Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Die aufgehende Sonne färbte den campus in erst ein perlmutternes blaues Licht und tauchte es schließlich in die ersten Sonnenstrahlen, die über den Horizont der Berge krochen als die probati noch ihre Runden absolvierte. Entspannt und mit der Welt recht zufrieden wartete Marcus die Bemühungen der Soldaten ab und entfernte sich einige Schritte von den Kisten als die probati zu den Übungswaffen strebten und sich schließlich aufstellten. Prüfenden Blickes ging Marcus an den Männern vorbei und wandte sich dann- mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt- zu den Männern um als er am Ende der Reihe angekommen war.


    arma sumite*! Grundstellung einnehmen! Vor und Zustechen! Zurück und wieder Grundstellung! Vor und Zustechen!“


    Marcus ließ die probati immer und immer wieder dieselben Bewegungen durchführen, wiederholte seine Befehle aufs Neue, damit sich die probati erst mal wieder an die Bewegungen mit dem Schwert eingewöhnen konnten. Dabei blieb er ruhig im Hintergrund stehen und ging nur nach vorne, um den ein oder anderen in seiner Haltung zu korrigieren. Während die Schwerter gegen die Holzpfähle stießen, stellte sich Marcus vor die Reihe der probati und wartete einige Herzschläge ehe er wieder sprach.


    Non caesim sed punctim ferire**! In der Formation benutzen wir in erster Linie den Stich des Schwertes, nicht den Hieb. Dennoch vergesst nicht, daß das gladius ebenso eine tödliche Seite hat, mit der man auch zu schlagen kann. Und es gibt immer wieder Situationen, in denen ein Legionär auch in einen Einzelkampf verwickelt werden kann. Wer weiß eine oder mehrere solcher Begebenheiten, wo das passieren könnte?“





    Sim-Off:

    • * Waffen aufnehmen
    • ** ~ Sinngemäß: Nicht mit dem Hieb, sondern punktgenau zustechen.

    Einige Herzschläge lang überlegte Marcus, ob er eine leere Wachstafel greifen und sich Notizen machen sollte. Aber die Faulheit des Moments, eher des Vorigen, schlug zu und er dachte sich, daß er sich das wenige durchaus merken konnte. Nachlässig ein wenig mit seinem Stuhl wippend ehe er sich darin beherrschte vernahm er die Worte des optio. Zustimmend nickte Marcus, dachte nur kurz über das mit dem Formationstraining nach, ehe er zu einer Antwort ansetzte.


    „Der Frühling ist da, da wird es wohl durchaus Zeit die Soldaten etwas mehr zu fordern. Das mit dem Schwimmtraining und dem Reitunterricht halte ich für eine sehr gute Idee. Ich werde mal in den nächsten Tagen bei der Reiterei anfragen, insbesondere die Reitabwehr sollten wir uns erarbeiten, denke ich mal. Das wird sicherlich auch für die Reiterei eine gute Übung sein. Also sollte dem nichts im Wege stehen…“


    Marcus hob seine Hand und fuhr sich am Nacken entlang, eine Geste, die immer kam, wenn er etwas verwirrt war und seine Gedanken sortieren musste. Ah, Formationstraining.


    „Kampfsimulation mit den Übungswaffen. Wir üben verschiedene Formationen ein, in der Größe von jeweils einer normalen centuria und werden diese auch gleich austesten können in Hinsicht auf die Effektivität. Manch ein Soldat kann zwar schön und brav sein Schild in die richtige Richtung halten, aber ob sie auch noch im Kampf die richtigen Bewegungen ausführt, werden wir so am besten eruieren können. Und auch gleich die probati mal in eine größere Formation und mit einigen Veteranen mischen, so daß sie nicht nur von der Grundausbildung diese Erfahrung mitnehmen.“


    Zu dem Opfer nickte Marcus andeutungsweise und zufrieden. Daß es mehr ein altes Versprechen von Marcus an Mars war, behielt er für sich. Das war nur eine Sache zwischen Marcus und dem Kriegsgott. Nun wippelte Marcus doch einen Moment mit seinem Stuhl und dachte noch mal kurz nach. Geburtstage lagen Marcus noch nie, er hatte sie stets von seinen Kindern und auch seiner Mutter vergessen, wenn ihn nicht sein Sklave rechtzeitig daran erinnerte. Grübelnd versuchte sich Marcus an den genauen Tag des kaiserlichen Geburtstages zu erinnern, musste jedoch passen.


    „Ah, in ein paar Tagen, nicht wahr? Wie wird er denn üblicherweise hier in der legio prima gefeiert? Mit einem Appell oder Freigang?“



    Sim-Off:

    Der 6. April, oder?

    Als der Sklave noch hinten an seiner toga herumzupfte, dachte Marcus einen Moment an die Hochzeit von seinem Vetter Gracchus zurück, entsann sich jedoch nicht viele von den anderen Claudiern kennen gelernt zu haben, mal von der Braut selber abgesehen. Als es ihm schließlich zuviel mit dem Sklaven wurde, der ein Perfektionist zu sein schien, trat er einfach einen Schritt nach vorne, die marmornen Steine unter seinen Füßen knirschten leise, unauffällig tauschte er mit Hannibal einen Blick aus, konnte jedoch nicht aus dessen Mimik erkennen, ob er schon ein schlimmes Desaster während des Essens begangen hatte, was ihn für die nächsten Schritte vorwarnen könnte. Marcus wartete bis auch Epicharis aufgestanden war und hergerichtet, fragte sich in dem Moment, warum bloß Kleidung so unpraktisch sein musste, wenn sie vornehm war. Mit einem durchaus kordialen Lächeln auf den Lippen nickte Marcus andeutungsweise.


    „Ich denke, das lässt sich einrichten, Epicharis!“


    Mit einer Hand deutete er auf den Weg und schritt langsam los, ließ die Klinen und die Speisen, die nun von den Sklaven ausgetauscht wurden, während sie sich schon entfernten, zurück. Die sanften Klänge der Musik folgten ihnen noch viele Schritte lang, selbst als sie schon außer Sichtweite waren. Auch ohne zu zögern überquerte Marcus die geschwungene Brücke über die Krokodile, sah nur kurz hinab und ging dann, durchaus Respekt vor diesen Tieren in sich verspürend weiter. Aus den Augenwinkeln bewunderte Marcus die Art, wie sich Epicharis hielt. Der gerade Rücken, der schwebende Gang, die stolze Art ihren Kopf zu halten, das edel geschwungene Profil von ihr. Das mit dem Gang konnten nur Frauen, und insbesondere Patrizierinnen. Wobei er auch schon Frauen aus seinem Stand erlebt hatte, die wie ein nasser Sack umher liefen. So nahm Marcus solche Kleinigkeiten nicht als selbstverständlich hin.


    „In Ägypten habe ich einmal beobachtet, wie ein Mann, der von einem Boot in den Nil gefallen war, von einem Krokodil aufgefressen wurde. Ich habe schon fast mehr Ehrfurcht vor einem Krokodil als vor einem Löwen. Aber nicht zu unrecht sehen die Ägypter in den Tieren heilige Wesen.“


    Daß der Mann, dem der Garten gehörte, auch zum Amüsement mancher seiner Gäste dort Sklaven hinunter warf, sie zerfleischen ließ, erwähnte Marcus auch nicht. Er hatte so ein Spektakel durchaus mehrmals beobachten dürfen. Aber ehe er nicht wußte, ob Epicharis zu den zart beseiteten Patrizierinnen gehörte, wollte er so etwas nicht ansprechen. In Baiae pflegte man selbiges gerne mit Muränen zu tun oder lieber mit Wildkatzen. Seine Schritte lenkte er an hoch gewachsenem und dichtem Goldflieder vorbei, nahe an einem Käfig mit Rotkehlchen, die ihr zartes Gefieder in der Sonne aufspreizten und putzten, ohne sich von den Menschen stören zu lassen.


    Im warmen Sonnenlicht kamen sie zu einem steinernen Tor entlang, was von bunt leuchtenden Mosaiken aus blauen Steinen geschmückt waren, die altorientalische Muster zeigten. Bilder von Löwen, Tiger und Affen tummelten sich stilistisch einfach gehalten in den Mustern. Und schon tönte ein tiefes Grollen durch den Garten, vielleicht derselbe Laut eines Raubtieres, was Epicharis schon vorher vernommen hatte. Mit einem hintergründigen Lächeln auf dem Gesicht trat Marcus durch das Tor und abermals auf einen runden Platz. Ein breiter Säulengang umgaben den Platz, in der Mitte plätscherte ein kleiner Brunnen mit einer marmornen Bank darum herum. Das Wasser glänzte grünlich schimmernd im Sonnenlicht. Aber was sofort die Augen anzog war die schattenhafte Bewegung einer geschmeidigen Raubkatze, eines Panthers hinter den Säulen. Die Schulterblätter bewegten sich spielerisch unter dem glänzenden schwarzen Fell, welches nur schemenhaft noch die Fleckung seiner Gattung offenbarte. Pflanzen rankten vor dem Panther herab und einen Augenblick schien es als ob die Raubkatze frei hinter den Säulen lief. Erst auf dem dritten Blick waren die Gitter hinter den Pflanzen zu erkennen, die der Katze einen Ausbruch aus dem Gang verwehrte. Und dann war auf der gegenüberliegenden Seite noch ein wildes Tier zu sehen, was sich hinter einem nach oben wachsenden Efeuband herausschälte, ein Löwe mit einer rotgoldenen Mähne.


    „Ira und Herkules!“


    Marcus deutete zuerst auf den Panther und dann auf Herkules.


    „Der Besitzer des Gartens versucht schon eine geraume Weile sie zusammen zu bringen, um eine Chymäre zu züchten.“


    Marcus gewährte Epicharis einige Augenblicke, wo sie sich die Tiere genauer anschauen konnte, ging dabei auf die marmorne Bank zu, wo einige Kissen bereit lagen, die der Verwalter am Morgen heraus gelegt hatte, erst nach vielen Herzschlägen, die Marcus ruhig wartete, erhob er wieder sein Wort. Das alles war doch mehr als neu für Marcus- freilich nicht der Garten- aber der gesamte Umstand. Bei seiner ersten Ehe hatte Marcus keinen Antrag machen müssen, es hatte sich mehr oder minder alles so ergeben. Aber das schon alles mit ihrem Vater geklärt war, er sogar schon die Formalität der Mitgift abgesprochen hatte, wollte Marcus ebenso unerwähnt belassen. Er wußte, daß Frauen in dieser Hinsicht sehr empfindlich sein konnten. War jetzt der richtige Zeitpunkt? Vielleicht ja, womöglich auch nicht. Doch Marcus gab sich einen Ruck. Zuerst den Ring, dann die Frage? Marcus war weniger ein Romantiker, dennoch versuchte er nicht mit der Tür ins Haus zu fallen.


    „Werte Epicharis, wir kennen uns noch nicht all zu lange oder gut, das ist mir durchaus bewusst, dennoch gibt es eine sehr bedeutsame Frage, die ich Dir gerne stellen würde. Vielleicht magst Du es schon erahnen, schließlich konnte ich mich schon von Deiner geistreichen Art, die sich mit Deiner strahlenden Schönheit messen kann, bewundern.“


    Wenn sie so klug war, wie ihr Vater behauptete und was Marcus auch ahnte, würde sie das bestimmt gerne hören. So hoffte Marcus zumindest. Marcus stand auf- die gesammelte Sklavenschar mit der Erziehung eines Patriziers gekonnt ignorierend- und trat auf Epicharis zu, wünschte sich in dem Moment die Eloquenz seines Vetters herbei, der das Ganze sicherlich schon längst bravourös gemeistert hätte. Marcus holte Luft, sammelte all seine Künste zusammen, sich charamant und überzeugend einer Frau gegenüber zu benehmen. Auch Marcus hielt sich gerade, versuchte wenigstens den Anschein von Würde zu offenbaren. Er trat noch einen Schritt näher an Epicharis heran, sah sie aufmerksam und mit einem bestrickenden Ausdruck in seinen Augen an, kaum drei Handbreit trennten sie nun als Marcus die folgenschwere Frage stellte.


    „Ich möchte Dich fragen, ob Du Dir vorstellen könntest, mich zu heiraten?“

    Äußerst mühsam mußte Marcus das Lächeln unterdrücken, was aus seinem tiefen Inneren herauf stieg und sich seinen Weg auf sein Gesicht bahnen wollte. Doch das wäre nicht der passende Augenblick, wenn ihm auch der Iulier ein wenig Leid tat, wegen der Verspätung. Schließlich wußte Marcus durchaus, wie schwer es war alle probati zusammen zu bekommen. Aber sicherlich würde der Iulier damit auch einiges lernen können, so setzte Marcus seine strenge und erboste Miene auf. Ihm gefiel durchaus, daß der probatus nicht druckste, sondern aufrecht und ehrenhaft die Schuld dafür eingestand. Marcus Augenbraue wölbte sich auf flavische Manier in die Höhe und er nickte langsam.


    „Tsts. Ich sagte doch, es droht euch alle dann eine kleine Sonderübung. Allen, egal wessen Schuld es war. Denn das sollte ihr lernen, die centuria hat stets und immer zusammen zu halten, mehr noch als ein Ehemann und ein Eheweib. Wenn ein schwaches Glied in der Kette ist, verdirbt es die ganze centuria. Nur wenn die ganze centuria an einem Strang zieht, ein Mann zusammen steht und zusammen alle Widrigkeiten auf sich nimmt, nur dann werden wir die ganze Macht einer solchen Truppe beweisen können. Darum möchte ich auch nie, niemals Verleumdungen, Schuldzuweisungen anderen euren Kameraden gegenüber oder böse Intrigen in meiner centuria sehen. Da werde ich hart durchgreifen, verstanden? Nehmt euch lieber ein Beispiel an probatus…Iulius, der somit sich sehr ehrenhaft verhalten hat.“


    Beim Namen hatte Marcus drei Herzschläge zögern müssen, aber immerhin hatte Sparsus doch einen markanten gensnamen. Wie ein Verhängnis ließ Marcus die vitis durch seine Hand gleiten, mit der er durchaus die castigatio- die körperliche Züchtigung- durchführen durfte. Doch im Moment gedachte Marcus nicht, zu zuschlagen. Das behielt er sich für andere Situationen vor.


    „Ihr habt Glück, kein Soldabzug, wegen probatus Iulius Verhalten. Aber euch wird noch ein gesonderter Appell blühen, daneben möchte ich, daß ihr die Wände der Latrinen neu kalkt. Sie brauchen es mal wieder. Und jetzt erst mal zwanzig Runden laufen. Auf, auf! Und greift euch danach wieder Schwert und Schild aus den Kisten und stellt euch vor je einem Pfahl auf.“


    Das mit dem Latrinendienst war mehr ein Verbinden der Strafe mit dem Nützlichen, Marcus konnte immer noch den Kopf schütteln über die Sprüche- wenngleich er sich auch über die Meisten selber ziemlich schlapp gelacht hatte bei seinem letzten Gang. Immerhin war er noch nicht zum Kommentar über ihn selber gekommen, Marcus brauchte immer sehr lange zum Lesen.

    Mit einem jovialen Lächeln auf den Lippen lehnte sich Marcus zurück und verschränkte die Hände vor dem Bauch, der- seitdem er centurio war- wieder ordentlich Zuwachs erhalten hatte. Aber das hatte Marcus nie sonderlich bekümmert oder gar erschüttert. Aber dennoch befand er es manchmal als etwas anstrengend sich noch in die Rüstung zu zwängen, doch immerhin gab es noch die verstellbaren Riemen und zur Not würde er sich eine Neue kaufen. Erst auf den dritten oder vierten Blick bemerkte Marcus die Spuren des Geländelaufs, dennoch nickte Marcus sehr zufrieden.


    „In der Tat, das kann nicht schaden. Dann schätzt Du die Verfassung der Männer, trotz des Winters als gut ein?“


    Irgendwo hatte Marcus doch eine tabula, wo er sich einige gedankliche Notizen gemacht hatte. War nur zu hoffen, daß er sie auch wieder entziffern konnte. Prüfend zog er mal die eine, dann die andere tabula hervor und hatte schließlich die richtige Wachstafel in der Hand. Mit gerunzelter Stirn sah er darauf und murmelte leise vor sich hin als er sein Gekritzel auseinanderklaubte. Hieß der Satz: die centuria ins lupanar schicken? Herrje, warum war er denn auf den Gedanken gekommen? Oh, doch nur den centurio. Manöver, Manöver, was für ein Manöver hatte er bloß sich damals überlegt. Warum hatte er das nicht daneben geschrieben? Doch Marcus ließ die tabula sinken und hob den Blick.


    „Das ist sehr gut. In nächster Zeit sind wieder einige Dinge geplant mit der centuria. Zum einen möchte ich gerne die centuria mal wieder regelmäßiger zum Formationstraining zusammenrufen. Achzig Mann gegen die anderen Achzig, die probati natürlich auch. Außerdem würde ich gerne die Belagerung eines Mauerstückes, sowie die Verteidigung einüben. Steht der Turm, den wir gebaut haben eigentlich noch?“


    Marcus ließ die tabula sinken, den letzten Punkt brauchte er nicht zu entziffern, daran entsann er sich ausnahmsweise mal. Was die letzten Notizen auf der Wachstafel bedeuteten, konnte Marcus nicht mehr rekonstruieren, so gab er es schnell auf.


    “Außerdem werden wir in einigen Tagen ein Opfer- mit der gesamten centuria- an Mars erbringen, ich hab schon nach einem passenden Opfertier bestellt. Möchtest Du Opferhelfer sein, optio?“


    Nach einem Priester hatte Marcus nicht geschickt, er war schließlich mit solchen religiösen Handlungen aufgewachsen und traute sich durchaus zu, ein Solchiges zu leiten. Aber er erwartete nicht, daß Priscus selber aktiv mit daran teilnehmen musste, so war die Frage wahrlich nur eine Frage.


    „Hast Du noch Vorschläge für einige Übungen, optio? Oder Anmerkungen? Verbesserungen?“

    Leise pfiff Tius durch seine Zähne und sah beide probati, die so mutig eine Zahl geäußert haben, anerkennend an. Fliegendreck und lemurenmist wäre Tius glatt entfleucht, bekannt für seine sehr - sagen wir mal- farbigen und etwas seltsamen Ausdrücke. Er brauchte für solche Kopfrechnungen immer eine Schiebetafel und einige Murmeln um das auszurechnen. Aber zum Glück kannte er die Anzahl der centuriae auswendig und musste nicht das selber durchrechnen. So nickte er mit einem feisten Lächeln zwischen seinem Bart.


    „So ist es. Neunundfünzig centuriae. Sehr gut. Und zur Belohnung entlasse ich euch aus der heutigen Lektion namens: Wie kann ein vallum aus Holz aufgebaut sein oder der Tag an dem Palitius hemmungslos wieder losschwatzte.“


    Sofort wurde Tius wieder ernst und befand sich insgeheim als eine Ausgeburt von Humor, lachte sich selber über seinen Witz ins Fäustchen, versuchte sich jedoch nichts anmerken zu lassen. So deutete er wahllos auf jeweils zwei Männer, begann mit Sparsus und Imperiosus.


    „Du und Du, ihr geht zu dem steinernen turris * an dem östlichen Ende von der porta decumana. Ihr bewacht den Abschnitt von dort bis zum nächsten turris in Richtung der porta principalis dextra. Und wehe einer glaubt einschlafen zu können, weil ihr so früh aufgestanden seid, ich komme mal bei Zeiten vorbei…“


    So teilte Tius auch die anderen probati in Gruppen aus je zwei Mann ein, jeweils für die Abschnitte zwischen den anderen Wehrtürmen, die sich an jedem dieser Mauerabschnitte in die Höhe ragten.


    „Mitunter werdet ihr dann auch einen Blick auf die größten Teile des vallum werfen können, welche hauptsächlich mit einer Steinkonstruktion erbaut wurden. Aber ich finde, die Brillanz römischer Schanzbaukunst, gerade auf dem Felde, zeigt sich hier am Besten. Vielleicht kommt ihr auch bald in den Genuß einen solchen erbauen zu müssen, oder die einfachere Variante.“


    Tius klopfte kräftig auf die Holzmauer an der Stelle- es war auch nicht eine strategisch besonders wichtige Stelle am vallum, mal abgesehen davon, daß das Castell auch nicht in Gefahr schwebte von einer wilden Horde angegriffen zu werden- aber er hatte diese Stelle miterbaut, darum führte er die probati regelmäßig hierhin.


    „Fragen?“





    Sim-Off:

    Einige Mitspieler in der legio wünschen sich eine Steinmauer für das castellum, darum noch die kleine Anfügung. Bei Interesse sonst noch hier:
    Befestigung eines Lagers
    Interaktives Bild des Lagers


    *turris= Wehr- und Wachturm



    Der Himmel färbte sich grade mit einem hellblauen Streifen, die Luft war kühl und geschwängert von der Feuchtigkeit eines nächtlichen Regens. Dementsprechend matschig war der campus an manchen Stellen und die Kälte machte den Morgen recht klamm. Doch schon standen die ersten probati auf dem Platz mit ihren Ausbilder oder manch eine centuria übte schon für ein Manöver. Mit dem dicken wollenen Umhang bewaffnent und in seiner lorica segemantata gerüstet marschierte Marcus schnurstracks auf den campus zu, blieb einige Herzschläge lang stehen und klackte mit der vitis gegen den Rückenteil seiner Rüstung als er mit hinten verschränkten Armen sich auf dem campus umsah. Zielstrebig ging er auf die Pfähle zu, wo er gestern noch mit der Gruppe von probati geübt hatte und nun ihre Anwesenheit erwaretete.


    An jenem Morgen war Marcus einmal früh aufgewacht, hatte sogar Zeit gefunden, trotz einiger Belange der Soldaten, noch zu frühstücken ehe er auf den campus marschiert war und darum war seine Laune doch besser als noch am gestrigen Abend. Noch im Laufen sog er die Luft tief durch seine Nase ein, genoß die morgendliche Frische und blieb neben den Kisten mit Übungsschilden und Waffen stehen, die er von einem der Soldaten am Morgen hatte herbringen lassen. Weit und breit kein probatus in Sicht. Marcus sah auf den leeren Fleck vor den Pfählen und zuckte mit der Schulter, spähte dabei zur langsam erscheinenden Morgendämmerung. Dem Lärm in der Mannschaftsunterkunft nach zu Urteilen als er sie verließ, suchten wohl die probati noch wie ein hektischer Haufen nach all ihren Sachen. Mit verschränkten Armen lehnte sich Marcus gegen eine Holzkiste mit Holzschwertern und wartete auf das Erscheinen der probati.

    Da Tius nichts von den Hausaufgaben der probati wußte, freute sich der schon altgediente Soldat über die Frage des probatus. Während er nicht mal drei Herzschläge überlegen musste, kratzte er sich ausführlich an seinem dichten Bart und rückte seine überall einengende Rüstung zurecht. Aber sich eine Neue geben lassen, das wollte Tius immer noch nicht. Er hielt den Zustand schon seit zwei Jahren nur für Winterspeck.


    „Die prima macht in ihrem Aufbau keinen Unterschied zu jeder anderen legio im Imperium, ob in Germania oder in Syria. Wie haben zehn cohortes. Neun cohortes davon sind alle gleich aufgebaut mit jeweil sechs centuriae, je achzig Mann im Schnitt. Nur die erste cohors, wo wir hier alle darin dienen, ist anders strukturiert. Zum einen sind es nur fünf centuriae in der ersten cohors. Aber jede centuria ist doppelt so groß wie die übrigen centuriae und besitzen hundertsechzig Mann, jedoch nur einen centurio. Also, wer ist gut im Kopfrechnen? Wieviele centuriae ergeben sich dann insgesamt aus allen cohortes, einschließlich der Ersten?“





    Sim-Off:

    Schlachten werden hier im IR sehr selten simuliert. Und nein, dann geht nicht die SL mit dem Rotstift durch die Spielerschar. Ob Dein Charakter bei einer Schlacht sterben soll oder nicht, liegt weiterhin in Deiner Hand. Wir Spieler stellen schließlich auch nur den Bruchteil der legio dar, somit ist es auch nicht unglaubwürdig, sollten die ca. zwanzig Mann eine Schlacht auch überleben.




    Die Strahlen der Sonne fielen nun, am späten Nachmittag, genau auf die Terrasse, die sich in Südwestlicher Seite ausbreitete und wärmten alle, die sich darauf befanden- ob zum Speisen, Dienen oder Wartend. Mit einem Schluck Wein, Marcus hatte sich schon das zweite- oder war es mehr das dritte?- Glas mit Wein eingießen lassen, spülte er den Geschmack der Wachtel herunter, ehe er vom Gänsefleisch aß. Marcus gefiel es durchaus, daß Epicharis sich sehr wohl von den Speisen bediente, beziehungsweise sich reichen ließ. Wenngleich er auch dachte, sie könnte etwas mehr Appetit haben. Mit einem andeutungsweisen Kopfnicken deutete er ihr, daß er ihren Worten Beachtung zollte und ihr aufmerksam lauschte. Das fiel ihm momentan noch nicht allzu schwer, schließlich bewegten sie sich in einer Materie, die ihm par force gut verständlich war. Einige Herzschläge dachte Marcus darüber nach, ob es ihn belasten würde, seine Familie für ein oder zwei Jahre zu verlassen. Eigentlich war dem nicht so, schließlich hatte Marcus das schon einige Male getan. Aber seine Kinder hatte Marcus in Germania, nebst gutem Essen und schönen Frauen, sehr vermißt.


    „Wahrlich, Lucius Serenus ist mein kleiner Wirbelwind. Ein sehr kluger Junge, wenn ich das als Vater mal so unbescheiden anmerken darf.“


    Marcus lächelte mit dem unerschütterlichen Stolz eines Vaters über seinen Erben und Sohn. Und stolz war Marcus auf ihn, sah- genauso wie bei Arrecina- über die meisten Schwächen oder Makel hinweg, war demgegenüber sogar schier blind. Dafür sah er umso deutlicher die Klugheit und den Scharfsinn seines Sohnes und seine Begeisterung für Wagenrennen. War nicht bald wieder Serenus Geburtstag, wollte er ihm nicht sogar einen auriga schenken? Oder war es Arrecinas Geburtstag? Vergeßlich wie immer in solchen Angelegenheiten dachte sich Marcus nur, daß er vielleicht noch Hannibal befragen sollte darüber. Doch schon nach den nächsten drei Herzschlägen hatte er das Ganze abermals vergessen. Ein netter Junge! Das klang in Marcus Ohren wunderbar, scheinbar hatte sich Serenus wohl ganz vorbildlich verhalten. Noch mal übermannte Marcus der Stolz und er lächelte freudig darüber. Dann würden die beiden Kinder Epicharis bestimmt nicht abschrecken, wobei das Marcus bei Arrecina nie befürchtet hatte. Die Beiden würden sich bestimmt gut verstehen, fast wie Schwestern…, dachte Marcus, verschluckte sich fast am Wein und verbot sich noch mal so einen Gedanken. Seinen Appetit trübte das Ganze natürlich nicht, so aß er weiter, ließ sich auch von dem laganum reichen, welchen schon Cicero schätzte, und verspeiste sie nicht sonderlich geschickt, aber ohne ein großes Malheur.


    “Dann hast Du bereits schon die halbe Familie in Roma kennen gelernt, Epicharis? Das ist erfreulich.“


    Was er groß zu einem Einkauf auf dem Markt sagen sollte, überlegte Marcus einen Augenblick. Aber ihm fiel nur ein: „Schöne Kleider gefunden?“, „Frauen kaufen gerne ein, oder?“ oder ein „Hat Leontia wieder Folterinstrumente erstanden?“. Aber das schien ihm alles wenig geeignet zu sein. Darum lächelte er nur ein wenig- vielleicht ein bisschen befangen für einen sehr kurzen Augenblick- und trank einen tiefen Schluck Wein und noch einen, gerade als Epicharis ihre letzte Frage stellte. Fast hätte sich Marcus verschluckt, hustete einige Male und gestand sich ein: Epicharis hatte wohl schnell das Ganze durchschaut. Oder tat sie nur so? Marcus, ahnungslos in dem Moment, grübelte über seine Antwort. Was nun? Wie weiter? Sollte er jetzt einfach alles sagen? Vom Thema wieder wegschwenken? Entschlossen, nach einem marginalen Augenblick des Schweigens, stellte Marcus das nun abermals leere Glas auf den Tisch. Obwohl sein Hunger noch nicht sonderlich gestillt war- Marcus konnte noch sehr viel mehr essen- entschloss er sich, seinen Plan vor zu verschieben.


    „Nun, die Antwort ist nicht so einfach zu erklären. Vielleicht magst Du einige Schritte mit mir gehen, ehe wir uns den anderen Speisen widmen?“


    Marcus winkte den Wassersklaven heran, wusch sich seine Hände und erhob sich dann wieder. Dezent richtete ein Sklave hinter ihm die Falten an seiner toga.

    Tius wog den Kopf hin und her und dachte über die Antwort des probatus nach. Nach einigen Herzschlägen nickte er schließlich, stützte sich dabei mit einer Hand an der hölzernen Palisade ab und lächelte schief.


    „Ja, das kann man durchaus so sagen. Anfangs waren die Prätorianer Soldaten, die eigens in das Zelt des Kommandanten, das praetorium, abkommandiert wurden, sorgfältig ausgewählt, zum Schutze des Legionskommandanten, tatsächlich oft Staatsmänner. Aber defensiv kann man die Prätorianer heute nicht mehr nennen! Nein…“


    Tius lachte gut gelaunt und schüttelte den Kopf.


    “Wenn Krieg ist, ziehen immer wieder cohortes mit uns ins Feld und kämpfen, wie jeder andere Soldat. Wenn nicht sogar weit besser als jeder andere Soldat, sie haben schließlich fast den ganzen Tag zum Üben, und nicht so viele andere Pflichten, so was wie Strassen- und Amphitheaterbau, als die meisten anderen Soldaten des Imperiums. Wir, von der prima, können uns jedoch auch mit ihnen messen…“


    Behauptete Tius dreist und mit einem selbstgefälligen Lächeln. Nur kurz wurde das Lächeln getrübt, von der Aussicht, daß die Spitzel der Prätorianer über all sein konnten. Schnell dachte er darüber nach, ob ein Caecilier in der Truppe war, glaubte sich jedoch nicht daran zu entsinnen.


    „Fragen?“



    Sim-Off:

    - Sparsus: Einfach jederzeit fragen. Kannst das immer und überall tun, selbst wenn ich da das nicht explizit schreibe. (Außer vielleicht in einer Schlacht)
    - Imperiosus: Sicherlich darfst Du. Willkommen auf dem vallum.



    Zitat

    Original von Gaius Tallius Priscus
    ... Neugierig schaute Priscus um die Ecke, ob der Centurio in seinem Zimmer war, oder ob er diesen jetzt noch in der Principia suchen müsste.


    Sichtlich unangestrengt hang Marcus Flavius Aristides auf seinem Stuhl, spielte träge mit der vitis und überlegt, ob er sich aufraffen sollte, mal eine kleine Stubenkontrolle zu veranstalten. Aber gerade hatte er gegessen und fühlte sich ganz schlapp und unlustig, etwas zu unternehmen, gar den strengen centurio zu spielen. Denn im Grunde seines Herzens war Marcus einfach ein durchaus fauler Mann und konnte mit all jenen sympathisieren, die das auch waren. Und wenn er in einer solchen Laune war, würde er selbst bei dem desolatesten Zustand einer Ausrüstung höchtens eine Abmahnung verteilen können. Spielerisch drehte er den centuriostab aus Zitrusholz, das Geschenk seines Neffen, zwischen seinen Fingern und besah sich die Verzierungen. Ob er heute Abend mal wieder einen kleinen Ausflug machen sollte? Gerunzelter Stirn sah sich Marcus nach dem Dienstplan mit der Wacheinteilung um, entdeckte sie tief in einem Stapel von Wachstafeln und zog sie hervor. Laut polternd, was auch Priscus deutete, daß der centurio in den Räumlichkeiten war, fielen die tabulae auf den Boden. Marcus seufzte tief, hatte keine Lust sich zu bücken und warf einen schnellen Blick auf die Wacheinteilung. Nur zufällig hob er kurz den Blick und sah Priscus.


    „Ah, optio, komm doch herein. Gerade vom campus zurückgekehrt? Setzt Dich doch! Etwas Wasserwein?“


    Marcus schob einen Becher rüber, linste in die tönerne Karaffe, ja es war noch ein wenig übrig, und goß Priscus von dem Gebräu ein, es enthielt gerade mal ein paar Fingerhüte Wein - vielleicht ein paar zu viele- zwischen all dem vielen Wasser, diente mehr dazu den Geschmack des Wasser zu übertönen. Daß Pricus vor ihm salutierte, erwartete Marcus nicht im Mindesten, wollte das auch nicht wirklich. Er sah in ihm immer noch mehr ein Gleichrangigen und hegte mehr kameradschaftliche Empfindungen als das Gefühl eines Vorgesetzten.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Licinus
    "Jawohl Centurio" sagten die beiden mit sichtlich schlechtem Gewissen, denn man wusste ja, der erste Eindruck ist oftmals der entscheidende.


    Marcus nickte, nahm die Entschuldigung wortlos hin. Daß die Neuen am Anfang nicht alles richtig machten, das befand Marcus nicht als sehr schlimm. Er gewährte jedem probatus erst Mal eine Zeit, in der er sich gänzlich allen Gepflogenheiten anpassen konnte, sollte so ein Verhalten einige Wochen später noch einmal auftraten, wäre Marcus vielleicht wahrlich konsterniert.


    „In Ordnung, wegtreten!“


    Erst als die probati aus dem Raum waren, drehte sich Marcus um und kümmerte sich um seine anderen Belange, wobei er die Priorität für einen weiteres Zwischenmahl ganz oben positionierte auf seiner innerlichen Liste, sollte er überhaupt eine haben.

    „Ohoho!“


    War der einzige Kommentar, den Vetulio von sich gab, als ihn Titus wie ein Fliegengewicht hochhob und er von seinem jämmerlichen Schildkrötendasein, mit dem Rücken auf den Boden, befreit. Mühsam versuchte er wieder die Riemen des scutum um seinen Arm zu schlingen und zu den anderen Männern aufzuschließen. Keuchend folgte er, trampelte wie ein schwerfälliger Elefant entlang der breiten Sprinterspur seiner Kollegen in der leicht feuchten Erde. Erst nach einer weiteren Runde war Vetulio wieder bei den Anderen aufgeschlossen. Der centurio derweil blieb immer noch schweigsam an der Seite stehen, die ersten Sonnenstrahlen brachen durch die morgendlichen Wolken.


    Und sie liefen, und liefen und liefen…keiner der Soldaten wollte schlapp machen und somit beweisen, daß sie schlechte Soldaten der legio waren, das Straftraining war schließlich schlimm genug. Und doch nahm die Erschöpfung immer mehr zu, selbst die, die sonst mühelos einen Morgen mit dem gladius trainierten oder tagelange Gewaltmärsche gewohnt waren, fingen an zu keuchen und schwer zu schwitzen. Und die jungen Soldaten, die probati, oder auch die schlecht Geübten, wie Vetulio kamen immer öfters ins Straucheln, fielen ab und an auf den Boden oder einfach in der Reihe zurück.


    Abermals wartete Tius einen Augenblick, um den Männern Zeit zu geben, sich eine Antwort zu überlegen. Ein Trupp von Soldaten marschierte unten im intervallum entlang, der vorderste Soldat sah einen Moment nach oben und nickte den Soldaten auf dem Wall zu. Der Hahn zwischen den Gebäuden krähte wieder vernehmlich, natürlich erst das zweite Mal am Tag, den Morgen hatte er wieder mal verschlafen. Als das Schweigen noch länger vorherrschte, zuckte Tius mit der Schulter, lächelte ein Wenig und deutete auf das intervallum und die ersten Mannschaftsquartiere.


    „Es ist eigentlich ganz simpel. Aber man muß erst darauf kommen. Die Mauer dient der Verteidigung eines Lagers. Doch was nützt die beste Mauer, wenn keine Soldaten sie bemannen. Aus dem Grund sind alle Mannschaftsbaracken oder Zelte direkt an der Mauer gebaut und die Männer können sich binnen kurzer Zeit bewaffnet dem Feind entgegenstellen. Dabei bleiben die Offiziere in der Mitte geschützt, die tribuni und natürlich der wichtigste Mann im Lager, der legatus in seinem praetorium.“


    Tius zeigte in die Mitte des Lager, wo principia und praetorium lagen. Doch schon plauderte er weiter, er hatte eine recht tiefe Stimme, die immer ein wenig nasal wirkte bei den Vokalen.


    „Damit jedoch bei einem Angriff die Zelte gegen Angriffe besser geschützt sind, schließlich können sich leicht Geschoße über die Mauer verirren- ja, auch die Barbaren treffen mal- und sonst vielleicht die Soldaten noch im Lager erwischen. Darum ist eine hundert Fuß breite Schneise zwischen der Mauer. Außerdem kann der Platz auch zum Sammeln der Truppen für die vallumbesatzung dienen. Wie ihr seht, hat alles hier im Lager stets einen gut durchdachten Sinn. Und noch was am Rande, weiß jemand welche Einheit nach dem praetorium benannt ist und warum?“


    Tius fing es an wieder mal Spaß zu machen, die probati mit seinen Fragen ein wenig zu fordern, ehe sie zum eher monotonen Wachdienst schritten.




    Sim-Off:

    Und noch zur bildlichen Vorstellung: zwei exemplarische Skizzen eines Wall --> vallum



    Zustimmend nickte Tius auf die Antwort von Sparsus hin. Tius holte tief Luft, genoss einige Herzschläge die gute Luft in dieser Höhe und wartete einen Augenblick, ob noch ein anderer probatus etwas anfügen sollte. Da dem nicht so war, fuhr er einfach fort. Dafür deutete er nach draußen auf die beiden Gräben, die das Lager umzogen.


    „So ist es. Ein vallum eines Marschlagers ist um die sechs Fuß hoch, davon ist der der Wehrgang, der agger, auf einer Höhe von bei etwas mehr als zwei Fuß und mit einer Breite von zwei Fuß. Der Wall besteht aus aufgeschütteter Erde, was man sich aus dem ersten Graben von draußen holen kann, dem fossa. In diesen Wall werden die pila muralia hineingestoßen, sie bilden die Palisade. Von außen wird der vallum mit den ausgeschnittenen Rasenflecken belegt, die wir auch beim Ausheben des Grabens außen gewinnen können.“


    Mit einer Hand deutete Tius den Männern ihm zu folgen, während er langsam an der hölzernen Mauer entlang schritt. Die Schritte unter seinen Füßen tönten dumpf wieder, ab und an blieb er stehen, damit die probati sich auch umsehen konnten. Nach einigen Metern blieb er stehen und deutete auf die beiden Gräben.


    „Nicht jedes improvisierte Marschlager hat zwei Gräben. Manches Mal wird darauf verzichtet und nur ein Graben ausgehoben. Er ist dann ein klein wenig tiefer und ein klein wenig breiter.“


    Tius wandte sich von außen nach innen und deutete mit seinem rundlichen Kinn auf das invervallum.


    „Weiß jemand, warum es so eine große Schneise zwischen den Mannschaftsunterkünften und der Mauer gibt? Und warum bilden alle Mannschaftsunterkünfte den Rand der Lagergebäude?“



    Einen Moment konnte sich Marcus nicht entscheiden: aß er lieber eine gefüllte Malvenblüte, eine Schnecke oder dann doch lieber ein Ei. Doch der Qual der Wahl ausweichend, entschied sich Marcus einfach für alles drei und ließ es sich abermals munden. Eine Vorspeise regte tatsächlich immer nur seinen Appetit an, die Musik im Hintergrund brachte ihn ebenfalls in Genießerlaune. Ein junger Sklave trat, scheinbar unaufgefordert, an ihn heran und kniete sich neben Marcus, der- ohne darauf zu achten- seine Finger in das lauwarme Wasser tunkte, auf denen blassrote Blütenblätter trieben. Schon war der Sklave wieder entschwunden- Epicharis hatte ebenfalls einen Sklaven, der Zwillingsbruder von ihm, der ihr auch ab und an das reinigende Wasser reichte- und Marcus genoß noch mehr von den Speisen. Und natürlich auch den Anblick vor sich- freilich nicht der atemberaubende Blick über die Stadt, den er schon einige Male in dem Garten seines Freundes genossen hatte, und in den letzten Stunden auch- sondern die junge Frau, die im Sonnenlicht und an diesem Tag besonders bezaubernd wirkte, Marcus wußte durchaus schöne Frauen zu schätzen, selbst wenn sie nicht in sein Beuteschema fielen. Noch während er sich Epicharis Erscheinung einige Herzschläge- abermals- versunken betrachtete, räumten die Sklaven diskret die ersten Speisen ab, man sollte sich ja auch nicht zu lange bei der Vorspeise aufhalten.


    „Einsam? Nein, nicht wirklich. Sicherlich hätte ich lieber meine Kinder um mich herum, schließlich habe ich sie früher immer mit mir mitgenommen, selbst auf meine Reise nach Africa, aber sie sind beide mitunter in einem Alter, wo ihnen die beständige Familie in Rom gut tut.“


    Eigentlich hätte es Marcus für Besser befunden, Beide wären in Baiae geblieben. Seine Mutter hätte ein viel besseres Augemerk auf Beide werfen können, als seine- mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigten- Verwandten in Roma. Obwohl er sich kaum ein besseres Vorbild für seinen Sohn wünschen könnte als seinen Vetter Gracchus, zumindest in den Gelehrtendingen. Vielleicht würde sein Sohn dann nicht so ganz nach ihm- Marcus- schlagen, der sich oft unwissend in der Gegenwart seiner Verwandten vorkam. Aber seine Tochter, die war leider seiner Mutter ausgebüxt, aber wegschicken wollte Marcus sie auch nicht.


    „In der Tat, Lucius, mein Sohn, ist noch nicht mal zehn Sommer alt und ein kluger Junge. Er kommt ganz nach meiner Mutter. Er dient bereits im cultus deorum als Gehilfe meines Vetters Flavius Gracchus. Und da ist er nun mal auch besser in Rom aufbewahrt als in Mantua.“


    Einerseits wollte Marcus Epicharis nicht mit seinen Familiengeschichten langweilen, aber andererseits wäre es vielleicht nicht so verkehrt, wenn die junge Patrizierin wußte, was auf sie zukommen würde, sollte sie heute noch einwilligen. Eine Frage oder eine Angelegenheit, die Marcus auf den Zeitpunkt nach dem Nachtisch verschieben wollte. Und schon wurden die nächsten Speisen aufgetragen- auf den Fischgang hatte Marcus auch- auf Rat des vilicus- verzichtet, der Fisch war einfach nicht wirklich genießbar in Rom, höchstens im Winter, wenn der Transport von Ostia sich nicht so schwierig erwies. So wurde Entenfleisch- nur die Brüstchen und hauchfein geschnitten- dargereicht, ebenso gebratene Wachteln, zartes Lammfleisch- innen noch mit einem Hauch von Rosa-, dazu gebackene Gänseleber und zarte Hühnerherzen, gepaart- überraschenderweise- mit wenig von der Fischsoße, die die Römer so liebten und mehr mit würzigen, wenngleich sogar etwas scharfe Soßen diverser Kräutersorten und beim Lamm mit Wein gemischt. Abermals tunkte Marcus seine Hände in das Wasser, trocknete es am Linnen bei dem Sklaven ab und ließ sich schon von den nächsten Speisen eine Auswahl reichen, wie auch Epicharis aufmerksam bedient wurde.


    „Das ist wohl der einzige Vorteil als Patrizier in der legio zu dienen. Meine Pflichten bei den salii palatini bringen mich ab und an in die Hauptstadt, wenn erneut ein größerer Feiertag ansteht. Gerade gestern war einer, das regifugium.“


    Marcus lächelte, noch erfüllt von dem Feiertag, den er mit dem Waffentanz sehr genoßen hatte. Er fand durchaus Vergnügen darin, den würdevollen Tanz vor den Römern aufzuführen. Und je sicherer er damit wurde, desto mehr wuchs das Gefühl des Stolzes in Marcus darüber, was er freilich nicht äußern würde. Dennoch kehrte Marcus lieber zurück zu dem Thema, was mehr das Private anschnitt, wenngleich auch mit einer eher profaneren Frage.


    „Magst Du eigentlich Kinder, Claudia Epicharis?“

    Prüfend musterte Tius den Iulier und räusperte sich leise nach einem Moment, schließlich nickte er und sah noch einmal bedauernd zu dem Wachturm hoch. Die Würfel würden wohl noch warten müssen. Stattdessen wandte sich Tius um und griff nach einem pilum, was er neben das Tor abgestellt hatte. Ob er noch einen Schlauch mit Essigwasser mitnehmen sollte? Er verwarf es in Gedanken wieder und hob seine Hand, deutete auf den Wall, der das Lager umzog.


    „Mitkommen! Ihr lernt heute mal den Ort kennen, auf dem ihr viele, viele und noch mehr Stunden in den nächsten Jahren verbringen werdet.“


    Schon marschierte Tius los und am Wachturm vorbei, zum intervallum.




    Entlang des intervallum führte Tius- Wachsoldat Ivinius Pallitius- die Gruppe von probati, die in den nächsten Wochen Tag für Tag hier ihren Wachdienst absolvieren mußten. Zwischen dem ersten Gebäuden, den Unterkünften der einzelnen centuriae, und dem Wall lagen gut hundert Fuß* Abstand. Und auf diesen breiten Streifen blieb Tius stehen, drehte sich um und wartete, bis auch noch der letzte Nachzügler heran gekommen war. Die Sonne stand hoch am Himmel und die Strahlen Sols erwärmte mild die Luft, ließ eine laue Brise über das Lager streichen. Mit dem Hauch eines Lächelns auf den Lippen musterte Tius die jungen Männer, die erst am Anfang ihrer zwanzigjährigen Dienstzeit standen. Tius hatte gut die Hälfte seines Dienstes hinter sich gebracht und hoffte immer noch darauf baldig mal zum optio befördert zu werden. Immerhin hatte er sich schon innerhalb der centuria hochgearbeitet, wozu diese Arbeit mit den probati nun auch mal gehörte.


    „Bildet zwei Reihen, je 8 Mann tief. Iulius Sparsus, Du ebenfalls ganz vorne.“


    Tius meinte, daß es so aufgehen mußte und deutete, noch während die probati sich sortieren sollten, auf den Wall an seiner Seite. Mehrere Meter ragte der massive Holbau in die Höhe, auf gut der Hälfte eine Plattform aus Brettern gebaut, die den Soldaten ermöglichten entlang der hölzernen Brustwehr zu laufen, die noch von hölzernen Zinnen geziert wurde und so eine Verteidigung gegen mögliche Angreifer erleichterte.


    „Das ist der vallum. Gut fünfzehn Fuß ist so ein vallum hoch, besteht aus einer äußeren und einer inneren Holzverschalung. Die begehbare Plattform, die ihr seht, ist mit Erde gefüllt. Der vallum führt um das ganze Lager herum und dort werdet ihr euren Wachdienst abhalten. Entweder auf der Mauer oder an den Wachtürmen bei den Toren. Folgt mir!“


    Tius marschierte los und kletterte an der inneren Holzverschalung und einer Leiter hinauf auf den begehbaren vallum. Dort angekommen trat er an die hölzerne Mauer und spähte über die hügelige Landschaft, die das Lager umgab.


    “Weiß jemand, wie ein vallum bei einem Marschlager aussieht? Unterschiede? Gibt es überhaupt einen vallum bei einem Marschlager, wo eine legio nur kurzzeitig bleibt? Na, jemand eine Idee?“



    • 1 Fuß = ~29 Zentimeter




    sim-off: Wer noch mitmachen will, ist ebenalls eingeladen.


    Palitius betrachtete den probatus eingehend, kratzte sich zwischen seinem Bart und richtete sich ein wenig mehr auf. Die Rüstung, die er trug ächzte leise, die verstellbaren Riemen hatte Tius schon bis zum Maximum ausgenutzt. Und als er die Rüstung erworben hatte wog er noch gut 30 Pfund weniger als jetzt.


    „So, und hat der Herr dann vielleicht auch einen Namen?“


    Tius nickte Cafo zu und deutete mit dem Kinn auf das zu bewachende Tor. Cafo starrte noch einen Augenblick länger zu den probati, neugierig durchaus, wen sie denn die nächsten Wochen Tag für Tag mit am Tor haben würden und wandte sich dann wieder um, ging zum Tor und spähte durch den schmalen Sichtschlitz. Tius sah erneut zu den Männern und stellte die nächste Frage schon ziemlich gleich nach der Ersten. Er war etwas ungeduldig und sicher, daß Lucius, der „Lange Beine Lucius“ seine Würfel erspähen würde und er vielleicht einen Wochenlohn verlieren konnte. Darauf war Tius nicht sonderlich erpicht.


    „Nun?“




    Unauffällig musterte Marcus die Bewegungen der Patrizierin- in der Tat, nur Frauen hatten die Gabe sich derart graziös zu bewegen, ob im Gehen, Liegen oder beim Hinsetzen- und Epicharis schien das noch zu vervollkommnen. Noch ehe Marcus einen Ton von sich geben konnte betraten drei gerstenschlanke junge, blau gewandete, Frauen den Platz. Ihre Augen waren alle mit einem feinen silbrigen Tuch verbunden und sie nahmen auf kleinen Kissen Platz, die ihnen drei Sklaven hinter her trugen. In ihren Händen hielten die jungen Frauen- auf den zweiten Blick erschienen sie dann doch nicht ganz so jung- je ein unterschiedliches Instrument. Die Erste hielt eine griechische Harfe auf dem Schoß, deren Holzrahmen mit einem Vogelschnabel verziert war, die Zweite eine Syrinx -eine Doppeloboe- und die Dritte eine kleine Doppelaulos -der römischen Doppelflöte nicht unähnlich. Schon schwebten die ersten Klänge über den Garten von leiser, anmutiger kleinasiatischer Musik. Nur einen Herzschlag gab sich Marcus der Muse hin, der Musik zu lauschen, ergriff dabei eines der gefüllten Blütenblätter.


    „In Baiae, wahrlich meine Heimatstadt, blüht und grünt es um die Zeit noch sehr viel mehr. Überall sprießen dort jetzt die Frühlingsblumen. Die ganzen Wiesen um die Klippen sind in einen Regenbogen geformt aus einem Blütenmeer getaucht. Wenn man sie vom Land aus betrachtet, wirkt es scheinbar so, als ob die Blumen auf dem blauen Wasser wachsen. Es ist fast die schönste Zeit in Baiae.“


    Marcus liebte seine Heimat abgöttisch, verband all- zumindest die Meisten- schönen Lebensjahre seiner Kindheit und Jugend damit. Die Zeit des unbeschwerten Lebens, des Genusses, den Fahrten mit dem kleinen Segelschiff auf dem Meer oder das Verbummeln in einer der versteckten Buchten bei der Villa seiner Mutter. Später dann natürlich verbunden mit der Lebekunst der Menschen dort, der Dekadenz und den vielen Feiern oder Orgien, die er dort erlebt hatte und an kaum einem anderen Ort so erfahren hatte, wie in seiner Heimatstadt. Es wunderte Marcus nicht, daß es die Noblesse, sogar die Kaiser, immer wieder nach Baiae zog. So lächelte er einen Moment mit dem Hauch von Heimweh und aß die gefüllte Blüte. Irgendetwas von einem Großonkel hatte Epicharis doch erwähnt? Kam der von Baiae oder wollte der nach Baiae? Es war Marcus glatt entgangen, denn Baiae nur als Nett zu empfinden konnte Marcus gar nicht verstehen. Aber vielleicht war Epicharis zu sehr behütet worden und hatte nicht wirklich die grandiosen Seiten der Stadt erlebt. Sollten sie tatsächlich heiraten, würde Marcus das noch zu ändern wissen.


    “Die heißen Quellen bei Baiae sind auch wunderbar zu genießen. Hast Du sie besuchen können?“


    Schon war Marcus bei seinem dritten Vorspeisenteilchen und genoss es genauso wie das Erste. Die Schnecke ließ er sich von einem Sklaven richten und aß sie genauso lukullisch. Daß ständig Sklaven um sie herum wieselten, bemerkte Marcus nicht einmal. Mit so was war er aufgewachsen und das gehörte zu seinem Leben dazu. Früher, als er noch jünger und in Baiae war, war er morgens, wenn nicht sogar nachts schon von Sklaven umgeben, hatte sich waschen oder ankleiden lassen und war noch nicht mal alleine zum Abort geschritten. Aber das war mehr als selbstverständlich für einen Patrizier und Gedanken hatte sich Marcus darüber nie gemacht. So konnte er seine ungeteilte Aufmerksamkeit weiter auf Epicharis richten und nickte unmerklich.


    „Die Flavier sind weit verstreut. Manche wohnen in Baiae, manche in Ravenna oder sogar in Griechenland, andere in Hispania und die Wenigsten von ihnen in Rom. Aber einige meiner engsten Verwandten, auch meine beiden Kinder, residieren ebenfalls in der Villa Flavia in Rom.“


    Die steten Sorgen um seine Tochter beherrschten Marcus Gedanken, wenn er an seine Kinder dachte, aber auch immer mehr sein Sohn, der außer Reichweite seiner eigenen Mutter immer launischer und unbändiger wurde, wie Marcus schien. Aber Marcus war in dieser Hinsicht sehr nachsichtig, Jungs mussten nun mal die Welt erforschen und sich den ein oder anderen blauen Fleck holen.


    “Wenn Du innerhalb der nächsten drei Tage auch nach Mantua reisen willst, würde ich mich Deinem Tross mit meinen Sklaven anschließen. Ich muss auch wieder zur legio zurück. Die Strassen nach Mantua sind letztlich immer unsicherer geworden, durch einige Banden, die in der Gegend immer noch marodieren, leider.“