwen. Aber nicht zu unrecht sehen die Ägypter in den Tieren heilige Wesen.“
Daß der Mann, dem der Garten gehörte, auch zum Amüsement mancher seiner Gäste dort Sklaven hinunter warf, sie zerfleischen ließ, erwähnte Marcus auch nicht. Er hatte so ein Spektakel durchaus mehrmals beobachten dürfen. Aber ehe er nicht wußte, ob Epicharis zu den zart beseiteten Patrizierinnen gehörte, wollte er so etwas nicht ansprechen. In Baiae pflegte man selbiges gerne mit Muränen zu tun oder lieber mit Wildkatzen. Seine Schritte lenkte er an hoch gewachsenem und dichtem Goldflieder vorbei, nahe an einem Käfig mit Rotkehlchen, die ihr zartes Gefieder in der Sonne aufspreizten und putzten, ohne sich von den Menschen stören zu lassen.
Im warmen Sonnenlicht kamen sie zu einem steinernen Tor entlang, was von bunt leuchtenden Mosaiken aus blauen Steinen geschmückt waren, die altorientalische Muster zeigten. Bilder von Löwen, Tiger und Affen tummelten sich stilistisch einfach gehalten in den Mustern. Und schon tönte ein tiefes Grollen durch den Garten, vielleicht derselbe Laut eines Raubtieres, was Epicharis schon vorher vernommen hatte. Mit einem hintergründigen Lächeln auf dem Gesicht trat Marcus durch das Tor und abermals auf einen runden Platz. Ein breiter Säulengang umgaben den Platz, in der Mitte plätscherte ein kleiner Brunnen mit einer marmornen Bank darum herum. Das Wasser glänzte grünlich schimmernd im Sonnenlicht. Aber was sofort die Augen anzog war die schattenhafte Bewegung einer geschmeidigen Raubkatze, eines Panthers hinter den Säulen. Die Schulterblätter bewegten sich spielerisch unter dem glänzenden schwarzen Fell, welches nur schemenhaft noch die Fleckung seiner Gattung offenbarte. Pflanzen rankten vor dem Panther herab und einen Augenblick schien es als ob die Raubkatze frei hinter den Säulen lief. Erst auf dem dritten Blick waren die Gitter hinter den Pflanzen zu erkennen, die der Katze einen Ausbruch aus dem Gang verwehrte. Und dann war auf der gegenüberliegenden Seite noch ein wildes Tier zu sehen, was sich hinter einem nach oben wachsenden Efeuband herausschälte, ein Löwe mit einer rotgoldenen Mähne.
„Ira und Herkules!“
Marcus deutete zuerst auf den Panther und dann auf Herkules.
„Der Besitzer des Gartens versucht schon eine geraume Weile sie zusammen zu bringen, um eine Chymäre zu züchten.“
Marcus gewährte Epicharis einige Augenblicke, wo sie sich die Tiere genauer anschauen konnte, ging dabei auf die marmorne Bank zu, wo einige Kissen bereit lagen, die der Verwalter am Morgen heraus gelegt hatte, erst nach vielen Herzschlägen, die Marcus ruhig wartete, erhob er wieder sein Wort. Das alles war doch mehr als neu für Marcus- freilich nicht der Garten- aber der gesamte Umstand. Bei seiner ersten Ehe hatte Marcus keinen Antrag machen müssen, es hatte sich mehr oder minder alles so ergeben. Aber das schon alles mit ihrem Vater geklärt war, er sogar schon die Formalität der Mitgift abgesprochen hatte, wollte Marcus ebenso unerwähnt belassen. Er wußte, daß Frauen in dieser Hinsicht sehr empfindlich sein konnten. War jetzt der richtige Zeitpunkt? Vielleicht ja, womöglich auch nicht. Doch Marcus gab sich einen Ruck. Zuerst den Ring, dann die Frage? Marcus war weniger ein Romantiker, dennoch versuchte er nicht mit der Tür ins Haus zu fallen.
„Werte Epicharis, wir kennen uns noch nicht all zu lange oder gut, das ist mir durchaus bewusst, dennoch gibt es eine sehr bedeutsame Frage, die ich Dir gerne stellen würde. Vielleicht magst Du es schon erahnen, schließlich konnte ich mich schon von Deiner geistreichen Art, die sich mit Deiner strahlenden Schönheit messen kann, bewundern.“
Wenn sie so klug war, wie ihr Vater behauptete und was Marcus auch ahnte, würde sie das bestimmt gerne hören. So hoffte Marcus zumindest. Marcus stand auf- die gesammelte Sklavenschar mit der Erziehung eines Patriziers gekonnt ignorierend- und trat auf Epicharis zu, wünschte sich in dem Moment die Eloquenz seines Vetters herbei, der das Ganze sicherlich schon längst bravourös gemeistert hätte. Marcus holte Luft, sammelte all seine Künste zusammen, sich charamant und überzeugend einer Frau gegenüber zu benehmen. Auch Marcus hielt sich gerade, versuchte wenigstens den Anschein von Würde zu offenbaren. Er trat noch einen Schritt näher an Epicharis heran, sah sie aufmerksam und mit einem bestrickenden Ausdruck in seinen Augen an, kaum drei Handbreit trennten sie nun als Marcus die folgenschwere Frage stellte.
„Ich möchte Dich fragen, ob Du Dir vorstellen könntest, mich zu heiraten?“