Lautlos tropften die Wasserperlen an Marcus herunter, die wohlige Wärme machte ihn immer träger und sorgloser. So konnte man das Leben genießen. Und außerdem war Marcus sehr zufrieden bei der Reaktion von Nortruna. Eindeutig hatte er hier die richtigen Worte gefunden, was ihm bei Rutger niemals gelungen waren. Aber Marcus bildete sich schon lange ein, daß er einfach ein Händchen für Frauen hatte, und durchaus mit ihnen gut umgehen konnte. Daß es ihm weder bei seiner Frau, noch bei zahlreichen anderen Frauen gelungen war, verdrängte er immer gekonnt. So hoben sich seine Mundwinkel zu einem zufriedenen Lächeln, das nur marginal erschüttert wurde bei ihrer Nachfrage. Verwirrt legte sich Marcus Stirn in Falten und er wischte sich mit seiner Hand darüber hinweg, seufzte kaum hörbar und sah düster in die Richtung, wo sein Wein nicht kommen wollte. Durchaus war Marcus verirrt. Natürlich hatte er mitbekommen, daß es auch Hierarchien unter den Sklaven gab, aber warum sollte Hannibal der Germanin Anweisungen geben können. Vielleicht tat er das schon in seinem Namen. Das erste Mal keimte ehrlicher Ärger über seinen Sklaven in Marcus auf, der sich von Woche zu Woche, wie es schien, mehr heraus nahm.
„Hannibal ist auch nur ein Sklave. Als Leibsklave hätte er den normalen Sklaven aus meinem Haushalt vielleicht eine gewisse Weisungsbefugnis, aber nicht Dir gegenüber. Was sich aber drastisch ändern kann, solltest Du gedenken zu fliehen. Denn dann darf und wird er Dich mit Sicherheit verfolgen und wieder in die villa Flavia bringen. Aber ich bin mir sicher, so weit muss es nicht kommen, Venustas!“
Für einige Herzschläge überlegte er, ob er ihre letzte- wie er fand, sehr unverschämte- Frage beantworten sollte. Das war fast so als ob er ihr eine Arbeit anbieten würde. Marcus Augenbraue wölbte sich in signifikant flavischer Art nach oben. Dann rang er sich doch zu einer Antwort durch, die Wärme, die freie Zeit stimmten ihn heute außergewöhnlich milde.
„Was Du davon hast? Ich denke, das sollte offensichtlich sein. Sieh Dir Hannibal an. Gut, er treibt es mit seinen Privilegien eindeutig zu weit. Aber zum einen, wenn Du mein Vertrauen erlangst, wirst Du ein und ausgehen dürfen in der villa Flavia, um die aufgetragenen Aufgaben vollführen zu können, und Du bekommst besseres Essen, wirst vor den üblichen Strafen des Verwalters geschützt sein, musst keine Hausarbeiten vollführen müssen, was auch immer da anfällt, sondern Deine Aufgaben beschränken sich lediglich darauf, meine Angelegenheiten zu regeln. Nur was ich Dir auftrage, wirst Du tun müssen. Die anderen Sklaven müssen noch auf zahlreiche andere Männer hören müssen.“
Daß die Realität unter den Sklaven, selbst für Leibsklaven, in der villa Flavia gänzlich anders aussah, das wußte Marcus naturgemäß nicht. In dieser Hinsicht war Marcus blauäugig. Außerdem hatte er sich für diese subtilen Strukturen und Verhältnisse nie interessiert, noch waren sie ihm überhaupt aufgefallen. Und Hannibal hatte sich bis jetzt ihm gegenüber darüber auch ausgeschwiegen.
„Wenngleich ich es wünsche, daß Du auch die anderen Flavier mit dem notwendigen Respekt behandelst. Aber Venustas, wenn ich mich recht entsinne, hast Du mir eine Frage nicht beantwortet. Also, kannst Du vielleicht Singen oder ein Musikinstrument spielen?“
Marcus stützte sich auf seinem rechten Ellbogen ab und betrachtete Nortruna aufmerksam. Es wäre wahrlich wunderbar, wenn sie das konnte.