Die Lyraspielerin vermochte es in jenen Momenten Marcus völlige Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Nein, sie war weder dunkelhäutig und aus den Landen Africas, noch war sie eine Schönheit. Ihre Hakennase und ihre etwas zu eng stehenden Augen hätten Marcus eher abgeschreckt, doch ihr Spiel bezauberte Marcus völligst. Ihre Finger glitten virtuos über die wenigen Seiten ihres Instrumentes, entlocktem diesem jedoch die wundervollsten Töne. Wenn es etwas gab, worin Marcus ein Schöngeist war, dann die Musik. Lächelnd und nur am Wein nippend lauschte Marcus dem, registrierte nicht die kleine Wortgeplänkel zwischen Gracchus und Serenus, jedoch auch zwischen Furianus und Leontia genausowenig. Gracchus riß ihn mit seinem Geschenk völlig aus den Gedanken und seinem entzückten Lauschen. Verwirrt- ja war denn schon die Geschenkezeit?- nahm Marcus die hölzerne Schatulle entgegen und öffnete diese. Verblüfft blinzelte er auf den Dolch herunter. Von Hannibal persönlich? Marcus war im Höchsten Maße beeindruckt.
"Ich danke Dir, Gracchus. Das ist ein wunderschönes Geschenk! Ein herrlicher Dolch! Und wie gut, daß dieser Dolch dem elenden Feldherren abgenommen wurde! Er wird mir sicher Glück gegen die Barbaren bringen."
Marcus lächelte ehrlich erfreut darüber. Sicherlich hatte der gute Hannibal, sein Sklave, an ein passendes Geschenk für Gracchus gedacht. Schnell spähte Marcus in sein Geschenkkörblein und lächelte erleichtert, als er ein kleine Holztäfelchen mit dem Namen: „Gracchus“ an einem der Geschenke entdeckte. Schwer war es, schnell ertasteten Marcus Finger was es sein könnte, Schriften, so viel war klar, doch sonst war er ahnungslos. Wehe Hannibal würde sich wieder einen Scherz erlauben, vor einigen Jahren hatte er damit Marcus in ziemliche peinliche Momente gebracht- außer bei seiner eigenen Mutter, da hatte Marcus nie und nimmer in all den Jahren je ein Geschenk vergessen. Lächelnd reichte er Gracchus das Geschenkpaket, was in feinem weißen Lammleder gehüllt war und an den Seiten mit goldenen Ornamenten bemalt. Darin waren einige Schriftrollen enthalten, die ebenfalls je in gestärktem, dunkelbraunen und gewachsten Leder gehüllt waren, geschmückt mit feinsten und rotem Stoffkappen. Darin enthalten waren Schriften aus Petronius' Satyricon, besonders die amüsanten Stellen über die Eifersüchteleien von Askyltos und Giton oder anderen doch eindeutigen Stellen von Gracchus Neigung. Ebenso jedoch auch jener griechischer Auszug von dem Gastmahl des Trimalchio. Dazu in einer Schriftrolle waren die sorgfältige und elegant kopierte Kopie des satirische Hirtenliedes von Horaz.
"Bona Saturnalia, Manius. Wie man von Dir weiß: Nulla dies sine littera. Ich hoffe, sie werden anregend sein!"
Gerade wollte Marcus weiter die Geschenke verteilen, Leontia, Furianus, Minervina, seine Kinder. - keiner sollte vergessen werden. Doch da bemerkte er, daß seine Tochter entschwunden war. Ja, wo war sein Sonnenschein denn jetzt schon wieder? Und dann fiel sein Blick auf Rutger. Sein vom Wein, der Wärme und dem familiären Trubel leicht gerötetes Gesicht wurde blass, vor Zorn. Wer...wer, bei Plutos heiligen Hallen, hatte es gewagt, den Germanen rauszulassen und auszustaffieren wie einen Höfling Neros? Marcus griff fester um seine Lehne, das Holz protestierte leise gegen diese grobe Behandlung. Gracchus? Bei der Begrüßung zu vermuten!!! Doch dann fiel Marcus Blick auf Hannibal, sah ein süffisantes Lächeln bei diesem. Finster und eiskalt sah Marcus seinen Sklaven an, das würde dieser noch bereuen. Mühsam kämpfte Marcus mit seiner Beherrschung, war er doch froh, daß seine kleine Arrecina in jenem Moment nicht da war. Augenblicklich hörte er seinen Sohn, der munter das Gedicht aufsagte und seinen Blick auf seinen Vater warf. Irritiert, noch sehr angespannt wandte er den Blick zu seinem Jungen. Ein Gedicht? Wahrscheinlich erwartete sein Sohnemann das. Dummerweise fiel ihm nur folgendes ein:
"Welch eine Nacht, ihr Götter und Göttinnen!
Wie Rosen war das Bett! Da hingen wir
Zusammen im Feuer und wollten in Wonne zerrinnen!
Und aus den Lippen flossen dort und hier,
Verirrend sich, unsre Seelen in unsre Seelen!-
Lebt wohl ihr Sorgen!
Wollt ihr mich noch quälen?
Ich hab' in diesem entzückenden Sekunden,
Wie man mit Wonne sterben kann, empfunden!"
Das ging natürlich nicht, drum kam ihm nur ein oft zitiertes Gedicht aus seiner Jugend.
"Ach, wir armen Menschlein klein!
Alle werden wir so sein;
Bleibt von uns nichts als Gebein!
Darum laßt uns lustig sein,
Wein herbei! Schenkt ein, schenkt ein! Bona Saturnalia...entschuldigt mich bitte mal kurz!"
Marcus stand auf, wie sehr war er doch versucht den Dolch des Feldherren Hannibals in den Hals des Germanen zu stoßen, aber das würde nur eine widerliche Sauerei am Tisch ergeben und ein Schwein hatten sie schließlich schon geopfert. Trotzdem ging Marcus an dessen Kline vorbei, beugte sich vor.
"Du kannst Fortuna danken, daß heute Saturnalia sind, Germane. Doch ein falsches Wort, eine falsche Bemerkung und ich reiß Dir mit einem Löffel Deine Gedärme raus!"
Dann richtete sich Marcus auf und folgte seiner Tochter, suchte nach ihr erst im Gang ehe er sie an den Säulen ausmachen konnte. Besorgt beugte er sich zu ihr runter, wagte es immer noch nicht, sie zu vertraulich zu berühren.
"Kleines, ist Dir nicht gut?"